Alle Beiträge von Norbert Pütter

Literatur

Zum Schwerpunkt

Die Digitalisierung der Polizeiarbeit war und ist ein bürgerrechtliches Dauerthema. Denn was die Apparate sich von ihrer technischen Modernisierung versprechen, das stellt sich für deren Kritiker*innen als Bedrohung dar: Wirksamkeitshoffnungen stehen Wirksamkeitsbefürchtungen gegenüber. Für Bürgerrechte & Polizei/Cilip steht im Zentrum, wie durch „Technik“ die Definitionsmacht, die Ressourcen und Handlungs­optionen von Polizei und Geheimdiensten gegenüber Bürger*innen wachsen, wie technik- bzw. edv-gestützt Grundrechte ausgehöhlt werden. Mit dem Schwerpunkt dieses Heftes gehen wir gewissermaßen einen Schritt zurück, indem wir zunächst nur beleuchten, wie die Digitalisierung polizeiliches Handeln verändert oder verändern wird. Für die Modernisierungsbefürworter*innen in den Apparaten steht hingegen eine andere Perspektive im Zentrum: Sie sehen die Behörden im ständigen Wettlauf mit Gefährder*innen und Straftäter*innen, die in jeder technologischen Weiterentwicklung neue und perfidere Straftaten (oder schädigendes Verhalten) entdecken. Digitalisierung der Polizei muss der Digitalisierung der Kriminellen folgen, so der Tenor. Und damit sie dies tun kann, müssen Ressourcen, Personal und rechtliche Befugnisse geschaffen werden. Was die Digitalisierung im polizeilichen Alltag bedeutet, kommt auch in diesen Diskussionen nur am Rande vor. Literatur weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Zu den weitgehend unbekannten Feldern der deutschen „Sicherheitsarchitektur“ gehört der Zoll. Nicht, dass die Bürger*innen ihn nicht kennen würden, denn er ist durchaus präsent. Aber das Wissen über die Institution Zoll ist gering. Das gilt in besonderem Maße für die wissenschaftliche und öffentliche Beschäftigung mit ihm. Das Desinteresse am Zoll mag damit zusammenhängen, dass er sich als Teil der Finanzverwaltung mit den grenzüberschreitenden Warenströmen beschäftigt und darauf achten soll, dass Zölle und Steuern in die Staatskasse korrekt abgeführt werden. Wenn auch der Schmuggel der kleinen Leute (Kaffee, Zigaretten, Alkohol) zum bürgerlichen Alltag gehört(e), so stand die Legitimität von Zöllen und Steuern, die das Gemeinwesen finanzieren sollen, grundsätzlich nicht infrage. Vielleicht rührt die unhinterfragte Legitimität des Zolls aus diesem Zusammenhang. Literatur weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Literatur zum Thema „Vier Jahrzehnte Bürgerrechte & Polizei/Cilip“ ließe sich auf verschiedenem Wege besprechen: Einer könnte in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre beginnen, als in der Bundesrepublik langsam und spärlich die Polizei, die Apparate des Gewaltmonopols im Innern, politisch und sozialwissenschaftlich entdeckt und die staatstragenden juristischen Apologien mit Alternativen kon­fron­tiert wurden. Diese Lage hat sich deutlich verändert: Die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit der Staatsgewalt im Innern hat ein an­sehnliches Ausmaß angenommen (nicht zuletzt durch den mit der Akademisierung der Polizeiausbildung bewirkten Ausbau von Forschung über die Polizei); soziale Bewegungen protestieren dauerhaft und öffentlichkeitswirksam gegen den Ausbau der Apparate; und innerhalb der Rechtswissenschaft haben sich Traditionslinien entwickelt, die die Ideen rechtstaatlich-demokratisch-liberaler Verfassungsstaaten gegen Politiken verteidigen, die in immer neuen Versionen versuchen, die staatlichen Zwangsgewalten auf Kosten von Grund- und Freiheitsrechten auszubauen. Literatur weiterlesen

Wandlungen und Kontinuitäten: Vier Jahrzehnte Kritik der „Inneren Sicherheit“

„Innere Sicherheit“ zu versprechen, das ist in Deutschland gleichbedeutend mit einem Angriff auf die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Anders als durch den Eingriff in und den Abbau von Grundrechten scheint „Sicherheit“ nicht herstellbar. Je hilfloser die Politik gegenüber gesellschaftlichen Problemen ist, desto intensiver forciert sie den Ausbau des kontrollierend-strafenden Staates. Und desto wichtiger ist bürgerrechtliche Beobachtung als Voraussetzung des Widerstands.

