Antiterroristische Triangel. EU-Terrorismusbekämpfung nach dem Anschlag in Madrid

von Mark Holzberger

Nach dem Anschlag von Madrid am 11. März 2004 hat die EU ihren Anti-Terrormaßnahmen eine neue Richtung gegeben. Künftig will sie nicht nur die Kooperation von Polizei und Geheimdiensten intensivieren, sondern auch das Militär stärker in die Bekämpfung des Terrorismus einbinden.

Nach den Anschlägen in New York hatte die EU einen 64 Punkte umfassenden „Aktionsplan zur Terrorismusbekämpfung“ vereinbart.[1] Hiervon wurde in den letzten drei Jahren u.a. Folgendes umgesetzt:

Legislative Maßnahmen (die übrigens allesamt schon vor dem 11. September 2001 geplant waren): Rahmenbeschluss zur Angleichung der Definition und Strafrahmen bei terroristischen Straftaten in allen EU-Ländern; Rahmenbeschluss zur Einführung des Europäischen Haftbefehls, der den bisherigen Auslieferungsverkehr zwischen den EU-Staaten ersetzen soll; eine regelmäßig aktualisierte Liste von Personen und Organisationen, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtigt werden, sowie die Vereinbarung eines darauf bezogenen Informationsaustausches zwischen den Polizeibehörden und Geheimdiensten.[2]

Operative Maßnahmen: Bildung multinationaler Ad-hoc-Gruppen (aus Polizei, Geheimdiensten und Europol zur Sammlung von personenbezogenen Informationen mit Terrorismusbezug aus dem strafrechtlichen Vorfeld); Erstellung von geheimdienstlichen Persönlichkeitsprofilen von TerroristInnen und deren UnterstützerInnen; Maßnahmen zur Verhinderung der Einreise von Terrorverdächtigen.[3]

Abgerundet wurde dieser antiterroristische „Fahrplan“ der EU durch Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus und zur Intensivierung der Zusammenarbeit mit den USA. Deren Resultat sind u.a. das Rechtshilfe- und Auslieferungsübereinkommen zwischen der EU und den USA sowie die Vereinbarung zum Austausch personenbezogener Daten zwischen den USA und Europol.[4]

Förderung der polizeilichen Terrorbekämpfung

Nach dem Anschlag von Madrid reagierte die EU erneut innerhalb weniger Tage: Bereits am 25. März verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs mit ihrer „Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus“ ein ganzes Bündel politischer Empfehlungen, die in einer Fortschreibung des Aktionsplans zur Terrorismusbekämpfung ihren Niederschlag fanden:[5] In sieben Politikbereichen sollen insgesamt 57 Maßnahmen ergriffen werden. Der größte Teil davon ist bereits Monate – wenn nicht gar Jahre – vor dem Anschlag von Madrid auf den Weg gebracht worden. Viele haben nichts oder nur sehr wenig mit Fragen der Terrorismusbekämpfung zu tun, sondern betreffen die allgemeine Kriminalitätsbekämpfung.[6] Inzwischen hat die Arbeitsebene der EU 132 Handlungsschritte erarbeitet; bei etwa der Hälfte davon geht es um die Optimierung der polizeilichen und geheimdienstlichen Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung.[7]

Dem März-Gipfel der EU ging es dabei allgemein darum, dass die „Straf­verfolgungsbehörden (Sicherheitsdienste, Polizei, Zoll usw.) in möglichst großem Umfang zusammenarbeiten und untereinander alle Informationen austauschen, die für die Terroris­musbekämpfung von Belang sein können.“ Auf EU-Ebene soll hierfür die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit „effizienter“ gestaltet werden. Die Mitgliedstaaten wurden dazu aufgerufen, „eine wirksame systematische Zusammenarbeit zwischen Polizei, Sicherheits- und Nachrichtendiensten zu fördern.“ Der neue Aktionsplan fordert deshalb die EU-Staaten auf – zumindest zur Erstellung von Analysen mit Terrorismusbezug –, auf nationaler Ebene ein Gremium zu schaffen, in dem Polizei und Geheimdienste kontinuierlich zusammenarbeiten. Zudem sollen sie eine nationale Stelle schaffen, über die Polizei und Nachrichtendienste den Kontakt zum neuen Anti-Terror-Koordinator der EU halten.[8]

