Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sieht das regelmäßige Auslesen von Mobiltelefonen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht vom Gesetz gedeckt. Die bei fehlenden Pässen oder Passersatzpapieren angeordnete Maßnahme müsse unter hinreichender Berücksichtigung sonstiger vorliegender Erkenntnisse und Dokumente erfolgen, argumentierte das Gericht in einem Urteil vom 16. Februar (Az. 1 C 19.21) und gab der Klage einer 44-Jährigen aus Afghanistan statt. Die Frau war mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor zwei Jahren gegen die Handyauswertung vor das Verwaltungsgericht (VG) in Berlin gezogen. Schon das VG hielt die Maßnahme für rechtswidrig. Weil die Praxis die Grundrechte Tausender Geflüchteter auch in anderen Bundesländern betrifft und die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, hatte das VG mit Einverständnis der GFF die Sprungrevision zu zugelassen.
Beim Auslesen der Mobiltelefone von Asylsuchenden erstellen Behörden eine Kopie der Inhalte und prüfen, ob im Adressbuch oder bei Anrufen und Nachrichten häufig Ländervorwahlen vorkommen, die dem in der Anhörung genannten Heimatland entsprechen. Auch besuchte Webseiten werden nach derartigen Länder-Endungen durchsucht. Aus Fotos und auf dem Telefon installierten Apps extrahiert das BAMF Geodaten, in denen der jeweilige Aufenthaltsort gespeichert ist. Außerdem werden die Login-Namen verschiedener Apps aufgelistet.
Die ausgelesenen Daten münden in einen Ergebnisreport, der von einem angestellten Volljuristen oder einer Volljurist*in begutachtet und freigegeben werden muss. Anschließend erfolgt unter anderem auf dieser Grundlage die Entscheidung über den Asylantrag. Im Falle der mit der GFF klagenden Frau war diese Entscheidung negativ.
Mit Stand August 2022[1] hatten nach Angaben des Bundesinnenministeriums im vergangenen Jahr 30,6 Prozent der Asylsuchenden bei der Antragstellung angegeben, über ein „Datenträger-Gerät“ zu verfügen. 80 Prozent aller erlangten Geräte konnten demnach „technisch ausgelesen werden“. Bis zum August hatte das BAMF im vergangenen Jahr über 16.000 Datenträger ausgelesen. Bei rund 4 Prozent der Betroffenen sei die Identität angeblich widerlegt worden.