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EU-Kommission und Europol starten Kuschelrunde mit der Internetindustrie

In zwei Wochen will die EU den offiziellen Start des „Forums der Internetdienstleister“ verkünden. In der neuen Gemeinschaft organisieren sich die EU-InnenministerInnen mit Internetkonzernen. Nach über einem Jahr Vorbereitung wird eine Zusammenarbeitsform installiert, die eine möglichst schnelle Beseitigung unliebsamer Internetinhalte ermöglichen soll. Kritiker wie die internationale Vereinigung von Bürgerrechtsorganisationen EDRi bemängeln, dass nun IT-Konzerne die „terroristische Nutzung des Internet“ reparieren sollten.

Mit dem Forum will Dimitris Avramopoulos, der EU-Kommissar für Inneres und Migration, an frühere erfolglose Versuche anknüpfen, Internetfirmen zu mehr Kooperation mit Polizeibehörden zu bewegen und „Möglichkeiten der praktischen Zusammenarbeit“ zu finden. So soll erörtert werden, „welche Instrumente zur Bekämpfung terroristischer Propaganda im Internet und in den sozialen Medien eingesetzt werden können“. Die Arbeiten sollten auf dem vom Bundeskriminalamt bei Europol angeschobenen Projekt „Clean IT“ aufbauen, das unter anderem eine Datensammlung zu „islamistisch-terroristischen“ Webseiten betreibt und aus den Mitgliedstaaten befüllt wird.

Sechs Internetanbieter, 21 Mitgliedstaaten, Europol und Auswärtiger Dienst

Am Anfang stand ein informelles Abendessen, bei dem im Oktober letzten Jahres einige Innenminister der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel mit Delegierten von Google, Twitter und Microsoft zusammenkamen. Offiziell wurde die Einrichtung des Forum erst im April in der „Europäischen Strategie für die Sicherheit“ angekündigt und geht auf einen Vorschlag des Anti-Terror-Koordinators der EU zurück. Seitdem hat es mehrere Vorbereitungstreffen gegeben, an denen unter anderem Behörden aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Ungarn, Rumänien, Spanien und Großbritannien teilnahmen. Der EU-Kommissar Avramopoulos reiste im September selbst „nach Kalifornien“, um dort mit nicht näher benannten Internetkonzernen über eine Teilnahme am Forum zu beraten.

Laut der Kommission sollten ursprünglich auch „Vertreter der Zivilgesellschaft“ an dem Forum teilnehmen, von der Idee hatten sich die Beteiligten aber schnell verabschiedet. EDRi konnte über eine Informationsfreiheitsanfrage einige dazugehörige Dokumente befreien. Daraus geht hervor, dass mittlerweile auch Facebook, Ask.fm, Yahoo sowie die EU-Polizeiagentur Europol und der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) an dem Prozess teilnehmen. Dem EAD obliegt die Koordination der Außen- und Verteidigungspolitik der EU.

Einem Ratsdokument zufolge ist für den 27. November ein weiteres Treffen „mit der Industrie“ geplant. Demnach beteiligten sich derzeit 21 Mitgliedstaaten, auch der Anti-Terror-Koordinator sei an Bord. Die „Arbeitsmodalitäten“ seien laut der Kommission noch nicht festgelegt, allerdings werden wohl regelmäßige Treffen stattfinden.

Auch Verschlüsselungstechniken auf der Agenda

Laut dem Bundesinnenministerium soll zunächst „im Gespräch mit den Unternehmen“ geklärt werden, „welche Inhalte diese aus dem Netz zu entfernen bereit sind“. Später könnte der Zweck des Forums dann schrittweise erweitert werden. Aus Sicht der Kommission könnten auch „Bedenken der Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf neue Verschlüsselungstechniken“ diskutiert werden. Der schon länger kursierende Vorschlag verschwand für einige Zeit von der Agenda, nun hat ihn die Kommission wieder aufgefrischt. In einem Ergänzungsantrag zu einer Resolution drängt auch die EVP-Fraktion im EU-Parlament darauf, die Nutzung von Verschlüsselung für „terroristische Zwecke“ gegenüber den IT-Anbietern anzusprechen.

eu_iru_1Im Juli hat Europol nach dreimonatiger Vorbereitungszeit eine „Meldestelle für Internetinhalte“ (EU IRU) eröffnet. Sie sollte zunächst nur „islamistisch terroristische Inhalte“ aufspüren und den Internetdienstleistern zur Entfernung melden. Wie das Forum baut auch die Meldestelle auf „Clean IT“ auf. Alle aus den Mitgliedstaaten zur Entfernung oder Beobachtung gemeldeten Internetinhalte werden in der Datenbank des BKA-Projektes gespeichert. Noch vor dem Start der Meldestelle sickerte durch, dass auch Inhalte, die Geflüchtete „anlocken“ könnten, aufgespürt und gelöscht werden sollen, eine entsprechende Abteilung hat bereits mit der Arbeit begonnen.

Die Meldestelle für Internetinhalte fungiert auf diese Weise als ausführendes Organ des Forums der Internetdienstleister. Noch gibt es dafür aber keine ausreichende rechtliche Grundlage, erst in der Neufassung der Europol-Verodnung soll dies endgültig geregelt werden. Offiziell darf Europol keine Zwangsmaßnahmen durchführen, sondern lediglich Ermittlungen koordinieren. Gerungen wird um die Frage, ob die Polizeiagentur also die Entfernung von Internetinhalten „sicherstellen“ („secure its removal“) oder eher auf Freiwilligkeit der Internetdienstleister beruhen soll („voluntary cooperation“). Strittig ist auch, ob in der neuen Europol-Verordnung von einer „Herunternahme“ von Internetinhalten („taking action“) gesprochen oder ob das Verfahren als „Bitte“ zur Entfernung derselben („requesting“) beschrieben werden sollte.

Ebenfalls regelungsbedürftig ist die Forderung Europols, von den Internetanbietern IP-Adressen und weitere Informationen zu Accounts bestimmter Personen abfordern zu können. Hierzu müsste es Europol erlaubt werden, personenbezogene Daten mit Privaten zu tauschen.

Offizieller Start am 3. Dezember

Das Forum der Internetdienstleister soll „terroristischer Online-Propaganda“ auch mit sogenannten Gegenbotschaften („counter narratives“) begegnen. Unklar ist, wie sich die Arbeit des Forums und die Europol-Aktivitäten vom ebenfalls auf EU-Ebene angesiedelten Radicalisation Awareness Network (RAN) abgrenzen. Das von der EU-Kommission gestartete „Netzwerk aus Praktikern und lokalen Akteuren“ entwickelt ebenfalls „Gegenbotschaften“ zur „Bekämpfung von gewaltbereiter Radikalisierung“. Ziel einer Arbeitsgruppe des RAN war der Ausbau von Beziehungen zu den großen Internetdienstleistern und der Aufbau eines gemeinsamen „Forums“. Womöglich handelte es sich bei den Plänen um die Vorbereitung des jetzigen Forums der Internetdienstleister.

Ursprünglich war der offizielle Start für den 2. Dezember geplant. Mittlerweile wurde die Konferenz um einen Tag verschoben und findet jetzt medienwirksam zur Tagung der EU-InnenministerInnen in Brüssel statt.

Foto: OSeveno, Europol Building; The Hague; Eisenhowerlaan; Statenkwartier; 2014; photo nr. 41850, CC BY-SA 4.0