Europäische Inlandsgeheimdienste errichten derzeit ein „Anti-Terror-Zentrum“ im niederländischen Den Haag. Das Zentrum gehört zu der 2001 gegründeten „Counter Terrorism Group“ (CTG) des sogenannten Berner Clubs. Dort organisieren sich die Geheimdienste aller EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegens und der Schweiz, Frankreich und Italien sind hier gleich mit zwei Diensten präsent. Welche davon sich tatsächlich an dem Zentrum beteiligen, ist allerdings offen. Laut einem Medienbericht wollen „nicht einmal die Hälfte der Mitgliedsländer mitmachen“.
Der Vorschlag für die Geheimdienstzentrale, die einem Europol-Arbeitsbericht zufolge zum 1. Juli ihren Betrieb aufnehmen soll, entstand nach den Anschlägen von Paris am 13. November vergangenen Jahres. Wenige Tage später trafen sich die Geheimdienstchefs zu einer außerordentlichen Sitzung und verabredeten die Einrichtung einer gemeinsamen Plattform in Den Haag. Der Rat der Innen- und Justizminister der EU, der ebenfalls Ende November 2015 zusammenkam, forderte die Geheimdienste der Mitgliedstaaten schließlich auf, Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit zu prüfen.
Austausch über Operationen in Echtzeit
Die Teilnehmerstaaten sollen jetzt VerbindungsbeamtInnen in das niederländische Zentrum entsenden. Ziel ist der Austausch und die Verarbeitung von Informationen über „dschihadistische Gefährder“. Entsprechende Daten werden in einer „CTG-Datenbank“ gespeichert. Auch geplante Operationen könnten untereinander abgesprochen werden, die Beteiligten wollen hierfür ein interaktives Echtzeit-Informationssystem betreiben. Im Gespräch ist das SIENA-Netzwerk von Europol, das derzeit jedoch nur bis zum niedrigsten Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ (EU Restricted) zugelassen ist. Noch für dieses Jahr ist Höherakkreditierung auf „VS – Vertraulich“ (EU Confidential) geplant.
Der CTG-Vorsitz folgt der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaft, die derzeit bei den Niederlanden liegt. Vorsitzender ist Rob Bertholee, Leiter des niederländischen Geheimdienstes („Allgemeiner Nachrichten- und Sicherheitsdienst“, AIVD). Wohl aus diesem Grund wird die neue Geheimdienstzentrale ebenfalls beim AIVD angedockt. Der AIVD gibt in seinem Jahresbericht an, das Zentrum initiiert zu haben.
Niederländischer Geheimdienstchef bei Europol
Der EU-Anti-Terrorbeauftragte Gilles de Kerchove nimmt an wichtigen Treffen der CTG teil, in den letzten drei Jahren war Kerchove beispielsweise bei allen Konferenzen mit den Leitern der Geheimdienste zugegen. Nun ist die engere Zusammenarbeit mit EU-Strukturen geplant. Europol hat im Januar diesen Jahres ein „Europäisches Zentrum für Terrorismusbekämpfung“ (ECTC) in Den Haag eröffnet, zu dessen Aufgaben die „intensivere Koordinierung und Zusammenarbeit“ mit anderen Sicherheitsbehörden gehört. Im April hielten Europol-Bedienstete einen Vortrag über Europol-Strukturen zur Terrorismusbekämpfung bei der CTG. Die Geheimdienstgruppe will nun „Mechanismen einer strukturellen Zusammenarbeit“ prüfen. Die Kooperation mit Europol könnte von der Personalie früheren Leiters des AIVD, Wil van Germert, profitieren. Der Ex-Geheimdienstler wechselte 2014 zu Europol, um dort nach dem „Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität“ ein „Zentrum zur Terrorismusbekämpfung“ sowie ein „Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ aufzubauen.
Europol soll künftig auch stärker mit dem „Zentrum für Informationsgewinnung und -analyse“ (IntCen) des Auswärtigen Dienstes der EU in Brüssel kooperieren. Die dort erstellten Analysen und Berichte basieren unter anderem auf Material von Auslandsgeheimdiensten der Mitgliedstaaten. Im Februar lud der französische Geheimdienst-Koordinator zu einem hochrangigen Treffen, um die Arbeit des IntCen stärker mit der CTG abzustimmen. Wieder nahm der EU-Anti-Terrorbeauftragte daran teil. Verabredet wurde auch die engere Zusammenarbeit mit Europol.