Literatur – Rezensionen und Hinweise

Literatur zum Schwerpunkt

Außer in der vorliegenden Ausgabe von Bürgerrechte & Polizei/CILIP lassen sich unsere Positionen nachlesen in:
Werkentin, Falco: Polizeiausbildung im Übergang zu den 80er Jahren – Die Mobilisierung von Intelligenz, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP H. 11 (1/82), S. 3-24
Der nunmehr 11 Jahre alte Artikel hat in vielen Punkten seine Aktualität nicht eingebüßt. Er stellt dar, wie trotz des Anspruchs einer mobileren, in-telligenteren und flexibleren Polizei, der die gesamte Polizeireform der 70er Jahre beherrschte, das polizeiliche Ausbildungsghetto kaum aufgebrochen wurde. Der Artikel enthält weitere Literaturhinweise für die Diskussion der 70er Jahre.

Arbeitsgruppe Bürgerrechte: „Nicht dem Staat sondern dem Bürger dienen …“ – Für eine bürgernahe Polizei, Berlin/ Bonn 1990
Gutachten für die Grünen im Bundestag, erhältlich als Broschüre der Grünen im Bundestag oder der Alternativen Liste Berlin.

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit: Polizei 2000. Gutach-terliche Stellungnahme zu einer neuen Polizei unter besonderer Berücksichti-gung des Konzeptes ‚Polizei Hessen 2000‘, Berlin 1993
Gutachten im Auftrage der GdP Hessen

Ausbildung des mittleren Dienstes

Müller, Manfred: Die praxisbezogene Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei. Anforderungen für den Einsatz geschlossener Einheiten, in: Die Polizei H. 11/1979, S. 344-348

Melchert, Heinz: Neufassung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den mittleren Dienst Schutzpolizei. Eine Übersicht in Fragen und Antworten, in: Bereitschaftspolizei – heute, H. 5/1986, S. 57-63
Stellt die formalen Ausbildungswege und Prüfungsmodalitäten in Berlin dar.

Willems, Helmut u.a.: Demonstranten und Polizisten, Forschungsbericht, München 1988
Trotz aller methodischen Einwände, die gegen die Veröffentlichung erhoben werden können (siehe Rezension in CILIP 33 (2/89), S. 105 ff.), finden sich hier doch wichtige Hinweise über die Wirkung der bereitschaftspolizeilichen Sozialisation auf die BerufsanfängerInnen.

Anti-Streß-Training

Olszewski, Horst: Streß abbauen – Konflikte bewältigen. Verhaltens- und Kommunikationstraining, Hilden (Verlag Deutsche Polizei) 1988
ders.: Das Verhaltenstrainingsprogramm der Polizei NRW, in: Bereitschafts-polizei – heute, H. 3/1988, S. 22-26

Murck, Manfred/ Schmalzl, Hans Peter: Verhaltensorientierte Trainings. Ausgangsbedingungen und Konzepte in Bund und Ländern, in: Bereitschaftspolizei – heute, H. 8/1992, S. 27-30

Bernt, Peter: Systematische Gewaltdeeskalation in der polizeilichen All-tagspraxis – Vorstellung eines Trainingsprogramms, in: BKA (Hg.): Was ist Gewalt – Auseinandersetzungen mit einem Begriff, Wiesbaden 1989, (Sonderband der BKA-Forschungsreihe), S. 221-233

Thum, Harald: Konflikthandhabungstraining der Polizei in Baden-Württemberg, ebd., S. 235-239

Bestandsaufnahmen und Reformdiskussionen seit Mitte der 80er Jahre

Personalbeschaffung und Personalentwicklung – die Herausforderung der 90er Jahre, (Schwerpunktheft) Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie, H. 1-2/1989
Zentrales Problem scheint hier nicht die Qualität der Ausbildung, sondern die geburtenschwachen Jahrgänge und das Problem der Rekrutierung. Neben po-lizeilichen Autoren kommen vor allem solche aus dem privatwirtschaftli-chen Bereich zu Wort.

