Unkontrollierbare Anziehungskraft – Institutionalisierte Kooperation von Polizei und Diensten

von Jan Wörlein

KGT, IGR, KGIntTE, BAO-USA, GTAZ, GASIM, GIZ … die inflationäre Zunahme „hybrider Organisationen“ aus Polizei und Geheimdiensten ist eine der wesentlichen Neuerungen der deutschen „Sicherheitsarchitektur“.

Vertreter von Polizei und Geheimdiensten haben sich zwar bereits seit 1982 vierteljährlich getroffen, um ihre Antiterrormaßnahmen zu koordinieren. Doch erst Anfang der 90er Jahre begann man mit völlig neuen Organisationsformen zu experimentieren. Seitdem ist abseits der Öffentlichkeit eine ganze Reihe neuer parallel zueinander existierender Strukturen entstanden, die die ungehinderte Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen erlauben. Von anlassbezogener Koordinierung über den in gemeinsamen Dateien institutionalisierten Informationsaustausch bis hin zur konkreten operativen Zusammenarbeit findet sich mittlerweile für alle Tätigkeitsbereiche, die man auch in einer regulären Sicherheitsbehörde vorfindet, die passende hybride Organisationsform. Mit dem grundlegenden Unterschied freilich, dass zu einer regulären Behörde ein rechtlicher Rahmen sowie ein öffentliches Auftreten gehört und Polizei und Geheimdienste gemäß dem Trennungsgebot in einer solchen nie zusammenkommen dürfen.

Die Legitimationsgrundlagen für die neuen Einrichtungen wechselten im Laufe der letzten 17 Jahre ebenso wie das jeweilige Akronym; die Zahlen dieser institutionalisierten Zusammenarbeitsformen und der beteiligten Akteure sowie der Grad ihrer Vernetzung stiegen jedoch kontinuierlich an. Begonnen hat dieser Prozess einen Monat nach dem tödlichen RAF-Attentat auf den Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder vom 1. April 1991. Am 3. Mai beschloss der Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz die Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Polizei zu intensivieren: Neben dem verstärkten Informationsaustausch und der Erstellung gemeinsamer Lagebilder sollte nun auch eine „Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung“ (KGT) entstehen. Vertre­ter des Bundeskriminalamtes (BKA), der Landeskriminalämter (LKA), des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV) und der Landesämter (LfV) sowie des Generalbundesanwalts (GBA) sollten sich unter dem Dach des BKA in regelmäßigen Abständen treffen. 29-mal trat die Koordinierungsgruppe bereits im ersten Jahr ihres Bestehens zusammen.

Ihre konkreten Aufgaben blieben für die Öffentlichkeit jedoch im Dunkeln, denn die Beschreibungen des Aufgabenbereichs der KGT bewegten sich auf einem sehr hohen und deshalb wenig aussagekräftigen Abstraktionsniveau: Sie diene „der Koordinierung des schnellen und umfassenden Informationsaustausches, der Bewertung von Lagebildern, der Abstimmung von Maßnahmen, dem gezielten Einsatz von Ressourcen und der Entwicklung neuer Bekämpfungskonzepte“, erklärte die Bundesregierung am 6. August 1991 auf eine Anfrage der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke.[1]

Gleichzeitig betonte sie, dass eine gemeinsame Datei genauso wenig existiere wie eine gemeinsame operative Tätigkeit, noch hätte die KGT eigenständige Weisungsbefugnisse gegenüber irgendwelchen Behörden oder anderen Stellen. Das Trennungsgebot sei somit beachtet worden. Dass die KGT jedoch schon in dieser frühen Phase eine informelle Weisungsfunktion hatte, darüber war man sich im Bundesinnenministerium (BMI) sehr wohl bewusst: Aus einem internen Papier geht hervor, dass man davon ausging, dass „ihren Vorschlägen ungeachtet der bestehenden gesetzlichen Zuständigkeiten eine gewisse Verbindlichkeit“ zukomme.[2]

Dass die KGT neben ihrer „gewissen Verbindlichkeit“ auch eine operative Rolle spielte, bewies sie bereits am 27. Juni 1993: Die Planung und „Nachbearbeitung“ der in einer Schießerei endenden Verhaftungsaktion auf dem Bahnhof Bad Kleinen im Juni 1993, bei der das RAF-Mitglied Wolfgang Grams und der GSG 9-Beamte Michael Newrzella starben, war maßgeblich der KGT zu verdanken.

