Terrorismusbekämpfungs-Gesetz in Kraft – Der Ausbau der Sicherheitsapparate geht voran

von Norbert Pütter

Lediglich sechs Wochen benötigte der Bundesgesetzgeber, um das „Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“[1] in Kraft zu setzen. In 22 Artikeln verschärft das Gesetz eine Reihe von rechtlichen Bestimmungen, die von A wie „Ausländerrecht“ bis Z wie „Zentralregister“ reichen. Ob die neuen Kontroll- und Erfassungsbefugnisse tatsächlich der „Bekämpfung“ des Terrorismus dienen, steht in den Sternen. Sicher ist in jedem Fall, dass sie das Überwachungspotential der Sicherheitsapparate stärken.

Die nachhaltigen Veränderungen im Bereich des Ausländer- und Asylrechts haben wir bereits in der letzten Ausgabe dargestellt.[2] Sie betreffen insbesondere die Ausweitung der Versagungsgründe bei der Visaerteilung, die Beteiligung der Nachrichtendienste, des Zollkriminalamtes und des Bundeskriminalamtes am Visumverfahren, die Verschlechterung des Rechtsschutzes gegen Ausweisungen, die Aufnahme biometrischer Merkmale in die Aufenthaltsgenehmigung und den Ausweisersatz, die Anfertigung von Sprachaufzeichnungen im Asylverfahren, die Angabe der Religionszugehörigkeit im Ausländerzentralregister etc.

Zwei Bestimmungen gehen deutlich über die als Terrorismusbekämpfung getarnte Migrationskontrolle hinaus: Zum einen werden das „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ und die Ausländerbehörden der Länder verpflichtet, die „die ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten“ an die Ämter für Verfassungsschutz zu übermitteln, sofern sie vermuten, dass diese Daten für die Ämter erforderlich sind. Mit dieser Bestimmung werden die Ausländerbehörden zu flächendeckenden Sammelstellen der deutschen Inlandsgeheimdienste.

Für die Polizeien hingegen ist der novellierte Paragraf 16 des Asylverfahrensgesetzes von großer praktischer Bedeutung. Die neue Regelung erweitert die gespeicherten erkennungsdienstlichen Daten um Sprachaufzeichnungen der Asylsuchenden. Diese Unterlagen, die 10 Jahre aufbewahrt werden müssen, können genutzt werden „zur Feststellung der Identität oder Zuordnung von Beweismitteln für Zwecke des Strafverfahrens oder zur Gefahrenabwehr“. Selbstverständlich ist auch hier nicht von terroristischen Gefahren oder Straftaten die Rede. Vielmehr werden alle Flüchtlinge in Deutschland erfasst; und ihre Daten stehen von nun an für jede Art polizeilicher Arbeit zur Verfügung.

Geheimdienste im Aufwind

Der Aktionismus des Gesetzgebers hat den drei Geheimdiensten neue Quellen und Tätigkeitsbereiche erschlossen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird ermächtigt, bei Unternehmen der Finanz- und Kreditwirtschaft, von Postdienstleistern, Luftfahrunternehmen und Telekommunikationsanbietern Informationen über Kunden bzw. Nutzer einzuholen. Dem Bundesnachrichtendienst wird Zugang zu Finanzinstituten und zu den Telekommunikationsdiensten eröffnet. Damit erhält der Auslandsgeheimdienst eine weitere Ausforschungskompetenz im Innern. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) darf nun Auskunft von den Telekommunikationsanbietern verlangen. Da der MAD sich für alle Personen interessieren kann, die zukünftig in der Bundeswehr tätig sein sollen, geraten alle potentiell Wehrpflichtigen in sein Visier. Zwar enthält das Gesetz keine Verpflichtung für die Unternehmen, die gewünschten Daten zu liefern, aber bis diese Regelungen geschaffen sind, wird sich wohl kein Unternehmen dem vermeintlichen „Kampf gegen den Terrorismus“ widersetzen wollen.

Die Änderung des „Sicherheitsüberprüfungsgesetzes“ verschafft den Verfassungsschutzbehörden ein zusätzliches Betätigungsfeld. Die Überprüfung durch die Dienste erstreckt sich nun auch auf Beschäftigte, die in „lebens- oder verteidigungswichtigen“ Einrichtungen arbeiten. Welche Einrichtungen dies sind, wird die Bundesregierung in einer Verordnung festlegen. Offenkundig ist, dass mit dieser Bestimmung die ArbeitnehmerInnen in den Infrastrukturbereichen Wasser, Energie, Telefon und Verkehr Kandidaten für Sicherheitsüberprüfungen und damit Objekte nachrichtendienstlichen Interesses sein werden.

Bundespolizeiliche Terraingewinne

Verglichen mit den Nachrichtendiensten ist der „Gewinn“ für die Polizeien bescheidener. Für den Bundesgrenzschutz (BGS) wird der Grenzstreifen, in dem er „verdachtsunabhängig“ kontrollieren darf, an den Seegrenzen von 30 auf 50 Kilometer erweitert. Durch Rechtsverordnung kann dieser Streifen auf maximal 80 Kilometer erweitert werden. Kontrollierte Personen müssen mitgeführte Ausweispapiere „zur Prüfung“ aushändigen. Da Deutsche nicht verpflichtet sind, Ausweise mitzuführen, trifft diese Befugnis wiederum besonders Ausländer. Die Ausweitung des „Grenzstreifens“ umfasst zudem größere Städte von Wilhelmshaven bis Rostock. Damit entwickelt sich der BGS weiter zu einer im gesamten Bundesgebiet zuständigen Polizei; durch die Bestimmung über die bewaffnete Flugbegleitung („Sky marshals“) geht sein Betätigungsfeld noch darüber hinaus.

Das Bundeskriminalamt (BKA) wird in dreifacher Weise gestärkt: Seine originäre Ermittlungszuständigkeit wird auf bestimmte Fälle der „Computersabotage“ ausgedehnt. Lausch- und Spähangriffe des BKA dürfen seit Januar zum Schutz „eingesetzter Personen“ stattfinden – bislang waren sie nur beim Einsatz „Verdeckter Ermittler“ zulässig. Und in sogenannten „Initiativermittlungen“ kann das Amt nun Daten direkt erheben, ohne die Landespolizeien beteiligen zu müssen.

Schlauer in fünf Jahren?

Einige der Novellierungen (Geheimdienstgesetze, G 10- und Sicherheits­überprüfungsgesetz, ein Teil des BKA-Gesetzes) sind bis zum 10.1.2007 befristet. Damit sollte manchen ParlamentarierInnen und Landesregierungen wohl die Zustimmung erleichtert werden. Dass der internationale Terrorismus bis dahin verschwindet, glaubt niemand. Dass es eine redliche Evaluierung der neuen Kompetenzen geben wird, ist so unwahrscheinlich wie ein Lottogewinn. Und eine Regierung, die zugunsten von Demokratie und Bürgerrechten die Sicherheitsapparate stutzt, die ist wohl auch in fünf Jahren nicht in Sicht.

[1] Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 3 v. 11.1.2001, S. 361-395. Zum Gesetzgebungsverfahren und zur Kritik am Gesetz s. www.cilip.de/terror
[2] Lederer, A.: Sicherheitsrisiko Nr. 1, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 70 (3/2001), S. 35-41

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert