Frauen in der Schutzpolizei

von Kea Tielemann

Frauen sind in der Polizei heute keine Seltenheit mehr. In der Kriminalpolizei sind sie bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts tätig. Ursprünglich kamen sie meist aus fürsorgerischen Berufen und waren hauptsächlich in frauenspezifischen Bereichen wie der Bekämpfung von Jugend- und Frauenkriminalität sowie der Betreuung jugendlicher und weiblicher Opfer eingesetzt. In die Schutzpolizei werden Frauen jedoch erst seit Ende der 70er Jahre eingestellt – abgesehen von einer kurzen Phase in der Nachkriegszeit, als ihnen aufgrund des Männermangels auch Männerberufe offenstanden.

Als erstes Bundesland setzte 1978 Berlin mit der Übernahme von Politessen Frauen in der Schutzpolizei ein. Danach folgten 1979 Hamburg, 1981 Nie-dersachsen und Hessen sowie 1982 Nordrhein-Westfalen.

In den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen und Hessen wurden zunächst Modellversuche durchgeführt. Die Ausbildung war von Anfang an nahezu identisch mit jener der Männer, mit der Ausnahme, daß die Frauen in den ersten Jahren nicht für den Einsatz in ‚Geschlossenen Einheiten'(GE) ausgebildet wurden. Nach der Ausbildung verblieben sie daher auch nicht in der Be-reitschaftspolizei, sondern wurden direkt im Streifendienst eingesetzt. So sollten möglichst schnell Erfahrungen mit dem Einsatz von Polizistinnen ge-wonnen werden. Außerdem waren bis Ende der 80er Jahre Einsätze in ‚Geschlossenen Einheiten‘, bei denen gewalttätige Auseinandersetzungen nicht auszuschließen waren, nicht vorgesehen, da dies als mit der Frauenrolle unvereinbar galt.

Die übrigen Bundesländer warteten die Ergebnisse der Modellversuche ab. Nachdem diese durch den ‚Arbeitskreis II‘ (AK II) der Innenministerkonferenz 1986 positiv bewertet worden waren, nahmen 1986 auch das Saarland und Schleswig-Holstein sowie 1987 Baden-Württemberg, Bremen und Rhein-land-Pfalz Frauen in die Schutzpolizei auf. Am längsten zögerte Bayern, wo erst Anfang 1990 Schutzpolizistinnen eingestellt wurden. In den fünf neuen Bundesländern wurden mit der Neuorganisation der Polizei gleich auch weib-liche Auszubildende eingestellt.

Argumente

Hauptgrund für die Einstellung von Schutzpolizistinnen waren Rekrutie-rungsschwierigkeiten. Die Befürworter konnten sich in ihrer Argumentation allerdings zusätzlich auf den Gleichberechtigungsgrundsatz stützen. Sie be-tonten, daß die Weigerung, Frauen in die Schutzpolizei einzustellen, mit Art. 3 des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren sei. Außerdem zeigten Frauen seit den 70er Jahren infolge der Frauenbewegung zunehmend Interesse an ‚Männerberufen‘.

Innerhalb der Polizei gab es anfangs jedoch größere Widerstände gegen die Aufnahme von Frauen, da diese aufgrund fehlender Körperkraft, zu geringer psychischer Belastbarkeit und wegen familienbedingter Ausfallzeiten für die Schutzpolizei als nicht geeignet galten. Daneben wurde angeführt, des wider-spreche der Frauenrolle, in gewalttätigen Situationen selbst Gewalt auszuüben. Zunehmend wird heute allerdings die Position vertreten, Frauen könnten diese Probleme durch Selbstverteidigungskurse und weibliches Verhalten, dem eine deeskalierende Wirkung zugeschrieben wird, ausgleichen. Hier zeigt sich eine Festschreibung des traditionellen Frauenbildes: Da zu den ‚frauenspezifischen‘ Eigenschaften ein größeres Einfühlungsvermögen und ein geringeres Aggressionspotential gezählt werden, wird erwartet, daß Polizistinnen z.B. bei Festnahmen beruhigend auf Straftäter einwirken und diese allein durch Gespräche bereits von Widerstand abhalten könnten. Insgesamt soll der Einsatz von Frauen zudem eine Verbesserung des Bildes der Polizei in der Öffentlichkeit nach sich ziehen und eine größere Akzeptanz gegenüber polizeilichem Handeln in der Bevölkerung erzeugen.
Viele Polizistinnen sehen die indirekte Aufgabenzuschreibung auf soziale Konflikte kritisch. Sie betonen, keine Unterschiede in den Aufgaben zu wollen, da sie Konflikte mit ihren Kollegen fürchten, die ihnen vorwerfen, bevorzugt zu werden und nur den „Schönwetterdienst“ versehen zu müssen.