Kokoska, Wolfgang: Das Studium an der Polizei-Führungsakademie – Aspekte des Meinungsbildes der Studierenden, in: Schriftenreihe der Polizei-führungsakademie, H. 4/1992, S. 21-28

Seit Anfang der 90er Jahre haben einige Bundesländer im Zusammenhang mit der Einführung der zweigeteilten Laufbahn (d.h. der Abschaffung des mittleren Dienstes) eine Neudiskussion der polizeilichen Ausbildung begonnen. Die Reformvorschläge, die dabei entwickelt wurden, gehen unterschiedlich weit. Die bisher gründlichste Bestandsaufnahme und die weitestgehenden Forderungen von offizieller Seite kommen dabei aus Niedersachsen, wo die rot-grüne Landesregierung eine Polizei-Reformkommission eingesetzt hatte. Neben dem einschlägigen Teil des Endberichts der
Kommission zur Untersuchung des Reformbedarfes in der niedersächsischen Polizei: Polizeireform in Niedersachsen. Analyse des Ist-Zustandes und Vorschläge zur Neukonzeption, Hannover 1993, S. 76-100
ist vor allem der Bericht der
Arbeitsgruppe ‚Aus- und Fortbildung‘: Reform der Aus- und Fortbildung der Polizei, Hannover 1992, 298 S.
zu nennen. Widerspruch zu der vorgeschlagenen Herauslösung der Ausbildung aus der Bepo kam vor allem von dieser selbst:
Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen: Geschlossener Einsatz. Stellungnahme zum Untersuchungsbericht der Arbeitsgruppe 7 der Reformkommission, Hannover 1992
Weitere Stellungnahmen, u.a. von unserem Redaktionsmitglied Falco Werkentin, wurden auf einem Hearing der Kommission am 13.11.1991 abgegeben. (Anschrift der Kommission: Niedersächsisches Innenministerium – Reformkommission Polizei, Schwarzer Bär 2, 30449 Hannover.)

Die Diskussion in Hessen blieb dagegen sehr viel stärker auf die Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn bezogen:
Hessisches Ministerium des Innern, Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Strukturverbesserungen für die Hessische Polizei (AG Polizei Hessen 2000): Schlußbericht, Wiesbaden 1992, 46 S. zzgl. Anlagen
Zu diesem Konzept, das sich ebenfalls von der Bepo als Ausbildungsinstitut verabschiedet, liegen ebenfalls Stellungnahmen vor, u.a. von der GdP sowie von:
Pädagogischer und soziologischer Dienst der hessischen Polizei (Wolfgang Foerster u.a.): Stellungnahme zum Schlußbericht der AG Polizei Hessen 2000, o.O. 1993, 11 S.
Möller, Henning: Die künftige Ausbildung im gehobenen Dienst der hessischen Polizei, Wiesbaden o.J. (1992)
Der Vorsitzende des Hauptpersonalrates der hessischen Polizei bezieht sich vor allem auf die Frage, wie die lebensälteren BeamtInnen bei einer Abschaffung des mittleren Dienstes fortgebildet werden könnten. Gefordert wird u.a. ein Fernlehrinstitut.
Gewerkschaftliche Stellungnahmen

Gewerkschaft der Polizei: Polizei Notruf. Die Situation der Schutzpolizei, Hilden 1970
Diese ältere Veröffentlichung kann als Klassiker der GdP gelten. Gefordert wird u.a. eine Polizeiausbildung, die sich nicht an militärischen Vorbildern orientiert.

GdP, Landesbezirk NRW: Vorschlag für eine neue Polizeiausbildung, Düsseldorf 1992, 14 S.
Angelehnt an ein Gutachten der Unternehmensberatungsfirma Kienbaum wird eine reformierte Fachhochschulausbildung für alle PolizeibeamtInnen gefordert.

Lindner, Wolfgang: Polizeiliche Ausbildung, Düsseldorf 1991, 16 S.
Diese Stellungnahme, die für den gewerkschaftlichen Rahmen äußerst fort-schrittlich und dezidiert ist, wurde vom Bundesjugendvorstand der GdP her-ausgegeben. Lindner geht mit seinen Ausführungen in eine ähnliche Richtung wie die niedersächsische Reformkommission.

