Alle Beiträge von Norbert Pütter

Reformen Innerer Sicherheit – Über die Notwendigkeit von Veränderungen

von Norbert Pütter

Noch nie schien sie so wichtig wie heute – und noch nie waren ihr Scheitern und ihre verheerenden Folgen so offensichtlich: ‚Innere Sicherheit‘ ist längst in den Strudel vordergründiger politischer Kampagnen geraten, in denen der Knüppel staatlicher Repression zum Allheilmittel gesellschaftlicher Probleme gekürt wird. Während die Schar der WählerInnenfänger ausschwärmt und die immergleiche Melodie vom starken Staat, vom Durchgreifen, von der sprichwörtlichen Ruhe und Ordnung etc. pfeift, wird eine demokratisch-bürgerrechtlich orientierte ‚Politik Innerer Sicherheit‘ nötiger denn je.

Wer den Blick in die Tagesnachrichten noch wagt, wird nicht enttäuscht. Die Regierenden bleiben sich treu. Die Beispiele könnten Seiten füllen. Ob der Justizminister höhere Strafen für Jugendliche fordert oder der Drogenbeauftragte der Bundesregierung Eduard Lintner die kontrollierte Heroinabgabe an Süchtige ablehnt, ob Bundesinnenminister Manfred Kanther beim PKK-Verbot bleibt oder der strafrechtliche und polizeiliche Kampf gegen Korruption, Schleuser, Schwarzarbeiter, Graffiti-Sprayer forciert werden soll: Bedrohungsszenarien und Kriminalisierungsforderungen überziehen das Land. Einer alten Tradition gemäß proben Sozialdemokraten die entsprechende Profilierung. Gerhard Schröders Parole zum Umgang mit straffällig gewordenen Ausländern zeigt, welche Alternativlosigkeit eine Regierung unter seiner Verantwortung verspricht. Reformen Innerer Sicherheit – Über die Notwendigkeit von Veränderungen weiterlesen

Organisierte Kriminalität in amtlichen Zahlen- Über die Aussagekraft der Lagebilder

Auf der jüngsten Arbeitstagung des Bundeskriminalamtes machte dessen Vizepräsident mit kritischen Bemerkungen zu den polizeilichen Lagebildern über ‚Organisierte Kriminalität‘ (OK) Schlagzeilen. (1) Das von den Polizeien in den 80er Jahren in die Öffentlichkeit beförderte Thema habe zu „unseriösen Dramatisierungen oder Verallgemeinerungen“ geführt, in deren Folge es zu einer „Banalisierung des OK-Begriffs“ gekommen sei. Gegenüber diesen Tendenzen müsse darauf hingewiesen werden, daß selbst die von der Polizei aufwendig erstellten OK-„Statistiken Pseudoexaktheit vorspiegeln“ und „qualitative Aussagen über OK“ „ein aussagefähiges Berichtswesen und eine qualifiziertere Analyse“ voraussetzten. (2)

Daß die Polizei ihre bekannte Diagnose wachsender und zunehmend gefährlich werdender ‚Organisierter Kriminalität‘ auf eine solide, von Politikern und Öffentlichkeit nachvollziehbare Grundlage stellen wollte, stand Pate bei dem Vorhaben, ‚Lagebilder Organisierte Kriminalität‘ zu schaffen. Nachdem sich Polizei und Justiz in den OK-Richtlinien 1990 auf eine Arbeitsdefinition verständigt hatten und die politischen Auseinandersetzungen um das ‚Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität‘ (OrgKG) zunahmen, „beauftragte die AG Kripo Anfang 1992 die Kommission OK kurzfristig mit der Erstellung eines Gesamtlagebildes für das Jahr 1991“. (3) Seither erstellen die Polizeien (der BGS seit 1993) nach einheitlichen Kriterien und Verfahren jährliche ‚Lagebilder Organisierte Kriminalität‘. In ihnen soll das der Polizei bekannte Wissen über organisierte Kriminalität zusammengetragen und die OK-Bedrohung in Fakten (Statistiken und exemplarischen Fallschilderungen) dargestellt und bewertet werden. Organisierte Kriminalität in amtlichen Zahlen- Über die Aussagekraft der Lagebilder weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Norbert Pütter