Mit der Selbstauflösung der RAF 1998 wurde es auch um die Koordinierungsgruppe wieder still. Erst fünf Jahre später wurde sie im Zusammenhang mit dem § 129a-Ermittlungsverfahren gegen die „militante gruppe“ (mg) wieder ins Gespräch gebracht. Im Herbst 2003 meldete das Nachrichtenmagazin „Focus“ einen vermeintlichen Ermittlungserfolg des BKA.[3] Vier Berliner seien als die Verantwortlichen für die Brandanschläge der mg identifiziert, sie betrieben laut Verfassungsschutz „die Vernetzung von Untergrundzellen“. Man erwäge eine Sondersitzung der KGT einzuberufen. Über die Frage, ob die massive Weitergabe geheimdienstlicher Informationen ans BKA in diesem wie auch in dem Verfahren gegen die „militante Anti-G8-Kampagne“[4] auf eine rege Aktivität der KGT hindeutet, kann nur spekuliert werden. Sicher ist weder, ob die von „Focus“ erwähnte Sondersitzung je stattgefunden hat, noch ob die KGT überhaupt noch regelmäßig tagt. Eine offizielle Stellungnahme dazu gibt es nicht, wohl auch weil sich beide Verfahren kaum zu einer Erfolgsmeldung verarbeiten lassen. In keinem der beiden Fälle sah der Bundesgerichtshof einen Verdacht auf Bildung einer „terroristischen Vereinigung“ nach § 129a Strafgesetzbuch gegeben. Die Bundesanwaltschaft musste die Verfahren an die Strafverfolgungsbehörden der Länder abgeben.

Eine eigene Datei blieb der KGT noch verwehrt, doch ihre Nachfolgeorganisationen glichen diesen „Mangel“ sukzessive aus. Deren Einrichtung folgte der Logik der Zellteilung: Zunächst wurde innerhalb einer bestehenden Kooperationsform eine thematische Untergruppe gebildet, die sich dann verselbständigte und abermals Untergruppen einrichtete.

Von der IGR zur KGInTE

Nur eineinhalb Jahre nach der Einrichtung der KGT entstand im Dezember 1992 – inspiriert durch die pogromartigen Ausschreitungen von Hoyerswerda und Rostock – zunächst als Untergruppe der KGT und später als eigenständige Organisation die „Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer insbesondere fremdenfeindlicher Akte“ (IGR). Organisatorisch war sie, abgesehen von dem Umstand, dass der Verfassungsschutz hier aus nicht näher ausgeführten „sachlichen Gründen“ die Federführung übernahm, das genaue Abbild der KGT.[5] Jedoch lässt die thematische Ausrichtung der IGR auf eine sehr weite Terrorismusdefinition schließen, die es ihr ermöglichte, sich auch mit Bereichen alltäglicher Kriminalität zu befassen. Anders als bei der KGT sind der Öffentlichkeit auch die Erfolge der IGR bekannt. So gehen Vereinsverbote, Mitwirkungen bei Razzien und Verhinderungen von Nazi-Treffen auf ihr Konto. Ihre operative Ausrichtung lässt sich bereits an ihrer Aufgabenbeschreibung ablesen. Laut Bundesregierung soll sie „vorhandene Erkenntnisse zusammenzuführen und ggf. koordinierte landes- bzw. bundesweite Exekutivmaßnahmen vorbereiten.“