Junge Gruppe in der GdP Berlin: Dokumentation über die Ausbildung in der Berliner Polizei, Berlin 1986, 36 S.
Die Dokumentation vermittelt u.a. einen Eindruck über die Ausbildungsinhalte und die Stundenzahlen in einzelnen Fächern.
dies.: Zweigeteilt ins Jahr 2000, Berlin 1992, 12 S.
Außer der zweigeteilten Laufbahn werden hier keine grundsätzlichen Forderungen erhoben.
(sämtlich: Heiner Busch)

Sonstige Neuerscheinungen

Geheimdienste

Meier, Richard: Geheimdienst ohne Maske, Bergisch-Gladbach (Gustav Lübbe Verlag) Bergisch-Gladbach, 1992, 240 S., DM 36,–
Halter, Hans: Krieg der Gaukler. Das Versagen der deutschen Geheimdienste, Göttingen (Steidl Verlag) 1993, 280 S., DM 24,-
Daß der Titel mit dem Inhalt des Buches von Richard Meier wenig gemein hat, dafür bürgt die Person des Autors: von 1957-69 in der Spionageabwehr beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) tätig, anschließend bis 1975 Leiter der Beschaffungsabteilung beim Bundesnachrichtendienst und dann bis 1983 Präsident des BfV. Es folgt dem Strickmuster, nach dem solche Bücher in aller Regel gearbeitet werden: Immer um einiges neben wirklich Interessantem. Bei Meier findet sich mit „Fragen ohne Antworten“ hierfür gleich ein eigenes Kapitel (S. 30-34). An handfesten Informationen gibt es indes kaum etwas, bestenfalls findet man hier und da ein Mosaiksteinchen, das in ein lange zurückliegendes Puzzle passen könnte. Dafür das ganze Buch zu lesen, lohnt nicht. Interessanter wird es hingegen, wenn sich der Autor in Erklärungen und Deutungen ergeht – und dabei zwangsläufig zu erkennen geben muß, wes Geistes Kind er ist. Sei es, daß er der „laschen Justiz“ vorwirft, die „großen Anstrengungen“ seines Dienstes, „Spione der DDR zu entdecken und unschädlich zu machen“, durch zu milde Urteile nicht hinreichend unterstützt zu haben (S. 13), oder wenn er den Lauschangriff gegen den Atomwissenschaftler Traube 1975 noch einmal aus der Sicht der Entscheidungsebene rekapituliert (S. 16-30). Wenn Meier dann nach einer peinlich naiven Exkursion durch die Abgründe der menschlichen Seele und deren (Aus)Nutzbarkeit für Geheimdienste schließlich bekennt, „es ist unschwer zu erkennen, daß diese Arbeit für den Verfasser (…) eine große Faszination besitzt, sowohl in der Spionageabwehr wie auch bei der Spionage in anderen Ländern“ (S. 37), dann ist das zumindest ehrlich. Vermutlich ist es diese Faszination, die ihm im zweiten (und mit rd. 150 Seiten umfangreichsten) Teil des Buches – seiner Abrechnung mit dem MfS und dessen Spionage-Chef Markus Wolf – immer wieder stille Bewunderung in die Feder fließen ließ. „Psychopathische Neigungen sind sehr wichtig im Geheimdienst“, beschied Meier seine Zuhörer während einer Autorenlesung im März des Jahres in Berlin. Recht hat der Mann, und er beweist es – wenngleich unfreiwillig – an der eigenen Person.

Wem dies allein nicht aussagekräftig genug ist, der greife zum ‚Krieg der Gaukler‘. Da Geheimdienste zwar stets treuherzig beteuern, wichtig und ef-fektiv zu sein, ihrer Natur entsprechend jedoch möglichst wenig von sich und ihren MitarbeiterInnen offenbaren, hat sich Halter dem Problem von der anderen Seite genähert. Herkunft, Lebensläufe, Aussagen und Aussehen prominenter deutsch-deutscher Geheimdienstchefs – von Reinhard Gehlen über Markus Wolf bis Eckhardt Werthebach – hat er zusammengetragen und analysiert: „Vom ersten Mann eines Nachrichtendienstes muß der Bürger notgedrungen auf die vielen anderen Männer schließen, die dahinter stehen …“ (S. 18) Neben einem nahezu durchgängigen neurotischen Grundverhalten hat Halter zudem ein zweites Wesensmerkmal der Geheimdienstler ausgemacht: tumben Bürokratismus. „Die Beamten der Geheimdienste schützen (…) – vor allem anderen – das Berufsbeamtentum und damit ihr eigenes Einkommen und das ihrer Eltern“ (S. 142). Seine Thesen überprüft er dann an der bekanntgewordenen Arbeit der Dienste. Gelegentlich muß man dabei hinter einzelne Sequenzen ein Fragezeichen setzen. So gibt es etwa über das Zustandekommen des Identifizierungsfotos von Markus Wolf im Jahre 1978 (S. 106) oder über die Enttarnung des Kanzleramtsspions Günther Guillaume (S. 130/131) auch andere mehr oder weniger plausible Versionen als die von Halter. Dies tut dem Buch indes keinen Abbruch; im Gegenteil gehört dies mit zur geheimdienstlichen Schaumschlägerei und stützt so eher Halters Thesen. Wer bisher noch Zweifel an der Überflüssigkeit von Geheimdiensten hatte, wird sie beim Lesen verlieren. Da es flott und spannend geschrieben ist, kann man dieses Buch sogar verschenken und wird trotzdem wieder eingeladen.
(Otto Diederichs)

