Chronologie der Ereignisse

September

25.9., Mainz: Das rheinl.-pfälzische Verwaltungsgericht erklärt die poli-zeiliche Einkesselung von jugendlichen Demonstranten am 16.9.1986 in Mainz für rechtswidrig, weil die polizeiliche Maßnahme gegen die Versammlungsfreiheit verstoßen hat. (Ak-tenzeichen 3K3/90, 3K21/90)
Berlin-Ost: Auf dem Alexanderplatz kommt es zu gewalttätigen Auseinan-dersetzungen zwischen rund 500 Demonstranten und 300 Polizisten.

Oktober

1.10., Coburg: Alwin Strecker, Kommandeur des Grenzschutzkommandos Süd informiert die Presse über die zukünftigen Aufgaben des BGS. Nach den Konzeptionen des Bundesinnenministeriums soll der BGS zu einer „Bundespolizei“ umstrukturiert und die Personalstärke von z.Zt. 20.000 auf 30.000 Beamte erhöht werden. Zu den neuen Aufgabenfeldern sollen u.a. die Aufgaben der Bahnpolizei, die Kontrolle der Luftsicherheit sowie Aufgaben im Bereich von Personen- und Objektschutz im Ausland gehören.
Berlin: Die Hoheit über die Berliner Volkspolizei geht auf den Berliner In-nensenator Pätzold (SPD) über.
2.10., Karlsruhe: Aufgrund von Aussagen ehemaliger STASI-Agenten wird eine Regierungsdirektorin beim BND wegen Spionagetätigkeit festgenommen. Am 10.10 offenbart ein Oberamtsrat beim Bundesamt f. Verfassungsschutz (BfV) freiwillig seine Tätigkeit für die STASI. Beim BfV war er damit befaßt, umgedrehte STASI-Agenten bei Gegenoperationen zu führen. Durch seine Festnahme werden 11 weitere STASI-Agenten verhaftet, darunter auch zwei hohe Beamte der Spionageabwehr des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Schließlich wird am 19.10 bekannt, daß der inzwischen verstorbene ehemalige Vizepräsident des MAD, Joachim Krase, jahrelang für die STASI gearbeitet hat. Offiziellen Angaben zufolge sind seit dem 9.November 1989 insgesamt 178 STASI-Agenten festgenommen worden.
3.10., Berlin: Bei den offiziellen Feierlichkeiten zur deutschen Wiederver-einigung am Reichstag stoppt ein Beamter des Sondereinsatzkommandos der Polizei die nach vorn drängenden Menschen mit 3 Warnschüssen, um mehrere gestürzte Personen davor zu schützen, überrannt zu werden.
Im Rahmen der Gegendemonstrationen zu den Vereinigungsfeierlichkeiten kommt es auf dem Alexanderplatz zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten . Hierbei wird eine Polizeibeamtin mit einer Eisenstange niedergeschlagen.
8.10., Berlin: 64 Führungskräfte des ehemalige Volkspolizeipräsidiums werden von Innensenator Pätzold mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt.
11.10., Berlin: Die Transportpolizei der DDR wird vom BGS übernommen und zu einer Bahnpolizei umstrukturiert. Hiervon sind insgesamt 6300 Beschäftigte betroffen.
12.10., Oppenau: Bundesinnenminister Schäuble (CDU) wird nach einer Wahlveranstaltung bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt.
16.10., Berlin: Bei den parlamentarischen Haushaltsberatungen werden die Mittel für die Freiwillige Polizei Reserve (FPR) in Höhe von 1,619 Mio. DM gestrichen. Die FRP soll zum 31.12.1990 aufgelöst werden.
17.10., Berlin: Das Berliner Abgeordnetenhaus berät erstmalig öffentlich den Etat des Verfassungsschutzes (LfV) in Höhe von 21,14 Mio. DM. Diese Summe liegt um 0,5 Mio. DM unter dem Vorjahresentwurf.
19.10., Berlin: Die Westberliner Staatsanwaltschaft durchsucht die PDS-Parteizentrale wegen Gefahr im Verzug ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl aufgrund des Verdachts der Veruntreuung von 100 Mio. DM. Nachdem sich die Verdachtsmomente gegen die PDS als begründet erwiesen haben, erfolgt eine zweite Durchsuchung mit ausdrücklicher Genehmigung des Parteivorsitzenden Gysi.
Berlin: Der parlamentarische Untersuchungsausschuß zum Mordfall Schmücker legt trotz nicht abgeschlos-sener Beweisaufnahme, da eine Klä-rung nicht mehr möglich ist, seinen Untersuchungsbericht vor. (DrsNr. 11 /1224)
22.10., Karlsruhe: Aufgrund von Aussagen ehemaliger RAF-Mitglieder, die sich in den 80er Jahren in die DDR abgesetzt hatten, wird von der Bundesanwaltschaft gegen den inhaftierten Ex-Terroristen Peter-Jürgen Book erneut Haftbefehl erlassen. Book soll am 19. Nov. 1979 an einem bewaffneten Raubüberfall in Zürich teilgenommen haben.
Düsseldorf: Ingrid Strobl wird vom Düsseldorfer OLG in einem Revisi-onsverfahren wegen Beihilfe zu einem Sprengstoffanschlag auf das Luft-hansa-Verwaltungsgebäude in Köln (Oktober 1986) zu drei Jahren Haft verurteilt. Die Untersuchungshaft von 2 1/2 Jahren wird angerechnet, die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.
24.10., Nürnberg: Vom Nürnberger Amtsgericht wird ein Polizeibeamter, der im April dieses Jahres einen Achtzehnjährigen nach einer Verfolgungsjagd erschossen hatte, vom Vorwurf der „unangemessenen Notwehr“ freigesprochen.
Wiesbaden: Der Hessische Innenminister Milde zitiert im Landtag Passagen eines Abhörprotokolls. Ein abgehörter Journalist erstattet daraufhin Anzeige. Aufgrund zunehmenden politischen Drucks tritt Milde am 6.11. von seinem Amt zurück.
27.10., Erding: Ein Polizeibeamter erschießt bei einer Festnahme von zwei Heroinhändlern irrtümlich einen Zivilfahnder, der sich während der Festnahme entfernen wollte.
31.10., Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht erklärt das in Schleswig-Holstein und Hamburg eingeführ-te kommunale Wahlrecht für Auslän-der für verfassungswidrig. (Aktenzei-chen: 2 BvF 2/89, 3/89 und 6/89)

