Verfassungsschutz verletzt Trennungsgebot

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf nicht mehr, wie bislang üblich, heimlich über Personen gesammelte Daten nach Belieben an Polizeibehörden weitergeben. So steht es in der schriftlichen Fassung eines Urteils vom 28. September 2022, das fünf Wochen später auf der Webseite des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht wurde (AZ: 1 BvR 2354/13). Die Praxis verstößt demnach gegen das Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei, das nach den Erfahrungen mit der Gestapo unter dem Naziregime als deutscher Rechtsgrundsatz gilt.

Beschwerdeführer war ein Mann, der im Münchner Prozess um den rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) im Jahr 2018 wegen Beihilfe zu Mord in neun Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt worden war. Er monierte unter anderem § 20 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, der die Übermittlung von Informationen durch das Bundesamt an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden bestimmt. Davon begünstigt sind etwa Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden oder der Bundesnachrichtendienst. Auf diese Weise kann der Inlandsgeheimdienst Ermittlungen und Anklagen initiieren oder steuern, obwohl er hierzu wegen des Trennungsgebots nicht befugt ist. Deshalb müssten die Verfassungsschutzbehörden dem Urteil zufolge „die gewonnenen Informationen vor ihrer Übermittlung sorgfältig sichten“ und ihre Weitergabe „auf das notwendige Maß beschränken“.

In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht den monierten Paragraph 20 des Verfassungsschutzgesetzes nicht für grundsätzlich nichtig erklärt. Im Gegenteil betonen die Richter sogar, zur Verhinderung und Verfolgung von Staatsschutzdelikten sei ein effektiver Informationsaustausch „von großer Bedeutung“. Jedoch sei der Paragraph „nicht hinreichend normenklar gefasst“. Das Bundesverfassungsschutzgesetz muss nun bis Ende 2023 geändert werden. Die Übermittlung persönlicher Daten soll auf den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter oder die Verfolgung besonders schwerer Straftaten beschränkt sein. Zudem soll jede Datenweitergabe protokolliert werden, damit sie von Kontrollgremien überprüft werden kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert