Geheimdienstrechts-Ergänzungsgesetz – Terrrorismusbekämpfung als Universallegitimation

von Heiner Busch

Die Geheimdienste dürfen weiterhin Auskünfte von Banken, Fluggesellschaften und Telekommunikationsfirmen verlangen. Am 1. Dezember 2006 verlängerte und erweiterte der Bundestag die Befugnisse, die er den Diensten vor fünf Jahren eingeräumt hatte.

Das jetzt beschlossene „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ (TBEG) ist der deutliche Beweis dafür, dass die Befristung von Sicherheitsgesetzen eine Farce ist. Ende Dezember 2001 hatte das damals von Otto Schily geführte Bundesinnenministerium (BMI) das „Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ über die parlamentarischen Hürden gepeitscht.[1] Als Zückerchen für den kleinen grünen Koalitionspartner hatte man die darin enthaltenen neuen Befugnisse der Geheimdienste auf fünf Jahre befristet. Vor Ablauf der Frist sollten sie „evaluiert“ werden.

Spätestens der im Mai 2005 – noch unter Rot-grün – vorgelegte Eva­luationsbericht[2] musste selbst Gutgläubigen klar machen, dass ein Auslaufen der Befugnisse zu keinem Zeitpunkt ernsthaft zur Debatte gestanden hatte. Seine Standardsätze, die in Variationen immer wieder auftauchten, lauteten: „Die Befugnis hat aufgabendienliche Erkenntnisse erbracht, ohne dass damit unangemessen breite Überwachungsfolgen verbunden wären. Sie sollte beibehalten werden.“ Der Bericht zeigte vor allem, dass die neuen Befugnisse für die Geheimdienste einigermaßen praktikabel waren. Die angefragten Banken, Telekommunikations- (TK-) oder Fluggesellschaften hatten die Auskunft nicht verweigert, obwohl sie das hätten tun können. Die Informationen waren den Geheimdiensten nützlich und erleichterten ihnen die Identifikation von Personen und dem BMI das Verbot von Organisationen. Dass dadurch terroristische Anschläge verhindert wurden, mussten die LeserInnen glauben – oder eben nicht.

Sicher: die Geheimdienste haben das Mittel des Auskunftsersuchens über TK-Verbindungsdaten nicht annähernd so oft genutzt wie die Polizei. Auf die Überlegung, dass eine so selten in Anspruch genommene Befugnis vielleicht nicht notwendig sei, hatten sich die VerfasserInnen des Berichts erst gar nicht eingelassen.

Schnellere Verfahren

Das TBEG, dessen Entwurf Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble just auf der Pressekonferenz zum Ende der Fußballweltmeisterschaft präsentierte, könnte die bisher vergleichsweise niedrige Zahl geheimdienstlicher Auskunftsersuchen schnell erhöhen. Aus den „Evaluationsergebnissen“ zog das BMI nämlich die Konsequenz, dass das „für eine solche Anfrage sehr aufwändige Verfahren … zu einer erheblichen Verfahrensdauer und eingeschränkter Praktikabilität“ geführt habe. „Diese Mängel könnten durch differenzierte Verfahrensregelungen behoben werden, die für weniger schwerwiegende Eingriffe einen geringeren Verfahrensaufwand vorsehen.“[3]

Diese „Differenzierung“ findet sich nun im neuen § 8a des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG). Bisher galt für alle Auskunftsersuchen des Verfassungsschutzes das gleiche Verfahren, nämlich jenes, das in § 15 Abs. 5 des G 10-Gesetzes für die geheimdienstliche TK-Über­wachung vorgeschrieben ist: Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) oder sein Stellvertreter stellt den Antrag. Das „vom Bundeskanzler beauftragte Bundesministerium“ ordnet an. Die G 10-Kommission wird monatlich über die Auskunftsersuchen unterrichtet und prüft deren Zulässigkeit – im Normalfall vor dem Vollzug, in dringlichen Fällen hinterher. Bei einem nachträglichen Nein der Kommission sind die Maßnahmen sofort zu stoppen, für die bereits erhaltenen Informationen gilt ein absolutes Nutzungsverbot. Das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr) wird halbjährlich informiert und legt selbst einen jährlichen Bericht vor.

