Rechtshilfe ohne Rechtsschutz – Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen mit den USA

von Hartmut Wächtler

Gummiweiche Formulierungen und ein weitgehender Verzicht auf Datenschutzprinzipien und Rechtsschutzmöglichkeiten kennzeichnen die neuen Abkommen zwischen der EU bzw. Deutschland und den USA.

Der 11. September 2001 hat eine rasante rechtspolitische Entwicklung nach sich gezogen. Wie rasant sie war, zeigt sich sehr deutlich an den Vereinbarungen zwischen Europol und den US-Behörden. Am 6. Dezember 2001 schlossen sie ein erstes Abkommen, das sich noch auf den Austausch von strategischen, d.h. nicht-personenbezogenen Informationen beschränkte. In dessen Art. 3 gab es jedenfalls den Versuch, den Datenaustausch auf bestimmte Kriminalitätsbereiche zu limitieren. Art. 10 II stellte bereits weitere Vereinbarungen zum Austausch personenbezogener Daten in Aussicht. Dem sind die Parteien ein Jahr später gefolgt. Im Zusatzabkommen vom 5. Dezember 2002 gibt es keine Begrenzung der Kriminalitätsbereiche mehr.[1] EUROPOL kann danach die bei ihm vorhandenen Informationen auf Anfrage oder spontan an die USA übergeben. Die Einschränkungen für die Datenübermittlung sind äußerst vage gehalten. So heißt es in Art. 5 Nr. 1a:

„Die Übertragung von Informationen gemäß dem vorliegenden Abkommen und deren weitere Verarbeitung durch die empfangende Partei muß dem in der Anfrage geäußerten Zweck entsprechen, der die Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Strafverfolgung jedweder spezifischer Straftaten sowie jegliche spezifische Analysezwecke einbezieht, auf die sich diese Informationen beziehen. Falls eine der Parteien die Verwendung solcher Informationen für andere Zwecke wünscht, beantragt sie zuvor die schriftliche Zustimmung der Partei, die die Informationen bereitgestellt hat.“

Hinsichtlich der besonders sensiblen Informationen heißt es in Art. 6:

„Personenbezogene Daten, die Hinweise auf die rassische Herkunft, politische Anschauungen oder religiöse oder andere Überzeugungen oder Gesundheit oder Sexualleben geben, dürfen nur geliefert werden, nachdem die übermittelnde Partei festgestellt hat, dass diese Daten für einen der in Art. 5 I aufgeführten Zwecke von besonderer Bedeutung sind.“

Mit dieser Formulierung wurde der Rahmen der entsprechenden EUROPOL-Verordnungen verlassen, wonach eine solche Übermittlung nur zulässig ist, wenn dies „absolut notwendig“ ist. Ein zusätzlicher Briefwechsel sollte diesen „Schönheitsfehler“ offenbar ausgleichen.[2] Darin ist unter Punkt 6 ausgeführt, dass der Ausdruck „von besonderer Bedeutung“ im gleichen Sinne zu verstehen sei, wie die in den EUROPOL-Verordnungen verwendete Formel „absolut notwendig“. Weshalb nicht gleich im Abkommen selbst Klarheit geschaffen wurde, ist völlig unklar.

Für den deutschen Leser und potentiellen Datenlieferanten stellt sich vor allem die Frage, wie er selbst einen Missbrauch seiner Daten, die via EUROPOL an die USA geliefert werden, verhindern kann. Hier ist zunächst Art. 3 III des Zusatzabkommens einschlägig:

„Das vorliegende Abkommen dient ausschließlich dem Zweck der Zusammenarbeit der Parteien. Aus den Bestimmungen dieses Abkommens leiten sich weder Ansprüche von Privatpersonen ab, Beweise zu erlangen, zu unterdrücken oder auszuschließen oder die Bearbeitung einer Anfrage zu verhindern, noch stellt es eine Abweichung von jedwedem bereits vorhandenen diesbezüglichen Recht einer Privatperson dar.“

Dies soll wohl heißen, dass sich keine Individual-Ansprüche auf Verhinderung der Datenübermittlung aus dem Zusatzabkommen ableiten lassen sollen. Das Übereinkommen enthält keinerlei eigenständige Bestimmungen über den Datenschutz. Art. 5 III verweist auf die „angemessenen Sicherheitsmaßnahmen, gemäß dem innerstaatlichen Recht“. Allerdings gibt es in dem gesamten Zusatzabkommen keinerlei Vorschriften darüber, dass die Person, deren Daten übermittelt werden, von der Übermittlung überhaupt etwas erfährt.