Im März 1978 erschien die „Nummer 0“ von CILIP, dem „news-letter on civil liberties and police development“. Unter der Überschrift „Wozu ein Informationsdienst zur Polizeientwicklung“ wird im Editorial auf die Gefahr hingewiesen, dass – verglichen mit dem Militär – die „Polizei-Entwicklung über Gebühr verharmlost wird“. „Veränderungen der liberalen Demokratie, die durch den Funktionswandel der Polizei und ihre veränderten Instrumente bewirkt werden können oder schon bewirkt worden sind, fallen nicht auf.“ Der Informationsdienst wolle eine „kritische Öffentlichkeit herstellen“, denn „alles, was angesichts beobachtbarer Tendenzen getan werden kann, um rechtsstaatliche Verfahren bezogen auf die Substanz der Grund- und Menschenrechte zu verteidigen bzw. ihre Gefährdung zu dokumentieren, sollte man versuchen.“[1] Wandlungen und Kontinuitäten: Vier Jahrzehnte Kritik der „Inneren Sicherheit“ weiterlesen

Im Dunkel des Vorfelds: „Verfassungsschutz“ sucht „Organisierte Kriminalität“

Die besonderen Möglichkeiten des staatlichen „Verfassungsschutzes“ im Kampf gegen „die Organisierte Kriminalität“ zu nutzen, ist eine Idee aus den 1990er Jahren. Nur einzelne Bundesländer haben sie realisiert. Den Kampf um das Vorfeld hat die Polizei gewonnen.