Die Anschläge vom 11. September 2001 boten abermals die Gelegenheit, die Zusammenführung von Polizei und Diensten weiter auszureizen. Schon am 28. September wurde wiederum unter dem Vorsitz des BKA die Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus (KGIntTE) eingerichtet. Auch sie erinnert organisatorisch stark an ihre Vorgänger, der Kreis der Beteiligten wurde jedoch diesmal massiv erweitert. Zusätzlich zum BKA, den LKAs, dem damaligen Bundesgrenzschutz (BGS) und dem GBA wurden mit dem BND, dem Bundesamt und den Landesämtern für Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem mittlerweile aufgelösten Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr alle Geheimdienste der BRD mit einbezogen. Aufgabe der KGIntTE ist zum einen „eine ständige Bewertung und Fortschreibung des Lagebildes“; zum andern soll sie dem Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz „Empfehlungen für bundesweit abgestimmte Polizeimaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung im Bereich Prävention und Repression“ geben.[6] In dieser Funktion als „Think Tank“ erarbeitete sie z.B. auch die Kriterien für die Rasterfahndung, die im September 2001 begann.

Besondere Aufbauorganisation USA

Parallel zur Zusammenarbeit im Rahmen des Koordinierungskonzeptes fanden Polizeien und Geheimdienste auch durch die Erweiterung bestehender Strukturen zusammen. So wurde noch am Tag des Anschlags auf das World Trade Center innerhalb des BKA die Besondere Aufbauorganisation USA (BAO USA) eingerichtet. Bis zu 613 Personen arbeiteten zunächst in Hamburg und Meckenheim, später nur noch in der BKA-Staatsschutzdienststelle, bis die BAO am 14. April 2002 wieder aufgelöst wurde. Zeitweise waren auch Verstärkungen aus Landeskriminalämtern, sechs Einheiten des Zollkriminalamts (ZKA) und bis zu 15 FBI Verbindungsbeamte in der BAO tätig. In der Antwort auf eine Anfrage der Linken zählt die Bundesregierung zu den Aufgaben der BAO-USA „die erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der durch den GBA im Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. September 2001 eingeleiteten und beauftragten Ermittlungsverfahren durchzuführen, die Umsetzung der nationalen und internationalen Melde- und Zusammenarbeitsverpflichtungen sicherzustellen sowie die Koordination des Informationsaustauschs im Rahmen der Zentralstellenfunktion des BKA zu gewährleisten.“[7]

Besondere Aufbauorganisationen sind anlassgebundene Zusammenschlüsse innerhalb von Behörden, besser bekannt unter ihrer älteren Bezeichnung Sonderkommission (SOKO). Insofern scheint die BAO-USA keine Besonderheit darzustellen. Dementsprechend weist die Bundesregierung in der zitierten Antwort inhaltliche Fragen empört zurück: „Über die Einrichtung von BAOen in Polizeibehörden besteht in der Bundesregierung kein Erörterungs- und Abstimmungsbedarf: Die Einrichtung von BAOen gehört zum Alltag von Polizeibehörden.“ Auf der BKA-Herbst­tagung am 15. November 2001, wo die BAO zum ersten Mal der Öffentlichkeit bekannt wurde, war man sich der Neuartigkeit der Einrichtung hingegen durchaus bewusst und hielt sie sehr wohl für erläuterungsbedürftig. Sie bestehe laut dem damaligen BKA-Präsidenten Ulrich Kersten in der Integration des ZKA, des BGS, des BfV und des BND in die Ermittlungen und sprenge somit den üblichen Rahmen schutz- und kriminalpolizeilicher Beteiligung.[8] Konkret wurde eine unbekannte Zahl von Verbindungsbeamten des BND und eine oder zwei Beamte des BfV in das BKA entsandt, die jedoch, wie die Bundesregierung ohne nähere Erklärung darlegt, organisatorisch nicht „integriert“ worden seien.

