Chronologie

zusammengestellt von Martina Kant

Juli 2004

01.07.: Weiter U-Haft wegen Berliner 1. Mai: Nach Angaben der Staatsanwaltschaft beim Landgericht (LG) Berlin sind von den 70 Personen, die wegen der Vorfälle am 1. Mai verhaftet wurden, 30 noch immer in U-Haft. Mindestens fünf wurden bereits zu Freiheitsstrafen verurteilt. Am 23.9. verurteilt das Amtsgericht (AG) Tiergarten einen 24-Jährigen wegen Steinwürfen und Widerstand zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten.

06.07.: Verbot der Straßenbenutzung rechtswidrig: Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Lüneburg hätte die Polizei anlässlich der Anti-Cas­tor-Proteste im Wendland im November 2002 einen Anwalt nicht hindern dürfen, an einer Kontrollstelle die Straße zu betreten. Da er nicht zur Blockade wollte, habe er keine Gefahr dargestellt.

09.07.: Cannabis bleibt verboten: Das Bundesverfassungsgericht hält am Verbot des Besitzes auch geringer Mengen Haschisch fest und verwirft die Vorlage eines Bernauer Amtsrichters. Dieser hatte einen
20-Jährigen, der mit fünf Gramm Haschisch angetroffen wurde, freisprechen wollen. (Az.: 2 BvL 8/02)

Sicherungsverwahrung abgesegnet: Der Bundesrat stimmt dem Gesetz über die nachträgliche Sicherungsverwahrung „gefährlicher Straftäter“ zu. Das am 29.7. in Kraft tretende Gesetz wird am 4.8. erstmals angewendet: Das LG Bad Kreuznach ordnet die Verwahrung eines
42-Jährigen an, der 1994 absichtlich eine Frau angefahren und zu vergewaltigen versucht hatte.

12.07.: Hamburg weist Mzoudi und El Motassadeq aus: Obwohl das Hamburger Oberlandesgericht (OLG) Abdelghani Mzoudi freigesprochen und der Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung Mounir El Motassadeqs aufgehoben hat, weist die Hamburger Innenbehörde die beiden als „Terrorverdächtige“ aus. Sie können jedoch nicht abgeschoben werden, solange die Revisions-Strafverfahren nicht abgeschlossen sind. Aufgrund eines Urteils des Hanseatischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 24.8. erhält Mzoudi die vorläufige Zulassung für die Fortsetzung seines Studiums (Az.: 3Nc 3/04). Am 6.9. verbietet ihm jedoch die Innenbehörde das weitere Studium. Das OVG habe nur die hochschulrechtlichen und nicht die ausländerrechtlichen Fragen entschieden, Mzoudi sei nur geduldet bis zum Ende des Strafverfahrens.

13.07.: Holger Pfahls verhaftet: Beamte der französischen Polizei und Zielfahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) verhaften in Paris den seit fünf Jahren flüchtigen ehemaligen Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Pfahls soll 1991 als Verteidigungsstaatssekretär für den Export von Spürpanzern nach Saudi-Arabien vom Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber rd. 1,9 Mio. Euro kassiert haben. Am 17.11. genehmigt ein Berufungsgericht die Auslieferung, die aber noch nicht vollzogen ist.

14.07.: Bewährungsstrafen für Kölner Polizisten: Der BGH verwirft die Revision gegen das Urteil des LG Köln, das die sechs Beamten im Juli 2003 zu Bewährungsstrafen zwischen zwölf und 16 Monaten verurteilt hatte. Im Mai 2002 hatten sie einen Festgenommenen auf der Wache so misshandelt, dass dieser nach längerem Koma verstarb.

15.07.: Kölner SEK aufgelöst: Die Kölner Polizei löst eines ihrer drei Sondereinsatzkommandos (SEK) auf und suspendiert sieben Beamte. Gegen Angehörige der Einheit wird u. a. wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung im Amt und versuchter Strafvereitelung ermittelt. (Siehe S. 82 f. in diesem Heft.)

Hessische HobbypolizistInnen: Der Landtag beschließt ein Gesetz, das den Aufbau des bisher nur in vier Modellprojekten betriebenen Freiwilligen Polizeidienstes in allen Gemeinden ermöglicht.