Auch dessen Einsetzung hatte der EU-Gipfel im März beschlossen. Der Hohe Vertreter der EU im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, besetzte den neuen Posten mit dem früheren stellvertretenden Innenminister der Niederlande und langjährigen Vorsitzenden der liberalen Fraktion im Europaparlament, Gijs de Vries. Der Koordinator residiert im Sekretariat des EU-Rates und soll von dort aus die Arbeiten des Rates zur Terrorismusbekämpfung koordinieren.

Als weiteren Schritt will die EU die so genannte Task Force der europäischen Polizeichefs (TFPC) stärken. Seit April 2000 treffen sich die Leiter der Polizeibehörden der EU-Staaten – ohne Rechtsgrundlage und ohne öffentliche Kontrolle – einmal im Halbjahr, um auf Grundlage strategischer Vorfeldinformationen Polizeiaktionen gegen den internationalen Terrorismus bzw. die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität einzuleiten, zu koordinieren und auszuwerten. In der EU besteht allerdings „Einigkeit“ darüber, dass die Arbeit der TFPC bislang „keinen operativen Mehrwert auf EU-Ebene bewirkt“ hat.[9] Dass die TFPC aber dennoch nicht aufgelöst wird, hat aus Sicht der EU-Kommission zwei Gründe: Zum einen haben die Polizeichefs direkten Zugang zu ihren Ministern und können so politische Beschlüsse in Polizeiangelegenheiten beeinflussen. Und zum anderen sind sie befugt, über den Einsatz polizeilicher Ressourcen zu entscheiden. So soll nun also die TFPC in den EU-Ratsstrukturen verankert werden und sich dort auf ihre proaktiven bzw. operativen Aufgaben konzentrieren (und z.B. nicht an der Vorbereitung von Rechtsakten mitwirken). Zweitens soll die TFPC eine Einheit zur Förderung der operativen Zusammenarbeit (Operational Support Unit – OSU) einsetzen. Diese soll insbesondere im Bereich der Terrorismusbekämpfung den Austausch so genannter Intelligence-Informationen erleichtern. Die OSU soll bei Europol angesiedelt und der Dienstaufsicht des Europol-Direktors unterstellt werden.[10]

Daneben will die EU die Rolle und die Kapazitäten von Europol auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung ausbauen. Hierzu soll – erstens – die Counter Terrorism Task Force (CTTF) wieder eingesetzt werden, die bereits nach dem 11. September 2001 gegründet und anschließend mit der bis dahin siebenköpfigen Counter Terrorism Unit (CTU) verschmolzen wurde. Zwei Drittel der dort Arbeitenden sind – nach damaliger Aussage des Europol-Direktors – Geheimdienstangehörige. Der Haushaltsplan für 2005 weist für die CTU 17 Planstellen und einen Etat von rund 170.000 Euro aus. Für die Wiederbelebung der CTTF sollen im kommenden Jahr zusätzlich 220.000 Euro bereitgestellt werden. Europol versetzt zu diesem Zweck zehn AnalystInnen in die CTTF und will darüber hinaus 20 neue Stellen schaffen. Zusätzlich soll jeder EU-Staat einE VerbindungsbeamtIn in die CTTF entsenden. Diese hätten insbesondere für einen intensiven Informationsaustausch mit den Polizeibehörden und den Geheimdiensten der Mitgliedstaaten zu sorgen. Im Prinzip leisten CTU und CTTF weitgehend Doppelarbeit: Beide sind nämlich dafür zuständig, strategische und operative Analysen zu erarbeiten, die Beteiligung von Europol an den oben genannten multinationalen Ad-hoc-Gruppen und an gemeinsamen Ermittlungsgruppen zu betreuen sowie Expertenwissen zu sammeln (z.B. über modus operandi von TerroristInnen). Eigenständig betreibt die CTU nur die beiden Europol-Analyseda­teien zum Islamischen und zum „indigenen“ Terrorismus und verfasst die Terrorismus-Lageberichte der europäischen Polizeibehörde.[11]

