Literatur, Rezensionen und Hinweise

Literatur zum Schwerpunkt

Die umfangreiche Literatur zu den Themen ‚Gewalt‘ einerseits und ’neuer Rechtsradikalismus‘ andererseits kann im folgenden nicht berücksichtigt werden. Die Angaben beschränken sich auf Veröffentlichungen, die Hinweise auf die Rolle von Polizei und Verfassungsschutz gegenüber der neuen Gewalt von rechts geben.

Schwind, Hans-Dieter; Baumann, Jürgen; Lösel, Friedrich u.a. (Hg.): Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt. Analysen und Vorschläge der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission), Berlin 1990 (4 Bde.)
Zunächst – und entgegen der Vorbemerkung – muß auf das Gewaltgutachten hingewiesen werden. Dies deshalb, weil es nichts zu den Themen dieses Schwerpunktheftes enthält. Da das an den Erscheinungsformen sozialen Protests der 80er Jahre orientierte Verständnis von Gewalt die Arbeit der Kommission bestimmte, ist es nur folgerichtig, wenn von Gewalt gegen Ausländer, Fremde, Minderheiten etc. an keiner Stelle die Rede ist. Während schon Häuser brannten, beschäftigte sich die Kommission noch ausführlich mit der Nötigung durch friedliche Sitzblockaden!

Albrecht, Peter Alexis; Backes, Otto (Hg.): Verdeckte Gewalt. Plädoyers für eine „Innere Abrüstung“, Frankfurt a. M. 1990
Die in diesem Band versammelten kritischen Stellungnahmen zur Gewaltkommission machen deutlich, wie systematisch und bewußt blind erstere sich ihres Themas annahm. Allein drei Beiträge beschäftigen sich mit Fragen der Ausländerfeindlichkeit, des Fremdenhasses und des Rechtsextremismus. Insbesondere der Beitrag von Heitmeyer verdient Erwähnung, weil er die spannendsten Aspekte präzise benennt: die Individualisierung und Entpolitisierung von Gewalt, die typischen polizeilichen Reaktionen im Spektrum zwischen „Unter-Reaktion und Inkonsistenz“, der „Normalitätszuwachs“ fremdenfeindlichen Gedankenguts durch die Äußerungen „parlamentarisch vertretener deutsch-national ausgerichteter Personen und Gruppierungen“ sowie Hinweise auf die der minderheitenfeindliche Gewalt zugrundeliegende Problematik. Als entscheidend diagnostiziert Heitmeyer die Kluft zwischen einer forcierten Modernisierungspolitik, die soziale Zusammenhänge und Traditionsbestände auflöst, während sie gleichzeitig „die Illusion von traditionaler Kultur“ aufrechterhält.

Heitmeyer, Wilhelm; Möller, Kurt; Sünker, Heinz (Hg.): Jugend – Staat – Gewalt, Weinheim, München 1989
In anderen Zusammenhängen hat sich Heitmeyer in zwei Beiträgen dieses Bandes zum Thema rechtsextremistisch orientierter Gewalt geäußert. Daß diese in den 80er Jahren zwar zunahm, aber kaum öffentlich diskutiert wurde, erklärt er damit, daß sie gegen rechtlose Fremde und nicht gegen staatliche Institutionen gerichtet war. Zentral für seine Interpretation der Gewalt von rechts bleiben die Folgen ökonomisch begründeter Modernisierung, die die subjektive Empfänglichkeit für rechtsradikales Gedankengut schaffen. Mit der „kostenlosen Aggression“ gegen Minderheiten schaffe es individuelle Orientierungen und sozialen Zusammenhalt. Heitmeyers Überlegungen zur Identitätsbildung Jugendlicher in der Pubertät können Hinweise auf Einstellungen und Reaktionen ganzer (erwachsener) Bevölkerungsgruppen geben, wenn deren vertraute Verhältnisse in kürzester Zeit durch politisch-ökonomische Prozesse zerstört werden.