Quotierungen

Bis Ende der 80er Jahre wurde in einigen Bundesländern eine negative Quo-tierung praktiziert: So wurden z.B. in Hamburg bis 1987 max. 15 % und in Niedersachsen bis 1989 max. 30 % weibliche Auszubildende angenommen. Als anfänglich wegen der geringen Einstellungszahl mehr als die Hälfte der Frauen das Abitur oder einen vergleichbaren Bildungsstand besaßen, wurde die Angst vor weiblichen Führungskräften deutlich. So argumentierte z.B. 1982 der Leitende Polizeidirektor in Stuttgart, Horst Kraft, eine niedrige
Frauen in der Schutzpolizei – alte Bundesländer, Stand August 1991

Bundes- Beginn der Anzahl Quotierung
land Einstellung
Baden- 9/87 260 nein (Einstellungs-
Württemb. anteil ’91 ca. 40 %)

Bayern 3/90 280 nein

Berlin 10/80 1078 nein
(10/78: Übernahme (Einstellungsanteil
v. Politessen) seit ’89 ca. 40 %)

Bremen 9/87 33 nein

Hamburg 4/79 ca. 500 bis ’87: max. 15 %

Hessen 10/81 1204 nein (Einstellungsan-
teil seit ’87 ca. 40 %)

Nieder- 4/81 614 bis ’89: max. 30 %
sachsen (Einstellungsanteil
seit ’90 ca. 40 %)

Nordrhein- 10/82 1776 bis ’87: max. 20 %
Westfalen (Einstellungsanteil
seit ’90 ca. 40 %)

Rheinl.-Pf. 9/87 276 nein

Saarland 8/86 60 nein

Schleswig- 10/86 185 bis ’89: max. 25 %
Holstein

BGS 10/87 524 bis ’89: 150 Fr./ Jahr
gesamt 6790

Quelle: Tielemann, Kea: Veränderung von Rollenbildern durch Frauen in Männerberufen: Frauen als Schutzpolizistinnen, Diplomarbeit an der FU Berlin 1992
Die Tabelle wurde hauptsächlich erstellt unter Verwendung der Erfahrungsberichte des AK II der Innenministerkonferenz über Frauen in der Schutzpolizei von 1986 und 1991.
Quote führe „zu einer wesentlich besseren Auslese als bei den männlichen Bewerbern, mit der Folge, daß wir durchschnittlich vergleichsweise lei-stungsstärkere Frauen in der Schutzpolizei haben werden, die bei gleichen laufbahnrechtlichen Bedingungen zu einem wesentlich höheren Prozentsatz in Vorgesetztenfunktionen kommen werden.“
Bisher ist diese Konkurrenzangst allerdings vollkommen unbegründet: So gibt es im höheren Dienst der Schutzpolizei bundesweit nur drei Polizeirätinnen, alle 1992 in Hessen eingestellt. Etwa seit Ende der 80er Jahre sind Quotierungen in allen Bundesländern aufgehoben. In Zusammenhang mit der polizeiinternen Debatte um den Einsatzwert geschlossener Polizeiverbände gerät sie ggw. jedoch erneut in die Diskussion, seit der Frauenanteil in den GE auf ca. 40% gestiegen ist. 1991 schwankte der Frauenanteil in der Schutzpolizei trotz der relativ hohen Einstellungszahlen noch zwischen 2 % (Saarland) und 8,49 % (Berlin). Derzeit arbeiten nach Gewerkschaftsangaben ca. 8.000 Frauen in der Schutzpolizei und ca. 4.500 bei der Kriminalpolizei. Die Gesamtzahl ist so gering, daß derzeit durch Frauen kaum Auswirkungen auf die Polizei feststellbar sind. Auch wenn sich die Einstellungszahlen bei 40 % einpendeln sollten, ist davon auszugehen, daß diese Zahl erst langfristig für die gesamte Schutzpolizei erreicht wird.

