von Anja Lederer
Innerhalb des Sondersanktionssystems des Aufenthaltsrechts erfreut sich die Ausweisung seit jeher besonderer Beliebtheit in der Sicherheitspolitik. Kaum ein anderes Instrument eignet sich besser für symbolische Gesetzgebung. Seit dem 1. Januar 2016 hat der Bundestag zwei weitere Verschärfungen des Ausweisungsrechts beschlossen.
Als am 1. Januar 2016 eine gravierende Neuregelung des Ausweisungsrechts[1] in Kraft trat, schien das Gesetz durch die Ereignisse der Silvesternacht bereits überholt. Kaum war publik geworden, dass es vor dem Kölner Hauptbahnhof angeblich zu massenhaften sexuellen Übergriffen gegen Frauen hauptsächlich durch Geflüchtete gekommen sei, stimmten PolitikerInnen reflexhaft den Ruf nach weiteren Verschärfungen des Ausweisungsrechts an. Es folgte unmittelbarer legislativer Aktionismus: Am 16. Februar 2016 legten die Koalitionsfraktionen den „Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern“ vor, der fast unverändert am 11. März 2016 beschlossen wurde.[2]
Damit nicht genug: Lange war über den Entwurf des „Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung“ beraten worden. Am 4. Juli 2016, drei Tage vor der abschließenden Lesung im Bundestag, brachten die Koalitionsfraktionen im Rechtsausschuss einen Änderungsantrag ein, mit dem erneut das Ausweisungsrecht verschärft werden sollte. Am 7. Juli wurde das Gesetz verabschiedet.[3]
Zuckerbrot und Peitsche
Das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gewährt ausländischen Staatsangehörigen ohnehin im Grundsatz nur dann die „Wohltat“ des erlaubten Aufenthalts, wenn nachweislich keine Belastung der sozialen Sicherungssysteme zu befürchten steht, bestimmten „Integrationspflichten“ genügt wird und – manifestiert durch das Fehlen von „Ausweisungsinteressen“ – auch im Übrigen die Erwartung künftigen Wohlverhaltens begründet ist. Nur unter diesen gleichbleibenden Bedingungen werden befristete Aufenthaltserlaubnisse verlängert. Diese Regelungen werden in Bezug auf andere Gefährdungen der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der freiheitliche(n) demokratische(n) Grundordnung oder sonstige(r) erhebliche(r) Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ (§ 53 Abs. 1 AufenthG) durch das Rechtsinstitut der Ausweisung flankiert. Eine Ausweisung ist ein schriftlicher Verwaltungsakt der Ausländerbehörde, auf Grund dessen ein erteilter Aufenthaltstitel erlischt, zugleich die Ausreisepflicht begründet wird und – ebenso wie bei einer Abschiebung, der realen, zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht – ein (Wieder-)Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt. In Bezug auf die Neuerteilung eines Aufenthaltstitels entfaltet die Ausweisung eine Sperrwirkung mit der Folge, dass selbst bei einem Rechtsanspruch kein Aufenthaltstitel erteilt wird. Die Wirkungen enden erst nach Ablauf einer Sperrfrist.
Diese förmlich-administrative Beschreibung der Ausweisung bagatellisiert, dass nichtdeutsche Menschen durch eine Ausweisung nicht nur zur Persona non grata erklärt, sondern zur Ausreise gezwungen oder abgeschoben werden. Die Ausweisung vernichtet im Regelfall die inländische Existenz der Betroffenen vollständig. Ausgewiesene, die Deutschland nicht verlassen (können) – sei es freiwillig oder zwangsweise mittels Abschiebung – werden innerhalb des Landes rechtlich ausgegrenzt. Wenn sogenannte tatsächliche oder rechtliche Abschiebungshindernisse bestehen, etwa weil eine Abschiebung mangels Pass(ersatzes) nicht möglich ist oder beispielsweise eine enge familiäre Beziehung zu einem deutschen Kleinkind besteht, bewirkt die Ausweisung, dass kein Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Duldung erteilt wird. Das Leben mit Duldung verurteilt auf Dauer zu prekarisierten Lebensverhältnissen und Stigmatisierung, die Ausweisung bewirkt auch hier weitestgehende Exklusion.
