von Florian Flörsheimer
Das seit Jahren wachsende private Sicherheitsgewerbe profitiert von den Krisen der Gegenwart, kämpft aber auch mit hohem Kostendruck, Personalmangel und einem schlechten Ruf. Fälle von Machtmissbrauch, Misshandlungen oder die Beschäftigung von Neonazis haben bereits zu Reformen des Gewerberechts geführt. Nun hat das Bundesinnenministerium einen Gesetzentwurf zur Neuregelung vorgelegt. Die Reform zielt auf eine bessere Qualifizierung und stärkere Kontrolle des Gewerbes, lässt aber grundlegende Fragen offen.
Das private Sicherheitsgewerbe boomt seit Jahren. Der Gesamtumsatz der Branche liegt inzwischen bei elf Mrd. Euro, die Zahl der Beschäftigten bei 270.000 Mitarbeiter*innen und die Anzahl registrierter Sicherheitsunternehmen bei knapp 6.000.[1] Auch das Spektrum angebotener Dienstleistungen hat sich erweitert. Das Wachstum der Sicherheitswirtschaft innerhalb der letzten drei Jahrzehnte hat mehrere Ursachen. Da ist zum einem die Privatisierungspolitik der 1990er Jahre und der damit verbundene teilweise Rückzug des Staates aus bestimmten Bereichen der Daseinsvorsorge bzw. die Beschränkung auf die letztinstanzliche Gewährleistungspflicht, so auch im Bereich von Sicherheitsdienstleistungen. Dies hat einen neuen Markt konkurrierender privater Sicherheitsdienstleistungen entstehen lassen. Dieser bedient nicht nur den Bedarf privater Auftraggeber vor allem aus der Industrie, wie es schon seit vielen Jahrzehnten der Fall ist, sondern hat in zunehmendem Maß auch den öffentlichen Sektor als Kund*innen. Neben dem klassischen Objekt- und Personenschutz sowie Geld- und Werttransporten sind viele neue Tätigkeiten hinzugekommen, wie beispielsweise Passagierkontrollen auf Flughäfen, der Schutz von Wohnheimen für Geflüchtete, Kontrolltätigkeiten im öffentlichen Nahverkehr und durch kommunal beauftragte City-Streifen sowie der Schutz von Großveranstaltungen. Dazu kommt, dass Sicherheitstechnologien in Verbindung mit herkömmlichen Personaldienstleistungen eine wachsende Rolle im Dienstleistungsangebot der Firmen spielen.
Der wirtschaftliche Boom hat das Selbstbewusstsein der Branche gestärkt. Seit Jahren fordert sie immer offensiver, als quasi selbstverständlicher Teil der deutschen Sicherheitsarchitektur anerkannt zu werden. Sie wirbt für sich als Partner staatlicher Sicherheitsbehörden und will mehr Aufgaben übernehmen, was nach aktuellem Stand zumindest Teilbereiche hoheitlicher Befugnisse abdecken würde. Beobachtet man die Entwicklung der Branche, fällt auf, dass ihr vor allem die Krisen der letzten Jahre – die Schwierigkeiten bei der Unterbringung der vielen Geflüchteten nach 2015, die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Shutdowns sowie jüngst der Ukrainekrieg und seinen ökonomischen Folgen – genützt haben. Sie brachten der Branche punktuell mehr Aufmerksamkeit, da sie sich als nützlich erweisen konnte. Dies ging so weit, dass während der Coronakrise viele Kommunen auf die Dienste der Privaten zurückgriffen und sogar Stimmen laut wurden, die hoheitliche Befugnisse wie Identitätsfeststellungen und das Aussprechen von Platzverweisen für private Sicherheitsdienste auf kommunaler Ebene forderten.[2] In einigen Kommunen, wie z. B. in Heidenheim, wurde dies sogar realisiert. Auch wenn es bei wenigen Einzelfälle blieb, hält der Trend, dass finanziell belastete Kommunen private Sicherheitsdienste – in unterschiedlichsten Modellen – mit Aufgaben im Ordnungsdienst betrauen, an.
Aktuelle Probleme der Branche
Allerdings kämpft die Branche auch mit Problemen. So leidet auch sie unter dem aktuellen Fachkräftemangel. Zwar ist die Zahl der Beschäftigten kontinuierlich gewachsen, jedoch haben u.a. die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns sowie die Reformen beim Arbeitslosengeld und steigende Lebenshaltungskosten dazu beigetragen, dass die Lohnkosten gestiegen sind. Grundsätzlich hat die Branche damit zu kämpfen, dass viele Kund*innen beim Thema Sicherheit tendenziell eher Ausgaben sparen wollen, was sich in wirtschaftlich schweren Zeiten noch einmal verstärken kann. Dazu kommt, dass neue gesetzliche oder kund*innenspezifische Auflagen bei der Durchführung von Sicherheitsdienstleistungen (z. B. die Zertifizierungen von Dienstleistungen, die Qualifizierung und Weiterbildung der Mitarbeiter*innen oder weitere Auflagen durch Versicherungen der Kund*innen) zumindest für die vielen kleinen Unternehmen der Branche, welche zahlmäßig die Mehrheit stellen, die Kosten treiben.
In der Branche spricht man von einem Wandel vom Arbeitgeber*innen- zu einem Arbeitnehmer*innenmarkt, da der hohe Personalbedarf infolge wachsender Aufträge nicht gedeckt werden kann. Gegenwärtig gibt es nach Angaben des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) ca. 10.000 offene Stellen. Die Beschäftigten haben mehr Möglichkeiten, sich Arbeitgeber*innen auszusuchen, während diese stärker um das Personal werben und sich bemühen müssen, es zu halten, da auch die Personalfluktuation recht groß ist. Außerdem wachsen die Anforderungen und Ansprüche an das Personal, weil die angebotenen Dienstleistungen – zumindest in Teilen – anspruchsvoller werden, gleichzeitig aber der Großteil der Beschäftigten eher niedrig qualifiziert ist.
Etwa drei Viertel aller Beschäftigten sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, der Rest sind Minijobber*innen. Es gilt der gesetzliche Mindestlohn, und es existieren unzählige Tarifvereinbarungen. Für die Arbeit in der Branche ist eine Mindestqualifikation erforderlich; daneben gibt aber auch Ausbildungsberufe und berufliche Qualifikationen für Quereinsteiger*innen. Die meisten Dienstleistungsaufträge werden lediglich von Beschäftigten mit Mindestqualifikation durchgeführt – auch, da viele Kund*innen kaum bereit sind, für besser qualifiziertes Personal mehr Geld zu zahlen. Der Mindestlohn und steigende Tarife haben die Situation der Beschäftigten etwas verbessert. In der Folge sind die Firmen um Preisanpassungen bemüht, wobei die Spielräume angesichts der Erwartungen der Kund*innen und eines hohen Konkurrenzdrucks gering sind. Perspektivisch strebt die Branche daher nach der Entwicklung sogenannter integrierter Sicherheitslösungen, bei denen mehr Technik im Verbund mit Personal zu Einsatz kommen soll, um langfristig Kosten zu sparen. Das zu akzeptieren, müssen viele Kund*innen aber erst überzeugt werden, und das Personal ist entsprechend zu schulen.
Wachsende Bedeutung von Sicherheitstechnologien
Die voranschreitende Digitalisierung und Entwicklung von Sicherheits- und Überwachungstechnologien eröffnen der Branche neue profitable Geschäftsfelder. In der als repräsentativ für die gesamte Branche anerkannten LÜNENDONK-Studie 2023 ist zu lesen, dass die Branche optimistisch in die Zukunft blickt, da die Nachfrage nach Dienstleistungen aus der Sicherheitswirtschaft in den letzten zehn Jahren stetig gewachsen ist und das Wachstum der Branche befördert.[3] 2022 sei ein Wachstum von neun Prozent erreicht worden. Der Optimismus speist sich auch aus der Erwartung, dass Digitalisierung und Sicherheitstechnologien bedeutender werden. Denn auch dieser Teilmarkt wächst beständig und liegt derzeit bei ungefähr fünf Mrd. Euro Umsatz. Allerdings besteht dabei das Problem, dass auch hier die meisten Kund*innen bisher wenig bereit sind, für den Einsatz von Technologien auch mehr Geld zu zahlen. Daher ist die Branche sehr daran interessiert, ihre Kundschaft davon zu überzeugen, die neuen Technologien als Bestandteil ihrer Services zu akzeptieren.