Auch sei die BAO-USA die erste deutsche Ermittlungseinheit, in die Beamte von Strafverfolgungsbehörden anderer Staaten – nämlich der USA, Frankreichs und Britanniens – einbezogen wurden. Ob darüber hinaus auch Mitarbeiter anderer Stellen dieser Länder (z.B. das US-State Department) an der BAO teilnehmen durften, hat ein am 21. Juni 2007 im BND-Untersuchungsausschuss befragter BKA-Beamter auf Anfrage zumindest nicht verneint. Die durch die Verschleppung von Murat Kurnaz offenbar gewordene weitgehende Kenntnis US-ameri­ka­nischer Geheimdienste über Sachverhalte aus dem deutschen Ermittlungsverfahren verdeutlicht, wie offenherzig man innerhalb der BAO mit Informationen umging.

Informationboards

Schon vor dem 11. September 2001 hatte man sich noch eine weitere polizeilich-geheimdienstliche Kooperationsform ausgedacht. Laut einem Bericht des BMI von August 2001 sollen die so genannten Informationboards „alle relevanten verfügbaren Informationen und Hintergrundinformationen“ zu einem bestimmten Themenbereich für eine mit jeweils unterschiedlichen Behörden besetzte Arbeitsgruppe bereitstellen.[9] Bereits im April 2001 war das Informationboard „Netzwerke arabische Mujahedin“ eingerichtet worden, das mit der Gründung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) in dessen Arbeitsgruppe „operativer Informationsaustausch“ überging. Das Infoboard „Schleusungen über die tschechische Republik“ vereinigte zum Beispiel bei seiner Gründung im September 2001 Vertreter des BKA, des BND und des BfV, der damaligen Bundesgrenzschutzdirektion, des ZKA, des damaligen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, des Bundesverwaltungsamtes sowie der LKÄ von Sachsen und Bayern. Bei der Finanzermitt­lungseinheit (FIU) des BKA wurde ein drittes Information Board „Finanzierung des Terrorismus“ angelegt. Über ein viertes zum „Narcoterrorismus“ ist nur bekannt, dass es einmal existierte. In ihrem Jahresbericht 2003 erklärt die FIU, ein Informationboard sei auf „Permanenz und Institutionalisierung“ ausgelegt.[10] Es lässt sich wohl hinzufügen, dass ein weiteres wesentliches Kriterium die Arbeit im Verborgenen ist, denn von vier bekannten Informationboards ist lediglich von einem bekannt, dass es noch existiert (wenn auch nun unter dem Dach des GTAZ).

Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum

Eine völlig neue Stufe polizeilich-geheimdienstlicher Zusammenarbeit wurde am 14. Dezember 2004 mit der Einrichtung des GTAZ in Berlin-Treptow erreicht. Ein Zen­trum ist die logische Folge einer immer größer werdenden Dichte von immer häufiger zusammentretenden anlassbezogenen Organisatio­nen mit immer mehr beteiligten Behörden. Es hat ein Gebäude, einen festen Mitarbeiterstab und ist dauerhaft eingerichtet.

Das GTAZ führt 40 Behörden des Bundes und der Länder zusammen – mehr als irgendeine der zahlreichen anderen Hybridorganisationen. Beteiligt sind die 19 Geheimdienste (16 LfV, BfV, BND und MAD), 18 Polizeibehörden (16 LKA, BKA und BGS resp. Bundespolizei), das ZKA sowie der GBA und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Sie alle sind mit Mitarbeitern und eigenen Räumlichkeiten vertreten. Eingebunden sind ebenso ausländische Partnerbehörden, die jedoch nicht namentlich benannt werden und im Gegensatz zur BAO-USA nicht am „Echtzeit-Informationsaustausch“ partizipieren können. Anlassbezogen werden auch Spezialisten aus anderen deutschen Behörden, zum Beispiel aus den Ausländerbehörden, beteiligt. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen geht eine Gesamtzahl von 229 dauerhaften Mitarbeitern hervor.[11] 198 Personen sind Beschäftigte von Bundes-, 31 von Landesbehörden.

