Netzwerke der Information – Wirtschaft und Staat als „Sicherheitspartner“?

von Randalf Neubert

Mehr Kooperation, mehr Informationsaustausch, eine echte „Public Private Partnership“ wolle man erreichen. Was wirklich in den im letzten Jahrzehnt entstandenen Netzwerken von staatlichen Sicherheitsbehörden und privaten Unternehmen passiert, ist für die Öffentlichkeit nicht durchschaubar.

„Das Bundeskriminalamt (BKA) baut das Netzwerk im Kampf gegen die Kriminalität aus.“ Mit diesen Worten beginnt eine Presseerklärung des Amtes vom 20. April 2006. Zu vermelden war eine „Tagung zur Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden des Bundes mit der Wirtschaft“, die das BKA zusammen mit der „Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft“ veranstaltete. BKA-Präsident Jörg Ziercke referierte über die innere Sicherheit, weitere Vorträge beschäftigten sich mit Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche und Korruption. Die Tagung, an der etwa siebzig Sicherheitsverantwortliche von Unternehmen teilnahmen, lief hinter verschlossenen Türen ab. Es war die erste der seither jährlich stattfindenden „Wirtschaftskonferenzen“ des BKA.

Von einer ganz anderen Qualität ist das Netz, das das BKA einen Monat vorher zu weben begonnen hatte. Am 23. März 2006 hatten Ziercke sowie Mitarbeiter der Abteilung Internationale Koordinierung (IK) mit den Sicherheitschefs von Großunternehmen getagt. Vertreter von 18 Konzernen, darunter BASF, Siemens, Daimler, die Deutsche Bank, die Deutsche Bahn und die Lufthansa, waren zu diesem ersten Treffen erschienen. Zwei Jahre später waren 42 Unternehmen an dieser „Global Player Initiative“ beteiligt.[1] Damit war die Obergrenze, die sich das BKA zu Anfang gesetzt hatte, erreicht. Ein beschränkter Kreis, so Ziercke Anfang 2008 in einem Interview, sei „Garant für Effektivität“ und Voraussetzung für „Maßnahmen der Vertrauensbildung, Prozesse der Entscheidungsfindung und auch die Weitergabe von sensiblen Informationen“.[2]

Die Initiative, so Ziercke weiter, ziele auf „weltweit aufgestellte deutsche Großunternehmen: Unternehmen, die an internationalen Brennpunkten starke Interessen haben und von daher auch Wissensträger sind sowie einen eigenen Security-Bereich mit Zuständigkeit für In- und Ausland besitzen.“ Solche Firmen hätten einerseits wegen ihrer internationalen Präsenz „einen intensiven Beratungsaufwand“. Zum anderen – so die Erwartung des Amtes – „sollte sich im Umkehrschluss aus der internationalen Positionierung der Unternehmen zumindest die Möglichkeit ergeben, dem BKA strategisch relevante Informationen liefern zu können.“

Eine konkrete Festlegung auf spezifische Delikte oder Ermittlungsbereiche sucht man in den wenigen Verlautbarungen und Meldungen zur Initiative vergebens. Von Wirtschaftskriminalität, Korruption, Geldwäsche und Finanzermittlungen ist die Rede, vom Schutz der MitarbeiterInnen deutscher Firmen im Ausland vor Entführungen, aber auch von der angeblichen Notwendigkeit, dem „Netzwerk des Terrorismus“ und dem der „organisierten Kriminalität“ eines der „Informationen“ entgegenzusetzen.[3] Zudem erwartete sich das BKA eine Kooperation bei der Entwicklung neuer Sicherheitstechniken.

Die fehlende thematische Festlegung zeigt vor allem eines: dass es den Sicherheitsabteilungen der Konzerne darum geht, vom BKA als Partner auf „Augenhöhe“ anerkannt zu werden, während das BKA seinerseits daran interessiert ist, das Wissen dieser ausgedehnten Apparate für die polizeiliche Arbeit nutzbar zu machen. Allerdings, so Ziercke, wolle das BKA „die Unternehmen in keiner Weise dazu anhalten, gezielt Informationen zu sammeln“ oder zu seinem „Handlanger“ zu werden.[4] Dem BKA schien es dabei insbesondere um die Ausdehnung seines internationalen Informationsnetzes zu gehen, das sich bisher vor allem auf seine 65 rund um den Globus stationierten (ständigen) VerbindungsbeamtInnen stützt.