Dafür strebt die Branche an, durch die Digitalisierung der Betriebsabläufe sowie des Kontakts zu Mitarbeiter*innen und Kund*innen Kosten zu sparen. Zum anderen will sie durch die Integration von Sicherheitstechnologien (hier vor allem Zutrittskontrollsysteme, Alarmanlagen, Videoüberwachungssysteme, die digitale Vernetzung all dieser Systeme untereinander und mit den Sicherheitsfirmen, ihren Mitarbeiter*innen und den Auftraggeber*innen, künstliche Intelligenz und Robotik) einen profitablen umfassenderen Service anbieten. Daneben arbeitet die Branche daran, Auftragsakquise und die Rekrutierung von Mitarbeiter*innen vollständig zu digitalisieren. Vorreiter dieser Entwicklung in Deutschland ist die Firma SECMarket, die zur Berliner Ador Group gehört, einer Holding, zu der mehrere Berliner Sicherheitsfirmen (u. a. Flash Security, Süss Security, City Control, Global Protect) gehören.[4] Die grundlegende Idee ist hier, dass Sicherheitsdienstleistungen in Zukunft über IT-Plattformen eingekauft werden sollen, ähnlich der Hotelbuchungs-Plattform booking.com. Ebenso soll dadurch die Personalsuche erleichtert werden. Beim Werben um Mitarbeiter*innen bedient die Branche sich zunehmend Sozialer Medien als kostengünstigstem Verfahren.
Reformbedarf bei Qualifikation
Betrachtet man diese Entwicklung sowie dazu die Skandale um Fehlverhalten von Mitarbeiter*innen, bspw. im Kontext der Bewachung von Geflüchteten-Unterkünften,[5] bei Kontrollen im öffentlichen Nahverkehr oder durch die Beschäftigung bzw. Beauftragung von Rechtsextremisten[6], so kann man leicht feststellen, dass vor allem bei der Auswahl und Qualifikation von Firmen wie auch Mitarbeiter*innen Reformbedarf besteht. Auch hat sich die Lobby des Sicherheitsgewerbes aus Imagegründen und weil es einer Marktbereinigung im Sinne der großen Firmen nützlich scheint, mittlerweile darauf eingestellt, dass hier Änderungen erforderlich sind. Verbunden ist diese Bereitschaft auch mit der Hoffnung, für besser qualifiziertes Personal auch einen besseren Preis bei den Kund*innen verlangen zu können.
Die Mindestqualifikation für eine Tätigkeit im Sicherheitsgewerbe besteht derzeit in der sogenannten „Unterrichtung“[7] und – grundsätzlich für Unternehmer*innen sowie für Tätigkeiten in besonderen Bereichen und in leitender Funktion – in der sogenannten „Sachkundeprüfung“.[8] Beide Qualifikationen sind durch die Gewerbeordnung gesetzlich vorgeschrieben und werden bisher ausschließlich von den Industrie- und Handelskammern (IHK) angeboten bzw. geprüft. Mindestvoraussetzung für die Teilnahme ist ein gültiger Identitätsnachweis sowie deutsche Sprachkenntnisse auf Stufe B1.
Bei der einwöchigen Unterrichtung genügen in der Regel die vollständige Teilnahme und ein artikuliertes Verständnis der gelehrten Inhalte (d. h. es gibt keine Abschlussprüfung). Bei der Sachkundeprüfung müssen ein zweistündiger schriftlicher Multiple-Choice-Test zu mindestens 50 % bestanden und bei einer 15-minütigen mündlichen Prüfung (mit zwei anderen Prüflingen zusammen und vor einer dreiköpfigen Prüfungskommission) 50 % der Fragen richtig beantwortet werden. Die Prüfung kann „bestanden“ oder „nicht bestanden“ werden, Noten gibt es nicht. Die Sachkundeprüfung kann von jeder Person ohne Vorkenntnisse – mittlerweile auch nach Online-Anmeldung – vor Ort am PC bei der IHK abgelegt werden. Des Weiteren gibt es zahlreiche Schulungen und Qualifikationen für spezielle Fähigkeiten, die in der Regel von Sicherheitspersonal bei entsprechendem Bedarf erlangt werden können, wie z. B. die Schulung für Luftsicherheitsassistent*innen, Waffensachkunde, Personen- und Begleitschutz, Brandschutzhelferin, Rettungssanitäter etc.