Richter, Peter/ Rösler, Klaus: Wolfs West-Spione – Ein Insider-Report, Berlin (Elefanten-Press) 1992, 190 S., DM 24,80
Das Buch gehört zu den wenigen ergiebigen Schriften ehemaliger Stasi-MitarbeiterInnen. Beide Autoren waren über Jahre hinweg hohe Beamte in Wolfs Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), deren selbstgefällig-harmloses Bild sie ankratzen: 10 – 20% der Arbeit der HVA galt nicht der Auslands“aufklärung“, sondern der Unterdrückung der DDR-Opposition – eine Behauptung, die bei der Vorstellung des Buches heftigen Protest der ehemaligen KollegInnen hervorrief. Gekratzt wird auch am Bild des ehemaligen HVA-Chefs „Mischa“ Wolf. Die Autoren berichten ferner, ohne selbst Namen zu nennen, ausführlich über die Auflösung des MfS und die Versuche des Verfassungsschutzes, ÜberläuferInnen samt ihrer Kenntnisse durch entsprechende Geldangebote an Land zu ziehen. Die Ex-Stasi-Männer haben offensichtlich gelernt: Im Gegensatz zu vielen anderen Ex-Geheimdienstlern kommen sie zu dem Schluß, daß Geheimdienste keine Daseinsberechtigung mehr haben.
(Wolfgang Gast – ‚die tageszeitung‘)

Jahresberichte – einmal anders

Buro Jansen & Janssen: Opening van zaken. Een ander BVD jaarsverslag, Amsterdam (ravijn) 1993, 160 S., ca. DM 27,-
Coornhert-Liga: Crimineel Jaarboek, Amsterdam (Papieren Tijger) 1993, 280 S., ca. DM 30,-
Diese niederländischen Veröffentlichungen könnten auch hierzulande als Vorbilder alternativer Jahresberichte über die Organe ‚innerer Sicherheit‘ gelten. Das Buro Jansen & Janssen sowie einige andere AutorInnen dieses an-deren Jahresberichtes über den niederländischen Inlandsgeheimdienst BVD sind den LeserInnen von CILIP bereits bekannt. Neben einem Überblicksartikel finden sich gut dokumentierte Darstellungen über die wichtigsten aktuellen Aspekte des Geheimdienstlebens unseres Nachbarstaates: die Jagd auf die militanten Anti-Rassisten der RARA, Berufsverbote im Jahre 1992, das Ende des Auslandsgeheimdienstes, Wissen und Unwissen des BVD hinsichtlich surinamischer Drogenschmugglerringe, die Verfolgung von Flüchtlingen, die Schwierigkeiten mit der extremen Rechten etc. Die angesprochenen Themen sind keineswegs nur niederländischer Art.

Ähnliches gilt für das Jahrbuch der Coornhert-Liga, das sich von allgemeinen straf- und strafprozeßrechtlichen Fragen über den Strafvollzug und den Lauschangriff bis zur vermeintlichen organisierten Kriminalität mit der ge-samten Palette kriminalpolitischer Themen auseinandersetzt. Beide Bücher bieten sich als Vergleichslektüre für BundesrepublikanerInnen geradezu an. Ein Einlesen ins Niederländische lohnt sich.
(Heiner Busch)

