Kriminalpräventive Öffentlichkeitsarbeit – „Kompetent. Kostenlos. Neutral.“[1]

von Hanna Noesselt

ProPK, das „Programm Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder“ will den Präventionsgedanken in Öffentlichkeit, Medien und Polizei verankern; der Erfolg wird an der Bekanntheit seiner Kommunikationsmedien gemessen.

Der Ursprung polizeilicher Präventionsarbeit liegt in der ersten Hälfte der 60er Jahre. Das kriminalpolizeiliche Vorbeugungsprogramm des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) und nachfolgende Programme anderer Länderpolizeien bestanden aus einer Kombination von Presse-, Aushang- und Handzettelaktionen. Koordiniert wurden diese auf Bundesebene von Gremien der Innenministerkonferenz (IMK).[2] Mit Wirkung zum 1. Juli 1997 wurde beim Arbeitskreis II der IMK die „Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder” als ständige Untergliederung eingerichtet. Sämtliche Präventionsbemühungen, die über die der einzelnen Bundesländer hinausgehen, werden seither von einem drei- gliedrigen Gremienverbund gesteuert.

Dieser besteht aus einer Projektleitung (PL), der Kommission Polizeiliche Kriminalprävention (KPK) und der in Stuttgart ansässigen Zentralen Geschäftsstelle (ZGS). Polizeiliche Präventionsarbeit ist an den Ressourcen und Möglichkeiten der Polizei orientiert und konzentriert ihre Aktivitäten so auf die Verminderung von Tatgelegenheiten, Vermittlung von Expertenwissen und Verhaltensschulung. Darüber hinaus soll die Verknüpfung von präventiven und repressiven Mitteln, einen ganzheitlichen Arbeitsansatz gewährleisten.

Die „strategische Ausrichtung“ polizeilicher Kriminalprävention wird von der Projektleitung vorgenommen. Beteiligt sind das Bundeskriminalamt (BKA), das Bundesministerium des Innern, jeweils ein Mitglied der AG Kripo[3] und des Unterausschusses Führung, Einsatz, Kriminalitätsbekämpfung (UA FEK)[4] als VertreterInnen der Länder, ein Mitglied der Kommission und das baden-württembergische Mitglied aus dem AK II als VorsitzendeR.[5] Die Projektleitung orientiert sich bei ihrer Arbeit an Vorschlägen aus der Kommission und an den Ergebnissen von Meinungsumfragen (aktuell aus dem Jahr 2002 und 2003, siehe unten). Zudem gibt es Vorstöße aus der Politik, wie die kürzlich vom Innenministerium initiierte Projektgruppe zum Thema „Amok“ zeigt.

Die „konzeptionelle Sacharbeit“ findet mit VertreterInnen aller Bundesländer und des BKA in der Kommission (KPK) statt. Entsprechend der Vorgaben der Projektleitung entwickelt sie „präventionsbezogene Maßnahmen und Konzeptionen”,[6] die sich, unter anderem, aus der Arbeit der auf Landesebene verankerten, thematisch arbeitenden Projektgruppen speisen.[7] Die Geschäftsstelle koordiniert die Arbeit der beiden Gremien, arbeitet ihnen inhaltlich zu, bereitet die zweimal jährlich stattfindenden Treffen vor und pflegt die Kontakte zu anderen Präventionsträgern.

Das Programm

Das „Programm Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder“ ist das Produkt des Gremienverbundes und seine zentrale Aufgabe. Es lässt sich wohl am besten als eine Dienstleistungs- und Kommunikationsplattform verstehen. Sein Ziel besteht darin „die Bevölkerung, Multiplikatoren, Medien und andere Präventionsträger über Erscheinungsformen der Kriminalität und Möglichkeiten zu deren Verhinderung aufzuklären.“[8] Über eine Webpage (www.polizei-beratung.de), diverse Print- und audiovisuelle Medien, Aktionsleitfäden und interaktive Lernprogramme soll länderübergreifend ein informationelles Fundament bereitgestellt und der präventionsbedürftigen Öffentlichkeit ein Anknüpfungspunkt für ihre Erkundigungen zur Verfügung gestellt werden.

