Sonderkommission Rechtsextremismus: „Soko Rex“ – Polizeiliche Bekämpfung des Rechtsextremismus in Sachsen

von Otto Diederichs

Polizeiliche Sonderdezernate oder -arbeitsgruppen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gibt es mittlerweile in nahezu allen Bundesländern. In den meisten Fällen handelt es sich dabei jedoch um nicht sehr viel mehr als reinen Aktionismus. Lediglich die beim sächsischen Landeskriminalamt (LKA) in Dresden eingerichtete ‚Soko Rex‘ hat bislang beachtenswerte Erfolge vorzuweisen. Wenn man Konzept und Arbeit der seit eineinhalb Jahren arbeitenden ‚Soko Rex‘ indes etwas genauer betrachtet, hat auch ihr Vorgehen einige Schönheitsfehler.

„14 Tage vor meinem Kommen wurde Jorge Gomondai aus der Straßenbahn geprügelt, daß er zu Tode kam. Vor mir breitete sich ein rechtsorientiertes Gewaltphänomen aus: Das kann ja wohl nicht sein!, sagte ich mir. Es galt konsequente Strafverfolgung aufzuziehen, damit die Täter nicht ermuntert wurden. Hier mußten Spezialisten ran, die wußten, wie man mit diesem Klientel umgeht“,[1] beschreibt der Präsident des LKA Sachsen und geistige Vater der ‚Soko Rex‘, Peter Raisch, den Ursprung der Sonderkommission. Alles weitere ging dann erstaunlich schnell. Am 15. April 1991 übernahm Raisch die Leitung des Aufbaustabes für das LKA, schlug dem Innenministerium die Einrichtung einer Sonderkommission zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vor, und bereits am 1. Juli wurde die ‚Soko Rex‘ gegründet. Zwei Wochen später begann sie ihre Arbeit.[2] Als Aufgaben wurden ihr die „Durchführung der Strafverfolgung im deliktspezifischen Bereich sowie Vorbereitung von Präventionsmaßnahmen“[3] zugewiesen.

Aufgaben und struktureller Aufbau

Mit Beginn der Funktionsfähigkeit des LKA am 1.12.1991 wurde die Soko aus der Verantwortung des Aufbaustabes herausgelöst und innerhalb der Abteilung 5 (Staatsschutz) angesiedelt. Hier befinden sich neben der Soko-Leitung ferner die Organisationsteile ‚Zentraler Ermittlungs- und Auswertungsabschnitt (ZEA)‘ sowie ‚Dokumentation/Auswertung (D/A)‘. ZEA ist dabei das Herzstück der Kommission. Hier laufen sämtliche vor Ort gewonnenen Erkenntnisse zusammen, werden ausgewertet und in Abstimmung mit dem Soko-Leiter ggf. weitere Aufträge erteilt. In der Anfangsphase oblag ZEA darüber hinaus noch die Bearbeitung und Auswertung zurückliegender Fälle. Unterstützt wird ZEA dabei insbesondere vom Arbeitsbereich D/A, wo auch die Datei ‚SPUDOK-REX‘ geführt wird. Hierbei handelt es um das bekannte Spurendokumentationssystem des Bundeskriminalamtes (BKA), das Anfang der 80er Jahre von den Polizeien Nordrhein-Westfalens und Bayerns entwickelt wurde. Vom BKA für Ermittlungsverfahren nach terroristischen Anschlägen weiterentwickelt, wird dieses Verfahren – den jeweiligen besonderen Anforderungen angepaßt – zunehmend von Länderpolizeien zur Bewältigung von komplexen Ermittlungsverfahren eingesetzt.[4] Gegenwärtig sind in der SPUDOK-Datei der ‚Soko Rex‘ nach Angaben ihres Leiters, des Kriminalhauptkommissars (KHK) Wolfgang Pfisterer, die Daten von über 1000 Personen gespeichert, die im Zusammenhang mit Ermittlungen der Soko bekannt wurden. Den Anteil des hierbei erfaßten „verfestigten Gewaltpotentials“ schätzt Pfisterer vorsichtig auf „10-15%“. Der überwiegende Anteil entfiele damit auf sog. Mitläufer.

Eher wie ein Appendix wirkt indessen der ebenfalls in der Organisationshierarchie recht weit oben angesiedelte Bereich ‚Schutzpolizeiliche Einsatzmaßnahmen (SEM)‘. Ein solcher fest in eine kriminalpolizeiliche Sonderkommission installierter schutzpolizeilicher Bereich ist zumindest ungewöhnlich. Seine Einrichtung resultiert aus der anfänglich als äußerst mangelhaft geltenden Beweissicherung der sächsischen Polizei. Dementsprechend hatte dieser Soko-Abschnitt zu Beginn neben der Planung schutzpolizeilicher Maßnahmen im Rahmen der Soko-Einsätze die Aufgabe, entsprechende Fortbildungsmaßnahmen durchzuführen. „Mit Zustimmung des Innenministeriums Baden-Württemberg wurde ein von dort eingeführtes Beweissicherungsmodell auf der Grundlage spezifischer Vordrucke und Aufkleber im Freistaat übernommen“.[5] Hinter dieser effektheischenden Formulierung verbirgt sich nichts anderes als das in den westlichen Bundesländern ohnehin gängige Beweissicherungsverfahren mittels Festnahmezettel, Polaroidfoto, Asservatenkennzeichnung etc. Wie dem auch sei, die Beweissicherung gilt unterdessen jedenfalls als gut.[6]

