zusammengestellt von Ariane Neitzel
Dezember 2002
05.12.: Urteil nach Überfall auf Tunesier: Das Amtsgericht Leipzig verhängt gegen vier Männer Bewährungsstrafen von sechs Monaten bis zwei Jahren und gemeinnützige Arbeit. Die 17- bis 19-jährigen Täter hatten den Mann im Januar in Delitzsch niedergeschlagen und mit Springerstiefeln auf seinen Kopf eingetreten. Einen rechtsradikalen Hintergrund sieht das Gericht nicht.
06.12.: „Phase 2“ unter Verschluss: Der Zoll beschlagnahmt die gesamte Auflage der in der Tschechischen Republik gedruckten sechsten Ausgabe der Zeitschrift. In einem Beschluss vom 11.12. entscheidet das Amtsgericht Wunsiedel, die gesamte Auflage wegen des Verdachts auf „verfassungswidrige Inhalte“ und Steuervergehen einzubehalten.
08.12.: Storch beißt Polizisten: Die Polizei überwältigt den Vogel, der „durch wirres Umherlaufen“ Hamburgs Straßenverkehr gefährdete. Das Tier leistet erheblichen Widerstand und verletzt einen Beamten an der Unterlippe.
09.12.: Blitzschnelle Abschiebung: Zwei Jugendliche werden in Berlin von der Polizei aus dem Unterricht heraus verhaftet und am Abend in das Kosovo ausgeflogen. Nach den Beschlüssen der Innenministerkonferenz hätten die seit 1992 in Deutschland lebenden Brüder eigentlich doppelten Abschiebeschutz: als Roma und als Schüler. Dennoch entschied das Gericht, dass die „Altfallregelung“ für Asylsuchende bei ihnen nicht greift.
12.12.: Polizeibeamte verurteilt: Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verhängt wegen Körperverletzung im Amt und Verfolgung Unschuldiger gegen drei Polizisten Bewährungsstrafen zwischen sechs und achtzehn Monaten. Sie müssen außerdem Geldbußen von je 2.000 Euro zahlen. Die Beamten hatten einen japanischen Journalisten bei einer Demonstration schwer verletzt bzw. ihn zu unrecht wegen Widerstandes angezeigt.
16.12.: Aussteiger-Programm für Neonazis: Laut Presseberichten, die sich auf eine Bilanz der Innenministerkonferenz beziehen, haben bislang 185 Rechtsextreme die staatlichen Ausstiegshilfen genutzt. Unter den Aussteigern seien keine Führungskader.
19.12.: Gehirn von Ulrike Meinhof beerdigt: Die Urne wurde neben ihrem Berliner Grab beigesetzt. Meinhofs Gehirn war nach ihrem Tod im Gefängnis Stuttgart-Stammheim 1976 zu Forschungszwecken aufbewahrt worden.
20.12.: Körperverletzung im Amt: Ein Berliner Polizist, der bei einem Einsatz am 14. Mai dieses Jahres grundlos einen Journalisten getreten und geschlagen hatte, wird vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Außerdem wird dem Beamten die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, für zwei Jahre aberkannt. Ein zweiter Polizist wird aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
23.12.: Jugendhaft für Geiselnehmer: Die Mönchengladbacher Jugendkammer verurteilt einen zur Tatzeit 17-Jährigen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Er hatte am 13. Februar 2002 die neunte Klasse der Hauptschule im niederrheinischen Jüchen in seine Gewalt gebracht.
26.12.: Hamburger Polizist erschießt mutmaßlichen Einbrecher: Laut Obduktionsbericht wurde der 25-jährige Niederländer in den Rücken getroffen, sei aber noch aus dem ersten Stock gesprungen und weggelaufen. 50 Meter entfernt sei er tot aufgefunden worden.
30.12.: Lebenslange Haftstrafe für Polizistenmord: Der Bundesgerichtshof weist die Revision des Angeklagten ab, der im Januar 2000 in eine Radarkontrolle geraten war und einen Polizeibeamten erschossen hatte. Damit wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 26. April 2002 rechtskräftig.
