Andere Bundesländer setzen „Distanzelektroimpulsgeräte“ bereits im Streifendienst ein, bundesweit sind mindestens sechs Menschen nach deren Einsatz gestorben.
Seit vier Jahren testet die Polizei in Berlin die Nutzung von Tasern auch für die alltägliche Arbeit, bis dahin war dies lediglich Spezialeinheiten vorbehalten. Das Projekt geht auf eine Idee des früheren CDU-Innensenators Frank Henkel zurück, umgesetzt wurde es ab 2015 durch seinen SPD-Nachfolger Andreas Geisel.
Die Polizeiabschnitte 53 (Kreuzberg) und 57 (Mitte) sind dafür mit jeweils zehn der „Distanzelektroimpulsgeräte“ (DEIG) ausgestattet, über weitere acht Geräte verfügt die „Brennpunkt-und Präsenzeinheit“ der Polizeidirektion 5 (City). Das schreibt die Innenverwaltung in der Antwort auf eine Anfrage des innenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Niklas Schrader. Insgesamt seien für das Projekt 40 Taser beschafft worden. Zahlen für das SEK werden „aus einsatztaktischen Gründen“ nicht genannt.
Lichtbogen und Laser zur Abschreckung
Die bei der Polizei gebräuchlichen Geräte stammen von der Firma Axon (früher „Taser“, was sich daher als Bezeichnung für DEIG etabliert hat), die weltweit marktführend ist. Sie verschießen zwei Elektroden, die an Drähten befestigt sind und wenige Millimeter in die Haut eindringen. Das Gegenüber wird so in bis zu zehn Metern Entfernung durch einen Stromimpuls für einige Sekunden gelähmt. Wird das Gerät scharf gestellt, zeigt es einen Lichtbogen zwischen den Elektroden. Das Ziel wird zudem mit einem farbigen Laser anvisiert. Dies soll die potentiellen Opfer eines Einsatzes einschüchtern.
Insgesamt hat die Berliner Polizei für die Taser, Zubehör und „Munition“ 144.102 Euro ausgegeben, darin enthalten sind auch die Wartung der Systeme sowie dafür genutzte Software. Derzeit sind 69 Beamt:innen für den Einsatz an einem DEIG geschult. Der auf drei Jahre angelegte Pilotversuch wurde zunächst bis Jahresende 2021 verlängert, laut der Antwort läuft er nun bis zum 31. Dezember 2022. Dann will der Senat entscheiden, ob weitere Dienststellen mit Tasern ausgestattet werden. Fällt diese Entscheidung negativ aus, werden die DEIG dem SEK zur Verfügung gestellt.
Seit Beginn des Probelaufs 2017 ist der Taser 15 Mal ausgelöst worden. In noch mehr Fällen wurde der Einsatz lediglich angedroht. In sämtlichen Situationen hätten die Voraussetzungen für den Schusswaffengebrauch vorgelegen (das ist auch erforderlich, da es keine eigene Rechtsgrundlage für den Einsatz der DEIG gibt und sie daher rechtlich wie eine Schusswaffe zu behandeln sind). Das SEK hat die DEIG in den letzten fünf Jahren in 18 Situationen ausgelöst. In drei Einsätzen wurden sie in Berlin zur Verhinderung eines Suizids genutzt, laut der Antwort verliefen diese erfolgreich.
Etwaige Komplikationen sind dem Senat nach eigener Auskunft nicht bekannt. In einer früheren Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Niklas Schrader hieß es, die Einsätze hinterließen „lediglich kleine Wundmale durch die Elektroden“. Die Betroffenen seien anschließend ärztlich versorgt worden.
Pilotprojekt auch bei der Bundespolizei
In Deutschland werden Taser seit der Jahrtausendwende von der Polizei in allen Bundesländern genutzt, allerdings bis vor wenigen Jahren ausschließlich durch Sondereinsatzkommandos. In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt ist dies auch weiterhin der Fall, in Bayern sind sie mittlerweile auch für die 30 Einsatzeinheiten der Bereitschaftspolizei verfügbar. Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland haben die Ausweitung für den Streifendienst beschlossen. In Bremen sprach sich die Bürgerschaft dagegen aus, eine Ausnahme gibt es aber für Bremerhaven. Auch Brandenburg erwägt die flächendeckende Einführung. Ein weiteres Pilotprojekt hat die Bundespolizei in Berlin, Kaiserslautern und Frankfurt/Main-Hauptbahnhof begonnen.
In Nordrhein-Westfalen sollen DEIG grundsätzlich nicht genutzt werden, „wenn das polizeiliche Gegenüber erkennbar in einem fortgeschrittenen Lebensalter, körperlich gebrechlich, schwanger oder dem äußeren Eindruck nach noch nicht 14 Jahre alt ist“. Bei der Bundespolizei sollen die Beamt*innen laut einer Verwaltungsvorschrift Schüsse „möglichst gegen den Rücken“ oder auf den unteren Oberkörper der Zielperson abfeuern. Nicht erlaubt ist die gleichzeitige Nutzung zweier Geräte gegen eine Person.Auf Kinder darf geschossen werden, wenn es sich um Notwehr oder Nothilfe handelt.
In den vergangenen drei Jahren sind in Deutschland sechs Personen nach Taser-Einsätzen gestorben, davon je zwei in Rheinland-Pfalz und Hessen, zwei weitere in Bayern und Niedersachsen. Alle tödlichen Einsätze erfolgten in Wohnhäusern, meist befanden sich die Betroffenen in einer psychischen Ausnahmesituation.