Dass es sich bei der Global Player Initiative um eine gezielte Form des Informationsaustausches handelt, die über die halbjährlichen Treffen der TeilnehmerInnen weit hinaus geht, zeigt sich an den Formen der Kommunikation: Sowohl das BKA als auch die jeweiligen Unternehmen richteten „single points of contact“, SPOCs, ein, „eine zentrale Anlaufstelle mit koordinierender Funktion … über die zentral die Informationsflüsse ein- und ausgehen sollen.“ Der SPOC des BKA bei der Abteilung IK sei „ein Servicedesk, das … Weiterverbindungsschleifen und Bin-nicht-zuständig-Marathons vermeiden soll … Von dieser Stelle aus werden die Nachfragen nach einer ersten Bewertung direkt beantwortet oder, falls erforderlich, gezielt an die zuständigen Stellen im BKA gegeben. Bei Bedarf werden im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten nationale sowie internationale Verbindungen genutzt, um eine möglichst schnelle Beantwortung zu gewährleisten.“ Umgekehrt könnten Anfragen des BKA an die Unternehmen „entweder wie bisher über bereits bestehende Kontakte, unter Benachrichtigung des Spoc initiiert oder über den Spoc direkt gestellt werden.“ Wichtig sei dabei der „personifizierte“ Kontakt.[5] Den hat man u.a. durch Informationsbesuche und durch gegenseitige Hospitationen herzustellen versucht. „Um ein stärkeres Networking umzusetzen“, so berichtete BKA-Vizepräsident Jürgen Stock im Jahre 2008, „nimmt das BKA an einer wöchentlichen von der Securicon GmbH organisierten Telefonschaltkonferenz teil, bei der einige Global Player vertreten sind.“ Zudem sei es als Folge der Initiative „zu verstärkten Kontakten zwischen Firmenvertretern und BKA-Verbindungsbeamten im Ausland“ gekommen.[6]

Die Frage, ob die Initiative zu konkreten Ergebnissen führte, lässt sich anhand der vorliegenden Informationen jedoch nicht beantworten.

Wirtschaftsschutz

Die Global Player Initiative des BKA ist keineswegs der einzige Versuch staatlicher Sicherheitsbehörden, mit privaten Unternehmen zusammenzuarbeiten. Ein wesentlicher Teil dieser Partnerschaften spielt sich auf dem Feld des „Wirtschaftsschutzes“ ab. Der Begriff impliziert sowohl die „Konkurrenzausspähung“, für deren Abwehr die Unternehmen (und ihre Sicherheitsabteilungen) selbst zu sorgen haben, als auch die durch ausländische Geheimdienste betriebene oder unterstützte Wirtschaftsspionage. Für deren Aufdeckung sind die Ämter für Verfassungsschutz, für die Strafverfolgung Polizei und Staatsanwaltschaften zuständig.

Seit 2008 gibt es beim Bundesinnenministerium (BMI) einen „Ressortkreis Wirtschaftsschutz“. Vertreten sind darin erstens die mit dem Thema befassten Ministerien – neben dem BMI auch das Bundesministerium für Wirtschaft, das Auswärtige Amt sowie das Bundeskanzleramt. Präsent sind zweitens „Sicherheitsbehörden des Bundes“ – im Klartext: das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der Bundesnachrichtendienst, das BKA und das Zollkriminalamt. Dazu gesellt sich drittens die bereits genannte Arbeitsgemeinschaft für die Sicherheit der Wirtschaft (ASW).