Farin, Klaus; Seidel-Pielen, Eberhard: Krieg in den Städten, Berlin (Rotbuch) 1991
Die Vorzüge dieser Reportage über großstädtische gewaltbereite Jugendsubkulturen liegen in der Unvoreingenommenheit, mit der die Autoren versuchen, sich den einzelnen Gruppen zu nähern. Schnell werden so hinter den Tätern, auch die Opfer sichtbar, die in der ‚gang‘ keinen Ausweg, sondern einen solidarischen Zusammenhalt in der Marginalisierung suchen. Beklemmender als die Schilderungen der Gruppen und ihrer Aktionen ist die deutlich werdende Hilflosigkeit. In diesem Sinne werden auch die polizeilichen Strategien in ihrer doppelten Ausrichtung dargestellt (S. 131-138), die sich mit „Reden und Erfassen“ überschreiben lassen.

Gerke, Wolfgang: Jugend, Gruppen und Gewalt, in: Die Kriminalpolizei 9. Jg., 1992, Nr. 3, S. 89-97
Die Berliner Situation, die „Möglichkeiten und Grenzen polizeilicher und außerbehördlicher Maßnahmen zur Begrenzung eines Phänomens“ werden in diesem Aufsatz vom Leiter der ‚Arbeitsgruppe Gruppengewalt‘ der Berliner Polizei vorgestellt.

Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hg.): Ausländerfeindlichkeit in Deutschland – Wir alle sind gemeint!, Sensbachtal 1992
Die Denkschrift beleuchtet das durch die Asyldiskussion entstandene politische Klima, ohne das die neue Gewalt von rechts nicht verstanden werden kann. Die These von der politischen Produktion und Nützlichkeit von Vorurteilen wird verbunden mit Hinweisen auf die trennenden Folgen kapitalistisch organisierter Gesellschaften und den durch die Art der deutschen Vereinigung hervorgerufenen Unsicherheiten. Das Komitee zeigt gleichermaßen, daß eine indivdualistische Betrachtung „rechter Gewalttäter“ am Kern des Problems vorbeigeht und die Diskussion um das Asylrecht eine Scheindebatte ist, die mit Ängsten und Unwissenheit der Menschen arbeitet.

Richter, Karl-Otto; Hermann, Britta; Schmidtbauer, Bernhard: Akzeptanz von Asylbewerbern in Rostock-Stadt. Ergebnisse einer empirischen Studie, Rostock 1992 (CCEF-Report 1/1992, Reihe A)
Die als explorative Studie angelegte Befragung von 192 Rostockern (im Frühjahr 1992) bringt eindrucksvolle Belege für die Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit auch in der ‚Normalbevölkerung‘ und der Ersatzfunktion, die fremdenfeindliche Einstellungen und Handlungen einnehmen. Als Ursachen der Fremdenfeindlichkeit werden von den Befragten an erster Stelle genannt: hohe Arbeitslosigkeit, Mangel an Wohnungen und die Asyl-Diskussion der Politiker (S. 39).

Sippel, Heinrich: Der Rechtsextremismus nach der Wiedervereinigung, in: Backes, Uwe; Jesse, Eckhard (Hg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 3, Bonn 1991, S. 166-174
Der Beitrag des Leitenden Regierungsdirektors im Bundesamt für Verfassungsschutz macht exemplarisch Realitätsferne und Objektnähe des Amtes deutlich. Fixiert auf den organisierten Rechtsextremismus und dessen Abschneiden bei den Wahlen, spricht er von der „politischen Isolation“, in die dieser „im Zuge des Wiedervereinigungsprozesses“ geraten sei. Die Situation in der Ex-DDR wird allenfalls als „Agitationshintergrund“ wahrgenommen und rechtfertigend als „z.T. existentielle Härten (…), die die wiedererrungene staatliche Einheit zwangsläufig mit sich bringt“ verharmlost. Daß der Autor seine Hoffnungen auf den Auf- und Ausbau von Polizei und Verfassungsschutz in den neuen Bundesländern setzt, überrascht kaum.