November

1.11., Würzburg: Ein Würzburger Schöffengericht verurteilt einen Poli-zeibeamten wegen fahrlässiger Tötung zu 9000,- DM Geldstrafe. Der Beam-te hatte am 9. Sept. 1989 bei einer Verkehrkontrolle einen siebzehnjährigen Jungen erschossen.
2.11., Mainz: In Rheinland-Pfalz wird die Regelanfrage beim Verfassungsschutz zum 1.1.1991 abgeschafft.
4.11., Leipzig: Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen Fußballfans und der Polizei wird ein 18jähriger Mann erschossen.
5.11., Berlin: Das Berliner Landesamt f. Verfassungsschutz hat in den siebziger und achtziger Jahren 226 Rechtsanwälte und Rechtsreferendare bespitzelt; dies gibt Innensenator Pätzold bekannt. Die gespeicherten Personen sollen über ihre Speicherung informiert werden und Akteneinsicht er-halten.
6.11., Berlin: Innensenator Pätzold fordert von der Bundesregierung die „zügige personelle und strukturelle Änderungen“ beim „Gemeinsamen Landeskriminalamt“ der fünf neuen Bundesländer.
7.11., Berlin: Im vierten Prozeßdurchgang des Mordfalles Schmücker stellt die Verteidigung den Antrag, je-ne Richter zu vernehmen, die aufgrund eines VfS-Vermerkes vor 12 Jahren einen V-Mann des VfS gedeckt haben sollen. Der Hauptbelastungszeuge in den früheren Verfahren, J. Bodeux, sagt in diesem Verfahren überraschend aus, der V-Mann Weingraber sei in die Pläne zur Ermordung des Ulrich Schmücker eingeweiht gewesen. Innensenator Pätzold läßt daraufhin erneut den Berliner Verfassungsschutz überprüfen, da von dieser Tatsache bislang weder die Innenverwaltung noch der Parlamentarische Untersuchungsausschuß gewußt haben.
Berlin: Nach Angaben von Polizeipräsident Schertz, arbeiten in Berlin (O) gegenwärtig 1824 Polizeibeamte und 536 Kriminalbeamte aus Berlin (W). In Berlin (W) sind 2596 frühere Schutzpolizisten der Vopo und 1078 ehemalige Kriminalisten tätig.
München: Ein Polizeibeamter erschießt einen mutmaßlichen Autodieb auf der Flucht. Das Opfer war im Besitz einer Schreckschußpistole.
Karlsruhe: Generalbundesanwalt von Stahl erklärt alle von der RAF Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre verübten Verbrechen aufgrund der Aussagen der in der ehemaligen DDR festgenommenen RAF-Mitglieder für aufgeklärt.
Frankfurt/M.: Vor dem LG Frankfurt beginnt das Wiederaufnahmeverfahren um den Tod des Demonstranten G. Sare, der am 28.Sept. 1985 bei einer Demonstration von einem Wasserwerfer der Polizei überfahren worden war. Der BGH hatte in einer Revision die Freisprüche für die beiden verantwortlichen Beamten aufgehoben.
8.11., Berlin: In Berlin wird die BGS-Leitungszentrale für 8700 Beam-te installiert, die künftig im neugeschaffenen BGS-Kommando Ost eingesetzt werden. Weiterhin wird am südlichen Stadtrand Berlins eine BGS-Einsatzabteilung mit ca. 850 Beamten stationiert.
10.11., Magdeburg: Nach einem Fußballspiel kommt es zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Fußballfans und der Polizei. Die Polizei setzt Wasserwerfer, Reizgas und Hun-de ein.
12.11., Berlin: In den frühen Morgenstunden werden 3 besetzte Häuser in den Ost-Berliner Bezirken Lichtenberg und Prenzlauer Berg von der Po-lizei geräumt. Es kommt zu gewalt-tätigen Auseinandersetzungen zwi-schen Besetzern und der Polizei in der Mainzer Straße. Insgesamt werden 600 Polizisten eingesetzt. Innensenator Pätzold kündigt ein härteres Vorgehen gegen Hausbesetzer an. Am 13.11. treffen zur Verstärkung der Berliner Polizei 1200 Polizeibeamte aus Nordrhein-Westfalen und 300 Beamte aus Niedersachsen in Berlin ein. In den Morgenstunden des 14.11 räu-men 1500 Beamte die Häuser in der Mainzer Straße. Hierbei kommt es abermals zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf ein Beamter 3 Warnschüsse abgibt. Am Nachmittag demonstrieren ca. 10.000 Personen gegen die Häuserräumungen. Die Alternative Liste verläßt am 15.11. aufgrund der Ereignisse die Koalition mit der SPD.

13.11., Bonn: Die Bundesgeschäftsstelle der GRÜNEN wird von der Polizei unter dem Vorwurf der Aufforderung zur Fahnenflucht nach Flugblättern durchsucht. Es werden 78 Flugblätter beschlagnahmt.