„Reform“ des Ausweisungsrechts
Gemäß der am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Neuregelung wird eine Person ausgewiesen, wenn das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Bleibeinteresse der betroffenen Person überwiegt. Die formalgesetzliche Neuregelung des Ausweisungsrechts war erforderlich geworden, weil europäische und verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bei jeder Ausweisung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung an Hand aller Einzelfallumstände gefordert hatte. Die Ausweisungsvorschriften wurden daher formal offener formuliert. Aus den früheren Ausweisungsgründen wurden Tatbestände, bei deren Vorliegen ein schwerwiegendes bzw. besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse postuliert wird. Dem Ausweisungsinteresse sind nach der Neuregelung gesetzlich normierte Bleibeinteressen gegenüberzustellen. Anstelle der eigentlich durch die Rechtsprechung geforderten Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles wurde mit der Neufassung des Ausweisungsrechts jedoch eine neue „Ist-Ausweisung“ für den Fall eingeführt, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Bleibeinteresse überwiegt. [4]
Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse besteht gemäß § 54 AufenthG bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen (einer oder mehrerer) vorsätzlicher Straftaten zu einer Jugend- bzw. Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren oder Anordnung von Sicherungsverwahrung, bei Verdacht auf (frühere) Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, bei (früherer) Zugehörigkeit zur Leitung verbotener Vereine, bei Beteiligung an Gewalttätigkeiten zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele und bezüglich sogenannter Hassprediger.
Ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse liegt schlechthin bereits bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von mindestens einem Jahr vor. Als schwerwiegend gelten ebenfalls,
- der Anbau von oder der Handel mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz – BtMG); hier reicht bereits der Versuch und es ist auch keine rechtskräftige Verurteilung erforderlich;
- die mangelnde Therapiebereitschaft beim Konsum von Heroin und Kokain,
- das „integrationsfeindliche“ Hindern Anderer an der Teilhabe am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben bzw. die (versuchte) Nötigung zu einer „Zwangsehe“,
- das Verschweigen von Voraufenthalten oder keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen mit terrorismusverdächtigen Personen oder Organisationen in einer Sicherheitsbefragung zwecks Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt,
- falsche oder unvollständige Angaben zwecks „Erschleichens“ eines Aufenthaltstitels und fehlende Mitwirkung bei Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz bzw. Schengener Durchführungsübereinkommen.
Schließlich werden „nicht nur vereinzelte oder geringfügige Verstöße gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen“ und im Ausland begangene Handlungen, die nach deutschem Recht schwere vorsätzliche Straftaten darstellen, als schwerwiegendes Ausweisungsinteresse bewertet.
Analog zu den Ausweisungsinteressen sind nach der neuen rechtlichen Konzeption auch besonders schwerwiegende bzw. schwerwiegende Bleibeinteressen der Betroffenen definiert: Das Bleibeinteresse des Betroffenen wiegt nach fünfjährigem rechtmäßigen Voraufenthalt besonders schwer bei InhaberInnen einer Niederlassungserlaubnis und bei im Bundesgebiet Geborenen oder als Minderjährige Eingereisten sowie deren Ehe- bzw. LebenspartnerInnen, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis besitzen. Auch nach der Neuregelung gibt es keinen strikten Ausweisungsschutz für hier geborene oder aufgewachsene Menschen ohne deutschen Pass, deren Ausweisung auch aus allein generalpräventiven Gründen weiterhin zulässig sein soll. Ein Bleibeinteresse von Ehe- oder LebenspartnerInnen deutscher Staatsangehöriger und Elternteilen, die für ein deutsches minderjähriges Kind sorgeberechtigt sind oder mit diesem ihr Umgangsrecht ausüben, ist ebenfalls als besonders schwerwiegend eingestuft. Ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse wird auch subsidiär Schutzberechtigten und InhaberInnen bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel zugestanden.
Auf ein schwerwiegendes Bleibeinteresse können sich insbesondere minderjährige Betroffene mit Aufenthaltstitel oder sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltende sorgeberechtigte Eltern(teile) berufen, ferner InhaberInnen einer Aufenthaltserlaubnis nach fünfjährigem Voraufenthalt und Personen, die ihr Sorge- bzw. Umgangsrecht mit einem minderjährigen Kind ausüben, das sich rechtmäßig in Deutschland aufhält. Schließlich soll das Bleibeinteresse auch dann schwer wiegen, wenn die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind, und im Falle aussagebereiter Opfer von Menschenhandel und ausbeuterischer illegaler Beschäftigung. Bereits beim ersten Blick ins Gesetz fällt auf, dass die Aufzählung der öffentlichen Ausweisungsinteressen in § 54 AufenthG doppelt so lang ist wie die Vorschrift des § 55, die sich mit den Bleibeinteressen der Betroffenen befasst.