Backes, Uwe; Jesse, Eckhard: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland (3 Bde.), Köln 1989
Wer die Einschätzungen des Verfassungsschutzes nicht bei diesem selbst nachlesen will (auf die Verfassungsschutzberichte und zahlreichen Lagebilder der Ämter sei am Rande verwiesen), kann zu Backes/ Jesse greifen. Im ersten Band (S. 63-144) liefern die Autoren zwar eine der bundesrepublikanische Geschichte folgende Literaturübersicht zum Thema Rechtsextremismus, die sie jedoch durch ihre blind-affirmative FdGO-Perspektive selbst entwerten. Im 2. Band („Analyse“) werden die von rechts drohenden „Gefahren für die Verfassungsordnung“ neben der „erfolgreichen extremistischen Wahlbewegung“ auch bei „kleinen Minderheiten“ diagnostiziert, die „den massiven Bruch der Legalität bewußt in Kauf nehmen“ (S. 93). Selbstredend, daß das Fehlen eines rechten Terrorismus in der BRD auf das „strenge Vorgehen der Sicherheitsbehörden“ zurückgeführt wird.

Bundesminister des Innern (Hg.): Extremismus und Fremdenfeindlichkeit, Bonn 1992 (2 Bde.)
Wehrhafte Demokratie und Rechtsextremismus, Bonn 1992
Schutz der Demokratie, Bonn 1992
Verfassungsschutz – Rechtsentwicklung – Bekämpfung des Extremismus, Bonn 1992
Mit diesen kostenlos verteilten Broschüren der Reihe „Texte zur Inneren Sicherheit“ reagiert das Bundesinnenministerium auf das ’neue‘ Thema. Daß es sich dabei um regierungskonforme Öffentlichkeitsarbeit handelt, ist selbstverständlich. Dennoch sind einige Beiträge von Interesse, weil sie den ‚Geist‘ deutlich werden lassen, der in den Apparaten herrscht.
Im ersten Band (S. 71-80) stellt Manfred Klink, BKA, das „polizeiliche Bekämpfungskonzept gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ vor – insbesondere die Beschlüsse der Innen- und Justizminister vom Oktober 1991 und die Vorschläge der ‚Kommission Staatsschutz der AG Kripo‘. Die kurze Übersicht ist informativ. Gegen Ende werden jedoch die polizeilichen Illusionen deutlich: Polizei und Verfassungsschutz seien in den neuen Ländern noch in der Umstrukturierungs- bzw. Aufbauphase, was die rechte Gewalt ermöglicht hätte. „Ich vermute aber“, so Klink (S. 80), „daß diese Freiräume in spätestens zwei Jahren nicht mehr vorhanden sind und auch von daher eine Befriedung des Problems eintreten wird.“
In dem im März 92 erschienenen zweiten Band ist der Beitrag von Siegfried Kordus, seinerzeit Leiter der Polizeidirektion Rostock, bemerkenswert. Der Autor schildert die Situation in und konstatiert ein „beachtliches Spektrum an gewaltbereitem Potential“ (S. 86), dessen unmittelbare Vorgeschichte bis in den Anfang der 80er Jahre zurückreicht. Eine deutliche Zunahme der Ausländerfeindlichkeit machte sich, so Kordus, nach der Wende auch in Rostock bemerkbar. Seit August 1990 kam es danach zu wiederholten Angriffen auf Ausländer. Resümee: „Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das rechtsextremistische Potential in Rostock in keiner Weise unterschätzt werden darf. Die Polizei ist jedoch auch auf mögliche weitere Eskalationen organisatorisch, personell und materiell vorbereitet.“ (S. 91)! Die Wirklichkeit sah dann anders aus.
Ebenfalls im zweiten Band äußert sich der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Frisch, zur Bekämpfung des Rechtsextremismus durch seine Behörde. Da finden sich bei den Gründen für „den Aufwärtstrend des Rechtsextremismus“ u.a. der Hinweis auf ausländische Straftäter oder die „Gewalttaten durch Linksextremisten“ (etwa Blockaden) (S. 39). Eine Seite weiter wird dann „eine sinnvolle Begrenzung des Asylbewerberaufenthalts“ gefordert. Zur Therapie fällt dem Autor – neben dem üblichen Tribut an eine „politische Auseinandersetzung“ – kaum mehr als Vereins-, Parteien- und Berufsverbote ein.
Im dritten Band demonstriert Frischs hessischer Amtskollege Lutz Irrgang, wie schwer es Teilen der Ämter fällt, Abschied von liebgewonnenen linken Feindbildern zu nehmen. Während der Rechtsextremismus in seinen Ausführungen fehlt, plädiert er heftig gegen Vorschläge, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks Personal und Ressourcen der Ämter zu beschneiden, da „nicht ausgeschlossen (erscheint), daß es auch in der Zukunft die Gefahr des Marxismus wieder geben kann.“ (S. 53)

