Alle Beiträge von Eric Töpfer

„Reisende Täter“ – OK-Bekämpfung und rassistische Stigmatisierung

Seit mehr als zehn Jahren steht die Figur der „reisenden Täter“ im Zentrum der polizeilichen Bekämpfung von mutmaßlich organisierter Eigentumskriminalität. Im Rahmen der täterorientierte Verfolgungsstrategie haben insbesondere als Sint_izze und Rom_nja markierte Menschen ein hohes Risiko, ins Visier polizeilicher Ermittlungen wegen Organisierter Kriminalität (OK) zu geraten.

 Als nach 2008 die Einbruchszahlen in Deutschland deutlich stiegen, waren die vermeintlich Schuldigen schnell benannt: „Reisende Täter“ oder „mobile kriminelle Banden“ aus Ost- und Südosteuropa wurden von Innenpolitik und Polizei verantwortlich gemacht und die Bekämpfungsstrategien entsprechend ausgerichtet. Den Höhepunkt fand die Entwicklung, als die Innenministerkonferenz (IMK) auf ihren Sitzungen 2016 erklärte, dass die Bekämpfung reisender Einbrecherbanden weiterhin oberste Priorität habe und die konsequente Umsetzung eines „täterorientierten Ansatzes“, eine Stärkung der länderübergreifenden Zusammenarbeit sowie die Verschärfung des Strafrechts und neue Befugnisse zur Strafverfolgung forderte.[1]
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Neues Polizeigesetz und Polizeibeauftragte*r für Bremen

Nachdem jahrelang gestritten wurde, verabschiedete die rot-grün-rote Koalition in Bremen am 19. November 2020 eine Novelle des Landespolizeigesetzes.[1] Damit unterzog der Stadtstaat im Wesentlichen sein polizeiliches Datenschutzrecht einer umfassenden Reform, die zur Umsetzung der Datenschutzrichtlinie (EU) 2016/680 und der Vorgaben aus dem BKA-Gesetz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016 überfällig war. Anders als zahlreiche andere Bundesländer hat Bremen die Gelegenheit allerdings kaum für Verschärfungen genutzt. Zwar wurde die präventivpolizeiliche Telekommunikationsüberwachung normiert, aber auf Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Aufenthaltsgebote oder elektronische Fußfesseln verzichtet. Lediglich einige heimliche Maßnahmen wie längere Observationen oder der Einsatz Verdeckter Ermittler (VE) können nun bereits bei „drohender Gefahr“ angeordnet werden; wobei es den VE jetzt ausdrücklich untersagt ist, unter ihrer Legende Sex oder Liebesverhältnisse zu haben. Die bislang unbestimmte Höchstdauer des Freiheitsentzugs bei Ingewahrsamnahmen wurde auf acht Tage festgelegt. Neues Polizeigesetz und Polizeibeauftragte*r für Bremen weiterlesen

G 10-Maßnahmen 2018

Ende Juni 2020 legte das Parlamentarische Kontrollgremium seinen Bericht über die Abhör- und Postkontrollmaßnahmen der Geheimdienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz – BfV, Bundesnachrichtendienst – BND und Militärischer Abschirmdienst – MAD) nach dem Artikel 10-Gesetz (G10) für das Jahr 2018 vor.[1] Individuelle Überwachungsmaßnahmen nach § 3 G 10 wurden 2018 insgesamt in 222 Fällen angeordnet, davon 72 erstmalig; die restlichen Anordnungen verlängerten laufende Maßnahmen. Davon liefen beim BfV im 1. Halbjahr 83 Maßnahmen (2. Hj.: 99), beim BND 18 (2. Hj.: 15) und beim MAD fünf (2. Hj.: 2). G 10-Maßnahmen 2018 weiterlesen

