Die Bereitschaftspolizei in Brandenburg – Ein vernünftiges Konzept ohne große Chancen

von Otto Diederichs

Bereitschaftspolizeien gehören seit Anfang der 50er Jahre zur festen Einrichtung der Polizeien der Länder. Durch ein „Verwaltungsabkommen über die Errichtung von Bereitschaftspolizeien der Länder“ hatten sich diese seinerzeit verpflichtet, eine solche „besondere Polizeieinheit“ zu unterhalten. Nachdem im November 1991 die neue Polizeiorganisationsstruktur des Landes Brandenburg durch ministeriellen Erlaß errichtet wurde, trat man auch dort dem Abkommen bei und begann mit dem Aufbau einer eigenen Bereitschaftspolizei. Dabei ging das Land jedoch von Anbeginn einen anderen Weg, als es bisher beim Aufbau derartiger Formationen üblich war.

Weil er eine „historische Chance“ sah, im benachbarten Brandenburg beim Aufbau einer „bürgernahen Polizei“ mitzuwirken, hatte sich der damalige Berliner Polizeioberrat (POR) Volker Pfarr im Sommer 1990 ins Nachbarland abordnen lassen. Das Konzept der „Brandenburger Linie“ das Pfarr und seine Kollegen (zumeist aus Nordrhein-Westfalen, das die ‚Patenschaft‘ für Brandenburg übernommen hat) entwickelt haben, trägt durchaus Züge, die es wert wären, auch von den übrigen Länderpolizeien aufmerksam betrachtet und für die eigene Organisation übernommen zu werden. Die Chancen dafür stehen indes nicht gut.

Die „Brandenburger Linie“

Organisatorisch besteht die brandenburgische Bereitschaftspolizei (Bepo) (Sollstärke ca. 800 Mann) aus fünf Einsatzhundertschaften, die bei den Polizeipräsidien in Potsdam, Frankfurt/Oder, Cottbus, Eberswalde und Oranienburg stationiert sind. Der Führungsstab und der Technische Dienst haben ihren Sitz in den Kasernen der ehemaligen Vopo-Bereitschaft in Potsdam Eiche.[1]

Betrachtet man die Aufgabenstellung, so wird man zunächst keine Unterschiede zu den übrigen Bundesländern feststellen können. „Zu den Aufgaben der Bereitschaftspolizei“ heißt es, „gehören insbesondere:

  • die Unterstützung der Polizeibehörden und der anderen Bundesländer bei Lagen aus besonderen Anlässen,
  • Bereithalten von Kräften als geschlossene Einheiten,
  • die Unterstützung der Polizeibehörden im Vollzugsdienst,
  • die bereitschaftspolizeispezifische Aus- und Fortbildung“.[2]

Die Besonderheiten der „Brandenburger Linie“ erschließen sich erst bei näherem Hinsehen. Dann allerdings stellen sie im bisherigen Polizeigefüge beinahe eine kleine Revolution dar. Das beginnt mit der Ausbildung der Polizeischüler, die in Brandenburg an der Landespolizeischule stattfindet und nicht – wie sonst allgemein üblich – bei der Bereitschaftspolizei. Nach abgeschlossener Ausbildung sollen die Beamten zunächst noch für mindestens ein Jahr Vollzugserfahrungen im täglichen Dienst der Schutzpolizei erwerben, bevor sie für maximal fünf Jahre in die Bepo übernommen werden können. Eine Ausnahme von dieser Regel soll – aus naheliegenden Gründen – nur für den Führungsstab und den Technischen Dienst gelten. Auf diese Weise will man verhindern, daß sich in der Bepo ein elitärer Corpsgeist entwickelt, wie dies in männerbündelnden Verbänden gemeinhin schnell geschieht. Dem dient auch der Verzicht auf den sonst üblichen Schicht- und Wechseldienst. Außer kleineren Kontingenten für Alarmfälle halten sich die Bepo-Beamten nur während des regulären Arbeitstages in ihren Kasernen auf: „Die Bereitschaftspolizeiangehörigen werden nicht kaserniert untergebracht. Das Personal wohnt im Normalfall am Standort oder in dessen Nähe. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit kehrt er nach Hause zurück.“[3]

Entscheidender als das Rotationssystem und die Einführung von ‚Bürozeiten‘ ist jedoch die Beschränkung der Befugnisse, die der Bepo auferlegt wurde. Im Gegensatz zur üblichen bundesweiten Praxis besitzt die Bereitschaftspolizei des ‚Ampellandes‘ keine exekutive Eigenständigkeit, sondern wird im Anforderungsfalle von der Polizeiabteilung des Innenministeriums lediglich zur Unterstützung an die Polizeipräsidien ausgeliehen. D.h. Einsätze bei Demonstrationen, Fußballkrawallen o.a. nach dem gängigen Muster ‚Auftrag und Marschbefehl liegen vor – Bepo marschiert‘ sind nicht möglich. Rückt in Brandenburg die Bereitschaftspolizei aus, so obliegt das Kommando dem jeweiligen Einsatzführer lediglich bis zum Erreichen seines Zielortes, dort unterstellt er sich und seine Mannschaften dem Befehl des örtlichen Polizeipräsidenten. Dies gilt auch für den unterdessen zum Polizeidirektor (PD) aufgestiegenen Chef der Bereitschaftspolizei, Volker Pfarr und seinen Führungsstab. Allein dadurch muß sich das Ergebnis eines Bepo-Einsatzes in Brandenburg von sattsam bekannten Knüppelorgien anderer Länder letztlich nicht zwangsläufig unterscheiden; für das Herausbilden eines elitären Truppenverständnisses und hierarchisch gewachsener Befehlsstränge ist dies jedoch von ganz entscheidender Bedeutung.

