Zum Schwerpunkt
Seit vier Jahrzehnten gibt es in der Bundesrepublik eine manifeste Auseinandersetzung über die Beziehungen zwischen Sozialarbeit und Polizei. Sie wurden ausgelöst durch die polizeilichen Reaktionen auf die sich wandelnde Gesellschaft in den 1960er Jahren: Die „unruhige“ Jugend zog polizeiliche Aufmerksamkeit auf sich. Einerseits entwickelten die Polizeien „jugendspezifische“ Konzepte und Arbeitsformen. Sie verbanden dabei repressive und – das lag bei den jugendlichen AdressatInnen nahe – präventive Strategien. Andererseits suchte die Polizei nach potenziellen Verbündeten, die sie in der Sozialarbeit vermutete. Denn häufig beschäftig(t)en sich beide mit denselben Gruppen; und häufig wurden soziale Gründe als Ursache polizeiauffälligen Verhaltens vermutet. Gegenüber diesen Bestrebungen einer „sozialarbeiterisch“ arbeitenden Polizei und einer Vereinnahmung Sozialer Arbeit für polizeiliche Zwecke war und ist die Sozialarbeit in der Defensive.
Im Folgenden werden nur einige wichtige Veröffentlichungen der Debatte benannt. Eine ausführliche Literaturliste findet sich auf unserer Homepage: www.cilip.de.
Brockmann, Anna Dorothea; Liebel, Manfred; Rabatsch, Manfred (Hg.): Jahrbuch der Sozialarbeit 3. Arbeit mit Frauen, Heimerziehung, Jugend- und Stadtteilarbeit, Reinbek 1979
In sechs Beiträgen dieses Jahrbuchs wird eine erste Bilanz des Verhältnisses von Sozialarbeit und Polizei gezogen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Versuche in mehreren Bundesländern „Jugendpolizeien“ zu schaffen. Junge SchutzpolizistInnen in Zivil sollten die Jugendzentren und die Treffpunkte der Jugendlichen aufsuchen, um Kontakt und Vertrauen herzustellen. Diese zunächst verdeckt geplanten Einsätze stießen auf massiven Widerstand; in einigen Städten konnte die Einrichtung der Jugendpolizeien verhindert werden, in anderen wurde auf verdeckte und auf Einsätze in Jugendzentren verzichtet.
Kreuzer, Arthur; Plate, Monika (Hg.): Polizei und Sozialarbeit. Eine Bestandsaufnahme theoretischer Aspekte und praktischer Erfahrungen, Wiesbaden 1981
Institut für soziale Arbeit e.V (Hg.): Sozialarbeit und Polizei. Positionen und Diskussionen zu einem aktuellen Thema, Münster 1981
Im Abstand von rund fünf Jahren erscheinen seit Anfang der 1980er Jahre Sammelbände, die Tagungen dokumentieren, bei denen PolizistInnen, SozialarbeiterInnen und WissenschaftlerInnen ihre Erfahrungen und Positionen darlegen. In den Bänden von 1981 wird das „Präventionsprogramm Polizei/Sozialarbeit (PPS)“ dargestellt. Im PPS wurden SozialarbeiterInnen bei der Polizei Hannover im Revier tätig. Dieses Vorhaben stieß auf erheblichen Widerstand. Im Band von Kreuzer/Plate werden verschiedene lokale Modelle polizeilicher „Jugendarbeit“ geschildert: München, Mannheim, Frankfurt, Köln. Im Zentrum der Dokumentation aus Münster steht eine kritische Auseinandersetzung des Kriminologen Manfred Brusten mit den „Jugendpolizeien“ und ein Plädoyer für die Zusammenarbeit des Bremer Kriminaldirektors Herbert Schäfer, da für beide Professionen der Begriff der „Hilfe“ zentral sei.
Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe e.V. (Hg.): Jugendgerichtsverfahren und Kriminalprävention, München 1984
1983 beschäftigte sich ein Arbeitskreis des Jugendgerichtstages mit den Beziehungen von Polizei zur Sozialarbeit (S. 119-150). In den abschließenden Thesen formulierte der aus PolizistInnen und SozialarbeiterInnen bestehende Arbeitskreis: „dass eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit, die über die bestehende hinausgeht … bei gleichbleibenden Verhältnissen (Legalitätsprinzip) weder vorstellbar noch wünschenswert ist.“
Feltes, Thomas; Sievering, Ulrich O. (Hg.): Hilfe durch Kontrolle? Beiträge zu den Schwierigkeiten von Sozialarbeit als staatlich gewährter Hilfe, Frankfurt/Main 1990
Der Band dokumentiert eine Tagung in der Arnoldshainer Akademie. Er enthält neben Beiträgen zur justiznahen Sozialarbeit einen lesenswerten Aufsatz von Joachim Nocke über die rechtlichen Entgrenzungen und die damit einhergehenden Probleme der Kontrolle sozialarbeiterischen Verhaltens sowie eine Abhandlung von Helga Cremer-Schäfer über die gewandelten Kontrollvorstellungen von SozialarbeiterInnen.
Bystrich, Herbert; Fuchs, Ulrike; Liebermann, Bruno (Hg.): Jugend – Hilfe – Polizei. Konflikte, Schnittstellen, Kooperation zwischen Jugendhilfe und Polizei, Nürnberg 1996
Der Band dokumentiert eine Tagung, die in der „sichersten Großstadt Deutschlands“ (Grußwort) stattfand. U.a. wird in den Beiträgen die Arbeit der Berliner Clearingstelle und des Hannoveraner PPS vorgestellt. Aus unterschiedlichen Perspektiven wird das zentrale Thema „Vertrauensschutz kontra Legalitätsprinzip“ diskutiert, das auch in einer Arbeitsgruppe aufgegriffen wurde. Aus Hamburg und Sachsen werden von Beteiligten Beispiele der polizeilich-sozialarbeiterischen Kooperation auf verschiedenen Ebenen geschildert.
Stiftung SPI, Clearingstelle Jugendhilfe/Polizei (Hg.): Sozialarbeit und Polizei zwischen Dialog und Abgrenzung, Berlin 2002
Die Tagung aus dem Jahr 2000 war von dem Versuch motiviert, „nach Jahren der vorsichtigen Annäherung zwischen den beiden Berufsgruppen“, „sich über die Vielfalt miteinander gemachter Erfahrungen auszutauschen sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten festzustellen“. Nach den einleitenden Referaten (H.-J. Wieben pro, C. Hohmeyer kontra) tagten Fachforen zu sieben Themen/Gruppen von KlientInnen – von der offenen Jugendarbeit bis zur Obdachlosenhilfe. In den Foren werden die unterschiedlichen Perspektiven gut deutlich; die Empfehlungen variieren nach Themen erheblich.
Möller, Kurt (Hg.): Dasselbe in grün? Aktuelle Perspektiven auf das Verhältnis von Polizei und Sozialer Arbeit, Weinheim und München 2010
Der bislang letzte Tagungen dokumentierende Sammelband ist auch der umfangreichste in dieser Reihe. Gegenüber seinen Vorgängern unterscheidet er sich auch dadurch, dass in den einzelnen Beiträgen drei Seiten zu Wort kommen: die polizeiliche, die sozialarbeiterische und eine dritte, meist wissenschaftliche Sicht. So wird ein weit gespannter Bogen von „Berührungsfeldern“ abgearbeitet – von den Fußballfans über Rechtsextremismus, IntensivtäterInnen und Prostitution bis zur Jugendberatung und den Jugendrechtshäusern. Zum überwiegenden Teil sind die Beiträge – zumindest – informativ. Dem Buch insgesamt mangelt es jedoch an einer die mittlerweile entstandene Vielfalt der Arbeitsbeziehungen würdigenden Analyse. Obwohl schon einige Jahre alt (die Tagung hatte bereits 2008 stattgefunden), bietet der Band weiterhin den umfassendsten Einblick in das Konflikt- und Kooperationsfeld.
Schmitt-Zimmermann, Siegfried: Sozialarbeit und Polizei. Sozialarbeit im Polizeirevier als neues Aufgabenfeld der Sozialen Arbeit, Neuwied; Kriftel 2000
Zirk, Wolfgang: Jugend und Gewalt. Polizei-, Sozialarbeit und Jugendhilfe, Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Weimar, Dresden 1999
Zu den erwähnenswerten Einzelveröffentlichungen zum Thema zählen diese beiden Monografien. Das Buch des Berliner Kriminalpolizisten Zirk ist ein Lehrbuch über die polizeiliche Jugendsachbearbeitung (und ihre Grenzen). Sozialarbeit taucht nur am Rande (Jugendgerichtshilfe, Täter-Opfer-Ausgleich) und auf den letzten zehn Seiten („Soziale Projekte“) auf. Die Untersuchung von Schmitt-Zimmermann ist ein Plädoyer für Sozialarbeit als in die Polizeiorganisation aufgenommenes Arbeitsfeld. Sein Vorschlag ist jedoch außerhalb Sachsen-Anhalts (dort eingeführt als Inspiration aus Niedersachsen) ohne Resonanz geblieben. Lesbar ist das 2. Kapitel, in dem versucht wird, den „sozialarbeiterischen Sachverhalt“ genauer zu bestimmen.
Simon, Titus: Sozialarbeit und Polizei. Neue Aufgaben, Gemeinsamkeiten und notwendige Grenzen, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 63 (1999, H. 2), S. 39-48
Es handelt sich um eine kompakte Darstellung, in der ausgehend von der Entwicklung polizeilicher „Jugendarbeit“ in der Bundesrepublik grundsätzliche Bedenken gegenüber einer engen Zusammenarbeit von Polizei und Jugendhilfe formuliert werden.
Frehsee, Detlev: Korrumpierung der Jugendarbeit durch Kriminalprävention? Prävention als Leitprinzip der Sicherheitsgesellschaft, in: Freund, Thomas; Lindner, Werner (Hg.): Prävention. Zur kritischen Bewertung von Präventionsansätzen in der Jugendarbeit. Opladen 2001, S. 51–67
Ziegler, Holger: Crimefighters United – Zur Kooperation von Jugendhilfe und Polizei, in: neue praxis 2001, H. 6, S. 538–557
Seit Beginn der Debatte geht es im Verhältnis der Professionen um „Prävention“. Auf ihren programmatischen und institutionellen Siegeszug (lokale Präventionsgremien, Deutsches Forum für Kriminalprävention) reagierte dieser Aufsatz, der bis heute nichts an seiner Aktualität eingebüßt hat: Unter dem Primat der Sicherheit geraten Jugendhilfe (und Sozialarbeit allgemein) in einen Sog, an deren Ende sie ihre Selbstständigkeit verlieren und zu Hilfsagenten einer ins Soziale verlängerten Sicherheitspolitik werden. Auch Ziegler verlangt nicht mehr Zusammenarbeit, sondern eine in ihren Zielen selbstständige Soziale Arbeit, die ihre Arbeit nicht von kriminalpräventiven Wirkungen abhängig macht.
Breymann, Klaus: Prävention als Risiko, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 2006, H. 7, S. 216–219
Der Magdeburger Oberstaatsanwalt formuliert eine Kritik an der kriminalpräventiven Indienstnahme der Sozialarbeit, die über das enge Feld polizeilicher Kooperation hinausgeht: Breymann sieht die Umrisse einer „Präventionsrepublik“, in der die Sorgen und Nöte sozial Schwacher in Sicherheits- und Ordnungsprobleme umdefiniert werden. „Staatliche Zweckdienlichkeiten“ träten an die Stelle sozialarbeiterischer Zielsetzungen. Es bilde sich ein „neuer Paternalismus aus, der den Gendarmenstaat prägt“.
Emig, Olaf: Kooperation von Polizei, Schule, Jugendhilfe und Justiz – Gedanken zu Intensivtätern, neuen Kontrollstrategien und Kriminalisierungstendenzen, in: Dollinger, Bernd; Schmidt-Semisch, Henning (Hg.): Handbuch Jugendkriminalität, Wiesbaden 2011, S. 149-155
Am Beispiel des Bremer Vorgehens gegen sogenannte IntensivtäterInnen untersucht Emig die Reaktionen der Polizei auf Jugendkriminalität. Die präventive Orientierung ist ein Grundpfeiler diese Strategien. Ein anderer ist personen- und milieuorientierte Ermittlungsarbeit. „Wie von selbst und scheinbar unaufhaltsam“, so der Autor, werden die PolizistInnen „mit präventiven Ambitionen in die lebensweltbezogenen und sozialräumlichen Strukturen einbezogen“. Dass das Legalitätsprinzip ein Problem dabei darstellt, der Datenschutz auf der Strecke bleibt, soziale Probleme eher verschärft werden, ist – so Emig – die Folge einer repressiven Kontrollstrategie.