Die „differenzierten Verfahrensregeln“ des neuen § 8a BVerfSchG sehen nun Folgendes vor:

  • Für Auskünfte über „Bestandsdaten“ von Post- und Telediensten (Telebanking; Internet-Zugang mit Ausnahme der privaten TK wie z.B. E-Mail etc.) gibt es neu keine besonderen Verfahrensregeln und keine besonderen Voraussetzungen (§ 8a Abs. 1). Das BfV – und nicht etwa nur sein Chef – darf die Informationen immer einholen, „soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist“. „Bestandsdaten“ beziehen sich auf die „Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses“ über Post- oder Teledienstleistungen. Darunter fallen Informationen darüber, ob eine Person ein Postfach hat, ob sie ihre Bankgeschäfte per Internet abwickelt oder einen „Verkaufsraum“ bei Ebay eingerichtet hat etc.
  • Das Verfahren für Auskünfte bei Luftfahrtunternehmen hat der Gesetzgeber erst gar nicht festgelegt (§ 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 1). Es soll in einer Dienstvorschrift mit Zustimmung des BMI geregelt werden. Erfragen kann das BfV hier Namen und Anschriften von KundInnen sowie Daten zur „Inanspruchnahme und den Umständen von Trans­portleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg“. Laut Begründung könnte das BfV auch ganze Passagierlisten verlangen, sofern „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorlägen, dass z.B. ein namentlich noch nicht identifizierter Terrorist unter den Fluggästen sei.
  • Anträge auf Konto-Anfragen (über InhaberInnen, Zeichnungsberechtigte, Kontostand, Aus- und Eingänge sowie deren Empfänger oder Sender) bei Banken, Kredit- und Finanzunternehmen (§ 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2) können nun nicht mehr nur der Präsident und der Vizepräsident des BfV stellen, sondern auch MitarbeiterInnen, die die Befähigung zum Richteramt haben. Die Anordnung trifft das Ministerium. Die G 10-Kommission hat hier nichts mehr zu sagen.
  • Das bisherige G 10-Verfahren bleibt nur für Auskünfte über die „Umstände des Postverkehrs“, die Nutzungsdaten von Telediensten und die TK-Verkehrsdaten erhalten (§ 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3-5). Von solchen Anfragen können auch Dritte betroffen sein, sofern die eigentliche Zielperson ihren Anschluss benutzt oder sie Nachrichten oder Post für sie entgegennehmen. In den TK-Verkehrsdaten sind auch die Standortdaten von Mobiltelefonen eingeschlossen. Mit der unscheinbaren Formulierung „sonstige zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten“ erfasst das Gesetz auch gleich sogenannte „stand-by-Daten“, durch die ein Handy auch dann geortet werden kann, wenn seinE BesitzerIn nicht telefoniert, und durch die auch Methoden wie die „stille SMS“ möglich werden. Die Erfassung dieser Daten habe man bereits 2001 intendiert, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Generell werden die Geheimdienste auch von der EU-Richt­linie zur Vorratsdatenspeicherung und deren anstehender Umsetzung profitieren.[4] Hier wird bereits im nächsten Jahr mit einer „Anpassung“ auch der Geheimdienstbefugnisse an die neuen TK-recht­lichen Bedingungen zu rechnen sein.

Erhalten bleiben die Berichtspflichten an das und des PKGr.

Geringere Voraussetzungen

Damit aber nicht genug der „Differenzierung“. Mit dem TBEG senkt der Gesetzgeber auch die Voraussetzungen für Auskunftsersuchen ab – und das nicht nur für die Bestandsdaten von Post- und Telediensten in § 8a Abs. 1, die der Verfassungsschutz – siehe oben – in Zukunft für jede x-beliebige seiner ohnehin rechtlich kaum zu begrenzenden Aufgabenstellungen erfragen darf.