Finanziert wird ProPK durch einen Bund-Länder-Etat, über dessen Verwendung die Projektleitung entscheidet. Das Jahresbudget lag bis 2004 bei 1,5 Millionen Euro, seit 2005 wurde es auf 1,2 Millionen Euro reduziert. Ca. 350.000 Euro gehen als Personalkostenzuschuss an das Land Baden-Württemberg bzw. werden als Leistungen für die Werbeagentur und den Verlagsvertrieb verwandt. Eine genauere Aufstellung der Mittelverwendung will die ZGS der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung stellen.

Die Adressaten

Neben der breiteren Zielgruppe Öffentlichkeit richtet sich ProPK gleichermaßen an die Polizei und die Medien. Kommunale und regionale Polizeidienststellen sollen „durch Bereitstellung von Medien und Konzepten sowohl bei der klassischen Beratungs- und Vorbeugungsarbeit als auch im Rahmen der Mitwirkung an übergreifend angelegten Präventionsmaßnahmen“ unterstützt werden.[9] So gibt es sowohl auf Länder- als auch auf kommunaler Ebene Präventionsbeauftragte, die dafür Sorge zu tragen haben, ProPK bekannt und PolizistInnen in ihrem Alltagshandeln präventionskompetent zu machen. Über Seminare und Fortbildungen soll polizeiliches Führungspersonal eingebunden, qualifiziert und der Präventionsgedanke auch von oben strukturell verankert werden. Für den internen Gebrauch gibt es multimedial aufbereitete Informationen, beispielsweise zu Opferschutz und Opferhilfe und ein Präventionshandbuch.[10]

Auf inhaltlicher Ebene befasst sich ProPK mit einer recht großen Bandbreite von Phänomenen, die von sexuellem Missbrauch und Internetkriminalität über Gewalt von Jugendlichen, Einbruchschutz und Zivilcourage bis hin zu Gewalt im Pflegebereich, Betrugsdelikten und Gefahren im Alter reicht. Vielfältig wird informiert, gewarnt und nahegelegt. Nach eigener Einschätzung decken Präventionsmedien bereits einen „Großteil der relevanten Kriminalitätsfelder” ab.[11]

Eine weitere ausgewiesene Zielgruppe sind JournalistInnen, angestrebt wird „kriminalpräventiver Journalismus”. Soweit es die Mittel erlauben, veranstaltet ProPK Seminare, die MedienvertreterInnen in sensibler und nicht-reißerischer Kriminalitätsberichterstattung anleiten und sie dazu motivieren sollen, das Individuum mit Präventionsvernunft zu versorgen: „Niemand möchte sein Lebensbild von Ruhe und Behaglichkeit gestört sehen – auch nicht durch präventive Informationen, die zu einer richtigen Vorsorge gehören würden.“[12] Deshalb rät der „Leitfaden für eine wirkungsvolle Pressearbeit“ den Medien, „Sicherheitsinformationen und Präventionstipps“ so aufzubereiten, dass sie „der Bevölkerung konkrete Ratschläge und damit Nutzwert vermitteln.“ Zwei Vorschläge, wie Pressemitteilungen zu gestalten seien: „Gestern zwei neue Einbrüche in der Linsenbergstraße – der aktuelle Rat Ihrer Polizei: Schließen Sie Balkon- und Terrassentüren am Abend richtig ab!“[13] und „Wer steckt hinter den neuen Einbrüchen in der Linsenbergstraße? Auf was haben es die Täter abgesehen? Und was kann jeder von uns noch heute tun, um sein Hab und Gut wirksam zu schützen? Die wichtigsten Informationen erhalten Sie exklusiv von Ihrer Polizei!“[14]

So wird auf über 20 Seiten das Bild eines leicht minderbemittelten Medienkonsumenten gezeichnet: „Schrecken und Rührung sind die beiden Pole menschlichen Gefühls, um das sich ein Hauptinteresse des Medienkonsumenten dreht.“[15] An manchen Stellen bekommt das Unterfangen absurde Züge: „Vorsicht vor der Synonymitis! ‚Isarmetropole‘ und ‚Spree-Athen‘ sind so abgelutscht wie nur irgendwas.“[16] Alle drei Monate wird neben dem Bürger-Newsletter ein speziell an JournalistInnen gerichteter Newsletter herausgegeben, der diese mit aktuellen „Vorbeugungstipps“ versorgt. [17]

Strategien

Die Kriminalpräventive Öffentlichkeitsarbeit bedient sich verschiedener Strategien, über die eine Präventionswirkung erzielt werden soll: Mit dem Ziel Tatgelegenheiten zu vermindern, werden potenzielle Opfer mit polizeilichem Expertenwissen, in der Regel in Form von „Sicherheitstipps“, versorgt. Die Broschüren teilen mit, welche Sicherheitstechniken zum Schutz von Eigentum oder physischer Integrität als notwendig, sinnvoll oder als übertrieben erachtet werden – der Tenor: Sicherheitstüren ja, Vernebelungsgeräte nein.