RZ-Prozess: Nach einem „Deal“ mit der Bundesanwaltschaft verurteilt das Berliner Kammergericht Lothar Ebke wegen seiner Beteiligung am Anschlag der Revolutionären Zellen (RZ) auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber 1987 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.

19.07.: Kein Bußgeld für Blockade: Wegen Geringfügigkeit stellt das Amtsgericht (AG) Hannover das Verfahren gegen vier Männer ein, die im November 2003 einen Castor-Zug 33 Minuten aufgehalten hatten.

20.07.: Rekrutengelöbnis in Berlin gestört: Tausend PolizistInnen schützen die Gelöbnisfeier im Bendler-Block vor 550 friedlich Demonstrierenden, die 300 Meter vor dem Platz anhalten müssen. Ein Protest auf dem Platz gelingt nur zwei Personen, die sofort von Feldjägern festgenommen werden.

21.07.: Suizid mit Dienstwaffe: Ein 43-jähriger Berliner Polizeioberkommissar erschießt sich auf der Dienststelle.

22.07.: Baden-Württembergs Justizministerin tritt zurück: Corinna Werwegk-Hertneck (FDP) stolpert über die „Telefon-Affäre“. Sie soll ihren Parteifreund, den vor einem Monat ebenfalls abgetretenen Wirtschaftsminister Walter Döring darüber informiert haben, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen einer Spenden-Affäre ermittelt. Ihr Amtsvorgänger Ulrich Goll (FDP) wird am 25.7. zu ihrem Nachfolger.

26.07.: SEK schießt auf den Falschen: Ein 66-Jähriger, der in einem Münchner Wohnhaus wild um sich schießt, kann von einem Nachbarn entwaffnet werden. Die Polizei trifft ein, als letzterer mit dem Gewehr des Rentners in der Hand aus dem Haus tritt. Die Beamten halten ihn fälschlich für den Amokläufer. Weil er die Waffe nicht sofort fallen lässt, schießt einer der Polizisten und trifft ihn in den Oberarm.

29.07.: Versammlungsfreiheit auch für Neonazis: Das Bundesverfassungsgericht begründet einen Beschluss vom 23.6., der die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde der NPD-Nordrhein-Westfa­len gegen ein Demonstrationsverbot des OVG Münster wiederhergestellt hatte: Eine Versammlung könne nicht allein wegen zu erwartender neonazistischer Äußerungen verboten werden. (Az.: 1 BvQ 19/04)

30.07.: Hamburg verlängert Abschiebestopp: Während der Bundesinnenminister über die Rückführungsmodalitäten verhandelt, verlängert die Hansestadt vorerst die Duldung für afghanische Flüchtlinge. Sie gilt nicht für Straftäter und „Terrorverdächtige“.

Schleierfahndung gegen „islamischen Terrorismus“: Mit dieser Begründung werden in Niedersachsen bei landesweiten „ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen“ 541 Personen und 262 Fahrzeuge überprüft. Ergebnis: eine Festnahme aufgrund eines Abschiebehaftbefehls, eine Aufenthaltsermittlung, zwei Identitätsfeststellungen und 126 Anhaltemeldungen. Eine ähnliche Kontrollaktion findet am 17.9. statt.

August 2004

03.08.: Kassler Polizisten nicht verurteilt: Gegen Geldbuße von je 1.200 Euro stellt das AG Kassel das Verfahren wegen Körperverletzung im Amt ein. Die Beamten hatten im Juni 2002 einen 29-jährigen Türken festgenommen. Dass sie ihn auf der Wache geohrfeigt hatten, sei demütigend gewesen. Sie hätten aber, so der Richter, unter Druck gestanden.

04.08.: Halbjahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes: Bei der Vorstellung des Berichts revidiert Innenminister Günther Beckstein seine Auffassung, die Neonaziszene entwickele eine Art „Braune Armee Fraktion“. Von den 5.500 in Bayern lebenden islamischen Extremisten, so Beckstein weiter, befürworteten etwa 500 Gewalt, 50 könnten Verbindungen zu terroristischen Netzwerken haben.