Die Einführung des Europol-Informationssystems, so forderte der März-Gipfel der EU ferner, sei „mit höchster Eile fortzusetzen.“[12] Und die EU-Kommission ihrerseits empfiehlt dem Haager Amt, eine „gemeinsame Terrorismus-Datenbank aufzubauen, in der Angaben zu Personen, Vorfällen, Hinweisen und Operationen erfasst“ werden.[13]

Zunächst aber müsse Europol besser mit Informationen versorgt werden: Dies betrifft nicht nur den Datenfluss von den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten nach Den Haag. Auch die „Weiterleitung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen in Verbindung mit allen Aspekten des Terrorismus an Europol soll verbessert werden“ – so wie überhaupt „die Beziehungen zwischen Europol und den Nachrichtendiensten weiterzuentwickeln“ seien. Ein aus Sicht der Geheimdienste nicht unbedingt opportunes Anliegen. Denn – so der neue Anti-Terror-Koordi­nator – Europol wird „von den Nachrichtendiensten als Strafverfolgungsbehörde gesehen und daher nicht als Partner angenommen.“[14]

Der Kotau vor den Geheimdiensten

Das Verhältnis zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten innerhalb der EU ist von zwei Strukturmerkmalen geprägt: Zum einen bestehen in den Mitgliedstaaten extrem unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Auf der anderen Seite pflegen die Geheimdienste auch auf EU-Ebene eine kompromisslose Abschottungshaltung nicht nur der Polizei, sondern auch den polizeilichen Nachrichtendiensten gegenüber.

In den Mitgliedstaaten arbeiten nicht nur klassische Polizeibehörden (die in einigen EU-Staaten zentral und in anderen, wie z.B. in Deutschland, föderal strukturiert sind). Es gibt polizeiliche Nachrichtendienste und Behörden für die Inlandsaufklärung (oder beides in einem). Und daneben existieren auch noch Auslands- und Militärgeheimdienste. Ein Trennungsgebot – wie in Deutschland – ist den meisten Mitgliedstaaten fremd. Infolgedessen wird in der EU im nationalen Rahmen – gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung – zwischen Polizei und Geheimdiensten auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlicher Intensität zusammengearbeitet.[15]

Die polizeiliche Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung läuft innerhalb der EU in der für die Innen- und Rechtspolitik zuständigen dritten Säule über die Terrorism Working Group (TWG). Darin arbeiten VertreterInnen aus den polizeilichen Nachrichtendiensten der EU-Länder mit Europol zusammen. Einige Mitgliedstaaten entsenden in die TWG auch VertreterInnen ihrer nichtpolizeilichen Geheimdienste. Innerhalb der TWG herrscht aber – so klagt die EU-Kommission – „mangelndes Vertrauen“ zwischen den Beteiligten.[16] Eine zweite Arbeitsgruppe heißt Terrorismus (Internationale Aspekte) (COTER) und ist der zweiten Säule der EU (Außen- und Militärpolitik) zugeordnet. In ihr arbeiten VertreterInnen aus den jeweiligen Außenministerien der Mitgliedstaaten zusammen. Seit dem 11. September 2001 hat man versucht, die Tätigkeiten von TWG und COTER besser zu verzahnen – mit nur mäßigem Erfolg.[17] Bislang fehlt ein Gremium zur Koordinierung der geheimdienstlichen Bekämpfung des Terrorismus in der EU. Die Nachrichtendienste der Mitgliedstaaten treffen sich zur Terrorismusbekämpfung nämlich seit Jahrzehnten lieber außerhalb der EU – im informellen Rahmen des so genannten Berner Clubs.[18] Im September 2001 wurde innerhalb dieses Clubs eine Gruppe zur Koordinierung der Arbeit ihrer AntiterrorexpertInnen, die Counter-Terrorism Group (CTG), gegründet.[19] Die CTG fungiert seither faktisch als informelle Ratsarbeitsgruppe der EU für die Arbeit der nichtpolizeilichen Nachrichtendienste. PolizeivertreterInnen sind weder an der CTG noch am Berner Club beteiligt.