Sonstiges

Initiative gegen das Schengener Abkommen (Hg.): Der Domino-Effekt. Materialien zum Export der Politik der Inneren Sicherheit und der Flüchtlingsabwehr nach Osteuropa, Bonn 1993, 53 S., DM 2,- (Vertrieb: Bundesgeschäftsstelle Die Grünen, Ehrental 2-4, 53113 Bonn)
Nach „Im Fadenkreuz Europas. Asylpolitik und innere Sicherheit der EG“ die zweite Broschüre der Initiative. Auf die kurze Einleitung folgen gut auf-gearbeitete Dokumente: eine Übersicht der relevanten Konferenzen (einschl. Abschlußprotokoll der Budapester Konferenz von Februar 1993), Ausschnitte aus einschlägigen Verträgen (Rückübernahmeabkommen, Verträge zur Zusammenarbeit der BRD mit osteuropäischen Staaten in Sachen ‚Organisierte Kriminalität‘ und Polizeihilfe) sowie aus dem Bundeshaushalt 1994. Die bisher beste Zusammenstellung der Wirkung der EG- und Schengen-Politik in Richtung Osteuropa.
(Heiner Busch)

Herzog, Thomas: Terrorismus – Versuch einer Definition und Analyse inter-nationaler Übereinkommen zu seiner Bekämpfung, Frankfurt/ M. (Lang Verlag) 1991, 490 S., DM 124,-
Diese Dissertation ist eine echte Fleißarbeit, mit der der Autor, Referent im BMI, sich dem Begriff des Terrorismus von den verschiedensten Seiten zu nähern versucht. Neben einem etymologischen, politikwissenschaftlichen und juristischen Definitionsansatz vergleicht er zudem die Verwendung des Begriffs in der Bundesrepublik mit der in Frankreich, den USA und der ehemaligen DDR. Wenn er dabei zu dem Ergebnis kommt, „daß eine allgemeingültige Definition des Terminus Terrorismus bislang nicht gelungen ist“ (S. 91), so ist dem uneingeschränkt zuzustimmen. Zu einer Klärung trägt allerdings auch Herzog nicht weiter bei, wenn er bei seinem Versuch einer eigenen Definition (S. 91-107) zu dem Ergebnis kommt, Terrorismus sei „die Androhung und Anwendung punktueller und unvorhersehbarer Gewalt (1. Merkmal) durch ‚Private‘ (2. Merkmal) aus politischen Motiven (3. Merkmal) im Rahmen einer politischen Strategie (4. Merkmal) mit dem primären Ziel einer psychischen Wirkung (5. Merkmal)“ (S. 107). Dies ist ein Allgemeinplatz, der sich in seiner Beliebigkeit von ähnlichen Definitionsversuchen – etwa bei der ‚Organisierten Kriminalität‘ – bestenfalls dadurch unterscheidet, daß der Autor, der für einen Innenministerialen z.T. überraschend progressive Züge zeigt, alle Kriterien zugleich erfüllt sehen will. Für die wissenschaftliche Forschung dürfte das Buch (schon aufgrund seiner zahlreichen Quellenangaben) ein wichtiger Beitrag sein. Für den allgemeinen Gebrauch hingegen gibt es nichts her.
(Otto Diederichs)

Braunthal, Gerard: Politische Loyalität und öffentlicher Dienst. Der ‚Radikalenerlaß‘ von 1972 und die Folgen, Marburg (Schüren Presseverlag) 1992, 240 S., DM 32,-
Die 70er Jahre der Alt-BRD sind nicht nur den jüngeren BürgerInnen der alten Bundesländer und den Neu-BundesbürgerInnen aus der Ex-DDR, denen der Autor sein Buch besonders empfiehlt, weitgehend unbekannt. Auch viele derjenigen, für die diese Jahre ein wesentlicher Teil ihrer eigenen Biographie gewesen sind, haben diese Zeit verdrängt. Im Gegensatz zu jenem Jahr 1968, das sich so schön zur Selbstbeweihräucherung eignet, sind der Radikalenerlaß von 1972 und die Praxis der Berufsverbote, die ihm folgte, ein weithin vergessenes Kapitel. Denjenigen, die die Broschüren der diversen Komitees und die Veröffentli-chungen des Russell-Tribunals von 1978/79 schon weggeworfen haben, gibt der 1923 in Gera geborene US-amerikanische Historiker Braunthal eine brauchbare Gedächtnisstütze. Er zeigt nicht nur den zahlenmäßigen Umfang der politischen Überprüfungen (bis 1979 etwa 2,4 Mio BewerberInnen für den öffentlichen Dienst), der Ablehnungen (ca. 35.000) und der Entlassungen (ca. 1.500). Er belegt auch, daß die Berufsverbotspraxis keineswegs eine Domäne der Konservativen gewesen ist, sondern daß sich sozialliberal regierte Länder genauso beteiligten. Braunthal erinnert daran, daß der sozialdemokratische Bundespostminister noch nach 1980 – trotz der Kritiken aus der eigenen Partei – auf Entlassungen von kommunistischen Briefträgern bestand. Die genaue Darstellung der Haltung von SPD und FDP macht dieses Buch auch zu einer Studie über die Große Koalition der Inneren Sicherheit, die die bundesdeutsche Debatte über Polizei und Geheimdienste noch heute prägt. Der Autor ordnet die Berufsverbote zusätzlich in den Kontext der Anti-Terror-Gesetze, der Zensur und der generellen Zunahme der politischen Überwachung ein. Hier hätte man vielleicht eine stärkere Betonung der fortdauernden Rolle des Verfassungsschutzes erwartet. Trotz dieses Mangels ist dem Buch eine Verbreiterung über den engen Kontext der an Themen der Inneren Sicherheit Interessierten hinaus zu wünschen.
(Heiner Busch)