Lindenberg, Michael: Vielfalt ermöglichen und Sicherheit organisieren? Ein Essay zum Verhältnis von Sozialer Arbeit und Polizei aus Sicht der Sozialen Arbeit, in: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe (ZJJ) 2012, H. 4, S. 410–415
Obgleich im moderaten Ton eines Essays hebt Lindenberg die Eigenständigkeit und die Eigenlogik sozialarbeiterischen Handelns hervor. Sie müsse diese selbstbewusster behaupten und auch PolizistInnen beibringen, das auch bewusstes „Nicht-Handeln … ein Handeln“ sein kann. (sämtlich: Norbert Pütter)
Sonstige Neuerscheinungen
Nešković, Wolfgang (Hg.): Der CIA-Folter-Report. Der offizielle Bericht des US-Senats zum Internierungs- und Verhörprogramm der CIA, Frankfurt am Main (Westend-Verlag) 2015, 18,00 Euro
Im April 2014 legte der Geheimdienstausschuss des US-Senats nach fünf Jahren Arbeit einen 6.700 Seiten dicken Bericht über das Internierungs- und Verhörprogramm der CIA an Gefangenen vor, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 des Terrorismus verdächtigt wurden. Der Bericht ist bis heute als geheim eingestuft, aber im Dezember 2014 erschien eine 528 Seiten lange Zusammenfassung, die weltweit für Empörung und Entsetzen gesorgt hat. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nešković hat sie nun auf Deutsch herausgegeben.
Im Vorwort des Senatsberichts vermeidet die Ausschussvorsitzende und Demokratin Dianne Feinstein zwar das Wort „Folter“, aber die Ausführungen lassen keine Zweifel daran. Danach hat die CIA zwischen Ende 2001 und Anfang 2009 mindestens 119 Personen festgehalten und gefoltert. Mindestens 26 von ihnen hätten keine Kontakte zu TerroristInnen gehabt, sondern seien aufgrund falscher Geheimdienstinformationen oder wegen einer Verwechslung inhaftiert worden. Als gängige Folterpraktiken beschreibt der Bericht Demütigungen, Einzwängung, Erniedrigung, Schlafentzug, Todesdrohungen und „exzessives Waterboarding“. Auch wurden Gefangene „rektal zwangsernährt“. Die CIA-Folter erbrachte keine wertvollen Erkenntnisse. Die Folgen dieser Behandlungen sind für die Gefangenen jedoch bis heute dramatisch: Halluzinationen, Paranoia, Schlaflosigkeit sowie Selbstverletzungen prägen ihr Leben. Der US-Auslandsgeheimdienst unterhielt in mindestens fünf Ländern Geheimgefängnisse. Wiederholt gab die CIA unvollständige oder aufgebauschte Informationen exklusiv an einzelne JournalistInnen weiter, um die Presseberichterstattung in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Für Wolfgang Nešković haben die USA im Kampf gegen den Terrorismus jedes rechtsstaatliche Maß verloren. Im Anhang sind seine eigenen Vorschläge zur parlamentarischen Kontrolle der deutschen Geheimdienste abgedruckt, die er 2009 zur Diskussion stellte. Ob Geheimdienste allerdings überhaupt demokratisch kontrollierbar sind, daran lassen sich große Zweifel anmelden. (Christian Schröder)
Bakiner, Tamer: Der Wahrheitsjäger. Ein Top-Ermittler verrät seine besten Methoden, München (Ariston Verlag) 2015, 287 S., 16,99 Euro
Er selbst und sein Verlag halten ihn für einen der „führenden Wirtschaftsermittler und Sicherheitsexperten in Deutschland“. Da wollen wir dem Autor dann auch nicht reinreden, denn gleich in den ersten Zeilen seines Buches liest sich das so: „Wie oft schauen Sie beim Autofahren in den Rückspiegel? … Was wäre, wenn Ihnen jemand folgen würde? Würden Sie das bemerken? … Das wird sich bald geändert haben. Am Ende dieses Buches werden Sie nicht mehr der Mensch sein, der Sie jetzt sind.“ Selbstbewusster und zugleich alberner geht es kaum.