Wenn umgekehrt eine Privatperson bei der empfangenden Stelle Auskunft darüber begehrt, welche Daten über sie übermittelt worden sind, muss gemäß Art. 10 I die empfangende Partei die übermittelnde Partei zu Rate ziehen. Nach Art. 10 II werden die Informationen nicht an die Privatperson herausgegeben, wenn die übermittelnde Partei ihre Zustimmung nicht erteilt. Beschreitet nun die Privatperson den Rechtsweg gegen diese Nicht-Freigabe von Informationen,

„wird die empfangende Partei mit allen in ihrer Macht stehenden Rechtsmitteln die diesbezüglichen Interessen der übermittelnden Partei durch Beratung, Unterstützung und Erscheinen vertreten.“

Im Klartext heißt dies, dass die empfangende Partei durch alle Instanzen Auskunftsverlangen von Betroffenen abwehren muss, wenn die übermittelnde Stelle die Informationen nicht freigibt – und zwar auch dann, wenn nach innerstaatlichem Recht der empfangenden Partei die Information an sich freigegeben werden müsste.

Angesichts dieser vertrackten datenschutzrechtlichen Situation wird man Personen, die davon ausgehen müssen, dass ihre Daten bei EUROPOL gespeichert werden, zukünftig den Rat geben müssen, vorbeugenden Rechtsschutz gegen die Übermittlung ihrer Daten von den nationalen deutschen Behörden an EUROPOL in Anspruch zu nehmen. Da wegen des Zusatzabkommens mit den USA weder der weitere Datenweg verfolgbar noch eine ausreichende Zweckbindung gewährleistet ist – von einem Rechtsschutz ganz zu schweigen –, dürfte die Übermittlung personenbezogener Daten von deutschen Behörden an EUROPOL jedenfalls mit deutschem Datenschutzrecht kaum mehr in Übereinstimmung zu bringen sein. In diesen Zusammenhang passt auch, dass man sich bei der Aushandlung des Zusatzabkommens nicht einmal an die eigenen Vorgaben gehalten hat. 1999 hatte der Rat die „Bestimmungen über die Übermittlung von personenbezogenen Daten durch Europol an Drittstaaten und Drittstellen“ beschlossen.[3] Gemäß deren Art. 7 hat EUROPOL sicherzustellen, dass der Empfänger sich verpflichtet, die empfangenen Daten zu berichtigen oder zu löschen, wenn sich herausstellt, dass sie unrichtig, ungenau oder überholt sind oder nicht hätten übermittelt werden dürfen. Eine entsprechende Festlegung fehlt in dem Zusatzabkommen mit den USA. Dort heißt es in Art. 9 III lediglich, dass in diesem Fall die empfangende Partei alle „angemessenen Maßnahmen“ ergreifen soll. Dies „kann die Ergänzung, Löschung oder Berichtigung dieser Informationen einschließen.“

Dies ist das Gegenteil dessen, was noch 1999 verbindlich festgelegt worden war. Ebenso fehlt es an der Verpflichtung des Empfängers, die empfangenen Daten zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie übermittelt wurden, nicht mehr erforderlich sind. Auch dies war in Art. 7 III der Bestimmungen von 1999 noch enthalten. Schließlich fehlt in dem Abkommen mit den USA jede Vereinbarung über einen verantwortlichen Haftungsträger im Fall einer unbefugten oder unrichtigen Datenverarbeitung. Dies dürften weitere Argumente für jeden Kläger sein, der die deutschen Behörden daran hindern will, seine Daten an EUROPOL zu übermitteln, wenn nur die mindeste Gefahr besteht, dass sie von dort in die USA weitergereicht werden könnten.

Menschenrechte und Auslieferung

Ein halbes Jahr nach dem Zusatzabkommen mit Europol nahm der Rat das Auslieferungs- und das Rechtshilfeabkommen mit den USA an.[4] Die beiden Verträge, so erklärten die Minister, böten „die notwendigen Garantien für den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Einhaltung der Verfassungsgrundsätze der Mitgliedstaaten.“ Bei dieser Bewertung sind Zweifel angebracht.