Menschen mit Erziehungsauftrag werden in ihrer Vermittlungsrolle angesprochen. So sollen sie ihre Schutzbefohlenen vor der schiefen Bahn, zum Beispiel vor Drogen oder Gewaltanwendung und vor Übergriffen, schützen. Mit einer Mischung aus Sachinformation (Was sind Snuffvideos, wie wirken Drogen), Verhaltensvorschlägen (Wie spreche ich mit meinen Kindern, wie viel Fernsehen ist gut) und Kontrolltipps (Technische Jugendschutzprogramme fürs Internet, Erkennungsmöglichkeiten von verdächtigen Verhaltensweisen) sollen sie befähigt werden, aufgeklärt und angemessen auf die jeweilige Problemsituation zu reagieren, um die Kinder und Jugendlichen vor selbst- oder fremdschädigendem Verhalten zu schützen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist das, was als verhaltensorientierte Prävention bezeichnet werden kann. Sie richtet sich, wie die „Aktion-tu-was” zu Zivilcourage[18] zeigt, zwar auch an Erwachsene. Primär soll jedoch Kindern und Jugendlichen gezeigt werden, was richtiges und was falsches Verhalten ist. Auf der speziell für sie eingerichteten Webpage www.time4teen.de ist zu lernen, dass wir „ohne feste Regeln schnell im Chaos landen“ oder was zu tun ist, wenn „du Mist gebaut hast.“ Die Botschaft: Was du nicht willst, das man dir tu, das tu nicht, und falls das nicht hilft, überzeugt vielleicht das Strafrecht.

Da richtiges Verhalten aber nicht nur eine Frage des Wissens ist, gibt es für Spiel und Übung verschiedene partizipationsorientierte Angebote: das Computerspiel „Luka und das geheimnisvolle Silberpferd“, Quizze und Übungen und aktuell: einen Wettbewerb zum Thema „Wer klaut ist out – Wie sag ich’s meinen Freunden.“ Ein weiteres Beispiel ist das seit 1997 betriebene Streetballprojekt „My way fair play“, das der „steigenden Kinder- und Jugendkriminalität“ mit „konkreten Präventionsvorschlägen“[19] begegnen soll. Statt rumzuhängen sollen die Kids „ohne Ansehen von Herkunft, Bildung, Kleidung und Geldbeutel miteinander … wetteifern.“[20] Träger der Jugendarbeit sollen die Streetballturniere organisieren. Dies ist Teil des Versuches, „übergreifende Präventionsmaßnahmen“ umzusetzen, wie es die „Leitlinien Polizeiliche Kriminalprävention“ der Projektleitung vorgeben.[21]

„Ich will eine ehrbare Prinzessin werden“

Präventionsarbeit kann sich, im Gegensatz zu akutem Eingreifen, an keiner konkreten Tat orientieren und tapst so, bisweilen hilflos, im Dunkel der Kriminalitätsursachen. Unabhängig davon, dass das Konzept Prävention grundsätzlich hinkt,[22] befremdet ProPK jedoch auch in seiner konkreten Ausgestaltung. Einige Punkte:

  1. Evaluation ist ein wichtiger Bestandteil von Präventionsarbeit. 2002 gab die Projektleitung eine umfassende Befragung der Bevölkerung in Auftrag, im Februar 2003 wurden dann 7.200 PolizistInnen zu ProPK befragt. Die Projektbeschreibungen in den Jahresberichten enden oft mit einem Verweis auf ihre Evaluation. Die Frage lautet jedoch nicht: Erreichen wir das Ziel der Prävention? Sondern: Wie können wir unsere Medien an den Menschen bringen? So gibt es Öffentlichkeitskampagnen für Öffentlichkeitsarbeit – ohne dass Inhalt oder Effektivität der Maßnahmen weitergehend hinterfragt werden.
  2. Die Homepage und die Kommunikationsmittel sind vielfältig mit Bildern illustriert, über 60 werden zum Download angeboten. Diese erinnern in ihrer Klischeelastigkeit jedoch oft an CDU-Wahlkampfplakate: Kriminelle Akte begehende Männer, erschreckt oder behütet schauende Mädchen, Frauen und Seniorinnen. Dass ein junger Mann, der mit einem Ball im einen und einem Jungen im anderen Arm durch einen Park geht, als „Fremder mit Kind“[23] in der Rubrik Sexualdelikte abgespeichert wird, ist am wenigsten nachvollziehbar.
  3. Dass es auf der time4teen-Homepage trotz zielgruppenspezifischen Layouts und „Jugendsprache“ etwas moralinsauer zugeht, ist wohl vorprogrammiert. Darüber hinaus stellt sich aber zum einen die Frage, ob Jugendliche wie „Rolf, der Schläger“, der nach wiederholter Gewalttätigkeit (von elektronischen Beats unterlegt) noch einmal mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, ihre Zeit auf polizeilichen Präventionshomepages verbringen. Zum anderen ist sehr fraglich, ob von Informationen flankierte Floskeln – „Sag ‚Nein‘ zur Gewalt. Sie ist kein Argument. Halt dich an die Spielregeln. Lass dich nicht mitreißen.“ – Rolf auf den rechten Weg zu helfen vermögen.
  4. Der Versuch, Kinder und Jugendliche mit einem frei erhältlichen Computerspiel zu locken, könnte erfolgversprechend sein. Dass die (sowohl als Mädchen als auch als Junge spielbare) Figur Luka den ausgeliehenen Zeigestock erst zurückbringen muss, bevor weiter gespielt werden kann, mag als pädagogisch wertvoll erachtet werden. Dass jedoch der Aussage „Ich will eine ehrenhafte Lady werden“/„Ich will ein Ritter werden“ zugestimmt werden muss, ist ärgerlich. Dieser Rückgriff auf tradierte Geschlechterrollen zur Kommunikation von Werten und Normen ist so unkreativ wie überflüssig und nur eine Facette nicht existenter feministischer Reflexion polizeilicher Präventionsarbeit.

Alles in allem dürfte ProPK vor allem durch seine weitgehende Irrelevanz hervorstechen. Wenn es Menschen davon abhält, sich Nebelmaschinen an die Haustür zu bauen, ihnen weiterhilft seriöse von unseriösen Postwurfsendungen zu unterscheiden und Eltern dazu bringt, ihren Kindern Zeit, Aufmerksamkeit und Freiraum zu widmen – wie schön wäre das. Polizeiliche Kriminalprävention verstanden als eine kritische und politische Auseinandersetzung mit Kriminalität und ihren Folgen – das wäre auch schön.

[1] www.polizei-beratung.de
[2] Pütter, N.: Polizei und kommunale Kriminalprävention, Frankfurt/M. 2006, S. 83
[3] Die AG Kripo ist die beim BKA angesiedelte Arbeitsgemeinschaft der LeiterInnen der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts.
[4] Unterausschuss des AK II
[5] Baden-Württemberg nimmt als Kompensation für die Beherbergung der Geschäftsstelle den Vorsitz ein.
[6] Kommission Polizeiliche Kriminalprävention, Jahresbericht 2005, Stuttgart 2006, S. 4
[7] ebd., S. 34 ff.
[8] www.polizei-beratung.de/profil/propk_image
[9] Projektleitung Polizeiliche Kriminalprävention: Leitlinien Polizeiliche Kriminalprävention, Stuttgart 1998, Punkt 2.5
[10] KPK, Jahresbericht 2004, Stuttgart 2005, S. 5
[11] PL: Positionspapier der PL „Strategie“ zur strategischen Weiterentwicklung des Programms Polizeiliche Kriminalprävention, Stuttgart 2005, S. 1
[12] Zentrale Geschäftsstelle Polizeiliche Kriminalprävention: Leitfaden für eine wirkungsvolle Pressearbeit, Stuttgart 2006, S. 3
[13] ebd., S. 5
[14] ebd.
[15] ebd., S. 15
[16] ebd., S. 12
[17] www.polizei-beratung.de/presse/newsletter
[18] www.aktion-tu-was.de
[19] www.polizei-beratung.de/aktionen/streetball
[20] ebd.
[21] PL : Leitlinien Polizeiliche Kriminalprävention, Stuttgart 1998, Punkt 2.4
[22] siehe den einleitenden Beitrag von Norbert Pütter in diesem Heft
[23] www.polizei-beratung.de/presse/downloads/pressebilder/sexualdelikte

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