Landeszentrale für Politische Bildung Schleswig-Holstein (Hg.): Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein 1945-1990, Kiel 1990 (Gegenwartsfragen H. 64)
Das Heft beinhaltet die Antwort der Landesregierung auf eine Landtagsanfrage der SPD. Demnach gibt es in diesem Bundesland wieder die Entwicklung des organisierten Rechtsextremismus. Die angebotenen Rezepte können als typisch für den sozialdemokratischen Umgang mit den Problemen gelten: Sozialarbeit vor polizeilichen Lösungen. D.h. keine strukturellen Eingriffe und Repressionsoptionen für den Fall, daß Pädagogik u.a. scheitern.

Wettstädt, Rolf (Fraktion Bündnis 90 im Landtag Brandenburg (Hg.): Rechts – Rechts – Rechts: Rechtsextremismus in Brandenburg, Potsdam 1992
Diese Broschüre ist ein politischer Offenbarungseid. Von den 60 Seiten sind 40 – die thematisch wichtigsten – von Vertretern der Sicherheitsbehörden geschrieben worden: Der Leiter des brandenburgischen Verfassungsschutzes (im Autorenverzeichnis schamvoll als Abteilungsleiter im Innenministerium bezeichnet), der frühere Leiter der Staatsschutzabteilung im GLKA der fünf neuen Länder und der Landesvorsitzende des BDK in Brandenburg, sind damit die wesentlichen Autoren der B’90-Broschüre. Für das Bündnis verbleibt immerhin noch ein Drittel der Seiten für eigene Standpunkte – damit liegen sie allerdings weit unterhalb der Fünf-Prozent-Klausel.
(Otto Diederichs)

Kalinowsky, Harry: Rechtsextremismus und Strafrechtspflege, Bonn 1990 (Reihe „recht“ des Bundesjustizministeriums)
In der Studie werden insgesamt 1.382 Strafverfahren mit vermutetem rechtsextremistischem Hintergrund in den Jahre 1978 bis 1987 untersucht. Der Autor analysiert verschiedene Gruppen von Angeklagten nach Art der ihnen vorgeworfenen Taten (terroristisch, militant, agitatorisch) sowie die einzelnen Strafverfahren einschließlich der Strafzumessung. Er kommt zu dem Ergebnis, daß das bundesdeutsche Justizsystem auf rechtsextreme Straftaten angemessen reagiert hat und sich die These, derzufolge die Justiz nach rechts besonders nachgiebig sei, nicht belegen läßt.

Die Gewalt von rechts hat auch ihren Niederschlag in Polizeizeitschriften gefunden. Eine kleine Auswahl:

Hamacher, Hans-Werner: Gewalt gegen Fremde!, in: Bereitschaftspolizei – heute 20. Jg., 1991, Nr. 12, S. 3-6
Symptomatisch auch für Teile der Polizei: Der Blick auf die „Gewalt gegen Fremde“ endet bei der Aufforderung an die Ausländer, „sich in das Umfeld des Gastlandes ein(zu)fügen“!