Der Zugriff auf Post-, Teledienst- und TK-Verkehrsdaten – so erklären die GesetzesmacherInnen in der Begründung – sei ein weit geringerer Eingriff als die Überwachung von kommunizierten Inhalten, für die das G 10-Gesetz eigentlich gedacht sei. Der Gesetzgeber streicht daher erstens den in der alten Regelung zu diesen Daten enthaltenen Verweis auf § 3 Abs. 1 des G 10-Gesetzes. In diesem Paragrafen findet sich ein langer Straftatenkatalog, der von den traditionellen politischen Delikten (Hochverrat etc.) bis hin zur terroristischen Vereinigung reicht. Gefordert werden „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht“, dass „jemand“ solche Straftaten „plant, begeht oder begangen hat.“ Mit der Streichung des Verweises auf § 3 Abs. 1 des G 10-Gesetzes entfällt bei der Verkehrsdaten-Auskunft selbst dieser nur sehr vage Bezug zum Strafrecht.

Für alle im neuen § 8a Abs. 2 genannten Informationen – von den Daten über Flugpassagiere und Kontenbewegungen bis hin zu den Verkehrs- bzw. Nutzungsdaten von Post-, Tele- und TK-Diensten – erweitert das TBEG zweitens die Aufgaben, zu deren Erfüllung der Verfassungsschutz Auskünfte einholen kann. Nach der bisherigen Regelung war dies möglich zu Zwecken der Spionageabwehr (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG) sowie für die Aufklärung von „Ausländerextremismus“ (Nr. 3) und von Bestrebungen gegen den „Gedanken der Völkerverständigung“ (Nr. 4). Die neue Version bezieht nun auch die Beobachtung des (Inländer-)„Extremismus“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) mit ein, soweit es dabei um „volksverhetzende“ oder „militante“ Bestrebungen geht. Im Gesetzestext liest sich diese Einschränkung folgendermaßen:

„Im Falle des § 3 Abs. 1 Nr. 1 gilt dies nur für Bestrebungen, die bezwecken oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind,

  1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder
  2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, aber auch durch Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen veranlassen, befürworten oder androhen.“

Die „Menschenwürde“ von „Teilen der Bevölkerung“? „Bestrebungen, die … aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, … Gewalt … vorzubereiten“? Einzeln gelesen zeigen die verschiedenen Alternativen dieses Satzes, welch bunte sprachliche Blüten gesetzgeberisches Schaffen hervorbringen kann.

Von Normenklarheit ist man hier weit entfernt und man kommt ihr auch nicht näher, wenn man sich stattdessen mit den Formeln „volksverhetzend“ und „militant“ begnügt. Dies illustriert die Begründung mit Beispielen wie der „international organisierten rechtsextremistischen Vertriebsszene für Hasspropaganda“, mit „militanten Rechtsextremisten“, „rechtsterroristischen Gruppierungen“, dem „Islamismus bzw. isla­mistischen Terrorismus“ sowie „Hasspredigern“.

Wer die Verfassungsschutzberichte oder andere Publikationen des BfV liest, weiß jedoch, dass das Amt durchaus auch linke Organisationen und Bewegungen als „militant“ einstuft: „Militante Autonome – Einig im Hass“, heißt es etwa in einem Faltblatt, mit dem das BfV der Öffentlichkeit seine Leistungen bei der Bekämpfung des „Linksextremismus“ anpreist.[5] Zu KandidatInnen für die angeblich geringen Grundrechtseingriffe, die mit verfassungsschützerischen Auskunftsanfragen verbunden sind, werden vor diesem Hintergrund beispielsweise auch jene Personen und Organisationen, die die Proteste gegen den G8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm organisieren.