Die EU-Kommission will nun für die „Verknüpfung“ der Arbeit von Europol, TWG, COTER mit der CTG bzw. dem Berner Club sorgen. Dafür schlägt sie z.B. vor, dass alle EU-Länder auch VertreterInnen ihrer nichtpolizeilichen Nachrichtendienste in die TWG entsenden und Europol in den Club von Bern aufzunehmen sei.[20] Gleichzeitig soll der Kontakt zwischen der EU-Polizeibehörde nicht länger indirekt über die (polizeilichen) VerbindungsbeamtInnen der Mitgliedstaaten organisiert sein. Vielmehr soll Europol direkte Beziehungen mit sämtlichen polizeilichen und nachrichtendienstlichen Antiterror-Einheiten aufnehmen und Zugang zum internen Kommunikationssystem der europäischen Inlandsgeheimdienste und politischen Polizeien, dem BDL-Netz, erhalten.[21] Überhaupt sei die Kooperation zwischen den polizeilichen und nichtpolizeilichen Nachrichtendiensten und Europol auf eine klare rechtliche Grundlage zu stellen.

EU-Außenpolitik gewinnt an Gewicht

Die EU – so beklagt sich ihr neuer Anti-Terror-Koordinator de Vries – verfüge über kein in Brüssel angesiedeltes Gremium, das sich kontinuierlich mit sämtlichen (säulenübergreifenden) Aspekten der Terrorismusbekämpfung beschäftigt. Zu den Sitzungen von TWG und COTER fliegen die VertreterInnen aus den EU-Staaten extra ein und beschäftigen sich dann auch nur mit ihrem jeweiligen Spezialgebiet, ohne sich z.B. mit themenverwandten Aspekten aus der europäischen Innen- und Rechtspolitik (wie z.B. Visapolitik oder Datenschutz) auseinander zu setzen. Hieran wird sich auch – jedenfalls in absehbarer Zeit – nichts ändern.[22]

Vor dem Hintergrund der Querelen zwischen den Polizeibehörden, den polizeilichen und nichtpolizeilichen Nachrichtendiensten gewinnt seit Madrid die Zweite Säule der EU, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, im Bereich der Terrorismusbekämpfung zusehends an Gewicht: Der neue Anti-Terror-Koordinator wurde auf Initiative des für die EU-Außen- und Militärpolitik zuständigen Generalsekretärs/Hohen Vertreters des EU-Rates, Javier Solana, berufen. Die „übergeordnete Verantwortung“ für die Umsetzung des Aktionsplans zur Terrorismusbekämpfung hat De Vries nicht dem Rat der Innen- und Justizminister, sondern dem Allgemeinen Rat der EU-Außenminister übertragen.[23] Ebenfalls auf Vorschlag Solanas hat die EU im März ferner beschlossen, innerhalb ihres Ratssekretariats (und damit unter Solanas Fuchtel) eine nachrichtendienstliche Komponente für alle Aspekte der terroristischen Bedrohung einzugliedern. Anfang Juni wurde festgelegt, dass das Joint Situation Centre (SitCen), das im Jahr 2002 als Kooperationsgremium der EU-Auslandsgeheimdienste der EU gegründet worden war, diese Rolle übernehmen solle.[24]

Militäreinsätze im Innern

Aber auch die Rolle des Militärs im Kampf gegen den Terror wird innerhalb der EU derzeit neu definiert: Im Dezember letzten Jahres hatte der Gipfel der Staats- und Regierungschefs die „Europäische Sicherheitsstrategie“ verabschiedet. Darin heißt es, dass heute „die erste Verteidigungs­linie oftmals im Ausland liegen wird … Zur Bekämpfung des Terrorismus kann eine Kombination aus Aufklärungsarbeit sowie polizeilichen, justiziellen, militärischen und sonstigen Mitteln erforderlich sein.“[25] Damit bekräftigte die EU, was seit dem Krieg in Afghanistan Realität ist, dass nämlich zur Bekämpfung des Terrorismus in Drittstaaten auch militärische Mittel eingesetzt werden können.

