Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

Statt wie gewohnt im März, erschien Heft 56 (1/97) dieses CILIP-Jahrgangs erst im Juni des Jahres. Durch diese bedauerliche, aber notwendige Verschiebung mußte zwangsläufig auch der Erscheinungstermin dieser Ausgabe weiter nach hinten rutschen. Die dritte Nummer des Jahrganges 1997 soll jedoch wieder zum gewohnten Rhythmus zurückkehren und Anfang Dezember erscheinen.

Zum Schwerpunkt

Beinahe schon traditionell ist Kriminalität und Kriminalitätsbekämpfung ein Terrain der politischen Rechten, die dabei kaum eine Gelegenheit ausläßt, die ‚Sau durch’s Dorf zu treiben‘. In der ersten Hälfte des Juli erschien beispielsweise im ‚Spiegel‘ eine zweiteilige Serie über die Erfolge bei der Kriminalitätsbekämpfung in New York.(1) Seither ist das ‚Modell New York‘ recht beliebt geworden, um den sattsam bekannten Ruf nach mehr Polizei und schärferen Gesetzen mit einigen neuen Vorzeichen zu versehen. Der Absurdität der Argumente ist dabei kaum eine Grenze gesetzt. So erklärte der Vorsitzende des Berliner Landesverbandes der ‚Gewerkschaft der Polizei‘ (GdP), Eberhard Schönberg, allen Ernstes, in Deutschland sei Prävention seit etwa 20 bis 30 Jahren regelrecht verpönt: „Während in New York auch die kleinste Straftat rigoros verfolgt wird, werden in Deutschland Delikte wie Raub oder Körperverletzung gar nicht mehr ernst genommen“.(2)

Die ‚Innere Sicherheit‘ als „ein wichtiges Thema für Sozialdemokraten“ hat neben Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau nun auch der mutmaßliche Kanzlerkandidat der SPD, Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder, für sich entdeckt: „Wir dürfen nicht so zaghaft sein mit ertappten ausländischen Straftätern. Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: raus und zwar schnell“.(3)

Die VertreterInnen des liberalen und des linken Spektrums tun sich hingegen meist schwer, solchen Auswüchsen außer Protest und Appellen an die Bürger- und Freiheitsrechte etwas entgegenzusetzen. Auch die Hinweise von Kriminologen darauf, daß die New Yorker ‚Erfolge‘ bei der Kriminalitätsbekämpfung in erster Linie darauf basieren, daß in den USA seit Jahren eine leichte aber stetige Konjunktur zu verzeichnen ist,(4) treffen auf taube Ohren.
Ursachenforschung ist z.Zt. wieder wenig gefragt, ‚praktikable‘ Schritte müssen her. Doch das, was in der Politik ‚praktisch‘ heißt, läuft meist auf Inszenierungen hinaus. Die Probleme hingegen bleiben und vermehren sich aufgrund versäumter Reformen eher noch. Die Inszenierungen der ‚Politik Innere Sicherheit‘, die starken Worte, die vermehrten Gesetze (in immer kürzeren Abständen) und die spektakulären Aktionen – alle diese ‚Maßnahmen‘ erzeugen den trügerischen Schein, als ob den berechtigten Interessen, sicher zu leben, Genüge getan würde. Eine solche Scheinpolitik leistet jedoch keinen Beitrag zur Lösung der Probleme. Dabei wird nicht zuletzt auch die Polizei mißbraucht, damit politisch gedanken- und phantasielos weitergemacht werden kann.

Mit dem vorliegenden Heft soll versucht werden, solche Stimmen zu stärken, die dem herrschenden Trend im Bereich der ‚Inneren Sicherheit‘ eine andere, dringend notwendige Politik entgegensetzen wollen. Eine Politik, die ebenso nach den Ursachen von Kriminalität und Kriminalitätsfurcht fragt, wie auch nach den Bürgerrechten, die beim ‚Kampf gegen das Verbrechen‘ schnell auf der Strecke bleiben. Bewußt wurden die Geheimdienste dabei lediglich am Rande mit abgehandelt – im Mittelpunkt des derzeitigen öffentlichen (Inszenierungs-)Interesse steht die Polizei.

In seiner nächsten Ausgabe (erscheint Anfang Dezember) widmet sich Bürgerrechte & Polizei/CILIP einem Thema, das trotz zunehmender Bedeutung infolge anderer drängender Probleme von CILIP etwas stiefmütterlich behandelt wurde: Der polizeilichen Bekämpfung der Umweltkriminalität.

Otto Diederichs ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP; freier Journalist in Berlin
(1) Der Spiegel v. 7.7.97 u. 14.7.97 (2) Berliner Zeitung v. 22.7.97 (3) Bild am Sonntag v. 20.7.97 (4) Der Spiegel v. 21.7.97; die tageszeitung v. 23.7.97

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