Der Ressortkreis sei das „Kernstück“ der staatlichen Initiative in diesem Bereich, meint der Leiter der Abteilung Spionageabwehr im BfV, Burkhard Even. Das Gremium trifft sich zweimal jährlich. Hier würden „wirtschaftsschutzrelevante Informationen und Erkenntnisse ausgetauscht, bewertet, koordiniert und – das ist ein besonderes Anliegen – in geeigneter Weise der Wirtschaft zur Verfügung gestellt. Besondere Aufmerksamkeit wird der Effizienz der Kommunikationswege und dem Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und der Wirtschaft auf dem Gebiet gewidmet. Hierbei möchte ich unterstreichen, dass wir gerade den Dialog suchen; Wirtschaftsschutz darf keine Einbahnstraße sein!“[7] Die ASW übernehme dabei die „Bündelung und Koordinierung sicherheitsrelevanter Informationen aus der Wirtschaft an die Behörden wie auch in umgekehrter Richtung“.[8]

Zusammen mit der ASW veranstaltet das BfV jährlich eine „Sicherheitstagung“. Innerhalb seiner Abteilung Spionageabwehr befasst sich ein eigenes Referat mit dem Wirtschaftsschutz. Das BfV stellt den Unternehmen, vermittelt über die ASW, „Analysen, Referenten und Hilfsmittel zur Verfügung, u.a. für Tagungen der Arbeitskreise der Sicherheitsbevollmächtigten der Wirtschaft oder für überregionale Fachveranstaltungen von Firmen.“[9] Even betont, dass das Referat Wirtschaftsschutz seine „Sensibilisierungsvorträge“ nicht nur bei den Global Players, sondern auch bei „kleinen und mittelständischen Unternehmen“ ausrichte. Das BfV gebe einen regelmäßigen Newsletter heraus, man führe mit einzelnen Unternehmen „bilaterale Informationsgespräche zu konkreten Sicherheitsthemen“.[10] Das BfV betont dabei die Vertraulichkeit jeder Information: „Da wir besonders auf den Schutz unserer Quellen achten und – anders als die Polizei – nicht dem Legalitätsprinzip unterliegen, können wir unseren Hinweisgebern Vertraulichkeit zusichern. Keine der Firmen, die sich wegen möglicher Ausforschungen an die Spionageabwehr wendet, muss befürchten, dass die zur Verfügung gestellten Informationen ohne ihr Wissen und Wollen publik gemacht werden und sich womöglich negativ auf das Firmenimage auswirken. Die Verfassungsschutzbehörden stehen jederzeit für Beratungsgespräche zur Verfügung.“[11]

Zudem erarbeite man gemeinsam mit der ASW auf spezielle Zielgruppen orientierte „Sensibilisierungskonzepte“. „Durch einen stetigen wechselseitigen Informationsaustausch über Angriffsmethoden fremder Nachrichtendienste können sicherheitsrelevante Informationen kanalisiert und den Wirtschaftsunternehmen zeitnah für strategische Entscheidungen zur Verfügung gestellt werden.“[12]

Auch beim BfV betont man die Notwendigkeit, dass sich die Partner „kennen und verstehen“. Wesentliches Mittel dazu sei ein „regelmäßiger und strukturierter Personalaustausch“, zum Beispiel in Form von Hospitationen, für die sich wohl insbesondere der letzte ASW-Vorsitzende Thomas Menk eingesetzt hatte. Menk war bis 2010 Chef der Daimler-Konzernsicherheit und davor selbst Mitarbeiter des BfV.

Wie eng der Austausch zwischen den Unternehmen und dem BfV tatsächlich ist und welche Qualität die vom BfV zur Verfügung gestellten Informationen haben, lässt sich aus den vollmundigen öffentlichen Erklärungen nicht ablesen.

Sicherheitspartnerschaften auf Landesebene

Einen Austausch zwischen Wirtschaft und staatlichen Sicherheitsapparaten gibt es auch auf Landesebene – meist in Form so genannter Sicherheitspartnerschaften. Von staatlicher Seite sind dabei in der Regel das Innenministerium, das Landeskriminalamt und das Landesamt für Verfassungsschutz beteiligt. Ihr Gegenpart sind meist die regionalen Industrie- und Handelskammern sowie die jeweilige „Vereinigung für Sicherheit der Wirtschaft“ (VSW). Letztere sind Mitgliedsorganisationen der ASW und bilden deren regionale Standbeine.