Juli 1995

01.07.: Die Spionageabwehr des Bundeskriminalamtes wird von fünf auf zwei Referate reduziert.
02.07.: In Leipzig kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Hausbe-setzern und der Polizei. Nachdem die Polizei in der Nacht ein Fest der Hausbesetzer aufgelöst hatte, wird eine Protestdemonstration verboten und ebenfalls polizeilich aufgelöst. 10 Personen werden festgenommen.
03.07.: Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 1994 wird bekanntgege-ben: Danach sank die registrierte Kriminalität gegenüber 1993 um 3,2 Prozent.
04.07.: Nach Angaben der Bundesregierung wurden 1994 in der Bundes-republik insgesamt 7.952 Gesetzesverletzungen mit erwiesenem oder vermutetem rechtsextremistischen Hintergrund bekannt. Chronologie weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Norbert Pütter

November 1994

01.11.: Das neue Bundesgrenzschutzgesetz tritt in Kraft. U.a. wird die Zuständigkeit des BGS auf einen 30 Kilometer breiten Grenzstreifen aus-gedehnt, und er wird ermächtigt, Personen in „Unterbindungsgewahrsam“ zu nehmen.
Die Landesregierung in Hannover beschließt den Entwurf einer Änderung des niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes, demzufolge der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel bei allen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen gestattet wird. Chronologie weiterlesen

Telefonüberwachungen (TÜ)

von Norbert Pütter

„Abhöraktionen gingen erstmals zurück“, meldete die Presse Mitte Januar ’95. Im weiteren war dann zu lesen, daß die Zahl der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Anordnungen 1994 im Vergleich zum Vorjahr um rund 250 gesunken war. Die neuen Zahlen und der Eindruck, daß tatsächlich weniger Telefone von der Polizei abgehört werden, gibt Anlaß, die Tabelle zu den Telefonüberwachungen aus dem vergangenen Heft zu aktualisieren und mit einigen zusätzlichen Bemerkungen zu versehen. Telefonüberwachungen (TÜ) weiterlesen

Von „Verdeckten Ermittlern“,“NoePs“, „qualifizierten Scheinaufkäufern“ und anderen – Die Polizei im kriminellen Untergrund

von Norbert Pütter und Otto Diederichs

Wie so oft in der bundesdeutschen Polizeiarbeit besaß man anfangs auch bei der Untergrundfahndung zwar praktische Erfahrungen, ohne jedoch auf einen entsprechenden rechtlichen Rahmen verweisen zu können. Mitte der 80er Jahre setzte sich dann eine offizielle Terminologie durch: Klar unterschieden wird nun zwischen „Vertrauens-Personen“ (VP) und „Verdeckten Ermittlern“ (VE). Bei der VP, so die Richtlinien von 1985, handelt es sich seither um „eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützten, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird“. Während ein „Gelegenheitsinformant“ der Polizei sein Wissen nur punktuell und anlaßbezogen mitteilt, kommt es mit V-Personen zu einer direkten und auf Dauer angelegten Zusammenarbeit. Die V-Person wird somit zur „freien“ MitarbeiterIn der Polizei, erhält bestimmte Aufträge und wird für ihre Arbeit entlohnt. Bei den „Verdeckten Ermittlern“ hingegen handelt es sich um „besonders ausgewählte und ausgestattete Polizeivollzugsbeamte, die unter einer Legende Kontakte zur kriminellen Szene aufnehmen, um Anhaltspunkte für Maßnahmen der Strafverfolgung zu gewinnen, und deren Identität auch im Strafverfahren geheimgehalten werden soll“. Von „Verdeckten Ermittlern“,“NoePs“, „qualifizierten Scheinaufkäufern“ und anderen – Die Polizei im kriminellen Untergrund weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Norbert Pütter

März 1994

01.03.: Die Wiesbadener Staatsanwaltschaft ordnet die Durchsuchung der Privatwohnungen der Autoren des Buches ‚Das RAF-Phantom‘ an. Ihnen wird vorgeworfen, aus Ermittlungsakten zitiert zu haben.
02.03.: Das Bundeskabinett billigt den Gesetzentwurf für das Ausländer-zentralregister. Das Gesetz legalisiert u.a. die Weitergabe von Daten über den illegalen Aufenthalt von Ausländern an die Abschiebebehörden. Am 10.3. lehnen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (mit Ausnahme Bayerns) den Entwurf ab. Der Bundestag stimmt dem Gesetz am 16.6. zu.
03.03.: Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für 1993 einen Anstieg der polizeilich registrierten Kriminalität von 6,3 auf mehr als 6,7 Mio. De-likte aus.
05.03.: Im Verlauf einer unangemeldeten Demonstration zur Unterstützung von Hausbesetzungen in Potsdam kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. 83 Personen werden vorläufig festgenommen; drei Polizisten und 30 DemonstrantInnen werden verletzt. Wegen Landfriedensbruch bzw. Beleidigung wird gegen fünf Personen ermittelt. In der Nacht vom 12.3. kommt es zu erneuten Ausschreitungen in der Potsda-mer Innenstadt; 57 Personen werden vorläufig festgenommen. Chronologie weiterlesen

