Im Jahr 2023 wird Interpol ihr 100jähriges Bestehen feiern. Bis dahin treibt die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation mit inzwischen 190 Mitgliedstaaten eine Neuausrichtung ihrer Tätigkeiten voran. Unter dem Namen „INTERPOL 2020“ will das Generalsekretariat in Lyon/ Frankreich die Aufgaben, Prioritäten und Strukturen umfassend überprüfen und „notwendige Veränderungen“ anstoßen. Dies betrifft die drei Bereiche Verwaltung und Finanzierung, Partnerschaften sowie die Entwicklung „neuer Dienste und technischer Lösungen“.
Das Reformprojekt „INTERPOL 2020“ wurde im Januar 2015 vom neuen Generalsekretär und früheren Vizepräsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA) Jürgen Stock begonnen. Nach einer organisationsinternen Überprüfung hat die Generalversammlung im November über einen ersten Rahmenplan und 24 Empfehlungen des Generalsekretariates abgestimmt. Spätestens 2020 soll die Umsetzung abgeschlossen sein.
Neue Datenbank für Gesichtserkennung
Interpol soll sich beispielsweise neue Finanzierungsquellen suchen, um die Beitragszahler zu entlasten und die Organisation zu vergrößern. Bestehende Partnerschaften werden auf ihren Nutzen hin überprüft und durch neue ersetzt. Dies betrifft auch private Firmen. Interpol will außerdem mehr Regionalbüros einrichten und diese besser untereinander vernetzen. Neben dem Generalsekretariat in Lyon und dem „Command and Coordination Centre“ in Buenos Aires/ Argentinien nahm Interpol vor zwei Jahren den neuen „Global Complex for Innovation“ in Singapur in Betrieb, der neue Verfahren zur digitalen Verbrechensbekämpfung entwickelt und ein Notfall Team für besondere Ermittlungen zur Verfügung stellt.
Die Kooperation mit der EU-Polizeiagentur Europol wird ebenfalls erweitert. Enger zusammenarbeiten wollen die beiden Organisationen nicht nur bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität sowie der „Cyberkriminalität“, sondern künftig auch in den Themenfeldern „Schleusungskriminalität“ und „ausländische Kämpfer“.
Zu den wesentlichen Neuerungen gehört eine Datenbank für die Gesichtserkennung der französischen Firma Safran Identity and Security. Mit einer Software werden bereits vorhandene Gesichtsbilder aus der Fahndungs- und der Vermisstendatenbank auf ihre Eignung zum biometrischen Abgleich überprüft und dann in das neue Informationssystem überspielt. Die Interpol-Mitglieder haben Zugriff nach dem „Treffer/ Kein Treffer“-Verfahren, auch hochauflösende Bilder aus der Videoüberwachung sollen geeignet sein. Auch das deutsche BKA will sich an das neue System anschließen.
Umstrittener neuer Präsident
Schließlich sollen auch die bestehenden Datenbanken und das Kommunikationssystem evaluiert und ausgebaut werden. Unter dem Stichwort „Interoperabilität“ werden neue Länder an die Datenbank für gestohlene oder als vermisst gemeldete Ausweisdokumente („Stolen and Lost Travel Documents Database“ SLTD) angeschlossen, darunter Jordanien, Libyen oder Myanmar. Ein ähnliches Programm für die Region Westafrika wird für zwei Jahre vom Auswärtigen Amt gefördert. Im Programm „I-Checkit“ wird es außerdem Fluglinien ermöglicht, Anfragen an die Datenbank zu richten. Geplant ist die Ausweitung auf weitere private Firmen, darunter Reiseanbieter und die Schifffahrtsindustrie.
Zum neuen Präsidenten von Interpol hat die Generalversammlung den chinesischen Minister für Sicherheit und Ordnung, Meng Hongwei. Er soll sicherstellen, dass die Beschlüsse der Generalversammlung vom Exekutivausschuss umgesetzt werden. Bürger- und Menschenrechtsorganisationen reagieren auf die Wahl mit Besorgnis und Kritik. China gehöre zu den Ländern, die ihre Mitgliedschaft in der Polizeiorganisation zur politischen Verfolgung von Oppositionellen nutzen, was laut Artikel 3 der Interpol-Statuten untersagt ist.
Mehr Rechte der Datenkontrollkommission
Die über Interpol verteilten Ersuchen zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung werden von der Organisation selbst auf einen Artikel 3-Verstoß überprüft. Liegt ein Verdacht vor, erhalten die Interpol-Regionalbüros eine Mitteilung. Erst 2013 wurde die statistische Erfassung für die Vorgänge eingeführt. Im Jahr 2014 bekam das BKA beispielsweise in 70 Fällen einen entsprechenden Hinweis von Interpol, in 2015 waren es 72 Fälle. Alle ausländischen Interpol-Fahndungsersuchen werden vor der nationalen Umsetzung zudem vom BKA geprüft. Werden Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Artikel 3 gefunden, schickt auch das BKA einen Hinweis an das Generalsekretariat.
Ab dem 11. März 2017 gilt ein neues Statut für Interpols Datenkontrollkommission („Commission for the Control of Interpol’s Files“). Bislang berät sie das Generalsekretariat über Anfragen zu Auskunftsersuchen, Akteneinsicht oder die Korrektur oder Löschung gespeicherter Daten. Die Zahl der Mitglieder der Kommission wird nun von fünf auf sieben erhöht. Ihre Kompetenz wird gestärkt, indem sie selbst über Individualbeschwerden von Petenten entscheidet, ohne diese dem Generalsekretariat vorzulegen. Für die Bearbeitung der Anträge gibt es nun festgelegte Fristen. Widersprüche gegen die Entscheidung der Datenkontrollkommission werden von ihr selbst geprüft.