Halt, Adalbert: Aufruhr gegen das Fremde, in: Deutsche Polizei 41. Jg., 1992, Nr. 10, S. 6-10
Geschildert wird die Situation in den fünf neuen Ländern. Die Rostocker Vorgänge werden mit ungläubigen Fragen begleitet. Wiedergegeben wird der Eindruck von Polizisten vor Ort, „verheizt“ worden zu sein.

Paasch, Erhard: Rostock-Lichtenhagen Synonym für Gewalt, in: Kriminalistik 46. Jg., 1992, H. 11, S. 711-715
Der Aufsatz enthält eine Liste von Faktoren, die bei den Lichtenhagener Ausschreitungen eine Rolle gespielt haben könnten. Da eine systematisierende Diskussion fehlt, scheint die Aufzählung beliebig; ihr Nutzen ist nicht ersichtlich.

Die Polizei: Gewalt gegen Asylbewerber und andere Ausländer. Ursachen, gesellschaftliche Entwicklungen, Lagebild und Konzeptionen für polizeiliche Schutzmaßnahmen, in: Die Polizei 83. Jg., 1992, H. 11
Das Schwerpunktheft enthält erwähnenswerte Beiträge von BKA-Präsident Zachert über das polizeiliche Lagebild Rechtsextremismus, den bereits o.g. Aufsatz Klinks über den Maßnahmenkatalog und einen Artikel des Präsidenten des LKA Dresden über die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Sachsen.

Rump, Heinz: Zu lange zu milde gegen Rechts?, in: Deutsche Polizei 42. Jg., 1993, Nr. 1, S. 6-10
Der Autor formuliert mit den Argumenten der Polizeipraktiker eine deutliche Absage an die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts als Mittel gegen die Gewalt von rechts.

Zur Frage des Rechtsextremismus/ rassistischer Einstellungen und Handlungen in der Polizei gibt es keine Untersuchungen für Deutschland. Nachfolgend jedoch drei Hinweise zu diesem Bereich in der fremdsprachigen Literatur (hierzu siehe auch die Quellenangaben im Beitrag auf S. 37ff.):

Amnesty International: Racist torture and ill-treatment by Police in western Europe, London 1992 (AI Index: EUR 03/01/92)
AI stellt in diesem Bericht Fälle von Mißhandlungen von Ausländern durch Polizisten in sieben Ländern zwischen 1989 und 1992 dar: Österreich, Griechenland, Deutschland, Italien, Portugal und Spanien.

Wieworka, Michel: Sociologie du racisme: Police et racisme, Paris 1991 (Études et recherches, Institut des Hautes Études de la Sécurité Intérieure)
Daß das Thema ‚Rassismus in der Polizei‘ sehr wohl wissenschaftliche Beachtung verdient, zeigt diese Studie. Immerhin wurde die Untersuchung von einem dem Innenministerium unterstehenden Institut in Auftrag gegeben, was zumindest auf ein gewisses Problembewußtsein schließen läßt.

Pearson, Geoffrey; Sampson, Alice; Blagg, Harry: Policing racism, in: Morgan, Rod; Smith, David J. (eds.): Coming to terms with policing. Perspectives on policy, London, New York 1989, pp. 118-137
Exemplarisch für die englische Debatte sei auf diesen Aufsatz hingewiesen. Jenseits der spezifisch britischen Bedingungen (und Ergebnisse) sind die Dimensionen, in denen die Autoren „Policing racism“ untersuchen, von Interesse: die polizeiliche Vernachlässigung oder besondere Konzentration auf ethnische Minderheiten, die rassistischen Elemente innerhalb der Polizei selbst und der Rassismus im politisch-gesellschaftlichen System. Nur aus die sem Geflecht, so die Schlußfolgerung, läßt sich polizeiliches Handeln gegenüber Minderheiten verstehen – und verändern.