In Ihrer „Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus“ vom 25. März 2004 bedienten sich die Staats- und Regierungschefs nun eines Mittels, das in Art. 42 des Verfassungsentwurfs der EU vorgesehen ist. Sie verabschiedeten eine Solidaritätserklärung, in der man sich versprach, dass im Falle eines Terroranschlags in einem Mitgliedstaat die anderen zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Gefahrenabwehr „alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel [mobilisieren], einschließlich militärischer Mittel“.

Damit wird dem Einsatz des Militärs im Inland zur Abwehr von Terroranschlägen der Weg geebnet. Um dafür Akzeptanz zu erzeugen, fängt man mit dem scheinbar unverdächtigen Bereich des Zivilschutzes an. So ist die EU – übrigens schon seit dem Sevilla-Gipfel im Jahr 2002 – dabei, eine militärische Datenbank einzurichten, in der die militärischen Kapazitäten erfasst werden, die für den Schutz der Zivilbevölkerung vor den Folgen von Terroranschlägen verwendbar sind.[26]

Darüber hinaus hat der März-Gipfel der EU im Hinblick auf die Bekämpfung des Terrorismus auch eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit der NATO verlangt. Die NATO ihrerseits hat auf ihrem Gipfel in Istanbul Ende Juni ein erweitertes Maßnahmenpaket beschlossen. Sie will u.a. den „Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse unter unseren Nationen“ verbessern – u.a. über „unsere Arbeitseinheit Terrorist Threat Intelligence Unit“ –, „unsere bestehenden nachrichtendienstlichen Strukturen im NATO-Hauptquartier“ überprüfen und die Konsultationen und den Informationsaustausch mit der EU „aktiv fortführen“.[27]

Fazit

Das Trennungsgebot für Polizei und Geheimdienste – so durchlöchert es bereits in Deutschland ist – gerät durch die Vorgaben der EU zusätzlich unter Druck. Auf der EU-Ebene wird nämlich versucht, die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Geheimdiensten zu verrechtlichen und zu institutionalisieren – nach den Vorgaben der Geheimdienste und notfalls auch durch Kooperationsformen außerhalb der EU. Mit ihrem Beschluss über die Zulässigkeit von Militäreinsätzen im Innern hat die EU schließlich einen Weg eingeschlagen, dessen Ende heute noch nicht absehbar ist. Es hat ganz den Anschein, als sollte der von den europäischen Ermittlungsbehörden ausgemachten „Mediterranean Anarchist Triangle“ von militanten GlobalisierungskritikerInnen[28] ein „antiterroristisches“ Dreieck aus Polizei, Geheimdiensten und Militär gegenübergestellt werden.