Tagungen, Foren oder Symposien gehören auch auf Landesebene zum Repertoire der Kooperation. Darüber hinaus findet ein Informationsaustausch statt, der in der Regel über die VSW gesteuert wird. In Niedersachsen beispielsweise hat man sich auf folgenden Katalog von Themen geeinigt: „Wirtschaftsspionage, Proliferation, Konkurrenzausspähung, IT-Sicherheit, Marken- und Produktpiraterie, Produkterpressung, sonstige Wirtschaftskriminalität in ihren verschiedensten Erscheinungsformen, Korruption, politischer Extremismus/Terrorismus, polizeiliche Prävention/Beratung.“ Anders als im Falle der Global Player Initiative des BKA gibt es hier für die VSW respektive die beteiligten Unternehmen keine „sensiblen Informationen“, sondern nur „allgemeine Lagebilder sowie Mitteilungen zu aktuellen bzw. speziellen Erscheinungsformen“ der genannten Kriminalitätsbereiche, „allgemeine und abstrakte Gefährdungsanalysen“ sowie „Zielgruppenorientierte Warnmeldungen“.[13]

Fazit

Die praktische Bedeutung der diversen „Netzwerke der Information“, die im letzten Jahrzehnt geknüpft wurden, bleibt von außen undurchschaubar. Die Betonung, dass es vor allem auf den persönlichen Kontakt und die Kenntnis des Gegenübers ankomme, lässt vermuten, dass hier neue informelle Kanäle des Austauschs entstehen, über die die auch unter Datenschutzgesichtspunkten „sensiblen“ Informationen fließen. Unklar ist auch, welcher Effekt – etwa gemessen in Ermittlungsverfahren – aus den „Netzwerken“ resultiert. Transparenz gibt es hier nicht.

Sicher ist hingegen, dass die Sicherheitsapparate der Unternehmen, die privaten Sicherheitsdienste und Ermittlungsfirmen, mit denen sie zusammenarbeiten, sowie die Organisationen wie die regionalen VSW und die ASW auf Bundesebene, die sie repräsentieren, durch die Netzwerke und Sicherheitspartnerschaften mit Polizei und Verfassungsschutz eine politische Aufwertung erfahren haben. Sie erscheinen als legitime Partner des Staates bei der Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgabe „Sicherheit“. Die Datenskandale der letzten Jahre bei Konzernsicherheitsabteilungen z.B. der Bahn und der Telekom haben in dieser Diskussion erstaunlicherweise keine Rolle gespielt.

Randalf Neubert, Berlin, ist Mitarbeiter des Instituts für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.
[1] Zeit v. 20.4.2006; Financial Times Deutschland v. 16.8.2008
[2] Glitza, H.: Informationsaustausch zwischen Behörden und Wirtschaft. Interview mit J. Ziercke (BKA), in: W&S 2008, H. 1-2, S. 15-17, www.sicherheit.info/SI/cms.nsf/si.Ar
ticlesByDocID/1100809?Open
[3] Ziercke zit. n. Zeit v. 20.4.2006
[4] ebd.
[5] Glitza a.a.O. (Fn. 2)
[6] Stock, J.: Internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Gefahren für die Wirtschaft, in: Die Kriminalpolizei 2008, H. 3, S. 85-89 (88)
[7] Even, B.: Wirtschaftsschutzkonzept des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in: BfV; ASW: Proaktiver Wirtschaftsschutz. Prävention durch Information, 4. Sicherheitstagung des BfV und der ASW am 18.3.2010 in Köln, Tagungsband, Köln 2010, S. 8-16 (13); www.ver
fassungsschutz.de/de/aktuell_thema/meldungen/me_100518_sicherheitstagung.pdf
[8] Kaller, W.: Wirtschaftsschutz – eine Herausforderung für Staat und Wirtschaft, in: BfV; ASW: Braucht Ihr Sicherheitsbewusstsein ein Update. 3. Sicherheitstagung des BfV und der ASW am 11.12.2008 in Köln, Tagungsband, Köln 2009, S. 8-14 (9)
[9] BfV: Spionage gegen Deutschland – aktuelle Entwicklungen, Köln November 2008, S. 11
[10] Even a.a.O. (Fn. 7), S. 13
[11] BfV a.a.O. (Fn. 9), S. 11 f.
[12] ebd., S. 11
[13] www.vswn.de/downloads/sipaniedersachsenkonzept.pdf

Bibliographische Angaben: Neubert, Randalf: Private und staatliche Kriminalisten. Konvergenzen, Kooperationen, Gefahren, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 97 (3/2010), S. 47-52