Siegler, Bernd/ Tolmein, Oliver/ Wiedemann, Charlotte: Der Pakt. Die Rechten und der Staat, Göttingen (Verlag Die Werkstatt) 1993, 256 S., DM 28,-
Bisher ist wenig profundes über das Verhältnis von Staat, bürgerlicher Öf-fentlichkeit und der neuen „Volksbewegung“ aus Nazi-Skinheads und rechts-extremen Organisationen und Parteien geschrieben worden. Diese Lücke wollen die drei JournalistInnen schließen. Sieht man von dem manchmal sehr verschwörungstheoretischen Unterton ihrer Analyse ab, sind mit zahlreichen Beispielen und Fakten belegte Beiträge zum Thema Polizei, Verfassungsschutz, Justiz und rechte Gewalt (Siegler), staatstragende Parteien und Rechtsextremismus (Wiedemann) und Medien und Rassismus (Tolmein) entstanden, die um eine kritische Auseinandersetzung mit autonomer antifaschistischer Politik ergänzt werden. Hervorzuheben ist die Fülle von Fällen und Urteilen, die Siegler – sicherlich einer der besten Kenner der rechten Szene der BRD – zusammengetragen hat, um zu zeigen, wie Taten und Ideologien der Rechtsextremen oftmals nicht weit entfernt sind von den Wertmaßstäben der ermittelnden Polizisten und der urteilenden Richter.
(Britta Grell)

Steinborn, Norbert/ Krüger, Hilmar: Die Berliner Polizei 1945 – 1992. Von der Militärreserve im Kalten Krieg auf dem Weg zur bürgernahen Polizei?, Berlin (Verlag Arno Spitz) 1993, 324 S., DM 39,80
Verglichen mit der Unmenge juristischer Literatur über die bundesdeutsche Polizei und Geheimdienste, die einschlägige Rechtsfragen bis zum Erbrechen wiederkäut, sind historiographische Arbeiten, in denen mit wissenschaftlicher Akribie Geschichte und Praxis dieser Institutionen nachgezeichnet werden, echte Seltenheiten. Diesen Themen, vor denen der normale Wissen-schaftsbetrieb systematisch kneift, nahmen sich bisher meist fachfremde ‚Wilderer‘ an. Zu diesen zählt Steinborn, der nach einer Studie zur Nach-kriegsgeschichte der Hamburger Polizei (vgl. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 37 (3/90), S. 82) nun in Kooperation mit Krüger eine Arbeit zur Geschichte der Berliner Polizei zwischen 1945 und 1992 vorgelegt hat. Abgesehen von den Seiten über die Jahre 1945-1948 und einem kursorischen Überblick über die Zusammenführung der Polizeien der beiden Stadthälften nach 1990 ist der Titel des Buch allerdings irreführend, es handelt sich nur um eine Geschichte der Polizei in Berlin-West. Daß das Buch „mit freundlicher Unterstützung der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin publiziert“ wurde und ein aktiver Polizeihauptkommissar als Co-Autor beteiligt war, ist besonders erwähnenswert, denn gemessen an üblicher „polizeinaher“ Geschichtspublizistik ist eine unerwartet kritische Arbeit vorgelegt worden, die ihren ‚Biß‘ keineswegs verliert, je mehr sich die Autoren der Gegenwart nähern. Die interessantesten Kapitel sind jene über die Zeit zwischen 1945 und 1968/74 – die Jahre des Neuaufbaus, der Spaltung der Stadt, des Kalten Krieges und des Wandels im Übergang zu den 70er Jahren. Freimütig und anschaulich wird jene Frontstadtmischung aus Furcht vor und Haß auf den kommunistischen Nachbarn im anderen Teil Berlins in den 50er und 60er Jahren geschildert, die für die Entwicklung der Stadt strukturbestimmend war und häufig auch das Gesicht der Polizei im Westteil Berlins häßlich verzerrte. Gleichermaßen deutlich wird an der Darstellung der Polizeientwicklung und -praxis seit Ende der 60er Jahre bis zur Vereinigung der Stadt – mehr als 20 Jahre vielfältigster Konfrontationen zwischen der (West-) Berliner Polizei und einem vorwiegend jugendlichen Protestpotential – wie stark der Stil dieser Konfrontationen nicht von rechtlichen Bindungen der Polizei, sondern von wechselnden politischen Vorgaben bestimmt wurde. Leider liegt die durchgängige Schwäche das Bandes darin, daß die Autoren keine systematische, erkenntnisleitende Fragestellung skizzieren und verfolgen, von der her die Darstellung der Polizeientwicklung in den verschie-denen Phasen der Stadtgeschichte hätte Struktur erhalten können. Die Darstellung leidet deutlich darunter, wirkt häufig beliebig-additiv. Trotzdem bleibt das Buch – auch jenseits stadt-geschichtlichen Interesses – lesenswert.
(Falco Werkentin)