Die Regelungen zur Ausweisung mittels Definition von Ausweisungs- und Bleibeinteressen richten sich im Wesentlichen an dem Prinzip von Belohnung und Strafe aus, das das gesamte Aufenthaltsrecht durchzieht. Je weiter sich Betroffene schon auf der aufenthaltsrechtlichen Stufenleiter empor gearbeitet haben – durch Aufenthaltsstatus und rechtmäßige Voraufenthaltszeit, wirtschaftliche Integration mittels Erwerbstätigkeit, Erfüllung sämtlicher, auch sprachlicher Integrationsanforderungen und insbesondere durch stringentes Befolgen jeglicher Verhaltensanforderungen der deutschen Rechtsordnung –, desto eher kann bei Verfehlungen ausnahmsweise „ein Auge zugedrückt“ werden.
Die erste „Reform“ der „Reform“
Mit dem „Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern“ vom 11. März 2016 wurde nun auch die Kategorie der Rechtstreue explizit neu im Ausweisungsrecht verankert. Bei der Abwägung der Ausweisungs- und Bleibeinteressen ist nun „die Tatsache zu berücksichtigen, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat“, wodurch auch ordnungsrechtliche Bagatellen auf der Sollseite der Betroffenen zu Buche schlagen. Die Mindeststrafe bei Verurteilungen wegen vorsätzlicher Straftaten für ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse wurde kurzerhand von „mehr als“ auf „mindestens“ zwei Jahre Freiheits- oder Jugendstrafe gesenkt. Das wirkt auf den ersten Blick nicht erheblich. Allerdings ist eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren eine für Strafgerichte magische Grenze: Bis hierhin kann nämlich die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bei positiver Prognose gerade noch zur Bewährung ausgesetzt werden.
Im Übrigen wurde in schlechter gesetzgeberischer Tradition der Straftatenkatalog hinsichtlich der Ausweisungsinteressen erheblich erweitert. Zusätzlich aufgenommen wurden nun Verurteilungen zu jeglicher Freiheits- oder Jugendstrafe wegen vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Sofern diese Straftaten mit Gewalt, unter Androhung von Gefahr für Leib oder Leben oder mit List bzw. bei Eigentumsdelikten serienmäßig begangen wurden, soll das Ausweisungsinteresse schwer wiegen. Lautet das entsprechende Urteil auf Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr, besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse selbst dann, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Dimension der Neuregelung wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass ausländische Beschuldigte häufig schon bei einer ersten Verurteilung wegen eines Diebstahls oder einer leichten Körperverletzung nicht mit einer Geldstrafe, sondern mit einer (kurzen) Freiheitsstrafe sanktioniert werden. Die Mehrfachbestrafung Nichtdeutscher durch härtere strafrechtliche Ahndung ihres Tuns einerseits und die jetzt noch einmal erleichterte Ausweisung andererseits wird damit erneut massiv gesteigert.
Die Neuregelung des Ausweisungsinteresses betrifft unterschiedslos alle Nichtdeutschen. In Bezug auf Geflüchtete wurde nun die Möglichkeit erweitert, ihnen die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann zu versagen, wenn ansonsten alle Voraussetzungen erfüllt wären. Das war bisher nur möglich bei Kriegsverbrechern oder Personen, die wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurden. Nach der Neuregelung vom 16. März reicht bereits eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer mit Gewalt, unter Androhung von Gefahr für Leib und Leben oder mit List begangenen Straftat. Damit wird die Genfer Flüchtlingskonvention verletzt. Damit die Verschärfung auch greift, werden gleichzeitig die Übermittlungspflichten der Strafverfolgungsbehörden erweitert. Sie müssen jetzt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bereits mitteilen, wenn wegen des Verdachts einer solchen Straftat Anklage erhoben wird.
Für Geflüchtete mit guten Chancen auf eine Anerkennung bedeutet schon die Erhebung einer Anklage wegen solcher Straftatvorwürfe, dass ihr laufendes Asylverfahren „auf Eis gelegt“ wird und sie im Zweifel weiter jahrelang bis zum rechtskräftigen Freispruch auf einen positiven Bescheid des BAMF warten müssen. Im Sinne der einmal mehr populistisch auf die politische Agenda gesetzten beschleunigten Abschiebung straffälliger Nichtdeutscher wurde Geflüchteten rechtsstaatswidrig nun faktisch ihr Rechtsschutzanspruch genommen: Eine Klage gegen den Widerruf oder die Rücknahme einer Asylanerkennung aufgrund von Straffälligkeit hat keine aufschiebende Wirkung mehr und die Betroffenen können daher noch vor einer gerichtlichen Entscheidung abgeschoben werden. Damit ist in Bezug auf die Versagung der Flüchtlingseigenschaft praktisch dieselbe Rechtschutzlosigkeit erreicht, die seit längerem schon im Falle der Ausweisung bestand: Klagen haben hier zwar formal aufschiebende Wirkung, lassen jedoch die Wirksamkeit der Ausweisung unberührt.