Ebenfalls ohne Vorbild ist auch der weitestmögliche Verzicht auf sog. schweres Gerät, d.h. Wasserwerfer und Sonderwagen. Räumpanzer etc., die aus den Einsatzkonzeptionen von Bereitschaftspolizeien in der Regel nicht wegzudenken sind: „Das Vorhalten einer strukturmäßigen Stabshundertschaft wurde nur eingeschränkt als notwendig erkannt; d.h. ohne die Führungsgruppe, den Aufklärungszug und den Sonderwagen im Sondereinsatzzug. Das unverzichtbare Fachhandwerk und die Logistik für Führungs- und Einsatzmittel sind deshalb im sog. Technischen Dienst (Fernmeldezug, Technischer Zug) zusammengefaßt. Im Technischen Zug werden insbesondere die Polizeitaucher und die beiden Wasserwerfer der Bereitschaftspolizei bereitgehalten.“[4] Die Anschaffung der Wasserwerfer geht dabei, offiziellen Verlautbarungen zufolge, darauf zurück, daß Brandenburg im Rahmen des eingangs genannten Verwaltungsabkommens aus Gründen der Bundestreue verpflichtet ist, den übrigen Bundesländern im Bedarfsfalle „adäquate Unterstützung“ leisten zu können, wie PD Pfarr es ausdrückt, um hinzuzufügen, er sei sich darüber im Klaren, daß das Einsatzmittel Wasserwerfer „nicht unumstritten“ sei. Daher habe man auch bestimmt, daß die Wasserwerferkommandanten „ausgewählte, erfahrene, flexible Angehörige des gehobenen Dienstes mit einer entsprechenden Planstelle“[5] sein müssen, die zudem an strenge Einsatzvoraussetzungen gebunden seien.

Die äußeren Rahmenbedingungen

Einem Polizeikonzept, wie es in Brandenburg in Umrissen sichtbar wird, wäre zu wünschen, daß es sich erproben, weiterentwickeln und möglicherweise als Modellversuch für den Einstieg in eine neue bürgernahe Polizei dienen könnte. Danach allerdings sieht es angesichts der auch in Brandenburg zahlreichen Überfälle auf Asylbewerberheime etc. nicht aus. Derartige Situationen sind zumeist dazu angetan, strenge Befehlsstrukturen zu begünstigen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß der truppenpolizeilich straff geführte Bundesgrenzschutz (BGS) auch in Brandenburg stationiert ist und somit stets als schnell verfügbares Instrumentarium zur Verfügung stünde, wenn die „Brandenburger Linie“ nicht schnell genug den gewünschten Erfolg brächte. Darüber hinaus wurde vom Bundesinnenministerium von Anfang an kräftig in das Potsdamer Konzept hineinregiert. So mußte der ursprüngliche Plan, anstelle einer Bereitschaftspolizei lediglich „Präsidiumshundertschaften“ zu bilden, die an das jeweilige örtliche Polizeipräsidium angebunden werden sollten, auf Bonner Druck wieder verworfen werden. Das allerdings mag man in Brandenburg so nicht bestätigen und spricht statt dessen von einem „Zwischending zwischen Vernunft und Einsicht“. Ebensowenig ist man bereit, offiziell zu bestätigen, was man in Potsdam und Berlin hinter vorgehaltener Hand allenthalben erfahren kann, daß nämlich auch die Anschaffung der Wasserwerfer nur gezwungenermaßen erfolgte.

Das Mitspracherecht hatten sich die Bonner über ihren Finanztopf gesichert. „Der Bund beschafft auf seine Kosten Kraftfahrzeuge, Fernmeldemittel, Sanitätsausrüstung, sonstiges Gerät sowie Waffen und Munition …“, heißt es in § 7 des Verwaltungsabkommens. Im Nachtragshaushalt 1991 wurden für den Aufbau der Bereitschaftspolizeien der neuen Bundesländer (einschl. Berlin) 100 Mio. DM bewilligt.[6] Sofern von Brandenburg beim Aufbau seiner Bereitschaftspolizei nicht gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt worden wären, hätte dem Land hier – den inoffiziellen Quellen zufolge – eine Reduzierung evtl. sogar völlige Streichung seines Anteils gedroht.

Noch weit negativer für das Brandenburger Polizeimodell wird sich am Ende aber wohl der angestrebte Zusammenschluß der Länder Berlin und Brandenburg auswirken. Den rund 9.000 brandenburgischen Polizeibediensteten (davon ca. 7.500 Vollzugsbeamte) stehen dann rund 32.000 (21.500) Berliner Beamtinnen mit ihrer traditionellen Konzeption gegenüber. Daß die „Brandenburger Linie“ diese Fusion unbeschadet überstünde, ist kaum anzunehmen.

Otto Diederichs ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
[1] Bereitschaftspolizei – heute 11/92
[2] Aufgaben der Bereitschaftspolizei und personalwirtschaftliche Grundsätze, v. Februar 1992
[3] Bereitschaftspolizei – heute 11/92
[4] ebd.
[5] ebd.
[6] Kap. 0624: Beschaffungen für die Bereitschaftspolizeien der Länder