Außerhalb des LKA wurden an den Brennpunkten rechtsradikaler Ausschreitungen mit Sitz bei der jeweiligen Polizeidirektion zudem sog. ‚Regionale Ermittlungsabschnitte (REA)‘ eingerichtet. Ihnen obliegt die unmittelbare Aufklärung und Verfolgung der in ihrem Zuständigkeitsbereich begangenen Straftaten. Je nach der aktuellen Situation werden die Regionalabschnitte personell aufgestockt oder auch gänzlich aufgelöst, wie etwa die einstigen REA Zwickau und Hoyerswerda.[7] Zeitweise waren sogar alle REA aufgehoben und wurden erst nach den Krawallen in Rostock Ende August 1992 präventiv wieder eingerichtet. Gegenwärtig bestehen ‚Regionale Ermittlungsabschnitte‘ in Dresden, Chemnitz, Leipzig und Bautzen.

Privilegierter Personaleinsatz

Aus solcher lageangepaßter Arbeitsweise ergibt sich zwangsläufig ein wechselnder Personalbedarf. So kann die Stärke der ‚Soko Rex‘ denn auch von einem festen Kern mit ca. 10, umgehend auf bis zu 50 BeamtInnen[8] hochgefahren werden. Derzeit besteht sie aus ca. 30 Personen. Da Wert darauf gelegt wird, daß die BeamtInnen den Bezug zu Sprache und Verhaltensmuster der zumeist jugendlichen Täter noch nicht gänzlich verloren haben, werden lebensältere BeamtInnen, möglichst nicht eingesetzt. Das Durchschnittsalter in der ‚Soko Rex‘ liegt daher bei 25-28 Jahren; etwa 15% der BeamtInnen kommen aus Baden-Württemberg und Bayern, den beiden Partnerländern Sachsens.

Die Möglichkeit, quasi selbständig über die momentanen personellen Notwendigkeiten entscheiden zu können, läßt angesichts der von allen Polizeigliederungen stets und ständig beklagten schlechten Personalsituation auf eine sehr privilegierte Stellung der Sonderkommission schließen, sowohl innerhalb des LKA als auch beim Innenministerium. Bei LKA-Präsident Raisch kann man eine entsprechende Mentorenhaltung voraussetzen[9] – und auch Sachsens Innenminister Heinz Eggert (CDU) hat sich diesbezüglich mehrfach geäußert.[10] Ob die Arbeit der ‚Soko Rex‘ dann tatsächlich als vorrangige Aufgabe der gesamten sächsischen Polizei gesehen und entsprechend mitgetragen wird, wie offiziell verlautet, kann somit dahingestellt bleiben.

„Hoher Verfolgungsdruck“

„In Sachsen sind nach Angaben von Innenminister Eggert 92% der Straftaten aus der rechtsextremen Szene aufgeklärt worden“,[11] lauteten im November 1992 die Erfolgsmeldungen. Hintergrund solcher Meldungen ist ein „hoher Verfolgungsdruck“[12], den die Soko auf die rechtslastige Szene Sachsens ausübt und der bei Bedarf auch an Wochenenden zu Einsätzen „rund um die Uhr“[13] führen kann. Im Vergleich zu anderen Bundesländern nehmen sich die Durchsuchungen und Ermittlungsverfahren in der Tat imposant aus: Gleich mit der ersten Durchsuchungsaktion im Oktober 1991 wurden in 12 Städten insgesamt 44 Wohnungen durchsucht.[14] Im Dezember 1991, als unter der Führung des sächsischen Landeskriminalamtes zum ersten Mal bundesweit zu einem Schlag gegen die rechte Szene ausgeholt wurde, meldete Sachsen insgesamt 90 Durchsuchungen.[15] Dagegen wirken die Zahlen der anderen beteiligten Bundesländer eher ärmlich: Bayern 8, Berlin 3, Brandenburg 2, Hessen 1, Niedersachsen 7 und Nordrhein-Westfalen 3.[16] Nur zwei Wochen später holte die Soko zum nächsten Schlag aus, diesmal mit 13 Durchsuchungen;[17] Ende Januar 1992 folgte eine Durchsuchungsaktion von 6 Wohnungen.[18] Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Bis zum August 1992 waren so insgesamt 370 Ermittlungsverfahren mit 740 Beschuldigten zusammengekommen, gegen 34 Tatverdächtige wurde Haftbefehl erlassen.[19]