Während die Schulungen für die Unterrichtung ausschließlich durch die IHK durchgeführt werden, werden Schulungen für die Sachkundeprüfung auch von privaten Akademien angeboten,[9] die oft mit der Arbeitsagentur und den Jobcentern zusammenarbeiten. Auch IHK-Dozent*innen lehren in diesen Akademien. Die Mindestqualifikationen „Unterrichtung“ bzw. „Sachkundeprüfung“ gelten derzeit als ausreichend für sämtliche Tätigkeiten, die im und vom Sicherheitsgewerbe ausgeübt werden, weshalb die allermeisten der rund 270. 000 Beschäftigten des Gewerbes nur diese Qualifikationsstufen besitzen. Existierende höherwertige Qualifikationen auf dem Gebiet des Sicherheitsgewerbes sind die „Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft“[10] (GSSK) und der „Geprüfte Meister für Schutz und Sicherheit“[11] für Seiteneinsteiger oder Langzeitbeschäftigte des Sicherheitsgewerbes. Für die beiden höheren Qualifikationsstufen ist der Nachweis vorhandener mehrjähriger Berufstätigkeit erforderlich. Beide werden ebenfalls von der IHK geprüft.[12] Zudem existieren die beiden gesetzlich anerkannten Berufsausbildungen „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“ und die „Servicekraft für Schutz und Sicherheit“.[13] Diese Berufsausbildungen werden von den Arbeitnehmer*innen jedoch wenig nachgefragt. Bislang besteht für keine Tätigkeit im privaten Sicherheitsgewerbe eine gesetzliche Pflicht, die ein entsprechendes Ausbildungsniveau verlangt. Es liegt also ausschließlich im Ermessen der Anbieter*innen und Kund*innen, Personal mit Berufsausbildung einzusetzen.
Mindestens für Beschäftigte in sensiblen grundrechtrelevanten Bereichen, also in denen es zwangsläufig zu unmittelbarem Kontakt mit Menschen kommt oder wo private Sicherheitsdienste im Grenzbereich zum öffentlichen Raum aktiv sind oder mit der Kontrolle von Publikumsverkehr zu tun haben – sollte das reine Ablegen der Sachkundeprüfung nicht ausreichen. Zwar reagiert die Branche mit speziellen Schulungen, bspw. für Mitarbeiter*innen in Geflüchtetenunterkünften, aber schließlich erst, nachdem es zu den Skandalen rund um die diskriminierende Behandlung von Geflüchteten gekommen war. Eine mehrwöchige verpflichtende Schulung für sämtliche Mitarbeiter*innen, bevor sie die Sachkundeprüfung ablegen, sollte daher verpflichtend sein.
Schließlich stellt sich die Frage, ob ein Unterschied in der Mindestqualifikation zwischen Geschäfteinhaber*innen und Geschäftsführer*innen sowie Mitarbeiter*innen gemacht werden sollte, d. h. ob erstere nicht noch weitere zwingend erforderliche Qualifikationen verbindlich erwerben sollten, etwa einen Nachweis betriebswirtschaftlicher Kenntnisse, der bislang nicht erforderlich ist, was aber häufig zu Problemen führt.
Sinnvoll wäre außerdem eine Überarbeitung der Schulungsinhalte der Sachkunde,[14] da diese bislang sehr „rechtslastig“ sind, d. h. es werden viele juristische Kenntnisse gelehrt, und die Lehre ist insgesamt sehr theoretisch ausgerichtet. Insbesondere der Bereich „Umgang mit Menschen“ sollte aktualisiert und erweitert werden (insbesondere auch mit praktischen Anteilen). Berufsbedingte Anforderungen (Kommunikationsfähigkeit, Coping, Stress-Resilienz etc.), Verhaltenstrainings und (passiver) Umgang mit (vor allem: Abwehr von) Waffen sollten eine stärkere Rolle spielen. Zu erwägen wäre überdies, ob explizit Politische Bildung zum Gegenstand des Unterrichts gemacht werden sollte. Zwingend dazu gehört ebenfalls die Vermittlung eines besseren Verständnisses über die Rolle, Aufgabe und Arbeit der Polizei, über demokratiegefährdende Prozesse, aber auch historisches Wissen sowie Wissen u. a. über Diversität und Multikulturalität, Integration, Kriminalität, Devianz etc.
