Das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg hilft der chilenischen Polizei beim Aufbau einer Einheit für verdeckte Ermittlungen. Das ist der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Anfrage von Ulla Jelpke (Linke) zu entnehmen.[1] Mit welcher der beiden chilenischen Polizeiorganisationen das LKA kooperiert, gab das Ministerium zwar nicht bekannt. Es ist aber zu vermuten, dass die Einheit für verdeckte Ermittlungen in der Kriminalpolizei (Policía de Investigaciones) aufgebaut wird. Für alle anderen polizeilichen Aufgaben ist die Gendarmerie (Carabineros) zuständig. Sie gehört zum Verteidigungsministerium, ihre Einheiten werden aber vom Innenminister befehligt.
Die Truppe ging brutal gegen die Revolte vor, die Mitte Oktober zunächst in der Hauptstadt Santiago wegen Fahrpreiserhöhungen ausbrach und sich schnell auf das ganze Land ausbreitete. Mehr als 30 Menschen wurden bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet, ebenso viele verloren ihr Augenlicht durch Tränengas oder Gummigeschosse.
Eine zentrale Forderung der Proteste war die bedingungslose Auflösung der Carabineros. Dessen ungeachtet stellte Chiles Präsident Sebastián Piñera Mitte März 2020 einen Plan zur Reform der Truppe vor. An einer Kommission zur Ausarbeitung von Vorschlägen war auch der deutsche Inspekteur der Bereitschaftspolizei der Länder, Andreas Backhoff, beteiligt.[2] Er empfahl, die Einsätze der Carabineros nachvollziehbar zu dokumentieren und mit „proaktiver Kommunikation“ zu erklären. Einen Tag nach Veröffentlichung des Reformplans rief Piñera den Ausnahmezustand aus, den er mit dem Ausbruch der Corona-Epidemie begründete, und schickte zur Unterstützung der Carabineros das Militär auf die Straße. Bis zu diesem faktischen Ende der fünfmonatigen Proteste zählte das chilenische Menschenrechtsinstitut INDH fast 4.000 Verletzte, mehrere Tausend Demonstrant*innen sind in Haft.
Den „Arbeitsbesuch“ des LKA Baden-Württemberg zu verdeckten Ermittlungen hat das Bundeskriminalamt (BKA) finanziert. Die Bundesbehörde ist selbst mit Ausbildungsmaßnahmen in Chile aktiv: Im Rahmen der deutschen „Polizeiaufbauhilfe“ wurden dortige Polizeibehörden im vergangenen Jahr mit einem Stipendienprogramm unterstützt. Seit Ende 2019 hat das Bundesinnenministerium die Zusammenarbeit mit seinen chilenischen Partnern intensiviert. Auf Wunsch der chilenischen Regierung reisten im Dezember 2019 und im Februar 2020 Polizeidelegationen nach Santiago. Daran nahmen auch Angehörige der Berliner Polizei teil, die die chilenischen Polizeibehörden unter anderem zu „Kommunikation und Bürgerfreundlichkeit“ berieten.[3]
Als Mitglied von Interpol hat das BKA Mitte Oktober 2019 auch an der Generalversammlung der internationalen Polizeiorganisation in Santiago teilgenommen. Zur Stunde des Ausbruchs der Aufstände wurde dort der ehemalige BKA-Vizepräsident Jürgen Stock für eine zweite Amtszeit als Interpol-Generalsekretär bestätigt.