von Heinz Weiß
Erregt sitzt der Mandant vor seinem Rechtsanwalt: Ein „Freund“ zahlt ihm das gewährte Darlehen nicht zurück. Er hat viel Geduld mit dem säumigen Schuldner gezeigt und sich noch mehr leere Versprechungen angehört. Dabei hat der Mann Geld! Jetzt ist Schluß! Herr Anwalt, beschaffen Sie mir das Geld. Voll Mitgefühl für den Geprellten und mit großem Tatendrang macht sich der Jurist an seine Arbeit.
Nun sind recht haben und recht bekommen bekanntlich zweierlei Dinge. Der schönste Schuldschein nutzt nichts, wenn man nicht weiß, wo der Zahlungs-pflichtige wohnt. Wer sich vor Gläubigern in Sicherheit bringen will, wird es nicht als vorrangige Aufgabe betrachten, dem Einwohnermeldeamt eine aktuelle Adresse mitzuteilen. Wohin also soll die fällige Klage zugestellt werden? Wohin den Gerichtsvollzieher schicken? Als letzter Ausweg bietet sich die Einschaltung einer Detektei an. Natürlich gibt es auch komplexere Sachver-halte, bei denen es auf die Beschaffung fehlender Informationen ankommt und der Anwalt diese Aufgabe übernehmen muß. Sitzt in einer Strafsache ein Beschuldigter aufgrund dürrer Indizien oder falscher Anschuldigungen zu Unrecht in Untersuchungshaft, so müssen u.U. Zeugen gesucht werden, um den wahren Sachverhalt zu klären. Hier kommt der eigenständigen Ermitt-lungstätigkeit des Verteidigers eine zentrale Bedeutung zu, die im Extremfall auch über ein „lebenslänglich“ entscheiden kann.
Legitime Interessen
Daß ein Anwalt in einer Vielzahl von Fällen ein legitimes Interesse an der Beschaffung von Informationen hat, liegt auf der Hand. An erster Stelle steht dabei die Pflicht, seinen Mandanten optimal zu vertreten. Besonders sinnfällig wird dies, wenn die Rechte Schwächerer von Stärkeren oder Skrupelloseren beeinträchtigt werden. Hat sich der Anwalt dazu entschlossen, ein Mandat zu übernehmen, so muß er alle legalen Möglichkeiten ausschöpfen, dem Interesse des Mandanten zu dienen. Dazu gehört u.U. auch die Inanspruchnahme von Detekteien.
Das Aufsprüren ladungsfähiger Anschriften oder die Ermittlung von Arbeits-stellen zum Zwecke der Lohnpfändung stellen dabei die häufigsten Anlässe dar, eine Detektei einzusetzen. Für diese handelt es sich um eine Routinean-gelegenheit, die im wesentlichen telefonisch oder durch einfache Nachfragen im Wohnumfeld des Gesuchten erledigt werden. Bei solchen Recherchen arbeiten Detekteien auch zusammen, so daß einfach die nächstgelegene Detektei in Berlin eingeschaltet werden kann, um z.B. eine Adresse in Nürnberg zu erhalten. Die Kosten für solche in wenigen Tagen erledigte Anfragen belaufen sich auf 80,– bis 100,– DM.
Sind aber umfangreichere Sachverhalte zu klären, wird ein erheblicher und damit teurer Personaleinsatz erforderlich. Eventuell müssen Häuser über län-gere Zeit observiert werden, oder die Detektive drücken sich stundenlang in Kneipen herum, um Auskunftspersonen kennenzulernen und in das Umfeld bestimmter Personen einzudringen (oder auch nicht). Dies kostet mehrere tausend Mark, wobei der Kostenrahmen bei Auftragserteilung kaum abzuschätzen ist. Auch wenn ein solcher vorab vereinbart wurde, kann man nicht sicher sein, daß es nicht doch erheblich teurer wird: Ist das Geld verbraucht und das Ergebnis mager, so läßt sich leicht eine Geschichte erfinden, wonach man dicht vor dem Ziel sei und nur noch kurze Zeit brauche, um den großen Fang, sprich die harten Informationen, einzufahren. Da wird dann leicht noch der eine oder andere Tausender draufgelegt. Man hätte sie meist ebenso gleich wegwerfen können!