Chancengleichheit?

In den ersten Jahren waren die Schutzpolizistinnen aufgrund ihrer Minder-heiten- bzw. Außenseiterinnenposition einem großen Erfolgsdruck ausgesetzt; besonders diejenigen, die an den Modellversuchen teilnahmen, standen unter ständiger Kontrolle. Um Akzeptanz und Anerkennung von den männlichen Kollegen und Vorgesetzten zu erhalten, waren sie zur Anpassung gezwungen. Erst in jüngster Zeit werden sich Polizistinnen zunehmend bewußt, daß ihre Probleme nicht individuell sind, sondern ihre Kolleginnen ähnliche Schwierigkeiten haben. Eva-Maria Wiegel, Psychologin an der Landespolizeischule Niedersachsen, bezweifelt, daß Chancengleichheit derzeit für Frauen in der Schutzpolizei gegeben ist. Sie ist der Auffassung, daß die Einrichtung von polizeilichen Gleichstellungsstellen für Frauen (z.B. in der Bereitschaftspolizei Nordrhein-Westfalens) auf vorhandene Diskriminierung hindeute. Auch weist sie auf das starke Interesse an Seminaren für Polizistinnen hin, etwa zum Thema „Rollenkonflikte … ein Selbstsicherheitstraining“, wie es im Juni 1989 in Niedersachsen durchgeführt wurde. In diesen Seminaren werden die Funktionsweisen traditioneller Rollenbilder thematisiert, um die Gründe für berufliche Konflikte zu entdecken und neue Handlungsstrategien zu entwickeln. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Neubestimmung des weiblichen Selbstwertes, der bisher am individuellen Aussehen und der Geltung bei den Männern festgemacht wurde. Ziel ist es, die Solidarität zwischen den Kolle-ginnen zu fördern. Wiegel machte jedoch die Erfahrung, daß auch Polizistinnen, die an Frauenseminaren teilnehmen, anfänglich eigene Rollenkonflikte heftig bestreiten und sogar erlebte Diskriminierungen leugnen.

Erst im Oktober 1993 führte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin ihr erstes Frauenforum durch. 75 der ca. 4.800 bei der Berliner Polizei beschäf-tigten Frauen diskutierten dort über ihre beruflichen Probleme: Im Vordergrund stand die Forderung nach der Wahl einer Frauenvertreterin in der Berliner Polizei, die das Landesgleichstellungsgesetz vom Dezember 1990 vorsieht. Bisher wurde dies mit Verweis auf die noch ausstehende Strukturreform und eine fehlende Wahlordnung verhindert. Die Frauenvertreterin soll laut Gesetz nicht nur Ansprechpartnerin sein, sondern auch einen Frauenförderplan erstellen. Dieser soll u.a. die Personalstruktur analysieren, damit Maßnahmen eingeleitet werden können, um die Unterrepräsentanz von Frau-en in Führungsfunktionen abzubauen (z.B. Weiterbildungsmaßnahmen auch für Teilzeitbeschäftigte, um einen mutterschaftbedingten Karriereknick zu verhindern). Zu den weiteren Problemen, die die Berliner Polizistinnen beschäftigen, gehören frauenspezifische Süchte sowie insbesondere die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Hierbei verweisen sie auf eine Umfrage des DGB, wonach 99 % der befragten weiblichen Polizeibeschäftigten mindestens einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden sind. Gefordert wird deshalb u.a., dieses Thema zu enttabuisieren und bei der Aus- und Fortbildung anzusprechen.

Kea Tielemann ist Mitarbeiterin der ‚Arbeitsgruppe Bürgerrechte‘ und Mit-herausgeberin von Bürgerrechte & Polizei/CILIP
Mit Fußnoten im PDF der Gesamtausgabe.

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