Januar 2003
02.01.: BundesbürgerInnen fühlen sich sicher: Bremens Innensenator Kuno Böse (CDU) stellt eine Studie der Innenministerkonferenz vor. Laut der Untersuchung hält die Mehrheit der Bevölkerung Deutschland für ein sicheres Land.
03.01.: Weniger Drogentote: Nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur ap ist die Zahl der Rauschgiftopfer 2002 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent gesunken. Die Bundesländer registrierten insgesamt 1.397 Tote (2001: 1.835).
05.01.: Kleinflugzeug kreist über Frankfurt/Main: Der Pilot droht damit, sich in Gebäude zu stürzen. Straßen, Mainbrücken und Hochhäuser werden geräumt, der Flughafenbetrieb wird zeitweilig eingestellt. Ein Polizeihubschrauber eskortiert den entführten Motorsegler. Zur „Sicherung des Luftraumes“ steigen zwei bewaffnete Kampfflugzeuge der Bundeswehr auf. Nach zwei Stunden landet der 31-jährige Mann auf dem Frankfurter Flughafen und wird festgenommen.
06.01.: PolizistInnen durchsuchen Pfarrhaus: Im brandenburgischen Schwante versucht die Polizei vergeblich, das Kirchenasyl für einen alleinerziehenden Vietnamesen und seinen fünfjährigen Sohn zu beenden. Die beiden befinden sich zum Zeitpunkt der Polizeiaktion jedoch nicht im Haus. Die Beamten handeln ohne Durchsuchungsbefehl und Zeugen. Am 13.1. erstattet die Kirchengemeinde Strafanzeige gegen die Polizei wegen Nötigung und Hausfriedensbruch.
08.01.: Erneut weniger Asylsuchende: Die Zahl der Asylanträge liegt 2002 mit 71.127 fast 20 Prozent unter der des Vorjahres, so wenige wie seit 1987 nicht mehr. Mit nur 1,8 Prozent war die Anerkennungsquote so niedrig wie nie zuvor in der bis 1985 zurückreichenden Statistik.
Thüringer PDS-Politiker wird überwacht: Das Erfurter Innenministerium bestätigt, dass das Landesamt für Verfassungsschutz jahrelang den PDS-Fraktionschef Bodo Ramelow beobachtet und Daten über ihn gesammelt hat.
09.01.: Unkontrollierte Telefonüberwachung: Das ARD-Magazin Kontraste berichtet über eine Studie der Universität Bielefeld, der zufolge drei Viertel aller überprüften Abhör-Verfahren ungesetzlich waren. Die RichterInnen würden fast jeden Antrag der Ermittlungsbehörden mehr oder weniger ungeprüft unterschreiben.
Razzia gegen Schleuserring: Über 100 Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) durchsuchen in München, Stuttgart und Frankfurt am Main zwölf Wohnungen und Büros. Ein 42-jähriger Mann wird verhaftet, der als einer der „Drahtzieher“ einer international agierenden Organisation gilt, die über Jahre hinweg hunderte Menschen aus Südosteuropa und Nordafrika illegal nach Deutschland gebracht haben soll.
10.01.: Schlag gegen Al Qaida: Auf Grund eines Rechtshilfeersuchens der USA nehmen deutsche Sicherheitsbehörden zwei Männer in einem Hotel am Frankfurter Flughafen fest, die mit internationalem Haftbefehl gesucht wurden. Einer der beiden Jemeniten soll regionaler Finanzverwalter von Al Qaida für den Bereich arabische Halbinsel und Ostafrika sein. Jemen will die Auslieferung an Washington verhindern.
14.01.: Zollfahnder beim Tabakkonzern Reemtsma: Hunderte Beamte durchsuchen Firmensitze und Privatwohnungen in Hamburg. Ermittelt wird gegen führende MitarbeiterInnen wegen des Verdachts, zuvor ausgeführte unversteuerte Zigaretten wieder ins Land geschmuggelt zu haben. Es bestehe zudem der Verdacht der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, der Geldwäsche und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Der Konzern wird auch verdächtigt, durch Lieferungen in den Irak gegen das Handelsembargo der UNO verstoßen zu haben.