(ohne Namenszeichnung sämtlich: Norbert Pütter)

Sonstige Neuerscheinungen

Polizeirecht
Lisken, Dr. Hans; Denninger, Erhard: Handbuch des Polizeirechts, München (Beck) 1992, 926 S., DM 187,-

Ein Novum der polizeirechtlichen Literatur ist anzuzeigen. Das von Lisken/Denninger herausgegebene Werk verabschiedet die Doktrin einer umfassenden und definitiven Steuerung der Polizei durch das Medium des Rechts als klassischen Mythos. „Die Normativität der Polizeigesetze steht (…) unter dem Vorbehalt der Normalität des Polizeialltags“ (S. 209). Konsequenterweise meiden Lisken/Denninger den schönen Schein einer systematischen rechtswissenschaftlichen Deduktion konkreter polizeilicher Handlungen aus dem Recht. Die Herausgeber benutzen denn auch nicht die Form des Lehrbuches, wie sie seit Drews klassischem „Leitfaden für Verwaltungsbeamte“ üblich ist. Sie entscheiden sich für eine offene Darstellung und Diskussion der rechtlichen Materie. „Dieses Buch versteht sich als Hilfe bei der Suche nach Lösungen im Rahmen grundgesetzlicher Vorgaben“(Vorwort).
Dieses Ziel ist in vorbildlicher Weise erreicht worden. Es beschränkt sich nicht darauf die „herrschende Meinung“ im Polizeirecht darzustellen (wie bei Drews/Vogel/Martens/Merten) und zu kritisieren. Eingedenk der im Polizeibereich so wirksamen normativen Kraft des Faktischen bemühen sich die Herausgeber vielmehr darum, die nach dem Niedergang der Polizeiwissenschaften alter Prägung aus der Rechtswissenschaft herausgefallene Realität polizeilichen Handelns in ihre Darstellung einzubeziehen. Dies geschieht durch vorzügliche, informative Abrisse der Geschichte der Polizei (Boldt), der Polizeiorganisation in Deutschland und Europa (Hilse), zur Verkehrsüberwachung (Hilse) und zur polizeilichen Informationsverarbeitung (H. Bäumler). Zum anderen wird in den Abschnitten, die sich Fragen des Polizeirechts im engeren Sinne widmen, immer wieder auf den organisatorischen und gesellschaftlichen Kontext der diskutierten Probleme verwiesen (Polizeihandeln, Rachor; Polizeiaufgaben, Denninger; Versammlungswesen, Kniesel). Dies gilt auch für die Abschnitte Polizei im Verfassungsgefüge (Lisken) und rechtsstaatliche Grundlagen (Lisken/Denninger), die zu Recht einen sehr viel breiteren Raum einnehmen als in traditionellen Lehrbüchern. Die drei letzten Abschnitte schließlich zum Rechtsschutz (Lisken), Ausgleichs- und Ersatzansprüchen des Bürgers (Rachor) und der Haftungs- und Polizeikosten (Seibert) zeichnen sich durch die konsequente Orientierung am Ziel aus, Lösungen im Rahmen grundgesetzlicher Vorgaben zu suchen.
Für alle, die sich über die Struktur der Polizei und deren rechtliche Grundlagen informieren wollen oder Auskunft zu aktuellen Problemen polizeilichen Handelns suchen, ist dieses Handbuch unverzichtbar.
Dieses Werk gehört nicht nur in juristische Fachbibliotheken oder in die Hand leitender Polizeibeamter, zu wünschen ist vielmehr, daß es auch das Denken der polizeilichen Praktiker erreicht und prägt. So ist zu hoffen, daß der Verlag bald eine billigere Paperbackausgabe dieses Handbuches anbietet.
(Albrecht Funk)

Geheimdienste/Terrorismus
Wisnewski, Gerhard; Landgraeber, Wolfgang; Sieker, Ekkehard: Das RAF-Phantom. Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen, München (Droemer-Knaur) 1992, ca. 460 S., DM 12,60
Tolmein, Oliver: Stammheim vergessen – Deutschlands Aufbruch und die RAF, ca. 200 S., Hamburg (Konkret Literatur Verlag) 1992, ca. 200 S., DM 24,-
Edition ID-Archiv: Die Früchte des Zorns. Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionären Zellen und der Roten Zora, 2 Bde, Berlin – Amsterdam (Edition ID-Archiv), ca. 800 S., DM 49,80

Dem Buch von Wisnewski/Landgraeber/Sieker auch nur eine gute Seite abzugewinnen ist unmöglich. Auf quälenden 440 Seiten versuchen die Autoren (sämtlichst Mitarbeiter renommierter TV-Magazine wie Monitor und Panorama oder der Süddeutschen Zeitung – worauf sie auch im Text wiederholt hinweisen, ganz so, als besäße dies bereits ausreichende Beweiskraft) zu belegen, daß es sich bei der sog. Dritten Generation der RAF um eine Erfindung von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz handelt. Dabei stellen sie durchaus richtige Fragen: Niemand wird bestreiten wollen, daß (insbesondere) das BKA vom Terrorismus personell und materiell profitiert hat. Oder daß etwa für die Gesetzesverschärfungen der Terrorismus der 70er und 80er geradezu ein Geschenk gewesen ist. Niemand, der sich ernsthafter mit der Materie beschäftigt hat, wird der Informationspolitik von BKA und VfS hier Seriosität bescheinigen wollen – ebenso wie es fraglos seltsam anmutet, daß die Fahndungsbehörden seit 1983/84 keine Fahndungserfolge u.ä. mehr vorweisen können und auch die letzten Attentate viele Merkwürdigkeiten aufweisen. Auf diese Dinge hinzuweisen und sie näher zu beleuchten, ist unbedingt richtig. Was dann jedoch als Antwort kommt, ist nur für Anhänger von Verschwörungstheorien über längere Zeit zu ertragen. Um den LeserInnen zu suggerieren, es handele sich vermutlich um eine (internationale) Geheimdienstkonspiration, ist nahezu jedes Mittel recht. Da darf dann ein dubioser amerikanischer Geheimdienstler erklären, „Herrhausen, Kennedy, Aldo Moro, Enrico Mattei und Olof Palme seien alle aus demselben Motiv ermordet worden – weil sie die Kontrolle der Welt durch das ‚Kondominat von Jalta‘ nicht akzeptiert hätten“ (S. 190). Oder es werden munter RAF und RZ gemischt – gerade als handele es sich um einen Eintopf (S. 31); und die Montagsdemos von 1991 aus Anlaß der zusammenbrechenden Wirtschaft in der ehemaligen DDR werden zu einer Revolution, die „drohte, sich ein zweites Mal zu erheben und gleich noch eine Regierung hinwegzufegen“ (S. 239). Beispiele solcher Art ließen sich nahezu endlos aneinanderreihen. Wenn die Autoren den Sicherheitsbehörden ins Stammbuch schreiben „Im Hinblick auf ein realistisches Bild des Terrors in Deutschland sind ihre Aussagen Makulatur“ (S. 95) dann ist dies in hohem Maße richtig – gilt allerdings ebenso für ihren Schinken.