Mehr Befugnisse für alle Dienste

„Infolge der Erstreckung der Auskunftsregelungen auch auf die Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG sowie der teilweisen Absenkung der Anordnungsvoraussetzungen ist mit einer Erhöhung der Auskunftsfallzahl zu rechnen“, erklärt die Bundesregierung in der Begründung zum Entwurf. Ob diese Zunahme sich tatsächlich „innerhalb der bisherigen Größenordnung halten wird“, bleibt abzuwarten. Sicher ist dagegen, dass das „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ noch weiter von seinem Titel entfernt ist, als dies bei seinem Vorläufer von Ende 2001 der Fall war.

Dass es sich hier um ein allgemeines Gesetz zur Ergänzung von Geheimdienstbefugnissen handelt, zeigt sich auch daran, dass die Regelungen des § 8a BVerfSchG schlicht und einfach auf den Bundesnachrichtendienst (BND) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) übertragen werden. Bisher konnte der MAD nur Auskünfte zu TK-Verkehrs­daten einholen. Dem BND war es zusätzlich erlaubt, Daten über Kontenbewegungen nachzufragen.

Gleiches Recht für alle drei Geheimdienste des Bundes lässt das TBEG auch bei zwei anderen Befugnissen gelten: BfV, MAD und BND dürfen nun „zur Erfüllung ihrer durch Gesetz übertragenen Aufgaben“ – also ohne Einschränkung – Fahrzeug- und Halterdaten online aus dem Zentralen Verkehrsinformationssystem des Kraftfahrtbundesamtes abfragen. Ferner erlaubt ihnen das Gesetz, Personen und Fahrzeuge zur Beobachtung im Schengener Informationssystem (SIS) auszuschreiben. Die Möglichkeit, den Bundesgrenzschutz bzw. die heutige Bundespolizei mit einer solchen gezielten, aber verdeckten Kontrolle an den deutschen Grenzen zu beauftragen, war bereits bei der Neufassung des Geheimdienstrechts 1990 gesetzlich verankert worden (§ 17 Abs. 2 BVerfSchG). Zuvor wurde sie auf der Basis von Sonderanweisungen des BMI praktiziert. Die Aufhebung der Kontrollen an den Schengener Binnengrenzen habe der Grenzfahndung ihre Bedeutung genommen. Das gelte es jetzt zu kompensieren, lautet die Begründung, nachdem elf Jahre seit dem Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens und dem Abbau der Schlagbäume vergangen sind.

Kohle zum Nachlegen

Nicht im Gesetz enthalten ist die Befugnis der Geheimdienste zur Auskunft über die bei der Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht gespeicherten Kontostammdaten, über deren Einführung sich schon die Parteien der rot-grünen Regierungskoalition einig waren.[6] Diese Daten geben „nur“ Aufschluss darüber, wer wo ein Konto hat. Der grüne Innenpolitiker Volker Beck meinte seinerzeit, dieser Eingriff sei verglichen mit der seit 2002 möglichen Abfrage sämtlicher Kontenbewegungen bei den Banken der geringere. Allerdings macht der angeblich so kleine Grundrechtseingriff den größeren erheblich einfacher. Die Anfrage bei der Bundesanstalt erspart die Suche nach der zuständigen Bank, an die die Anfrage über die Kontenbewegungen zu richten wäre. Diese Zeit- und Arbeitsersparnis dürfte die Zahl der Auskunftsanfragen (29 Anfragen in den Jahren 2002-2004) erheblich steigen lassen.

Der neuen Koalition mangelte es nicht am Willen. Sie wartet vielmehr auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das hat zwar bereits einen Eilantrag gegen das „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ abgelehnt und damit Finanzämtern, Sozialbehörden und Gerichten ab dem 1. April 2005 vorläufig den Zugriff auf Kontostammdaten erlaubt.[7] Die Entscheidung in der Hauptsache steht jedoch noch aus. Sobald die ergeht, will die Bundesregierung gemäß ihrer Begründung zum TBEG-Entwurf „unverzüglich“ entsprechende geheimdienstliche Befugnisse nachschieben und das Terrorismusbekämpfungsgesetz erneut ergänzen.