Ein neues Stammgesetz für das Sicherheitsgewerbe
Die Bundesregierung plant aktuell die Verabschiedung eines Stammgesetzes für das private Sicherheitsgewerbe. Damit reagiert sie auf dessen wachsende wirtschaftliche Bedeutung und öffentlichen Präsenz und geht auf Forderungen der Lobby des Gewerbes ein, die schon seit langem auf eine grundlegende Novellierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen drängt. Dass ein solches Gesetz kommen soll, war schon in den Koalitionsvereinbarungen der letzten drei Legislaturperioden zu lesen, seit die Innenministerkonferenz 2009 in der Fortschreibung des Programms Innere Sicherheit das private Sicherheitsgewerbe als einen wichtigen Bestandteil der Sicherheitsarchitektur Deutschlands bezeichnet hatte.
Jedoch kam es bisher nie auch nur zu einem Gesetzentwurf. Stattdessen wurden in den letzten Jahren die bestehenden gesetzlichen Grundlagen, vor allem § 34a der Gewerbeordnung (GewO), immer mal wieder konkretisiert und ergänzt. 2016 wurde der Aufbau eines nationalen Bewacherregisters beim Statistischen Bundesamt beschlossen, das mit erheblichen Schwierigkeiten 2019 startete. In diesem Register müssen seitdem sämtliche Betreiber*innen von Sicherheitsfirmen sowie deren Beschäftigte, sofern sie Sicherheitsaufgaben übernehmen, registriert sein. Mitte 2020 wechselte auf Betreiben der Branchenlobby die Zuständigkeit für das Sicherheitsgewerberecht vom Bundeswirtschafts- zum Bundesinnenministerium. Im neu zuständigen Ministerium wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet mit Vertreter*innen aus Sicherheitsunternehmen, dem BDSW sowie aus Wissenschaft und Polizeigewerkschaften, die von Ende 2020 bis Anfang 2021 tätig war. Auf Grundlage der Erkenntnisse dieser Arbeitsgruppe wurde Ende Juli 2023 ein Referentenentwurf für ein neues Gesetz zur Regelung des Sicherheitsgewerbes veröffentlicht.[15]
Der Entwurf sieht die Schaffung eines „Stammgesetzes“ zur Regelung des Sicherheitsgewerbes vor, dessen Kernelemente die Verbesserung des Schutzes der Allgemeinheit durch die Erhöhung von Sicherheitsstandards, die Stärkung der Beschäftigten im Gewerbe sowie die Verschärfung von Sanktionen sind. Im Wesentlich führt der Entwurf die §§ 11b und 34a GewO – die zentralen Normen zur Regulierung der Branche – zusammen und konkretisiert und aktualisiert diese. Ersetzt werden sollen als überholt angesehene Begrifflichkeiten wie „Bewachungsgewerbe“ und „Wachperson“ durch „Sicherheitsgewerbe“ und „Sicherheitsmitarbeiter“. Neu ist auch die Erweiterung und Präzisierung der Erlaubnispflichten. Diese wird nicht mehr nur allgemein definiert wie bisher in §34a, Absatz 1 GewO, sondern es wird klar unterschieden zwischen Gewerbebetreibenden, Mitarbeiter*innen von Sicherheitsunternehmen sowie Mitarbeiter*innen aus anderen Gewerben. Auch letztere sollen eine Erlaubnis beantragen müssen, sofern sie nach dem neuen Gesetz bestimmte erlaubnispflichtige Tätigkeiten, z. B. als Türsteher*in, durchführen sollen.
Grundsätzlich kann man den Entwurf als Fortschritt bewerten, vor allem da die Abgrenzung polizeilicher (hoheitlicher) Tätigkeiten von den Aktivitäten privater Sicherheitsdienstleister nicht in Frage gestellt wird. Eine Übertragung hoheitlicher Eingriffsbefugnisse ist nach § 3 des Entwurfs weiterhin nicht oder nur in Grenzen (mit Gesetzesvorbehalt und nach Grundsatz der Erforderlichkeit) vorgesehen. Allerdings wäre hier mehr Klarheit wünschenswert, indem z. B. genauer definiert würde, in welchen Fällen (außer der bisherigen Rolle Privater Sicherheitsdienste bei der Luftsicherheit und der Bewachung militärischer Liegenschaften) überhaupt eine Befugnisübertragung qua Beleihung an Private zulässig wäre und wann nicht. So könnte der Paragraf zum Einfallstor werden, etwa im Bereich kommunaler Sicherheit oder beim Schutz und der Bewachung öffentlicher kritischer Infrastruktur außerhalb befriedeter Besitztümer.