06.08.: Letzter Politbüro-Prozess: Das LG Berlin verurteilt Siegfried Lorenz und Hans-Joachim Böhme wegen Beihilfe zum dreifachen Mord zu einem Jahr Haft auf Bewährung. Obwohl erst Ende der 80er Jahre ins Politbüro aufgestiegen, seien sie für den Schießbefehl an der Mauer und damit für den Tod von Republikflüchtigen verantwortlich, da sie es unterlassen hätten, auf die Änderung des Befehls hinzuwirken. (Az.: 540-3/03)

Tod nach SEK-Einsatz: Nachdem Nachbarn einen Schuss gemeldet hatten, dringen in den frühen Morgenstunden SEK-Beamte in eine Wohnung in Berlin-Neukölln ein, rennen den Bewohner mit einem Eisenschild um und fesseln ihn. Kurz danach klagt der Festgenommene über starke Übelkeit. Der Mann stirbt noch in der Wohnung. Die Polizei führt seinen Tod auf eine vorher bestehende Erkrankung zurück.

10.08.: Entschädigung für La Belle-Opfer: Libyen zahlt den rund 160 deutschen Opfern des Anschlages auf die Berliner Diskothek La Belle von 1986 insgesamt 35 Mio. US-Dollar Entschädigung.

11.08.: Freispruch für Polizisten: Das AG Frankfurt spricht zwei Polizisten aus Kelkheim vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung im Amt bzw. der Strafvereitelung frei. Es sei unklar, ob sie im Mai 2003 einen Festgenommenen auf der Fahrt zur Wache geschlagen hätten oder ob der gebrochene Augenhöhlenknochen des Mannes von der Auseinandersetzung in der Wohnung stamme, wo er randaliert habe.

16.08.: Hessische DNA-Datei: Das Hessische Innenministerium gibt bekannt, dass in der ersten Jahreshälfte 606 Verbrechen durch DNA-Analysen geklärt worden seien. Seit 1998 habe die Datei 2.073 Übereinstimmungen zwischen Tatortspuren und Personen sowie 655 zwischen Spuren verschiedener Tatorte geliefert. Derzeit sind rund 30.000 Datensätze gespeichert.

Anschlag auf Asylunterkunft: Drei von Unbekannten auf das Heim in Calbe (Sachsen-Anhalt) geworfene Molotow-Cocktails schlagen vor dem Gebäude auf und richten keine Schäden an.

17.08.: Polizeischuss auf Neonazi: Beim Versuch zwei rechtsextreme Plakatkleber in Altenburg (Thüringen) festzunehmen, löst sich nach Aussage des Polizeibeamten ein Schuss aus seiner Waffe. Ein 18-jäh­ri­ger Neonazi erleidet einen Oberarmdurchschuss.

18.08.: Lauschangriff-Statistik: Das Bundesjustizministerium teilt mit, dass im Jahre 2003 in neun Ländern fünfzig Objekte, darunter 35 Privatwohnungen, „akustisch überwacht“ wurden. (Siehe S. 81 f. in diesem Heft.)

19.08.: Erfolgreicher deutscher Polizeihund: Laut Pressemitteilung des BKA hat ein belgischer Schäferhund deutscher Herkunft und Ausbildung im Dienste der kolumbianischen Polizei in einem Seecontainer in Cartagena 1.000 kg Kokain erschnüffelt. Sein beim Zollamt München Flughafen angestellter Kollege Nero musste sich laut Mitteilung vom 19.11. mit nur 10 kg zufrieden geben.

21.08.: Razzia bei „Vandalen“: 180 PolizistInnen, darunter ein SEK, lösen eine Versammlung der Neonazi-Gruppe in Berlin-Karlshorst auf. Die Polizei überprüft 88 Personen, stellt mehrere Messer sicher und nimmt gegen zwölf Personen Anzeigen wegen Verstoß gegen das Uniformverbot auf.

23.08.: Freispruch für Johannes Weinrich: Aus Mangel an Beweisen spricht das LG Berlin den früheren „Carlos“-Komplizen von der Anklage des sechsfachen Mordes und der Beteiligung an drei Attentaten in Frankreich 1982 und 1983 frei. Weinrich sitzt wegen des Anschlags auf das Berliner Maison de France 1983 eine lebenslange Haftstrafe ab.