Keinen Bedarf sieht sie demgegenüber für eine Regelung, mit der die angefragten Banken, Fluggesellschaften oder TK-Unternehmen zu einer Auskunft an die Geheimdienste verpflichtet würden. Bisher haben die brav geantwortet und die Rechte ihrer KundInnen ignoriert. Ob das so bliebe, wenn in Zukunft die Zahl der Anfragen ansteigen würde, ist jedoch fraglich – und zwar nicht wegen der Betroffenen, die von der Weitergabe ihrer Daten nichts erfahren (dürfen), sondern wegen des wachsenden Aufwandes, der mit einer Zunahme der Anfragen verbunden ist. Eine verpflichtende Regelung stößt aber auf Schwierigkeiten: Sie würde voraussetzen, dass die formalen Reste des Gebots der Trennung und Unterscheidung von Polizei und Geheimdiensten hinsichtlich ihrer Aufgaben und Befugnisse beseitigt würden. § 8 Abs. 3 BVerfSchG schreibt immer noch vor: „Polizeiliche Befugnisse und Weisungsbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu.“ Eine entsprechende Formulierung findet sich in allen Landesverfassungsschutzgesetzen sowie im BND- und im MAD-Gesetz. Auch wenn das Trennungsgebot faktisch zur Makulatur geworden ist, Polizei und Geheimdienste längst in institutionalisierten Formen zusammenarbeiten und beide Seiten arbeitsteilig das „Vorfeld“ beackern, brauchen die SicherheitspolitikerInnen die organisatorische Trennung und Unterscheidung derzeit noch als ideologischen Schmuck. Vorsorglich hat man im TBEG die Auskunftsbefugnisse so formuliert, als seien die Antworten obligatorisch: In § 8a BVerfschG ist statt von „Ersuchen“ und „Angefragten“ penetrant die Rede von „Anordnungen“ und „Verpflichteten“.

Auf zur nächsten Ergänzung

Seit dem „Otto-Katalog“ von 2001 ist klar, dass der Terrorismus als universelle Begründung für alles, was man sonst noch möchte, dienen kann. Der Innenausschuss des Bundestages hat das auch realisiert und das Paket kurz vor Toresschluss um ein weiteres Element ergänzt. Die Einführung von Fingerabdrücken auf den Chips der neuen biometrischen Pässe muss getestet werden. Auch für die versuchsweise Erhebung der Fingerabdrücke und die Verarbeitung dieser Daten durch die Passhersteller bedarf es in einem Rechtsstaat einer gesetzlichen Grundlage. Warum sollte man sie also nicht in ein Gesetz stopfen, das ohnehin schon beliebig ist.

In fünf Jahren laufen die neuen Geheimdienstbefugnisse wieder aus. Vorher werden sie evaluiert. Spätestens dann wird es bestimmt eine Reihe neuer Ideen geben, wie man das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz weiter ergänzen könnte.

[1] Bundesgesetzblatt I, Nr. 3 v. 11.1.2002, S. 361-395
[2] abrufbar unter www.cilip.de/terror/eval_tbg_11052005.pdf
[3] BMI: Fakten zur Evaluierung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes, v. 11.5.2006, S. 6, abrufbar unter www.cilip.de/terror/eval_tbg_11052005_kurz.pdf
[4] siehe dazu den Artikel von Mark A. Zöller in diesem Heft, S. 21-30
[5] BfV: Verfassungsschutz gegen Linksextremismus, Köln o.J., S. 6, auch auf der Homepage des Amtes abrufbar: www.verfassungsschutz.de/de/publikationen/linksextremismus/
[6] Frankfurter Rundschau v. 28.4.2005
[7] Beschluss v. 22.3.2005, Az.: 1 BvR 2357/04 und 1 BvQ 2/05