Vorbehalte ?!
Die Einschaltung einer Detektei erfordert somit ein hohes Maß an Verant-wortungsbewußtsein vom Anwalt, der seinem Mandanten zu einem solchen Schritt rät. Die Frage nach politischen und/oder moralischen Vorbehalten stellt sich damit vorher. Wird der Anwalt etwa im Rahmen eines Scheidungsverfahrens von einem Ehepartner beauftragt, das Sorgerecht für ein Kind zu sichern oder das Umgangsrecht des anderen wegen dessen unmoralischen Lebenswandels (?) auszuschließen, so ist absehbar, auf welch schlüpfriges Terrain man sich begeben kann. Von Anbeginn muß man mit sich im reinen sein, ob man dieses Mandat übernehmen kann oder ob innere Vorbehalte eine wirkungsvolle Interessenvertretung behindern könnten oder gar unmöglich machen. Dies kann möglicherweise auch den Einsatz eines Detektivs betreffen. Wenn solche Bedenken erst im Verlaufe der Bearbeitung eines anfänglich für unproblematisch gehaltenen Falles entstehen, bleibt letztlich nichts anderes, als das Mandat niederzulegen.
Meine nicht repräsentative Umfrage unter einigen ‚linken‘ Berliner Rechts-anwälten ergab denn auch ein einhelliges Bild. Vom gestrengen Bürger-rechtsvertreter bis zum harten Szene-Anwalt äußerte niemand politische Vor-behalte gegenüber der Einschaltung von Privatdetektiven, wenn das Interesse des Mandanten es erfordert. Schwerpunktmäßig als Strafverteidiger arbeitende Kollegen reagierten fast empört auf entsprechende Fragen. In Kenntnis der überragenden Bedeutung der eigenen Ermittlungstätigkeit für den Erfolg einer Verteidigung steht für sie der Einsatz von Detekteien überhaupt nicht zur Debatte, da ein Rechtsanwalt schließlich nicht – wie sein Gegenüber von der Staatsanwaltschaft – über einen eigenen Ermittlungsapparat verfügt. Allerdings waren vereinzelt Vorbehalte zu spüren, was die Qualität der von Detekteien gelieferten Ermittlungsergebnisse betrifft. Da vertraute man zum Wohle des Mandanten doch eher auf eigene Recherchen.
Eher zivilrechtlich ausgerichtete Kollegen hatten ebenfalls keine politischen, sondern praktische Bedenken. Hintergrund hierfür dürfte sein, daß in einem Zivilprozeß andere Beweisvorschriften gelten. Informationen, mit denen man in einem Strafverfahren viel bewirken kann, nutzen im Zivilprozeß wenig, wenn man als Beweispflichtiger den streitigen Sachverhalt haarklein in allen Details bis hin zum Wortlaut bestimmter Äußerungen unter Beweis stellen muß. Bei Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit bestimmter Aussagen bleibt eine Klage erfolglos. Der zuweilen beträchtliche finanzielle Aufwand für die Detektei, die die unzureichenden Informationen gesammelt hat, ist dann vergebens.
Die geäußerten Bedenken beruhen auf Vorbehalten gegenüber einer Branche, in der nicht wenige Scharlatane am Werke sind. Aus zweifelhafter, jedenfalls meist unbekannter Quelle geschöpft, sind die Informationen häufig unzuver-lässig. So manchem dünnen Ermittlungsbericht ist vorzuhalten, daß er lediglich die vom Auftraggeber vorgegebene Beweistatsache allgemein bestätigt, statt daß er sie mit eigenen Ermittlungsergebnissen (namentlich benannten Zeugen, Urkunden etc.) untermauert. Häufig liegt dies allerdings daran, daß der Auftraggeber von vornherein den finanziellen Rahmen eng hält.
Unter’m Strich
So wichtig und notwendig der Detektiveinsatz zuweilen auch sein mag, in der Praxis spielt er zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle. Einige der befragten Kollegen hatten noch nie einen Detektiv in Anspruch genommen. Häufiger wurde dies den Mandanten aber vorgeschlagen, jedoch waren diese in der Regel nicht bereit, sich auf größere finanzielle Abenteuer einzulassen. Der „Fall für zwei“ bleibt somit ein Ausnahmefall.