Parteien zur ‚Inneren Sicherheit‘ – Ein Blick in die Parteiprogramme im Superwahljahr

„Sicherheit statt Angst“ versprach uns die eine große Volkspartei zur Europawahl; als Garanten gegen Gewalt und Terror empfahl sich die andere. Innere Sicherheit ist im Jahr der vielen Wahlen ein besonders beliebtes Thema. Während auf den Plakatwänden von der Werbepsychologie inspirierte Slogans zu lesen sind, ver-sprechen Parteiprogramme und -beschlüsse eher einen Einblick in den Zustand unserer Parteien: Welches Bild zeichnen also sie von der „Inneren Sicherheit“ in der BRD? Welche Probleme werden wie angesprochen, welche Antworten werden als ‚Lösungen‘ präsentiert?

Die Lektüre dieser programmatischen Bemühungen, soviel sei vorweg verraten, ist enttäuschend. Die bereits sprichwörtliche ‚Große Koalition in Fragen der Inneren Sicherheit‘ wird von den Programmen eindringlich bestätigt. Von den ‚Altparteien‘ war anderes wohl auch nicht zu erwarten, und wer das Tagesgeschehen ein wenig verfolgt, dem konnte nicht entgehen, daß die SPD verstärkt versucht, dem (irrigen) Eindruck entgegen zu wirken, sie sei bei der Kriminalitätsbekämpfung nicht zu allem entschlossen. Von größerem Interesse erscheinen deshalb allenfalls die Beschlüsse von Bündnis 90/Die Grünen (B’90/Grüne) und PDS. Aber: Trotz mancher Unterschiede im Detail werden die Erwartungen auch hier enttäuscht. Parteien zur ‚Inneren Sicherheit‘ – Ein Blick in die Parteiprogramme im Superwahljahr weiterlesen

Polizeiliches Antistreßtraining

Seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre haben Elemente des Verhaltens-, Kommunikations- und des Antistreßtrainings Eingang in Aus- und Fortbildung der deutschen Polizei gefunden. Mit verschiedenen psychologischen Methoden und in unterschiedlicher Intensität versuchen die Landespolizeien seither, die soziale und kommunikative Kompetenz von PolizistInnen zu verbessern.

Begründet wird die Notwendigkeit gezielten Verhaltenstrainings in erster Linie mit Defiziten, die im polizeilichen Handeln in Alltagssituationen deutlich wurden. So zeigte eine Auswertung von Beschwerden, daß den PolizistInnen „in vielen Fällen … die Fähigkeit (fehlte), zu erkennen, daß Argumente nicht nur rechtlich untermauert, sondern auch logisch, verständlich und überzeugend übermittelt werden müssen.“ Das Auftreten der BeamtInnen werde „auch als bürokratisch, streng und rechthaberisch empfunden.“ Statt beruhigend zu wirken, führe es häufig zur Eskalation von Emotionen und Verhalten – sowohl bei alltäglichen Konflikten als auch bei Großeinsätzen wie z.B. Demon-strationen. Darüber hinaus wird das Verhaltenstraining mit der Situation in-nerhalb der Polizei begründet. Vielfach sei das Verhältnis zwischen Vorge-setzten und MitarbeiterInnen gestört, sei das Klima von Ignoranz und dem Gefühl fehlender Anerkennung bestimmt. Polizeiliches Antistreßtraining weiterlesen

ÖPNV: Ein Sicherheitskonzept in Berlin

Die Sicherheit in öffentlichen Nahverkehrsmitteln zu gewährleisten, ist ein lokalpolitisches Dauerthema von überregionaler Bedeutung. Denn Bahnhöfe, Bahnen und Busse sind faktisch öffentliche Räume (mit Straßen vergleichbar), rechtlich handelt es sich jedoch um private Betriebsteile. Damit ist der Konflikt zwischen der Verantwortung des das Hausrecht ausübenden Betreibers und der für die öffentlichen Sicherheit zuständigen Polizei vorprogrammiert. Unterschiedliche Interessenlagen stoßen bei der Organisation eines Sicherheitsdienstes für den Personennahverkehr aufeinander. Das Berliner Beispiel zeigt, wie der Einsatz privater Wachfirmen Auswege aus diesen Konflikten zu bieten scheint – auch wenn die Vor- und Nachteile dieses Modells kaum absehbar sind. ÖPNV: Ein Sicherheitskonzept in Berlin weiterlesen