In diesem Stil schwadroniert Bakiner dann auf 287 Seiten über ehemalige Fälle, die er mit Bravour gelöst hat, um den LeserInnen, die es tatsächlich bis hierher geschafft haben, schließlich zu erklären, „was den guten Detektiv ausmacht“. Etwa Fantasie: „Das Lesen von Romanen und Krimis regt die Fantasie an. Und für die Legendenbildung ist auch Fernsehen sehr hilfreich“ (S. 275). Oder Schauspieltalent: „Trainieren Sie Ihre Schauspielkünste im Alltag. Seien Sie mal ein bisschen anders, als Sie gewöhnlich sind“ (S. 285). Und dann ist es endlich soweit: „Ein Detektiv ist wie ein guter Wein. Er reift mit den Jahren. Und vergessen Sie den Blick in Rückspiegel nicht!“ (S. 287). Der vom Autor immer wieder als äußerst wichtig beschworene „Gefahr-Radar“ hat bei ihm selbst offenbar versagt. Herausgekommen ist somit ein Buch, das selbst der blauen Papiertonne peinlich ist. (Otto Diederichs)
Töpfer, Eric: Unabhängige Polizei-Beschwerdestellen. Eckpunkte für ihre Ausgestaltung, Policy Paper Nr. 27 (Deutsches Institut für Menschenrechte), Berlin 2014 (www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/sicherheit/publikationen)
„Wer schützt uns vor denen, die den Staat und uns schützen sollen?“ Bekanntlich ist diese alte Frage in Deutschland unzureichend beantwortet. Dass die Kontrolle der Polizei hierzulande mangelhaft ist, ist Konsens unter den maßgeblichen internationalen Stellen. Bestritten wird diese Feststellung im Inland nur von denen, die sich und die öffentliche Gewalt in obrigkeitsstaatlicher Tradition sehen. Dass eine unabhängige, externe Kontrolle der Polizei längst überfällig ist und dass es nicht an ausreichender Erfahrung fehlt, wie eine solche zu bewerkstelligen wäre, so dass sie in Deutschland umgesetzt werden könnte – sofern der politische Wille vorhanden wäre –, das zeigen diese „Eckpunkte“ des Menschenrechtsinstituts.
Der Text fasst in den ersten beiden Abschnitten in knapper Form den internationalen und nationalen Diskussionsstand über „externe Beschwerdestellen“ zusammen. Im dritten Teil werden bereits Detailfragen ihrer Ausgestaltung anhand ausländischer Regelungen und Erfahrungen diskutiert: Welche Art von Beschwerden sollen berücksichtigt werden? Wie ist „Unabhängigkeit“ zu gewährleisten? Soll den Beschwerden nur bei strafrechtlich relevantem Fehlverhalten nachgegangen werden? Wie sollten Beschwerden „eingereicht“ werden? Welche Befugnisse sollte die Beschwerdestelle haben?
Das Recht auf „wirksame Beschwerde“ gegen die Polizei zu gewährleisten, erfordere Untersuchungen, die „unabhängig, angemessen, unverzüglich sowie öffentlich überprüfbar“ seien und an denen „die Betroffenen im Verfahren beteiligt“ würden. Um dies zu gewährleisten, werden die Bundesregierung und die Landesregierungen aufgefordert, Beschwerdeeinrichtungen zu schaffen, die sechs „Eckpunkten“ folgen: 1. Einrichtung gesonderter polizeilicher Ermittlungseinheiten für Polizeidelikte, die unmittelbar der Sachleitung der Staatsanwaltschaft unterstehen. 2. Aufnahme von Personen ohne berufliche Polizeisozialisation in diese Einheiten. 3. Zusätzliche Einrichtung von Ombudsstellen, die Beschwerden nachgehen und gegebenenfalls Empfehlungen an die Polizeiführungen oder Informationen an die Ermittlungseinheit für Polizeidelikte geben. 4. Niedrigschwellige Zugänglichkeit der Beschwerdestelle. 5. Angemessene Ausstattung der Beschwerdestelle mit Personal, Sachmitteln und Untersuchungskompetenzen; einschließlich einer öffentlichen Berichtspflicht. 6. Externe Evaluierung ihrer Arbeit.
Nachdem in den letzten Jahren in die leidige Diskussion um die individuelle „Kennzeichnungspflicht“ von PolizistInnen einige Bewegung gekommen ist, ist zu wünschen, dass das vorliegende Papier auch die Bereitschaft steigert, zu Beschwerdeverfahren zu kommen, die diesen Namen verdienen. (Norbert Pütter)