Mark Holzberger ist Referent für Flüchtlings- und Migrationspolitik in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied der Redaktion von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
[1] letzte Fassung: Ratsdok. 13909/1/02 v. 14.11.2002
[2] in der Reihenfolge der Aufzählung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 164 v. 22.6.2002, L 190 v. 18.7.2002, L 196 v. 3.6.2004 und L 16 v. 22.1.2003
[3] Ratsdok. 10913/6/03 v. 23.10.2003 und 11858/02 v. 18.11.2002; s.a. die „Meldungen aus Europa“ in diesem Heft
[4] vgl. hierzu Wächtler, H.: Rechtshilfe- und Auslieferungsübereinkommen mit den USA, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 76 (3/2003), S. 57-64
[5] Ratsdok. 7906/04 v. 29.3.2004 und 10586/04 v. 15.6.2004
[6] vgl. Statewatch: Scoreboard on post-Madrid counter-terrorism plans, London März 2004
[7] zu anderen Aspekten des Aktionsplans siehe „Meldungen aus Europa“ in diesem Heft
[8] Ratsdok. 10586/04 v. 15.6.2004; vgl. auch Ratsdok 9453/04 v. 11.5.2004
[9] EU-Kommission: Mitteilung über den Ausbau der polizeilichen und zollbehördlichen Zusammenarbeit in der EU, KOM (2004) 376 v. 18.5.2004, S. 22
[10] Ratsdok. 9453/04 v. 11.5.2004
[11] Ratsdok. 9546/04 v. 24.5.2004 und 9721/04 v. 19.5.2004
[12] Einen Sachstandsbericht zum Informationssystem, das eine Speicherung von Informationen der Mitgliedstaaten und von Europol zu Fragen der organisierten Kriminalität bzw. der Terrorismusbekämpfung ermöglichen soll, bietet Ratsdok. 9669/04 v. 24.5.2004.
[13] vgl. EU-Kommission a.a.O. (Fn. 9), S. 32
[14] Ratsdok. 9876/04 v. 26.5.2004; ähnlich auch die EU-Kommission: Mitteilung a.a.O. (Fn. 9), S. 30. Ein Problem, das Europol übrigens auch im Hinblick auf seine Kontakte zu den USA plagt. So weigern sich nicht nur die US-Geheimdienste, Informationen an Europol weiterzugeben. Selbst das FBI besteht darauf, Anfragen aus Europa – in Umgehung der Europol-VerbindungsbeamtInnen in Washington – nur im direkten Kontakt mit Behörden der EU-Mitgliedstaaten oder über die FBI-Attachés in den europäischen US-Botschaften zu beantworten, vgl. Ratsdok. 6862/04 v. 3.3.2004.
[15] vgl. hierzu die komprimierte Übersicht des Anti-Terror-Koordinators in Ratsdok. 9876/04 v. 26.5.2004
[16] EU-Kommission a.a.O. (Fn. 9), S. 30
[17] Zwar trifft man sich jetzt halbjährlich. Die Arbeitsweisen von TWG und COTER sind aber extrem unterschiedlich. Dies zeigte sich z.B. bei den Bedrohungsanalysen beider Gruppen: „The TWG assessment is based upon investigation, whereas the COTER document has a broader basis“, so die TWG. Daher wird es auch in Zukunft keine gemeinsamen Analysen von TWG und COTER geben, s. Ratsdok. 5865/03 v. 5.3.2003.
[18] Im Berner Club treffen sich die Leiter der Sicherheits- und Nachrichtendienste der EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegens und der Schweiz, um formlos Informationen und Erfahrungen auszutauschen. Thematische Schwerpunkte sind dabei der „Internationale Terrorismus“, außereuropäischer Extremismus und Cyber-Terrorismus, vgl. Bundesamt für Polizei (Schweiz): Pressemitteilung v. 28.4.2004.
[19] Bereits ein Jahr zuvor hatte der damalige Ministerialdirektor im Bundesinnenministerium, Reinhard Rupprecht, eine entsprechende Reform der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit im Berner Club angeregt; vgl. Rupprecht, R.: Probleme und Perspektiven einer Zusammenarbeit der Inlandsnachrichtendienste in einem zusammenwachsenden Europa, in: Bundesamt für Verfassungsschutz (Hg.): Bundesamt für Verfassungsschutz – 50 Jahre im Dienst der inneren Sicherheit, Köln 2000, S. 119-143 (137).
[20] EU-Kommission a.a.O. (Fn. 9), S. 54
[21] Dem hatte die TWG schon Ende 2003 zugestimmt, s. Ratsdok. 15171/03 v. 26.11.2003. BDL steht für Bureaux de Liaison, die Verbindungsbüros der Geheimdienste.
[22] Diskussionspapier des EU-Koordinators: Ratsdok. 9791/04 v. 25.5.2004
[23] Ratsdok. 10147/04 v. 4.6.2004
[24] Pressemitteilung von Javier Solana v. 8.6.2004
[25] Ratsdok. 15895/03 v. 8.12.2003
[26] Einen Sachstand hierzu liefern der Bericht des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees der EU (Ratsdok. 6644/4/04 v. 11.5.2004) sowie die Empfehlungen des Militärischen Komitees (Ratsdok. 10684/04 v. 21.6.2004).
[27] www.nato.int/docu/pr/2004/p04-096e.htm, Communiqué des Istanbul Summit v. 28.6.2004
[28] siehe „Meldungen aus Europa“ in diesem Heft auf S. 87 f.