Um den Anschein der Trennung zu wahren, ist das GTAZ in eine nachrichtendienstliche und eine polizeiliche Analyse- und Informationsstelle (NIAS und PIAS) untergliedert. Deren Aufgaben sind auf den „Phänomenbereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus“ beschränkt, jedoch innerhalb dieses Themengebietes sehr vielfältig: Das Zentrum bietet den Rahmen für „Ressourcenbündelung bei Internetrecherchen und Übersetzungen“, für allgemeine „Gefährdungsbewertungen“, „themenspezifische Analysen“ ebenso wie für konkrete „Fallauswertungen“. „Operativer Informationsaustausch“ zur Abstimmung von „Exekutivmaßnahmen und Ermittlungsansätzen“ geht Hand in Hand mit der „Einschätzung der Entwicklung des Personenpotentials“, die in einem „ganzheitlichen Bekämpfungsansatz“ auch als „Klärung ausländerrechtlicher Statusfragen“ verstanden wird.

Aufgehoben wird die räumliche und organisatorische Trennung durch die tägliche Lagebesprechung zum „Austausch aktueller Lageerkenntnisse“, „zur Erstellung anlassbezogener Erstbewertungen“ und „Abstimmung einzelner Maßnahmen“ sowie durch sieben Arbeitsgruppen:

  • AG Gefährdungsbewertung zur „Erstellung und Fortschreibung von abgestimmten Gefährdungsbewertungen“
  • AG Operativer Informationsaustausch zur „Identifizierung von Ermittlungsansätzen“ und „Abstimmung operativer Maßnahmen“
  • AG Fallauswertung zur „Erstellung einzelfallübergreifender Lagebewertungen und Analysen zu ausgewählten Feldern des islamischen Terrorismus“
  • AG Strukturanalysen zur „Durchführung von Grundlagenprojekten zu Strukturen und Funktionsweisen islamistischer Netzwerke“
  • AG Aufklärung des islamistisch-terroristischen Personenpotentials zur Zusammenfassung und zum Abgleich von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Personeninformationen
  • AG Ressourcenbündelung zur „Nutzung vorhandener Synergien“ sowie
  • AG Statusrechtliche Begleitmaßnahmen zur Nutzung „ausländer- oder asylrechtlicher Maßnahmen“ bei Personen mit islamistisch-terroristischem Hintergrund.

Die AG Status stützt sich auf die erweiterten Möglichkeiten des neuen Ausländerrechts. Geleitet wird sie nicht vom BKA und auch nicht von einem der Geheimdienste, sondern vom BAMF. In mehreren Bundesländern gibt es ähnliche Zusammenarbeitsgremien von Ausländerbehörden, Polizei und Verfassungsschutz.[12]

Die AG Ressourcenbündelung wird in der Antwort der Bundesregierung vom 17. Juli 2008 nicht mehr erwähnt, ist im Internetauftritt des BMI aber noch zu finden, was darauf schließen lässt, dass sie erst kürzlich aufgelöst wurde. Nähere Angaben hierzu finden sich nicht.

Gemeinsam ist allen Arbeitsgruppen, dass sie Zugriff auf die „Anti-Terror-Datei“ haben. Die im Kontext des GTAZ entstandene Debatte um eine gemeinsame Datei von Polizei und Geheimdiensten mündete im Juli 2006 in einen Gesetzentwurf, dem der Bundestag am 22. Dezember 2006 zustimmte. Noch vor der Verabschiedung des Antiterrordateigesetzes (ATDG) hatte die IMK acht personenbezogene Merkmale erarbeitet, die gespeichert werden sollten.[13] Das ATDG sieht schließlich elf Grunddatenkategorien wie Name und Adresse, aber auch Einstufungen wie „Mitglied in einer terroristischen Organisation“, „Ausübender“, „Unterstützer“, „Vorbereiter“, „Kontaktperson“ etc. vor. Mit den erweiterten Grunddaten werden weitere 17 Datenkategorien erfasst: Eigene und mitbenutzte Telekommunikationsanschlüsse und -endgeräte, E-Mail-Adressen, Bankverbindungen, Volks- und Religionszugehörigkeit, Fertigkeiten in der Herstellung und im Umgang mit Sprengstoffen oder Waffen, Waffenbesitz und Gewaltbereitschaft, Tätigkeit in einer sicherheitsrelevanten Einrichtung, Aufenthalt in einem Ausbildungslager und Kontaktpersonen. Die erweiterten Grunddaten sind, außer im „Eilfall“, nur nach Freigabe durch die speichernde Behörde zugänglich.