15.01.: Hizb ut-Tahrir verboten: Bundesinnenminister Schily begründet das Verbot damit, dass die Islamische Befreiungspartei antisemitische Propaganda verbreite, gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoße und zur Tötung von Juden auffordere. Rund 30 Objekte werden im Bundesgebiet durchsucht. Zu Festnahmen kommt es nicht.
Percy McLean kündigt Rücktritt an: Der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte gibt nach nur einem halben Jahr sein Amt wieder auf. Als Grund nennt er erhebliche Differenzen mit Teilen des Kuratoriums über die inhaltliche Ausrichtung des Instituts.
Schleierfahndung rechtswidrig: Das Verwaltungsgericht Bayreuth gibt einem Autofahrer recht, der gegen eine Polizeikontrolle geklagt hat. Das Gericht begründet sein Urteil damit, dass die kontrollierte Ausfallstraße keine Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr habe. (Az.: B 1 K 01.468)
16.01.: Jugendstrafverfahren: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass Erziehungsberechtigte nicht mehr von Hauptverhandlungen gegen ihre Kinder ausgeschlossen werden dürfen. (Az.: 2 BvR 716/01)
20.01.: Hungerstreik in Grünau: Mindestens 68 Häftlinge im Berliner Abschiebegefängnis verweigern die Nahrungsaufnahme. Sie protestieren gegen menschenunwürdige Behandlung, ungenügende medizinische Versorgung und lange Haftdauer. Nach Ende des kollektiven Hungerstreiks protestieren immer wieder einzelne Gefangene mit Hunger- und Durststreiks gegen ihre Inhaftierung. Parallel dazu gibt es bis Mitte März 17 Selbstverletzungen und 26 Selbsttötungsversuche. Kleinere Zugeständnisse der Gefängnisleitung werden nur ansatzweise umgesetzt.
21.01.: Selbstmord wegen Abschiebung: Aus Angst vor seiner drohenden Abschiebung erhängt sich der Flüchtling David Mamedov in seiner Wohnung im nordrhein-westfälischen Schloss Holte.
25.01.: Prügelnder Polizist verurteilt: Es wird bekannt, dass das Landgericht Nürnberg eine zweijährige Haftstrafe ohne Bewährung gegen einen Polizeibeamten verhängt hat. Im Dezember 2001 hatte der Beamte einen psychisch kranken Mann in der Arrestzelle mehrfach grundlos und vorsätzlich mit dem Gummiknüppel auf den Kopf geschlagen.
Angriff von Rechtsextremen: In Erfurt attackieren mehrere Männer eine Gruppe von Punks. Eines der Opfer, der 48-jährige Vater eines Punks, erliegt am 27.1. seinen Verletzungen. Die Polizei durchsucht am 29.1. die Wohnungen von fünf Verdächtigen aus der rechten Szene.
27.01.: Brandanschlag auf Berliner Innenverwaltung: An dem Gebäude entsteht nur geringer Sachschaden. Verletzt wird niemand. Der Staatsschutz nimmt Ermittlungen auf.
28.01.: 60.700 Häftlinge: Die Zahl der Insassen in deutschen Gefängnissen ist 2002 im Vergleich zu den beiden Vorjahren weitgehend konstant geblieben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind 40 Prozent der Häftlinge jünger als 30 Jahre, 22 Prozent sind AusländerInnen. Der Frauenanteil liege bei fünf Prozent.
Urteil wegen Anschlags: Das Amtsgericht Hildesheim verhängt eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten gegen einen 22-Jährigen. Der Mann hat im August 2002 mit etwa 50 anderen eine Asylunterkunft gestürmt. Drei BewohnerInnen waren dabei verletzt worden.
29.01.: Tödliche Folgen: Nach Angaben der Antirassistischen Initiative e.V. sind in den letzten 10 Jahren 281 Flüchtlinge durch staatliche Maßnahmen ums Leben gekommen. Durch rassistische Übergriffe seien 68 Flüchtlinge gestorben.
31.01.: Kurden verurteilt: Fast vier Jahre nach der Schießerei am israelischen Generalkonsulat in Berlin werden drei Männer im Alter zwischen 20 und 23 Jahren wegen einfachen Landfriedensbruchs zu Freizeitarbeit verurteilt. Den Angeklagten war vorgeworfen worden, im Februar 1999 wegen der Verhaftung des PKK-Führers Abdullah Öcalan in die Botschaft eingedrungen zu sein.
Februar 2003
01.02.: Ausgaben für Verfassungsschutz: Dem brandenburgischen Landesamt standen 2002 mehr als 1,5 Millionen Euro (1999: 500.000) und 113 Planstellen (1999: 93) zur Verfügung. Diese Aufstockung begründet Innenminister Jörg Schönbohm mit der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus.
06.02.: Razzia bei islamischen Vereinen: Generalbundesanwalt Kay Nehm lässt Einrichtungen in Minden und Münster durchsuchen. Wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wird gegen drei Männer ermittelt. Sie werden verdächtigt, Anschläge in Deutschland geplant zu haben. Am 12.2. durchsucht die Polizei in vier Bundesländern elf Wohnungen und Arbeitsplätze. Die Ermittlungen richten sich gegen drei Personen, die verdächtigt werden, eine terroristische Vereinigung gebildet und Anschläge geplant zu haben. Vier Verdächtige werden vernommen, Haftbefehle ergehen jedoch nicht. Am 20.3. durchsuchen Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) eine Moschee und fünf weitere Objekte in Berlin. Sechs Männer werden festgenommen. Gegen sie wird ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Gründung einer terroristischen Vereinigung und der Planung von Sprengstoffanschlägen in Deutschland eingeleitet. Wegen Tatverdachts der Urkundenfälschung und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz wird gegen einen der Männer Haftbefehl erlassen.
„Fall Heldrungen“: Die Staatsanwaltschaft Erfurt stellt das Ermittlungsverfahren gegen Thüringer Polizeibeamte wegen fahrlässiger Tötung bzw. Körperverletzung erneut ein. Weder den beiden Beamten vor Ort, die im Rahmen der Fahndung nach dem flüchtigen Dieter Zurwehme 1999 einen Touristen erschossen hatten, noch den Beamten der Einsatzleitung könne strafbares Verhalten nachgewiesen werden.
07.02.: Rasterfahndung an Hochschulen rechtens: Der Hessische Verwaltungsgerichtshof entscheidet, dass die Maßnahme auf der Grundlage des novellierten Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes zulässig ist. (Az.: 10 TG 3112/02) Am 20.2. erklärt das Innenministerium, dass das Landeskriminalamt die Rasterfahndung wieder aufgenommen hat.
08.02.: Arm gebrochen: Bei der Abschiebung wird eine Togolesin nach Angaben ihrer Schwester durch die drei begleitenden BGS-Beamten schwer misshandelt. Den Behörden war bekannt, dass die seit zwölf Jahren in Deutschland lebende Frau zwei Tage später ihren Lebensgefährten hätte heiraten wollen.
Proteste in München: Ein Bündnis linker Gruppen demonstriert gegen die NATO-Sicherheitskonferenz. Außerdem findet eine Friedenskundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen den drohenden Irak-Krieg statt. Insgesamt beteiligen sich über 20.000 Menschen. Die Polizei ist mit 3.500 Beamten vor Ort. Im Zusammenhang mit den Protesten werden mindestens 36 Personen in Gewahrsam oder festgenommen.
12.02.: Anstieg rechtsextremer Straftaten: Nach einer vorläufigen Statistik des Bundesinnenministeriums sind im Jahr 2002 mindestens 10.579 Delikte (2001: 10.054) in der Bundesrepublik registriert worden. Die Zahl der Gewalttaten stieg auf 725 (2001: 709). Deutlich zurück gingen die Straftaten aus dem linken Spektrum und dem Bereich des Ausländerextremismus.
13.02.: Polizeibeamte protestieren: Rund 10.000 PolizistInnen aus der ganzen Bundesrepublik demonstrieren in Mainz gegen die geplante Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
15.02.: Friedensdemonstrationen: In Berlin protestieren 500.000 Menschen gegen den drohenden Krieg im Irak. Es beteiligen sich auch Regierungsmitglieder. Weltweit demonstrieren Millionen Menschen.