Ein Jahr wegen Widerstands: Das Amtsgericht Gießen verurteilt einen
33-Jährigen, weil er im Juni dieses Jahres einen Polizisten, der ihn verhaften wollte, mit einem Messer angegriffen und sich danach in seiner Wohnung verschanzt hatte, bis diese von einem SEK gestürmt wurde.

Telefonüberwachung in Berlin: Der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses verlangt einen jährlichen Bericht zur Telekommunikationsüberwachung. 2003 wurden in Berlin 584 Anschlüsse überwacht.

25.08.: Neonazis durchs Brandenburger Tor: Im Anschluss an eine angemeldete Kundgebung vor der britischen Botschaft in Berlin marschieren 70 Neonazis ungehindert von der überraschten Polizei durch das Wahrzeichen Berlins.

26.08.: Körperverletzung und Falschanzeige: Zu 18 und 21 Monaten Haft verurteilt das AG Hamburg zwei Polizisten, die eine 31-jährige Frau bei der Räumung einer Straße nach einer Demonstration verprügelt und sie anschließend wegen Widerstandes angezeigt hatten.

27.08.: Berufsverbot in Baden-Württemberg: Kultusministerin Annette Schavan (CDU) bestätigt ihre Entscheidung, ein Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg nicht in den Schuldienst einzustellen. Der Verfassungsschutz stuft die Initiative als „linksextremistisch“ ein.

September 2004

03.09.: Polizeiprügel erneut vor Gericht: Im Berufungsverfahren gegen zwei Thüringer Polizisten wegen Übergriffen auf Zivilbeamte während einer Demonstration verkürzt das Gericht die Bewährungsstrafen von 12 auf 10 Monate. Dadurch behalten die Polizisten ihren Beamtenstatus.

08.09.: Bauwagenplatz in Hamburg-Barmbek geräumt: Mit einem Großaufgebot von 1.400 Beamten räumt die Polizei das „Wendebecken“. Der Vertrag zwischen dem Bezirk und den 17 BewohnerInnen war Ende August ausgelaufen. Obwohl den BewohnerInnen von privater Seite ein Ersatzstandort angeboten worden war, verteidigt Stadtentwicklungs­senator Michael Freytag (CDU) die Räumung und erklärt, dass das „dauerhafte Leben in Bauwagen keine zulässige Wohnform“ sei.

09.09.: Zweijährige Bilanz der Ausreiseeinrichtung Fürth: Seit September 2002 wurden 105 „ausreisepflichtige“ Personen in Fürth untergebracht; 66 weitere hätten sich der Zuweisung entzogen und seien untergetaucht. Bei 40 Menschen konnte während der Unterbringung die Identität geklärt bzw. Ausreisedokumente beschafft werden, von ihnen wurden bereits 36 abgeschoben.

Demo-Gebühr in Hessen: Nach der neuen „Verwaltungskostengebührenverordnung“ können die hessischen Kommunen ab sofort für Demonstrationen, denen Auflagen erteilt werden, eine Gebühr von bis zu 200 Euro kassieren.

13.09.: Abschiebung per internationalem Charterflug: 17 afrikanische Flüchtlinge werden mit einem für 140.000 Euro gemieteten Charterflugzeug nach Burkina Faso, Togo und Benin abgeschoben. Die Hamburger Innenbehörde hatte den Flug koordiniert. 70 Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) und ihre Kollegen aus Belgien und der Schweiz begleiten die Afrikaner.

20.09.: Islam-Kongress verboten: Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verbietet den für Anfang Oktober geplanten „Ersten Arabischen Islamischen Kongress in Europa“. Die Veranstalter hätten im Kongress-Aufruf Selbstmordattentate in Israel gerechtfertigt und Widerstand
gegen „amerikanischen, zionistischen Terror“ bejaht.

23.09.: Geiselnehmer von SEK erschossen: Vor einem Frauenhaus in Neuss (NRW) passt ein 21-jähriger Mann seine dort lebende Freundin ab und schlägt auf sie ein. Als die Polizei eintrifft, hält er der Frau ein Messer an den Hals, schleppt sie in eine nahegelegene Garage und droht sie und sich selbst zu töten. Ein Beamter des daraufhin alarmierten SEK schießt auf den Mann, der 20 Minuten später an der Schussverletzung stirbt. Die Frau erleidet eine Schnittwunde.