Vorbereitungen für eine neue Europol-Verordnung

Ende 2020 will die EU-Kommission einen Vorschlag zur Ausweitung des Mandats des europäischen Polizeiamtes Europol vorlegen.[1] Mit dem Ziel die „operative Polizeikooperation“ zu stärken, soll die seit Mai 2017 gültige Europol-Verordnung 2016/794 novelliert werden. Ein im Frühjahr 2020 veröffentlichtes Papier gibt erste Hinweise, wohin die Reise gehen wird.[2] Erstens soll Europol eine Rechtsgrundlage für das eigenständige Sammeln von Daten aus den Beständen von Privatunternehmen erhalten, eventuell sogar durch automatisierte Abfragen. Bislang darf das Polizeiamt solche Daten nur verarbeiten, wenn sie durch nationale Behörden übermittelt wurden. Vorbereitungen für eine neue Europol-Verordnung weiterlesen

Polizeizugriffe auf Eurodac

Seit dem 20. Juli 2015 können Polizeibehörden zur „Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten“ auf Eurodac, die europäische Datenbank mit Fingerabdrücken von Asylsuchenden, zugreifen, wenn zuvor ein Datenabgleich mit nationalen Datenbanken, dem Prüm-Netzwerk und dem Visa-Informationssystem erfolglos war. Europol nutzt die Möglichkeit seit 2017 über eine Schnittstelle der niederländischen Polizei. Bis Ende 2019 wurde Eurodac 1.840mal von Polizeien abgefragt.[1] Der Kreis der zugriffsberechtigten Länder ist zwar deutlich gewachsen, weil immer mehr Mitgliedstaaten die Prüm-Beschlüsse umsetzen und damit die Voraussetzung für den polizeilichen Zugriff auf die Eurodac-Daten erfüllen. Polizeizugriffe auf Eurodac weiterlesen

Was macht und darf der Zoll? – Eine Einleitung

Eric Töpfer

Der Zoll ist nicht nur Finanzverwaltung, sondern auch Polizei des Bundes. Entsprechend spielt er eine zentrale Rolle im Feld der Inneren Sicherheit. Gleichwohl steht er im Schatten von Polizei und Diensten, und die bürgerrechtliche Kritik interessiert sich nur selten für seine Aktivitäten. Der Artikel gibt einen einleitenden Überblick in die vielfältigen Aufgaben, Befugnisse und die Organisation der Zollverwaltung und zeichnet nach, wie sich diese im Lauf der Zeit gewandelt haben.

Der Zoll: Etwa 40.000 Mitarbeiter*innen zwischen Finanzverwaltung und Vollzugsdienst.[1] Zuständig sind sie laut Abgabenordnung (AO) für die Erhebung von Zöllen und Bundessteuern sowie nach § 1 Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) für die zollamtliche Überwachung des grenzüberschreitenden Waren- und Bargeldverkehrs, für die Bekämpfung von Geld­wäsche und sonstige durch andere Vorschriften übertragene Aufgaben. Zu nennen ist hier insbesondere die Bekämpfung von informeller Arbeit und illegaler Beschäftigung nach § 2 Schwarzarbeitsbekämpfungs­gesetz (SchwarzArbG). Was macht und darf der Zoll? – Eine Einleitung weiterlesen

Unabhängige Polizeibeschwerdestellen – Zum Stand der Dinge

Seit Jahrzehnten fordern Bürgerrechtorganisationen und internationale Menschenrechtsgremien die Einrichtung unabhängiger Polizeibeschwerdestellen in Deutschland. Doch die Vorstellungen, wie diese ausgestaltet sein sollen und was „unabhängig“ heißt, gehen auseinander. In den letzten Jahren wurden Beschwerdestellen in Innenministerien, polizeiexterne Ermittlungsstellen und Polizeibeauftragte bei Landtagen eingerichtet. Ein Überblick.