16.02.: Videoüberwachung legalisiert: Das Berliner Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz erlaubt der Polizei, „gefährdete Objekte“ und die anliegenden Straßen- und Grünflächen mit Kameras zu überwachen und die Bilder aufzuzeichnen.
17.02.: Abschiebung verhindert: Ein Air-France-Pilot weigert sich, eine abgelehnte Asylbewerberin auszufliegen. Die 36-jährige Frau sollte nach Kamerun abgeschoben werden.
19.02.: Erstes Urteil zum 11. September: Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg verhängt gegen den Marokkaner Mounir al-Motassadeq die Höchststrafe von 15 Jahren Haft. Die RichterInnen sprechen den Angeklagten der Beihilfe zum Mord in 3.066 Fällen, der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie des Mordversuchs und der gefährlichen Körperverletzung in fünf Fällen schuldig. Die Verteidigung kündigt Revision an. (Az.: 2 BJs 88/01-5)
Auf dem Standesamt verhaftet: Eine 21-jährige Kurdin wird in Abschiebehaft genommen. Sie war im Begriff, ihren Lebensgefährten zu heiraten. Die Frau lebte drei Jahre ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Ihr Asylantrag war 1988 abgelehnt worden.
Urteil nach Castor-Blockade: Das Landgericht Lüneburg verhängt wegen Störung öffentlicher Betriebe Geldstrafen zwischen 350 und 1.155 Euro gegen vier Männer, die im März 2001 einen Castor-Transport nach Gorleben 16 Stunden aufgehalten hatten. Vom Vorwurf der Nötigung werden sie freigesprochen. Damit wird das Urteil der Vorinstanz im Prinzip bestätigt. Im Zivilprozess werden vier Männer und eine an der Blockade beteiligte 16-Jährige am 4.3. zu Schadensersatz an die Deutsche Bahn AG in Höhe von 4.700 Euro verurteilt.
26.02.: Kölner Polizeiskandal: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen sechs Polizeibeamte wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt. Die Polizisten hatten am 11.5.2002 einen festgenommenen Mann auf der Wache verprügelt. Der 31-Jährige war ins Koma gefallen und einige Tage später verstorben.
März 2003
02.03.: Aufenthaltsrecht nach Kirchenasyl: Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums wird einer aus der Türkei stammenden Familie nach viereinhalb Jahren im Kirchenasyl der weitere Aufenthalt in Bayern ermöglicht. Hintergrund der Entscheidung sei, dass die Abschiebung wegen nachgewiesener gesundheitlicher Störung in absehbarer Zeit nicht hätte durchgesetzt werden können.
03.03.: Urteil wegen Totschlags: Das Landgericht Neuruppin verhängt gegen fünf Männer Haftstrafen zwischen einem und zehn Jahren. Sie hatten am 4.5.2002 zwei Aussiedler in Wittstock angegriffen. Einer der beiden Männer war später seinen Verletzungen erlegen. Das Gericht sieht Fremdenfeindlichkeit nicht als zentrales Tatmotiv an.
06.03.: Todesopfer rechtsextremer Gewalt: Nach den Recherchen der Frankfurter Rundschau und des Berliner Tagesspiegel sind seit der deutschen Vereinigung mindestens 99 Menschen von Rechtsextremisten getötet worden.
Duldung statt Haft: Kann ein abgelehnter Asylbewerber nicht abgeschoben werden, weil die entsprechenden Papiere nicht vorliegen, muss die Behörde ihm eine vorläufige Duldungserlaubnis erteilen. Mit dieser Entscheidung schränkt das Bundesverfassungsgericht die strafrechtliche Verfolgung wegen unerlaubten Aufenthalts ein. (Az.: 2 BvR 397/02)
07.03.: Rückkehr nach Deutschland: Nach fast 20 Jahren im Nahen Osten stellt sich die mutmaßliche RAF-Terroristin Sabine Callsen freiwillig der Bundesanwaltschaft. Bis zur Anklageerhebung muss sie nicht in Untersuchungshaft. Die 42-Jährige soll 1984 an Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen sein.