Das Abkommen über die Auslieferung ermöglicht diese sowohl zur Strafverfolgung als auch zur Strafvollstreckung, wobei die Erheblichkeitsschwelle für die auslieferungsfähigen Straftaten so niedrig angesetzt ist, dass in der Praxis der Betroffene bei jeder Art von Straftat ausgeliefert werden kann. Von der Fachöffentlichkeit beobachtet wurde vor allem, ob sich die EU in den Fragen Auslieferung bei Todesstrafe und/ oder an eine Sondergerichtsbarkeit sowie in der Frage des Datenschutzes hat durchsetzen und ihre Grundsätze wahren können.

Zum überwiegenden Teil ist dies nicht gelungen. Art. 13 des Auslieferungsabkommens räumt dem ersuchten Staat die Möglichkeit ein, Auslieferung nur unter der Bedingung zu gewähren, dass die Todesstrafe gegen die auszuliefernde Person nicht verhängt wird oder jedenfalls nicht vollstreckt wird. Dies gibt der europäischen Seite immerhin die Möglichkeit, in solchen Fällen die Auslieferung zu verweigern.

Für den Fall, dass dem Auszuliefernden ein Verfahren vor einer Sondergerichtsbarkeit – konkret: einem Militärtribunal – droht, sieht das Abkommen keine entsprechende Weigerungsklausel vor. Art. 17 II bietet stattdessen eine gummiweiche Konsultationspflicht bei Fällen, „in denen die Verfassungsgrundsätze des ersuchten Staates oder die für diesen verbindlichen endgültigen richterlichen Entscheidungen ein Hindernis für die Erfüllung seiner Auslieferungspflicht darstellen können.“ Was geschehen soll, wenn die vorgeschriebenen Konsultationen keinen Erfolg haben, wird nicht geregelt.

Das Rechtshilfeabkommen

Das Rechtshilfeabkommen enthält in Art. 4 die Verpflichtung des ersuchten Staates, die Bankverbindungen und darüber hinaus sämtliche finanziellen Transaktionen von juristischen oder natürlichen Personen zu übermitteln, die einer Straftat verdächtigt, wegen einer solchen angeklagt oder, wie es heißt, „verurteilt oder in sonstiger Weise in Straftaten verwickelt“ sind. Nach deutschem Recht fallen nur ausgesprochene Bagatelldelikte nicht unter die Auskunftspflicht nach dieser Vorschrift. Eine Generalklausel mit Bezug zu terroristischen Aktivitäten und zur Geldwäsche weicht diese mögliche Begrenzung weiter auf.

Art. 5 erlaubt gemeinsame Ermittlungsteams, wenn dies für zweckmäßig gehalten wird. Die Teams sollen in jedem Land, das darin vertreten ist, Ermittlungsmaßnahmen veranlassen, ohne dass die übrigen Staaten ein Rechtshilfeersuchen einreichen müssen. Nach Art. 5 IV des Abkommens sollen sich die Ermittlungen stattdessen auf die jeweiligen innerstaatlichen Rechtsnormen des betreffenden Staates stützen.

Eine Regelung wie beim Auslieferungsabkommen, dass keine Rechts­hilfe geleistet werden muss, wenn in dem betreffenden Strafverfahren die Todesstrafe droht, sucht man im Rechtshilfeabkommen vergeblich. Im Gegenteil: nach Art. 9 II b darf der ersuchte Staat für die Bereitstellung von Beweismitteln und Informationen „keine allgemeinen Einschränkungen mit Blick auf die Rechtsnormen des ersuchenden Staates für den Umgang mit personenbezogenen Daten auferlegen.“

Gleiches gilt für den zweiten Prüfstein, ob nämlich Rechtshilfe verweigert werden kann, wenn die Informationen in Sondergerichtsverfahren verwertet werden sollen. Auch hier gibt es keine Regelung. Als mögliches Schlupfloch ist wohl Art. 13 zu verstehen, der dem ersuchten Staat die Ablehnung der Rechtshilfe ermöglicht, wenn „durch die Erledigung des Ersuchens die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung und andere grundlegende Interessen dieses Staates beeinträchtigt würden.“ Möglicherweise hat man hier, um die US-Seite nicht zu reizen, auf eine deutlichere Ausgestaltung des Vertragstextes verzichtet. Wohin das führt, bleibt abzuwarten.