Spätestens seit dem studentischen Ermittlungsausschuss zum tödlichen Polizeischuss auf Benno Ohnesorg 1967 ist die Forderung nach unabhängiger Polizeikontrolle auf der Agenda der bundesdeutschen Bürgerrechtsbewegung. Ging es dabei ursprünglich bewusst um zivilgesellschaftliche Alternativen zu staatlichen Verfahren in Form von selbstorganisierten Ermittlungsausschüssen oder Initiativen wie „Bürger beobachten die Polizei“, wird seit Ende der 1970er Jahren über die Institutionalisierung und rechtliche Normierung einer unabhängigen Kontrolle der Polizei nachgedacht. Unter dem Eindruck des Hamburger Polizeiskandals versuchte sich erstmals Hamburg von 1998 bis 2001 mit der ehrenamtlichen Polizeikommission an einem Gremium zur unabhängigen Bearbeitung von Beschwerden gegen die Polizei, bis das Intermezzo der Schill-Partei dem Projekt ein Ende setzte. Unabhängige Polizeibeschwerdestellen – Zum Stand der Dinge weiterlesen

Gesetzentwürfe zur Interoperabilität vorgelegt

Am 12. Dezember 2017, nur 20 Monate nachdem sie ihre Mitteilung für „solidere und intelligentere Informationssysteme“ vorgelegt hatte, präsentierte die EU-Kommission ihre Vorschläge für zwei Verordnungen zur Umsetzung der Pläne, die großen IT-Systeme interoperabel zu machen.[1] Die Gesetzentwürfe, die sich streckenweise wie technische Lastenhefte lesen, konkretisieren das Programm, dessen Blaupause die hochrangige Arbeitsgruppe für IT-Systeme und Interoperabilität im Mai 2016 entworfen hatte. Entwickelt werden soll ein System der Systeme, bestehend aus vier Komponenten: Gesetzentwürfe zur Interoperabilität vorgelegt weiterlesen

BKA legt ersten Bericht zu Gemeinsamen Dateien vor

Am 1. August 2017 veröffentlichte das Bundeskriminalamt (BKA) gemäß § 9 Anti-Terror-Datei-Gesetz (ATDG) bzw. § 10 Rechtsextremismus-Datei-Gesetz (REDG) seinen ersten Bericht zum Bestand und zur Nutzung der beiden Datenbanken.[1] Demnach waren Ende Juli 2017 in der Antiterrordatei (ATD) 11.853 Haupt- und 833 Kontaktpersonen erfasst – ein deutlicher Rückgang gegenüber dem August 2011, als 18.414 Personendatensätze (davon knapp 19 Prozent Kontaktpersonen) gespeichert waren.[2] Gesunken ist auch der Anteil geheimdienstlicher Informationen. Stammten 2011 noch 68 Prozent der Personendatensätze von den Diensten, insbesondere dem Bundesnachrichtendienst, waren es 2017 54 Prozent. Erheblich zugenommen haben die Zugriffe: Sie sind von knapp 68.000 im Berichtsjahr 2010/11 auf fast 80.000 allein im ersten Halbjahr 2017 angestiegen. BKA legt ersten Bericht zu Gemeinsamen Dateien vor weiterlesen

EU-Staatsanwaltschaft beschlossen

Am 12. Oktober 2017 wurde auf der Tagung der EU-Innen- und JustizministerInnen die Verordnung des Rates zur Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) verabschiedet,[1] die als Option in Art. 86 AEUV vorgesehen ist. Über vier Jahre hatten sich die Verhandlungen hingezogen.[2] Nachdem im Frühjahr 2017 feststand, dass im Rat keine Einstimmigkeit über den Entwurf erreicht werden konnte, wurde im April entschieden, die Staatsanwaltschaft im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit zu etablieren. Die Verordnung wird nun von 20 Mitgliedstaaten getragen. Außen vor bleiben zunächst Dänemark, die Niederlande, Schweden, Polen, Ungarn, Irland und Malta. Trotz einiger Vorbehalte hatte auch das Europäische Parlament, das im Gesetzgebungsverfahren keine Möglichkeit hatte, Änderungsvorschläge einzubringen, am 5. Oktober mit großer Mehrheit für die Verordnung gestimmt. EU-Staatsanwaltschaft beschlossen weiterlesen