Und die zweite
Die massive Meinungsmache nach der Kölner Silvesternacht verfehlte ihre Wirkung nicht. Ganz entgegen gesicherten kriminologischen Erkenntnissen lautete die Botschaft einmal mehr, dass Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in erster Linie von Seiten „gefährlicher Fremder“ drohten. Nicht verwunderlich war deshalb, dass im Kontext der Reform des Sexualstrafrechts das Scheinargument auftauchte, das Prinzip des „Nein heißt nein“ müsse auch ins Aufenthaltsrecht implementiert werden.[5] Im Juli 2016 wurde so eine erneute Verschärfung der schwerwiegenden und besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteressen durch die Gesetzgebung gepeitscht.
Anders als in der Version vom März 2016 kommt es in der neuen Regelung nun nicht mehr darauf an, ob eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit Gewalt, List oder unter Androhung von Gefahren für Leib und Leben begangen wurde. Stattdessen wiegt nun bei jeglicher Verurteilung wegen einer nicht einvernehmlichen sexuellen Handlung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe – auch bei solchen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden – das Interesse an einer Ausweisung schwer, bei Strafen von mindestens einem Jahr wird es als besonders schwerwiegend bewertet. Unter den Voraussetzungen dieses neu eingeführten besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses kann Geflüchteten nach Ermessen des BAMF nun ebenfalls die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft versagt werden.
Selektion, Disziplinierung und Mehrfachbestrafung
Das Aufenthaltsrecht differenziert und selektiert nicht nur mittels Ausweisung, sondern auf allen Ebenen nach dem Kriterium ökonomischer Verwertbarkeit, nach angepasstem Verhalten und strafrechtlicher Unauffälligkeit. Nichtdeutsche, die ihren Lebensunterhalt nicht vollständig aus eigener legaler Erwerbstätigkeit sichern können, werden durch das Aufenthaltsrecht in ähnlicher Weise exkludiert wie Nichtdeutsche, die strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Ihnen wird in der Regel gleichermaßen die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels verwehrt. Ihr (gegebenenfalls legaler) Aufenthalt wird erforderlichenfalls zwangsweise durch Abschiebung beendet.
Eine Ausweisungsverfügung geht in ihrer zusätzlichen Wirkung weit über die einer Kriminalstrafe hinaus. Dennoch besteht die wesentliche Bedeutung der Ausweisung nicht erst in der Anwendung im Einzelfall. Das rechtliche und bürokratische Instrumentarium der Ausweisung wirkt vielmehr allein durch seine Existenz abschreckend. Da das Nichtbestehen von „Ausweisungsinteressen“ Voraussetzung für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist, funktioniert dieses Instrumentarium effektiv verhaltenssteuernd und disziplinierend.
Der Status des Nichtdeutschseins als solcher und der jeweilige Aufenthaltsstatus im Speziellen wirken sich auch strafrechtlich negativ aus – und zwar vor allem auf die Untersuchungshaft und die Strafzumessung. Bereits im Stadium des Ermittlungsverfahrens werden Nichtdeutsche aufgrund erhöhter Kontrolle überkriminalisiert und häufiger inhaftiert. Empirische Untersuchungen[6] belegen darüber hinaus, dass nichtdeutsche Angeklagte erheblich häufiger und härter sanktioniert werden als deutsche. Das Strafrecht wirkt damit auch auf das Aufenthaltsrecht zurück: Eine härtere Strafzumessung erhöht die Gefahr für die Betroffenen, ausgewiesen zu werden, mindestens aber den gegebenenfalls noch zu erhaltenden Aufenthaltsstatus auf längere Sicht nicht verfestigen zu können.
Indem Aufenthalts- und Strafrecht je nach Bedarf angepasst und mehr oder weniger repressiv eingesetzt werden, erfolgt die Regulierung der disponiblen Masse nichtdeutscher Arbeitskräfte, die aufgrund der mehrfachen Sanktionsdrohung im Allgemeinen besondere Willfährigkeit garantiert. Unter Anknüpfung an das formale Kriterium der nichtdeutschen Staatsangehörigkeit werden durchgängig große Teile einer Bevölkerungsgruppe markiert, deren Verhalten der Staat in ganz besonderem Maße dirigiert. Vor diesem Hintergrund eignet sich das Aufenthaltsrecht vortrefflich, um unter Ausnutzung ethnischer Ressentiments die allgemeine soziale Unsicherheit zu kanalisieren und staatliche Härte zu demonstrieren. Weitere Verschärfungen des Ausweisungsrechts dürften deshalb nicht lange auf sich warten lassen.