25.09.: NPD-Demonstration in Berlin verboten: Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die Verbotsentscheidungen des VG und OVG Berlin, da es zu erwarten sei, dass es zu Volksverhetzungen komme. Unter dem Motto „Berlin bleibt deutsch“ und „Keine islamischen Zentren“ wollte die NPD durch den Bezirk Wedding ziehen, in dem über 50 Prozent der BewohnerInnen nichtdeutscher Herkunft sind.

27.09.: SEK erschießt 77-Jährigen: Als ein Gerichtsvollzieher die Woh­nung eines Mannes zwangsräumen will, verschanzt sich dieser und droht sich oder den Gerichtsvollzieher zu erschießen. Auf das herbeigerufene SEK eröffnet der Rentner sofort das Feuer. Die Beamten erwidern die Schüsse und treffen den 77-Jährigen tödlich.

Fahndungsplakate nach Berliner Mai-Krawallen: Die Berliner Polizei veröffentlicht – wie in den Vorjahren – bundesweit Fahndungsbilder von 21 mutmaßlichen Gewalttätern. Bis Mitte November können auf diese Weise fünf Personen identifiziert und festgenommen werden.

28.09.: Hohe Haftstrafe für Andrea Klump: Wegen Unterstützung des Bombenanschlags auf einen Bus mit jüdischen Auswanderern 1991 in Budapest verurteilt das Stuttgarter OLG die frühere Terroristin zu einer Haftstrafe von sieben Jahren. Insgesamt bildet das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren. Klump war 2001 wegen des versuchten Anschlags auf einen NATO-Stützpunkt in Spanien im Jahr 1988 bereits zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

Oktober 2004

08.10.: BGS wird Bundespolizei: Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erteilt den Auftrag zu einem Gesetz, mit dem der Bundesgrenzschutz umbenannt werden und blaue Uniformen erhalten soll.

12.10.: Kaplan abgeschoben: Der wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilte Metin Kaplan wird überraschend aus Köln in die Türkei abgeschoben, obwohl das Bundesverwaltungsgericht (BVG) noch nicht über dessen Revision gegen die Abschiebung entschieden hat. Auf dem Instanbuler Flughafen wird Kaplan festgenommen. Am 7.12. bestätigt das BVG die Abschiebung nachträglich. Am 20.12. beginnt in Istanbul gegen ihn ein Verfahren wegen Hochverrat. Kaplan soll 1998 einen Sprengstoffanschlag auf das Mausoleum von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk geplant haben. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft.

18.10.: Urteil nach Tod bei Abschiebung: Das LG Frankfurt verurteilt drei BGS-Beamte wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu neun Monaten Haft auf Bewährung. Sie hatten 1999 den Sudanesen Aamir Ageeb bei dessen Abschiebung im Flugzeug derart heftig in den Sessel gedrückt, um ihn am Schreien zu hindern, dass er erstickte.

21.10.: Antisemitische Vorfälle: In diesem Jahr hat die Berliner Amadeu-Antonio-Stif­tung deutschlandweit bereits 53 Übergriffe auf jüdische Personen, Schändungen von Friedhöfen oder Gedenkstätten oder andere antisemitische Vorfälle gezählt.

Missbrauch im Abschiebegewahrsam geahndet: Wegen sexuellem Missbrauch an einer 17-jährigen Russin verurteilt das AG Tiergarten (Berlin) einen 37-jährigen Polizisten zu elf Monaten Haft auf Bewährung.

PKK-Führung weiterhin kriminelle Vereinigung: Nach einem Urteil des BGH gilt die Führungsebene der PKK weiterhin als kriminelle Vereinigung, auch wenn sie seit 2000 auf politische Straftaten in Deutschland verzichtet. Die PKK begehe aber weiterhin Urkunden- und ausländerrechtliche Delikte sowie innerhalb ihres internen Strafsystems Körperverletzungen und Freiheitsberaubungen.