Positiv ist, dass der Gesetzgeber höhere Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Betreiber*innen von Sicherheitsunternehmen sowie an die Beschäftigten der Branche stellt und dies auch auf Personen ausweiten will, die Sicherheitstätigkeiten im Auftrag ihres jeweiligen Gewerbes durchführen (also z. B. wieder Türsteher*innen). Neu ist außerdem, dass § 6 – anders als bisher § 34a GewO – klar festschreibt, dass Personen die Zuverlässigkeit abgesprochen wird, die wegen „eines Verbrechens im Sinne von § 12 Absatz 1 des Strafgesetzbuches“ oder „sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind“, verurteilt worden sind. Verstöße gegen Vorgaben des neuen Gesetzes werden als bußgeldbewerte Ordnungswidrigkeiten festgelegt. Und schließlich plant der Entwurf in § 22, Firmen, die die Vorgaben des neuen Gesetzes nicht einhalten und daher etwa zu Ordnungsbußen verurteilt wurden, für drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen auszuschließen. Inwieweit diese Maßnahmen in der Praxis tatsächlich einen positiven Effekt im Sinne des Ausschlusses unzuverlässiger Firmen haben könnte, ist derzeit völlig unklar. Die bisherige Praxis zeigt, dass nach wie vor auch die öffentlichen Kund*innen schlicht nach dem Preis gehen, wenn sie Aufträge an Sicherheitsunternehmen vergeben.
Ein großes Fragezeichen hinterlässt der Entwurf bei der Frage der Voraussetzungen, Häufigkeiten und Regelmäßigkeiten von behördlichen Kontrollen des Sicherheitsgewerbes. Ohne bessere personelle und finanzielle Ausstattung werden die Ordnungsbehörden kaum in der Lage sein, ihrer Aufgabe der Gewerbekontrolle effektiv nachkommen zu können.
Fazit
Sollte das geplante Gesetz verabschiedet werden, stellt es in jedem Fall eine weitere Aufwertung der privaten Sicherheitswirtschaft dar. Mögliche Folge könnte eine Marktbereinigung sein, die durchaus wünschenswert wäre, allerdings den Großen der Branche in die Hände spielen würde. Ob die Branche durch das Gesetz auch tatsächlich stärker kontrolliert werden kann, wird man allerdings abwarten müssen. Wichtiger als gesetzliche Verschärfungen wäre hier eine bessere und intensivere Kontrolltätigkeit durch die Ordnungsbehörden. Diese profitieren allerdings selbst auch von den günstigen Sicherheitsdienstleistungen.
Die Nachfrage nach Sicherheitsdienstleistungen scheint mit der Zunahme an Unsicherheiten in unserer Gesellschaft zu wachsen. Nehmen Wirtschaftskrisen, soziale Unsicherheiten und politische Gewalt zu, wird die private Sicherheit höchstwahrscheinlich weiter davon profitieren. Sie ist und bleibt ein Geschäft, das von Krisen profitiert – und in dem es weniger um Sicherheit als um den Profit geht. Im Kontext dieser Entwicklung stellen sich viele Fragen, z. B. ob das Sicherheitsgewerbe trotz weiterhin bestehender rechtlicher Schranken durch die Erweiterung des Betätigungs- und Geschäftsfeldes de facto in Konkurrenz zur Polizei tritt und damit irgendwann doch das staatliche Gewaltmonopol in Frage stellen könnte. Wahrscheinlich ist das Szenario, dass staatliche Sicherheitsbehörden und private Sicherheitswirtschaft zukünftig intensiver zusammenarbeiten und sich formell wie informell die Arbeit teilen. Dies deshalb, weil der staatliche Sicherheitsapparat mit den Herausforderungen einer unübersichtlicheren und krisenanfälliger werdenden Gesellschaft sowie durch die Trends der totalen Digitalisierung und Versicherheitlichung aller Lebensbereiche in wachsendem Maße überfordert ist. Hier bietet sich die Sicherheitswirtschaft als Retter in der Not an, so wie sie es derzeit bereits gegenüber den Kommunen tut.