Gespeichert werden diese Daten über Personen, bei denen „im Einzelfall vorliegende Anhaltspunkte nach nachrichtendienstlichen oder polizeilichen Erfahrungswerten die Einschätzung rechtfertigen, dass die Erkenntnisse zu den betreffenden Personen zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus beitragen.“

Am 28. März 2008 enthielt die Datei insgesamt 17.754 Datensätze zu ca. 15.000 Personen. Eingegeben wurden sie von Behörden, die über einen so genannten lesenden und schreibenden Zugriff auf die Datei verfügen. Per Gesetz sind BKA, BfV, BND, MAD, ZKA, die Bundespolizeidirektion sowie alle LKA und LfV berechtigt dies zu tun. Standort der Datei ist das BKA.

Wie eng die Anti-Terror-Datei in das Gefüge hybrider Organisationen eingebettet ist, zeigt sich an der Einschätzung der Bundesregierung, es handele sich bei ihr primär um ein „Kommunikationsanbahnungsinstru­ment“, das „einen Erkenntnisaustausch auf Basis der bestehenden Über­mittlungsvorschriften vorbereitet.“ Der eigentliche Austausch erfolgt somit in Organisationen wie dem GTAZ. Nicht umsonst fand hier auch der symbolische Knopfdruck zur Eröffnung der Datei statt.

Gemeinsame Zentren

Ebenso wie bei der KGT war die Einrichtung der neuen Kooperationsform GTAZ nur ein erster Schritt. Auch das Abwehrzentrum wurde zum Muster für die Einrichtung weiterer Quasi-Behörden.

Im November 2004 war das „Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum Schleusungskriminalität“ (GASS) entstanden, dass bereits im Mai 2006 in „Gemeinsames Analyse und Strategiezentrum illegale Migration“ (GASIM) umbenannt wurde. Im GASS waren nur das BKA und der damalige BGS fest vertreten, BND und BfV aber nur lose „verknüpft“. Letztere bilden im GASIM einen festen Bestandteil. Auch das BAMF sowie die Zollverwaltungen sind hinzugekommen. Insgesamt 33 Beamte arbeiten im GASIM. Das Ziel der Einrichtung ist es, der unerlaubten Einwanderung „operativ und mit strategisch ausgerichteten und konzeptionell fundierten Maßnahmen wirksam entgegenzutreten“.[14] Auf diverse Anfragen der Linksfraktion und der Grünen erklärte die Bundesregierung, das GASIM selbst betreibe keine operativen Maßnahmen und führe keine eigene Analysedatei. Der Leiter der Bundespolizei-Vertretung im GASIM lobt jedoch mit Verweis auf eine Groß-Kontrollaktion im März 2007 den „operativen Mehrwert“, den das Zentrum schaffe, und die „neue Qualität der Informationen“, die das GASIM durch die Zusammenführung, den Abgleich und die Weitersteuerung von Daten erzeuge.[15]

Am 26. Oktober 2007 stellte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble das „Gemeinsame Internetzentrum“ (GIZ) der Öffentlichkeit vor und zog gleichzeitig eine positive Bilanz, denn das Zentrum existierte bereits seit Anfang des Jahres.[16] Das „Kompetenzzentrum“ steht unter der Leitung des BfV, hat aber seinen Sitz in der Liegenschaft des BKA in Berlin-Treptow. Hier arbeiten 30 Beschäftigte aus dem BfV, dem BKA, dem BND, dem MAD und der Bundesanwaltschaft sowie ein Vertreter des LKA Rheinland-Pfalz. Die anderen Bundesländer sind der Aufforderung des BMI zur Beteiligung an dem Zentrum nicht gefolgt. Eine Zahl von 50 Mitarbeitern wird angestrebt. Aufgabe des GIZ ist „die frühzeitige Erkennung extremistischer und terroristischer Aktivitäten sowie von Rekrutierungs- und Radikalisierungsbemühungen im Internet“. Das GIZ verfasst die deutschen Beiträge für das bei Europol angesiedelte Informationsportal „Check the web“ – ein „Laboratorium“, das auf eine deutsche Initiative der Innenminister der G6-Staaten (BRD, F, I, UK, ES, PL) im März 2006 zurückgeht und zu einer Datenbank über verdächtige Webseiten ausgebaut werden soll. Die Bedeutung des GIZ auf europäischer Ebene wird deshalb also wahrscheinlich schon bald zunehmen.

Wie das BMI in seinem Internetauftritt erklärt, werden „Operative Maßnahmen“ wegen des „Sachzusammenhanges“, nicht durch das Zentrum, sondern durch die jeweilige Behörde vorgenommen. Auf das Trennungsgebot nimmt das Ministerium dabei nicht Bezug.[17]

Das Trennungsgebot zur Zusammenarbeit

„Manche halten das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ja für einen Verfassungsgrundsatz“, erklärte der Bundesinnenminister auf einem BND-Symposium am 1. November 2007 in Berlin.[18] Die logische Fortsetzung dieses Satzes – „ich nicht“ – hat sich Wolfgang Schäuble verkniffen. Seine kurze Bemerkung ist eines der wenigen offiziellen Statements aus den letzten Jahren, die die Fortgeltung des Trennungsgebots in Frage stellen. Die Westalliierten hatten der BRD mit ihrem „Polizeibrief“ von 1949 dieses Gewalten teilende Prinzip mit auf den Weg gegeben. Nach der Vereinigung und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag erhielt die BRD die volle Souveränität. Die anschließend geführte Debatte, ob das Trennungsgebot noch Verfassungsrang habe, ist heute weitgehend verstummt.

Man geht stattdessen den einfacheren Weg einer Umdefinition und erklärt: „Dem Informationsaustausch zwischen den Polizeien und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern steht nach Ansicht der Bundesregierung weder das Föderalismusprinzip noch das Trennungsgebot entgegen.“[19] Oder noch klarer: „Aus der organisatorischen Trennung folgt die Pflicht zur informationellen Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufgaben und Befugnisse.“[20]

Diese Zusammenarbeit geht offensichtlich weit über eine bloß fallbezogene Weitergabe von Daten hinaus. Die anfänglichen Hinweise darauf, dass etwa die KGT nicht über eine eigene Datei verfüge, sind im Falle des GTAZ spätestens seit dem Aufbau der Anti-Terror-Datei erledigt. Um den Anschein der organisatorischen Trennung aufrechtzuerhalten, haben sich die Verantwortlichen diverse Argumentationsmuster einfallen lassen: Die neuen Organisationen erhalten nicht den Status eigenständiger Behörden. Sie erzeugen zwar angeblich einen „operativen Mehrwert“, aber die aus ihren Lagebildern und Analysen resultierenden „Operationen“ müssen sie nicht selbst verantworten. Sie haben auch keine förmlichen Weisungsbefugnisse. Zu welch absurden Arrangements die Umgehung des Verbotenen führt, zeigt sich anhand der beiden in einem Gebäude untergebrachten, aber mit zwei getrennten Eingängen versehenen geheimdienstlichen und polizeilichen Analysestellen des GTAZ.

Das tatsächliche Handeln dieser Organisationen bleibt der Öffentlichkeit systematisch entzogen. Deshalb kann auch die Frage nach ihrer Wirksamkeit nicht klar beantwortet werden. Sicher ist jedenfalls der sym­bolische Effekt. Mit der Einrichtung des GTAZ zeigt die Bundesregierung ihre „Handlungsbereitschaft“. Auch immanent betrachtet darf jedoch der Nutzen dieser Apparate bezweifelt werden. So haben Medienrecherchen ergeben, dass die Anwesenheit innerhalb des GTAZ an Freitagen und Montagen stark abnimmt, da insbesondere die Länderbehörden nur ein geringes Interesse haben, ihre Mitarbeiter vor und nach dem Wochenende viele hunderte Kilometer durch die BRD zu transportieren. In ähnlichem Licht erscheint das geringe Interesse von Landesbehörden am GIZ.