30.10.: Straßenschlacht bei Neonazi-Demo: In Potsdam demonstrieren 250 Neonazis aus sog. Freien Kameradschaften. Circa 1.000 Autonome blockieren die Demoroute. Die 1.200-Mann starke Polizei setzt daraufhin Wasserwerfer ein, es kommt zu einer einstündigen Straßenschlacht. Die Polizei nimmt 17 Autonome fest. Gegen acht werden Haftbefehle erlassen, sie werden jedoch gegen Auflagen ausgesetzt.

November 2004

04.11.: Kein Schmerzensgeld für Strafgefangene: Eine menschenunwürdige und rechtswidrige Gefängnisunterbringung führt nicht zwingend zu einer Geldentschädigung, so der BGH. Geklagt hatte ein Mann, der zwei Tage mit vier weiteren Häftlingen eine 16 qm große Zelle teilen musste. Die Toilette in der Zelle war lediglich durch einen Sichtschutz abgetrennt. Nach dem Urteil sei eine Entschädigung von der Dauer und der Intensität des Eingriffs in die Menschenwürde abhängig und von den Beweggründen der Behörde, denen im konkreten Fall keine schikanöse Absicht zugrunde gelegen hätte (Az.: III ZR 361/03). Der Betroffene kündigt Verfassungsbeschwerde an.

06.11.: Allgemeinverfügung gegen Castor-Proteste erlaubt: Das OVG Lüneburg bestätigt das Versammlungsverbot entlang der Transport­strecke. Zuvor hatte das VG Lüneburg erstmals seit 1996 einen „polizeilichen Notstand“ verneint, der Voraussetzung für eine solche Allgemeinverfügung ist. Am 8.11. wird bei den Blockaden gegen den Castor-Transport auf dem französischen Streckenabschnitt ein an die Gleise geketteter Demonstrant vom Zug überrollt und getötet. In zahlreichen Städten kommt es zu spontanen Trauerkundgebungen. Die Blockaden und Demonstrationen gehen dennoch auch im niedersächsischen Wendland weiter. Am Abend erreichen die Behälter das Zwischenlager Gorleben.

11.11.: Verordnung zur Flughafensicherheit unwirksam: Das BVG kippt die nach dem 11. September 2001 erlassene Luftverkehrs-Zuver­läs­sigkeits-Überprüfungs-Verordnung, da sie teilweise nicht vom Gesetz gedeckt ist. Geklagt hatte ein Arbeiter des Flughafens München, der wegen seiner Milli-Görüs-Mitgliedschaft als Sicherheitsrisiko entlassen worden war. Der Kläger muss zudem wieder eingestellt werden, da das Gericht durch ihn keine Gefahr für die Luftverkehrssicherheit sieht. (Az.: 3 C 33.03)

Scientology darf beobachtet werden: Nach einem Urteil des Kölner VG darf das Bundesamt für Verfassungsschutz weiterhin Scientology mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Als Begründung verwies das Gericht auf teilweise nicht öffentlich zugängliche Quellen, nach denen die Organisation wesentliche Grund- und Menschenrechte außer Kraft setzen oder einschränken wolle. (Az.: 20 K 1882/03)

12.11.: Spitzel in Hamburg aufgeflogen: Durch Zufall wird ein verdeckt arbeitender Polizeibeamter, der im Sommer 2003 in Hamburgs linker Szene eingeschleust wurde, enttarnt. Er hatte u. a. in der Anti-Hartz-Gruppe und im Hamburg-Umsonst-Plenum mitgearbeitet. Zuletzt interessierte er sich für die attac-AG „Sozialer Ungehorsam“. Polizei und Senat schweigen bislang zu dem Vorfall.

13.11.: Nazi-Aufmarsch in Halbe: 1.600 in- und ausländische Rechtsextreme marschieren an der Kriegsgräberstätte in Brandenburg auf. Ein Aufgebot von 1.800 Polizisten hält rund 1.000 linke Gegendemonstranten fern. Das OVG Frankfurt (Oder) hatte am Tag zuvor die Polizeibeschwerde gegen den Nazi-Aufmarsch zurückgewiesen. (Az.: 4 B 317/04)

Al-Quds-Demonstration friedlich: Unter starkem Medieninteresse demonstrieren in Berlin knapp 800 Menschen überwiegend arabischer Herkunft gegen Israel. Hinter einer Polizeiabsperrung versammeln sich rund 100 GegendemonstrantInnen, darunter Antifaschistische und jüdische Organisationen.