Art. 9 kann als eine Art Zweckbindungsklausel verstanden werden. Als Verwendungszweck sind vor allem kriminalpolizeiliche Ermittlungen und Strafverfahren sowie Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit des ersuchenden Staates aufgeführt. Für andere als die aufgeführten Zwecke dürfen die übersandten Daten nach Art. 9 I e nur mit vorheriger Zustimmung des ersuchten Staates verwandt werden. Echte Beruhigung kann diese Vorschrift jedoch nicht verbreiten, da überhaupt nicht geklärt ist, wie die Einhaltung dieser Zweckbindungsvorschriften überwacht werden soll. Die Konsultationsvorschrift des Art. 11 dürfte jedenfalls für eine effektive Kontrolle nicht ausreichen, zumal in einer erläuternden Note zwischen den Parteien hinsichtlich der Zweckbindung in Art. 9 noch einmal ausdrücklich festgehalten worden ist, dass für die Ablehnung der Rechtshilfe Datenschutzgründe nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden dürfen. Eine bemerkenswerte Klarstellung.

Rechtshilfevertrag zwischen Deutschland und den USA

Am 14.10.2003 unterzeichneten Bundesjustizministerin Zypries und ihr US-Kollege Ashcroft zusätzlich ein bilaterales Rechtshilfeabkommen.[5] Sachlich erstreckt sich dieses auf strafrechtliche Verfahren einschließlich Steuerstraftaten, Ordnungswidrigkeiten nach dem deutschen Kartellrecht und unter bestimmten Voraussetzungen selbst auf einfache Ordnungswidrigkeiten. Die Rechtshilfe erstreckt sich auf die Fahndung nach und Identifizierung von Personen oder Gegenständen, die Zustellung von Urkunden, die Abnahme von Aussagen oder anderen Erklärungen, die Überstellung von Häftlingen z.B. zur Zeugenaussage, die Überlassung von Urkunden o.ä., die Durchsuchung und Beschlagnahme und besondere Ermittlungsmethoden wie die beispielhaft erwähnte Überwachung des Fernmeldeverkehrs, verdeckte Ermittlungen und kontrollierte Lieferungen. Schließlich wird die Unterstützung bei Verfahren in Bezug auf Sicherstellung und Einziehung von Vermögenswerten und die Beitreibung von Geldstrafen sowie in einer Generalklausel jede andere Form der Rechtshilfe, die nicht nach dem Recht des ersuchten Staates verboten ist, zugesichert. Die Rechtshilfe ist – von Ausnahmen abgesehen – nicht davon abhängig, dass die Handlung, deretwegen sie betrieben wird, in beiden betroffenen Staaten verfolgt wird (Art. 1 IV).

Auch dieses Abkommen sieht keine Klausel vor, dass Rechtshilfe verweigert werden kann, wenn in den USA die Todesstrafe oder ein Sondergerichtsverfahren drohen. In Art. 3 ist jedoch eine Generalklausel enthalten. Danach kann Rechtshilfe verweigert werden, „wenn die Erledigung des Ersuchens die Souveränität, die Sicherheit oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates beeinträchtigen würde.“ Auch hier kann vermutet werden, dass politische Rücksichtnahme auf die USA dazu geführt hat, weder Sondergerichte noch Todesstrafe beim Namen zu nennen.

Art. 10 regelt die Vernehmung von Zeugen im Rechtshilfeweg. Verfahrensbeteiligten, z.B. Verteidigern, ist die Anwesenheit bei der Zeugenbefragung gestattet, jedoch nur, wenn sie im Rechtshilfeersuchen genannt werden. Sie haben kein eigenes Fragerecht, sondern nur das Recht, Fragen an die aussagende Person vorzuschlagen. Durchsuchungen und Beschlagnahmen sind nur zulässig, wenn sie auch nach dem Recht des ersuchten Staates möglich sind (Art. 11 I Nr. 2). Gleiches gilt für die erwähnten besonderen Ermittlungsmethoden in Art. 12.