Die informationelle Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Polizei zeitigt insbesondere dort ihre Gefahren, wo Zwangsmaßnahmen – wie im neuen Ausländerrecht – aufgrund bloßer Gefahrenannahmen möglich sind. Sie stößt dagegen dort an ihre Grenzen, wo aus geheimen Quellen stammende Informationen als Beweismittel in Strafverfahren eingebracht werden sollen. Wenn der Strafprozess nicht am Quellenschutz zugrunde gehen soll, braucht es dann nämlich Aussagegenehmigungen für gewöhnlich lichtscheue BeamtInnen und Nachweise über die Herkunft, das rechtmäßige Zustandekommen und die Glaubwürdigkeit von Informationen.

[1] BT-Drs. 12/1033 v. 6.8.1991
[2] BMI: Bericht über die Einrichtung einer Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung beim BKA, dokumentiert in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 42 (2/1992), S. 30-32 (32)
[3] www.akweb.de/ak_s/ak478/44.htm
[4] zum mg-Verfahren s. Lederer, A.: Subjektiv terroristisch, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 88 (3/2007), S. 55-62; zum G8-Verfahren Beck, M.: Geheimdienstlich gesteuert, in Bürgerrechte & Polizei/CILIP 89 (1/2008), S. 58-63
[5] BT-Drs. 13/854 v. 10.4.1995
[6] Antworten auf Fragen von Petra Pau, BT-Plenarprotokoll 15/104 v. 28.4.2004, S. 9395 f.
[7] BT-Drs. 16/892 v. 10.3.2006
[8] BKA, Kriminalistisches Institut: Islamistischer Terrorismus – Eine Herausforderung für die internationale Staatengemeinschaft – BKA Herbsttagung 2001, Neuwied 2002
[9] Bericht über die verstärkte Zusammenarbeit zwischen BKA, BND und BfV im Rahmen des Informationboards, BT-Innenausschuss, Ausschussdrucksache 14/532 v. 15.8.2001
[10] BKA, Financial Intelligence Unit: Jahresbericht 2002, Wiesbaden 2003, S. 18
[11] BT-Drs. 16/9833 v. 17.7.2008
[12] s. Holzberger, M.: Was nicht zusammengehört, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 85 (1/2006), S. 60-65, sowie ders.: Ausländische „Gefährder“ im Visier des Staatsschutzes, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 89 (1/2008), S. 80
[13] Innenministerkonferenz: Beschlussniederschrift der 181. Sitzung v. 4.9.2006
[14] BMI: Presseerklärung v. 17.7.2006
[15] Spang, T.: Das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration, in: Kriminalistik 2007, H. 2, S. 95-98; siehe auch: Holzberger, M.: Ein Wackelpudding, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 89 (1/2008), S. 49-51
[16] BMI: Presseerklärung v. 26.10.2007
[17] www.bmi.bund.de/nn_122688/Internet/Content/Themen/Terrorismus/DatenundFakte n/Gemeinsames__Internetzentrum__de.html
[18] Schäuble, W.: Weltinnenpolitik im 21. Jahrhundert. Rede auf dem BND-Symposium „Zerfall der Ordnung – Crisis of Governance“, www.bmi.bund.de/cln_012/nn_165104/ Internet/Content/Nachrichten/Reden/2007/11/BM__BND__Symposium.html
[19] BT-Drs. 16/416 v. 20.1.2006
[20] so der Leiter des Kriminalistischen Instituts des BKA, Stock, J.: Datenerhebung und ‑verarbeitung der Zentralstelle Bundeskriminalamt nach dem 11. September, in: Wolter, J. u.a.: Datenübermittlung und Vorermittlungen, Heidelberg 2003, S. 247-261 (259)

Bild: GSG 9 beim Tag der offenen Tür im BKA (Wikipedia, Flophila88, Gsg9, CC BY-SA 3.0)