„Im wiedervereinigten Deutschland wird die Geschichte umgeschrieben“, beginnt der Klappentext des Buches von Tolmein. Dem ist, was die letzten Neuerscheinungen zum Thema Terrorismus angeht, sicherlich zuzustimmen (vgl. auch Rezensionen in Bürgerrechte & Polizei/CILIP 43). Kurioserweise ist der Autor jedoch nicht dagegen gefeit, sich an dem, was er eigentlich geißeln will, selbst nach Kräften zu beteiligen. Das beginnt bereits damit, daß die Geschichte des bundesdeutschen Terrorismus zunächst einmal säuberlich in zwei separate Teile zerlegt wird: in die Betrachtung der RAF-Politik und die Situation der Gefangenen (S. 11-49) und zum anderen in einer Analyse der staatlichen Reaktionen und der dahinterstehenden Motive (S. 50-78). Ganz so als gäbe es hier zwei nahezu unabhängig voneinander verlaufende Vorgänge. Während Teil 1 zwar deutlich gefärbt, doch nicht kritiklos und halbwegs ausführlich dargestellt wird, wurde beim zweiten Teil mit grobem Werkzeug gearbeitet – und so gipfelt schließlich alles in Sätzen wie diesem: „Da kann es nicht als Zufall durchgehen, daß Klaus Kinkel, ehemals Präsident des Bundesnachrichtendienstes, dann als Bundesjustizminister Initiator der ‚Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung‘, innerhalb nur eines Jahres eine öffentlichkeitswirksame Kurskorrektur in der Politik der ‚Inneren Sicherheit‘ gegenüber den Gefangenen aus der RAF bewirkt und kurz darauf, mittlerweile Bundesaußenminister geworden, im Parlament den Weg für deutsche Truppen in die Krisengebiete der Welt freikämpft“ (S. 74). Solche Sichtweise stellt nicht nur die Entstehung der ‚Koordinierungsgruppe‘ falsch dar, sie ignoriert auch, welche Widerstände es (sowohl aus Politiker- wie auch Polizei- und Geheimdienstkreisen) gegen die sog. Kinkel-Initiative gab und gibt; ganz zu schweigen davon, daß die derzeitige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bei weitem nicht das Format ihres Amtsvorgängers besitzt, diesen zu trotzen.
Innere Sicherheit ist eben nicht ein genau und kühl kalkuliertes Konzept einer monolithischen Politikerclique.
So liegt der eigentliche Wert des Buches denn auch nicht in den Darstellungen Tolmeins selbst, sondern eher in der vollständigen Dokumentation aller RAF-Erklärungen seit 1982. Mit seinem Anhang schließt das Buch damit nahtlos an die Dokumentation „texte der RAF“ von 1983 an, das seinerzeit noch illegal und ohne Impressum erscheinen mußte. Zumindest damit hat Tolmein einen wichtigen Beitrag geleistet.

„Die Intention des vorliegenden Buches liegt darin, allen Interessierten die Möglichkeit zu geben, sich mit den Positionen der Revolutionären Zellen/Roten Zora auseinandersetzen zu können“, heißt es u.a. im Vorwort (S. 11) der beiden Dokumentenbände des ID-Archives. Das ist rundum gelungen. Die Redaktionsgruppe hat hier wirklich das vorgelegt, was sie auf dem Einband verspricht: Texte und Materialien. Den in einzelnen Kapiteln zusammengefaßten Texten sind jeweils kurze Einleitungen vorangestellt, die im wesentlichen sachlich und ohne Schnörkel die anschließenden Dokumente in den zeitlich und inhaltlich richtigen Rahmen einordnen. Schon beim Vorwort wurde auf tönenden Gesinnungsexhibitionismus verzichtet, ohne daß damit zugleich der eigene politische Standpunkt verwischt worden wäre. In erster Linie ist jedoch auch das Vorwort das, was man bei einem Materialienband erwarten darf, eine Erläuterung des Zustandekommens der Dokumente und Benutzerhinweise für die LeserInnen. Dabei werden auch Schwächen bei der Zusammenstellung und Zuordnung der Texte nicht verschwiegen. „Herausgeber, Redaktionsgruppe und Verlag sind sich darüber im klaren, daß nicht wenige Leserinnen und Leser unter den 800 Seiten eine umfassende Aufarbeitung der Politik der Revolutionären Zellen und Roter Zora erwarten. So berechtigt dieses Interesse auch ist, so lag es uns jedoch fern, solch einen Versuch zu unternehmen. Unsere Möglichkeiten bestehen darin, Material zur Verfügung zu stellen.“ (S. 12), heißt es zu den Intentionen der MacherInnen. Diese Zurückhaltung kennzeichnet beide Bände. Mit einem umfänglichen Register sowie Bibliographie- und Literaturverzeichnis ausgestattet sind sie für eine Auseinandersetzung mit militanter linker Geschichte in der Bundesrepublik sicherlich das wichtigste, was hierzu seit langem auf den Markt kam.
(Otto Diederichs)