Prävention

„Nach dem Bekämpfungskonzept wurde neben einer offensiven Strafverfolgung mit generalpräventiver Wirkung frühzeitig auf eine breit angelegte Spezialprävention Wert gelegt. Zielgruppe war vordergründig die sächsische Jugend, die sich von rechtsorientierten (Gewalt-)Aktionen distanzieren sollte. Im Rahmen allgemeiner und taktischer Öffentlichkeitsarbeit wurde ein Präventionsprogramm gestartet, das im wesentlichen eine ständige Berichterstattung über Arbeit und Ergebnisse der Soko REX, Vorträge an Schulen, Verteilung von Broschüren über den Rechtsextremismus umfaßt“.[20] Angesichts der Fülle von Ermittlungsverfahren kann es nicht verwundern, daß das Präventivprogramm, die zweite „Säule des Konzepts“,[21] bisher kaum umgesetzt wurde: Broschüren wurden gar nicht erst erstellt, sondern blieben im Stadium des Flugblattes hängen, und auch zu Vorträgen oder Diskussionsveranstaltungen komme man viel zu wenig, meint der Soko-Leiter. So blieb es im wesentlichen bei Buttons und dem flächendeckenden Einsatz von Plakaten mit dem dümmlichen Slogan „Nazis und Gewalt – keine Chance! Sicherheit mit unserer Polizei“. Davon ist die Leiterin der Pressestelle wegen der Diskussion, die diese Plakate – mit einem zum Schlag ausholenden Skinhead – ausgelöst hat, hellauf begeistert. Die öffentlichen Reaktionen bestätigt zwar auch KHK Pfisterer, fügt jedoch hinzu, ob man damit tatsächlich die Jugendlichen erreicht habe, sei doch eher zu bezweifeln.

Resümee

Auf den ersten Blick gesehen, scheint man in Sachsen einen brauchbaren Weg gefunden zu haben, mit dem polizeilich relevanten Rechtsextremismus fertig zu werden. Ein hohes eigenes Engagement darf man dem, aus dem Jugend- und Sittendezernat der Polizeidirektion Schwäbisch-Hall kommenden Soko-Leiter Pfisterer durchaus zubilligen. Auch daß das Präventionsprogramm nicht vorankommt, ist unerheblich. Hier vermag Polizei ohnehin wenig zu bewegen. Problematischer wird es schon, wenn der geistige Urheber der ‚Soko Rex‘, LKA-Präsident Raisch, offen von einer „generalpräventiven Wirkung“[22] spricht, die durch die Arbeit der Soko erreicht werden soll.

Da riechen Formulierungen wie „großangelegte ’nadelstichartige‘ Exekutivmaßnahmen“[23] dann stark nach willkürlichen Verdachtsrazzien. Diese Interpretationen weist KHK Pfisterer zurück. Alle Maßnahmen würden im Rahmen laufender Ermittlungsverfahren durchgeführt. Allerdings, so räumt er ein, würden aus generellen Erwägungen – wie etwa im Hinblick auf den Jahrestag der Ausschreitungen von Hoyerswerda, auch gelegentlich alle laufenden Ermittlungsverfahren zusammengezogen und in Absprache mit der Staatsanwaltschaft entsprechende Durchsuchungsaktionen „auf einen Schlag“ durchgeführt. Bei dieser bisher größten Aktion waren 13 Verfahren gebündelt und in insgesamt 109 Wohnungsdurchsuchungen umgesetzt worden.[24]

Generalpräventive Gesichtspunkte allerdings dürfen in einem Ermittlungsverfahren, das sich ausschließlich an den Erfordernissen des jeweiligen Falles zu orientieren hat, keine Rolle spielen. Das hat auch bei der Bekämpfung rechtsextremistischer Straftaten zu gelten. Eine Aufweichung dieses Grundsatzes richtet auf lange Sicht mehr Schaden an, als sie möglicherweise in einer Augenblickssituation verhindern könnte.

Otto Diederichs ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
[1] SAX Nr. 10 v. Oktober 1992
[2] Kriminalistik 7/92
[3] Die Polizei 11/92
[4] zur polizeilichen Datenverarbeitung siehe Bürgerrechte & Polizei/CILIP 41 (1/1992)
[5] Die Polizei 11/92
[6] ebd.
[7] ebd.
[8] Pressemitteilung des LKA Sachsen v. 17.09.1992
[9] SAX Nr. 10
[10] Pressemitteilung des LKA Sachsen v. 16.12.1991, 28.01.1992, 13.3.1993 und 17.9.1992
[11] Der Tagesspiegel v. 15.11.1992
[12] SAX Nr. 10
[13] ebd.
[14] Kriminalistik 7/92
[15] Pressemitteilung des LKA Sachsen v. 3.12.1991
[16] ebd.
[17] Pressemitteilung des LKA Sachsen v. 19.12.1991
[18] Pressemitteilung des LKA Sachsen v. 29.1.1992
[19] Pressemitteilung des LKA Sachsen v. 13.8.1992
[20] Kriminalistik 7/92
[21] Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministerium des Innern v. 28.1.1992
[22] Kriminalistik 7/92
[23] Pressemitteilung des LKA Sachsen v. 13.11.1992
[24] Pressemitteilung des LKA Sachsen v. 17.9.1992