Ein besonderes Kapitel sind auch hier die Datenschutzbestimmungen bzw. deren Restbestände. Zunächst enthält Art. 9 II die Vorschrift, dass der ersuchte Staat Unterlagen oder sonstige Informationen, die sich im Besitz einer Regierungsstelle oder Behörde befinden, aber nicht öffentlich zugänglich sind, „in dem selben Umfang und unter den selben Bedingungen zur Verfügung stellt, wie sie seinen eigenen entsprechenden Behörden zugänglich wären.“

Diese Bestimmung ist deswegen bemerkenswert, weil damit den Behörden des ersuchenden Staates dieselbe Rechtsstellung beigemessen wird wie den innerstaatlichen Behörden, ohne dass der Bürger, dessen Informationen auf diese Weise verarbeitet werden, die Möglichkeit hätte, sich in einer entsprechenden Weise zu wehren. Es ist nicht erkennbar, wie ein deutscher Staatsangehöriger sich z.B. zur Wehr setzen soll, wenn eine deutsche Polizeibehörde seine Informationen an eine ähnliche Behörde in den USA weitergibt. In Deutschland könnte er dies unter den Bestimmungen des deutschen Datenschutzrechtes und auf dem üblichen Verwaltungsrechtsweg. Geschieht die Weitergabe seiner Daten auf dem Rechtshilfeweg in die USA, fehlt es an jeder realistischen Möglichkeit des Rechtsschutzes. Dies um so mehr, als in Art. 1 VI ausdrücklich bestimmt ist, dass der Betroffene Bürger aus dem Rechtshilfeabkommen selbst keinerlei Rechte ableiten kann.

Damit bleibt dem deutschen Betroffenen auch hier nur der Weg, die einschlägigen deutschen Behörden mit Auskunftsverlangen und gegebenenfalls vorbeugenden Unterlassungsbegehren zu traktieren. Ist die Datenübertragung im Rechtshilfeweg bereits geschehen, kommt eine Klage auf Rückholung der Daten in Betracht, da die Einhaltung der deutschen Datenschutzbestimmungen durch das Rechtshilfeabkommen in keiner Weise gewährleistet ist.

Die Zweckbindungsbestimmungen des Rechtshilfevertrags, die nach Art. 1 VI keine individuellen Rechte begründen sollen, sind löchrig wie ein Schweizer Käse. Nach Art. 15 II dürfen die erlangten Informationen oder Beweismittel nicht zu einem anderen als dem in dem Ersuchen beschriebenen Zweck verwendet werden, „mit Ausnahme der in Absatz III aufgeführten Zwecke“. Dort finden sich dann eine ganze Reihe von Ausnahmen, unter denen die Zweckbindung ohne vorherige Zustimmung des ersuchten Staates durchbrochen werden darf, nämlich

„1. für jeden anderen Zweck, für den Rechtshilfe nach diesem Vertrag gewährt werden würde; 2. zur Verhinderung der Begehung schwerer Straftaten; 3. in einem nicht strafgerichtlichen Verfahren oder Verwaltungsverfahren, das sich auf einen in den Nummern 1. und 2. genannten Zweck bezieht und 4. zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit.“

Von dieser Ausnahme von der Zweckbindung gibt es eine weitere Ausnahme, dann nämlich, wenn der ersuchte Staat zum Zeitpunkt der Ablieferung der Daten ausdrücklich eine Zweckbindung verfügt. Wie diese Zweckbindung gewährleistet werden soll, sagt das Abkommen nicht. Lediglich für den Fall, dass ein Beweismittel oder eine Auskunft vorbehaltlich einer Bedingung zur Verfügung gestellt wird, kann der ersuchte Staat vom ersuchenden Staat verlangen, dass er die Verwendung der erhaltenen Informationen nachträglich darlegt. Welche Folgen es haben soll, wenn sich herausstellt, dass die erhaltenen Informationen bedingungswidrig verwandt wurden, sagt das Abkommen nicht.

Alle vier dargestellten Abkommen sind entweder direkte Folgen des 11. September 2001 oder jedenfalls in der Form, in der sie jetzt zustande gekommen sind, wesentlich durch die Ereignisse dieses Tages bestimmt. Gerade in dieser Situation hätte man vom „alten Europa“ erwarten können, dass es seine Grundsätze energischer verteidigt.

Hartmut Wächtler ist Fachanwalt für Strafrecht in München.
[1] EU-Ratsdok. 15231/02 v. 5.12.2002
[2] Briefwechsel zu FN 1: EU-Ratsdok. 15231/02 ADD 1 v. 5.12.2002
[3] Rechtsakt des Rates vom 12.3.1999, in: Amtsblatt der EG Nr. C 88 v. 30.3.1999, S. 1
[4] EU-Ratsdok. 9153/03 v. 3.6.2003 und 9845/03 v. 5./6.6.2003
[5] bisher nicht veröffentlicht