Scherp, Dirk: Die polizeiliche Zusammenarbeit mit V-Personen. Eine Unter-suchung von Führungskonzepten und Motivationsstrukturen, Heidelberg (Kriminalistik Verlag) 1992, 148 S., DM 78,-
Der Autor will Grundlagen für die politisch-polizeiliche Diskussion und für zukünftige Studien liefern. Die Daten wurden in der zweiten Jahreshälfte 1985 mittels Fragebogen bei allen V-Personen (VP) führenden Dienststellen in Hessen (mit Hilfe des LKA) erhoben. Sie beziehen sich auf die Komplexe: Rekrutierung und Motivation der VP, Interaktion zwischen VP und VP-Führern (VPF) sowie die Art, wie letztere die damals geltenden hessischen Richtlinien handhabten. Leider erfüllt die Arbeit den selbstgesteckten Anspruch nur zum geringen Teil. Gemäß der Auflage des Innenministeriums nennt Scherp keine absoluten, sondern nur Prozentzahlen. Daß die Daten erst sieben Jahre nach ihrer Erhebung veröffentlicht wurden, mindert die Aktualität der Arbeit erheblich. Das zentrale Problem des Buches ist jedoch der methodische Ansatz: Der Fragebogen richtete sich ausschließlich an VPF. Aus deren Antworten werden Rückschlüsse auf die V-Personen (Motive, Interaktion) gezogen. Erhoben wurde damit nur jener Teil des Selbstbildes der VPF, das sie in einem Fragebogen offenbaren. Ohne methodische Skrupel werden diese Antworten für ein zustreffendes Bild der Wirklichkeit gehalten. So z.B., wenn gutgläubig der Wechsel zwischen informellen und formellen Kontakten zwischen VP und VPF als angemessen konstatiert (S. 113) oder die These abnehmender aggressiver Motivation der VP übernommen wird (S. 106). Auch bei harten Tatsachen schlägt die Neigung zur interpretativen Verharmlosung durch: Da „nur“ 71% der erfaßten VP vorbestraft waren, wird behauptet, „das Bild des kriminell vorbelasteten V-Mannes“ habe sich „nur teilweise empirisch bestätigt“ (S. 85). Daß 11,5% der VP in der Be-kämpfung der Falschgeldkriminalität eingesetzt waren (nach 70% gegen Btm-Kriminalität das zweitgrößte Einsatzgebiet), wird begründet mit der „Intensi-tät und Gefährlichkeit der Straftaten“!? (S. 93) Die Daten müssen durchweg von der Interpretation des Autors befreit werden. Dann erhält man zumindest Hinweise auf das Wirklichkeitsbild von VP-Führern, zu dem u.a. auch gehört, daß die Hälfte der Befragten offen einräumen, die geltenden Richtlinien „nicht im vollen Umfange anzuwenden“ (S. 116).
(Norbert Pütter)

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