14.11.: BKA-Mitarbeiter überwacht: Nach einem Bericht des Focus hat BKA-Vize-Präsident Bernhard Falk über ein Jahr lang die Verbindungsdaten der privaten und dienstlichen Telefonate aller Mitarbeiter eines Staatsschutzreferates kontrollieren lassen. Er verdächtigte sie pauschal, Dienstgeheimnisse verraten zu haben. Die Ermittlungen bleiben jedoch ohne Ergebnis.

17.11.: Hilfe zur libyschen Atomwaffenherstellung: In der Schweiz wird ein 61-jähriger Deutscher festgenommen. Er soll Libyen in den Jahren 2001 bis 2003 bei dessen Atomprogramm unterstützt haben. Gegen weitere Deutsche, die in einem illegalen Beschaffungsnetzwerk für Libyen aktiv gewesen sein sollen, wird ermittelt.

21.11.: Muslime gegen islamistischen Terror: Rund 25.000 überwiegend muslimische DemonstrantInnen ziehen friedlich durch Köln. Aufgerufen hatte die Türkisch-Islamische Union, um ein Zeichen gegen jede Art von Terror zu setzen. Unter den Teilnehmern und Rednern sind mehrere PolitikerInnen von den Grünen bis zur CSU.

23.11.: Brandenburgs Verfassungsschutzchef abgelöst: Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kündigt die Ablösung Heiner Wegesins an. Auslöser sollen mehrere Pannen mit V-Leuten in den letzten Jahren gewesen sein. Nachfolgerin wird zum Jahresbeginn die derzeitige Polizeipräsidentin von Frankfurt (Oder), Winfriede Schreiber.

25.11.: Bankräuber erschossen: Nach einem Banküberfall in Ratingen bei Düsseldorf laufen die beiden Räuber zwei Zivilpolizisten in die Arme. Es kommt zum Schusswechsel. Dabei wird einer der Täter erschossen, der zweite und ein Polizist werden schwer verletzt.

26.11.: Bayerischer Briefbomber weggebombt: Ein 22-Jähriger tötet sich mit einer selbstgebauten Sprengladung in Auretzdorf/Landkreis Passau. Eine DNA-Analyse ergibt, dass es sich bei dem Toten um den Gesuchten handelt, der seit April neun Briefbomben zumeist an CSU- und SPD-Politiker verschickt hatte. Bei der Suche nach dem Täter hatte das LKA 2.300 Männer der Gemeinde Hutthurm zur Abgabe einer Speichelprobe für einen DNA-Abgleich aufgefordert. Der 22-Jährige hatte einen Termin für den 27.11.

27.11.: Menschenunwürdige Fesselung: Nach einem Bericht der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl wurden einer vietnamesischen Abschiebegefangenen in der JVA Dresden zwei Mal in Bauchlage Hände und Füße hinter dem Rücken gefesselt und miteinander verbunden. Mit dieser „Schaukelfesselung“ wollten die Beamten die angeblich suizidgefährdete Frau ruhigstellen. In den USA ist diese Fesselung verboten, da sie mehrfach zum Erstickungstod von Festgenommenen geführt hatte.

28.11.: Verhör mit Todesdrohung: Wie das NDR-Fernsehen berichtet, soll ein Schweriner Polizist einem Mordverdächtigen bei einem Verhör mit Erschießung gedroht haben, um das Versteck eines vermissten
7-jährigen Mädchens zu erfahren. Der Anwalt des inzwischen verurteilten psychisch kranken Mörders sagt dem Sender, sein Mandant habe dies bereits in seinem Prozess Mitte Oktober zu Protokoll gegeben. Die Schweriner Staatsanwaltschaft leitet daraufhin ein Vorermittlungsverfahren ein.

Martina Kant ist Redakteurin von Bürgerrechte & Polizei/CILIP und Bundesgeschäftsführerin der Humanistischen Union e.V.