08.03.: „Bambule“ in Hamburg: Nach viermonatigen Protesten einigen sich der Senat und die Bauwagenplatz-BewohnerInnen vorläufig auf einen Übergangsplatz. Die genauen Modalitäten werden noch verhandelt. Der Bauwagenplatz „Bambule“ war am 4.11.2002 von der Polizei geräumt worden. Die Proteste dauern seither an. Sie richten sich auch gegen den Innensenator Ronald Schill und die Politik des Hamburger Senats.
10.03.: Urteile im Frankfurter Terroristenprozess: Das Oberlandesgericht verhängt gegen die vier Angeklagten Haftstrafen von zehn bis zwölf Jahren. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Algerier im Dezember 2000 einen Sprengstoffanschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt geplant hatten.
11.03.: Bielefelder Drogenprozess: Am neunten Verhandlungstag wird das Verfahren gegen drei MitarbeiterInnen der Drogenberatung wegen Duldung von Drogengeschäften gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Der Prozess gegen den Ex-Polizeipräsidenten und zwei seiner damaligen Kollegen wird weitergeführt, da sie der Ansicht sind, keine rechtlichen Grenzen überschritten zu haben.
12.03.: Telefonüberwachung von JournalistInnen erlaubt: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Kontrolle der Datenverbindung zur Aufklärung schwerwiegender Straftaten zulässig. Das Gericht betont, dass der gesetzlich vorgesehene Richtervorbehalt zu beachten ist. (Az.: 1 BvR 330/96 u. 1 BvR 348/99)
13.03.: Bericht des Anti-Folterkomitees (CPT): Das Komitee des Europarats wirft dem BGS unnötige und exzessive Gewalt bei der Abschiebung von AusländerInnen per Flugzeug vor. Außerdem wird über Misshandlungen im deutschen Polizeigewahrsam berichtet.
Internationale Liga für Menschenrechte: Der Bremer Publizist und Rechtsanwalt Rolf Gössner wird zum neuen Präsidenten der Liga gewählt.
15.03.: Zufälliger Lauschangriff legal: Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass auch die Gespräche als Beweis verwertet werden dürfen, die bei der Telefonüberwachung eines verdächtigen Straftäters versehentlich aufgezeichnet werden. (Az.: 2 StR 341/02)
18.03.: Kein NPD-Verbot: Das Bundesverfassungsgericht stellt das von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag beantragte Verfahren ein. Wegen der „V-Mann-Affäre“ lehnen drei der sieben RichterInnen des zweiten Senats die Fortsetzung des Verfahrens ab. (Az.: 2 BvB 1/01)
20.03.: Irak-Krieg: Mehrere hunderttausend Menschen in über 350 Orten in der Bundesrepublik demonstrieren gegen den Angriff der USA auf den Irak. Es gibt weltweit Proteste.
24.03.: Antikriegsdemonstration von SchülerInnen: Nach Ausschreitungen setzt die Hamburger Polizei massiv Wasserwerfer und Schlagstöcke ein. Drei PolizistInnen und mehrere DemonstrantInnen werden verletzt. Es gibt 36 Festnahmen und 125 Ingewahrsamnahmen.
Misshandlung im Polizeigewahrsam: Ein Frankfurter Polizeibeamter steht unter Verdacht, einem körperbehinderten Mann durch gezielte Schläge mit einer Eisenstange in der Arrestzelle das Bein gebrochen zu haben. Der 30-Jährige erstattet wegen Körperverletzung im Amt und unterlassener Hilfeleistung Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.
25.03.: Öffentlichkeitsfahndung übers Internet: Das Bundesinnenministerium gibt bekannt, dass das BKA zur Verbrechensaufklärung künftig die von Überwachungskameras aufgezeichneten Bilder von Straftaten online stellen wird.
28.03.: Schleierfahndung rechtmäßig: Nach dem Urteil des bayerischen Verfassungsgerichtshofs verstoßen die Identitätsüberprüfungen im Grenzgebiet und auf Durchgangsstraßen in Bayern nicht gegen die Verfassung. Personen dürften jedoch nur bei Verdacht festgehalten oder durchsucht werden.
Ariane Neitzel studiert Politikwissenschaft an der FU Berlin.