Anfang der 1990er Jahre in Deutschland: Mit dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ hat sich der Legitimationsgrund des amtlichen „Verfassungs­schutzes“ in Luft aufgelöst. Mit dem Kalten Krieg ist die Unterwanderungsgefahr aus dem Osten verschwunden. Die sonstigen Beob­ach­tungsaufgaben rechtfertigen kaum die (Größe der) bestehenden Apparate. Zur selben Zeit: 1992 wird das Gesetz zur Bekämpfung der „Organisierten Kriminalität“ beschlossen, mit dem eine Reihe verdeckter Methoden als polizeiliche Ermittlungsmethoden im Strafverfahren legalisiert (unter anderem längerfristige Observation, Abhören außerhalb von Woh­nun­gen, Verdeckte ErmittlerInnen) beziehungsweise ausgeweitet (Fernmeldeüberwachung) wurden.[1] Im Dunkel des Vorfelds: „Verfassungsschutz“ sucht „Organisierte Kriminalität“ weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Man kann die Entwicklung der bundesdeutschen Apparate der Inneren Sicherheit in den letzten Jahrzehnten als eine Geschichte fortlaufender Entgrenzungen lesen. Die Grenzen, die in diesem Prozess in immer wieder neuen Versionen aufgeweicht, durchlöchert, verschoben werden (sollen), sind diejenigen, die die BürgerInnen vor staatlichen Eingriffen schützen sollen. Der normative Bezugsrahmen solcher Grenzziehungen war und ist das spezifisch bürgerliche Modell staatlicher Herrschaft, in dem der Staat nur unter (gesetzlich) genau bestimmten Bedingungen in den gesellschaftlichen Verkehr und die „Privatsphäre“ der Individuen eindringen darf. Institutionell kommen diese Grenzziehungen – unterhalb der klassischen Gewaltenteilung – in der Aufteilung exekutiver Staatsgewalt (Polizei – Geheimdienste – Militär) zum Ausdruck. Im Hinblick auf die Aufgaben schlägt sie sich in unterschiedlichen Zielzuschreibungen nieder: Abwehr von Gefahren, Strafverfolgung, Verteidigung/­Kriegsführung. Rechtlicher Ausdruck dieser Grenzziehungen waren und sind je nach Aufgabenbereichen differierende „Eingriffsschwellen“, die erreicht werden müssen, damit der überwachende und sanktionierende Staat eingreifen darf. Literatur weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Als Bürgerrechte & Polizei/CILIP sich vor 15 Jahren im Schwerpunkt mit „Militär und Polizei“ beschäftigte (Nr. 75, H. 2/2003), stand die tagespolitische Diskussion über die Einbeziehung der Bundeswehr im Innern im Vordergrund. Aus dem Umstand, dass das Thema aus der deutschen Öffentlichkeit nahezu verschwunden ist, zu folgern, es habe sich um eine kurzfristige und nun erloschene Konjunktur gehandelt, ist ein Irrtum. Die öffentliche Stille wird begleitet von nur geringer wissenschaftlicher Resonanz. Dies mag verschiedene Gründe haben: Dass Polizei wie Militär sich nicht durch Offenheit gegenüber externen Forschenden auszeichnen, dass die Entwicklungen in diversen Feldern und korrespondierenden forscherischen Spezialisierungen ablaufen (Militär: internationale Missionen, hybride Kriegführung; Polizei: Spezialisierungen im Hinblick auf Massenproteste und/oder terroristische Bedrohungs­lagen; Bevölkerungsschutz: Kritische Infrastrukturen …) oder dass mit kritischer Reflexion im Zeitalter diffuser Bedrohungen auch keine akademischen Ehren (und Forschungstöpfe) zu erringen sind. Literatur weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Vor mehr als zwei Jahrzehnten widmeten wir uns im Schwerpunkt dem Thema „Polizei und Stadt“ (Bürgerrechte & Polizei/CILIP 51, H. 2/1995). In seinem einleitenden Beitrag zitierte Wolf-Dieter Narr ausführlich aus den – auch heue noch lesenswerten – „Ausgrabungen der Zukunft in Los Angeles“ von Mike Davis („City of Quartz“, 1992). Dort heißt es: „… man kann beobachten, wie beispiellos Städteplanung, Architektur und Polizei in einer umfassenden Sicherheitsanstrengung verbunden werden“. Diese Aussage gilt heute für alle entwickelten Weltregionen, nur dass sie ergänzt werden müsste, durch den gewaltigen Schub an planenden und überwachenden Optionen, die die Digitalisierung mit sich gebracht hat. Sie liefert das technische Handwerkszeug mit dem die Versicherheitlichung des (städtischen) öffentlichen Raumes bewerkstelligt wird und werden soll. Im Folgenden nur einige kurze Hinweise auf ausgewählte Veröffentlichungen der letzten Jahre. Literatur weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Sich die „Cyberpolizei“ durch Veröffentlichungen zu erschließen, stößt auf drei grundsätzliche Schwierigkeiten: Erstens liegen ihre Besonderheiten in der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen, die regelmäßig verdeckt gewonnen werden. Das Verdeckte resultiert zum einen aus der technischen Natur (schon das Mithören von Telefonen sollten die Abgehörten nicht merken können), zum anderen verwenden die Behörden viel Aufwand darauf, dass ihr Mithören, -lesen und -sehen nicht auffällt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Zahl und Qualität der Veröffentlichungen eher gering ist. Dies wird durch einen zweiten Umstand verschärft, der darin besteht, dass die Bezeichnung „Cyberpolizei“ insofern missverständlich ist, weil in diesem Feld die Unterschiede zwischen Polizeien und Geheimdiensten verschwimmen, weil beide an der Entwicklung entsprechender Überwachungstools ein gemeinsames Interesse haben. Und drittens wirkt hemmend auf die öffentliche Berichterstattung, dass die technische Entwicklung rasant voranschreitet und getrieben wird durch die Kooperation staatlicher Behörden und privatwirtschaftlicher IT-Unternehmen. Die einen scheuen die Öffentlichkeit wegen vermeintlicher Sicherheitsbedenken, die anderen wegen der Konkurrenz anderer Anbieter. Kein Wunder, wenn Externen nur selten der Einblick in diese Bereiche gelingt. Literatur weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

„Deradikalisierung“ – ein neues Zauberwort bereichert die sicherheitspolitische Debatte der letzten Jahre. Blickt man in die einschlägige Publikationslandschaft, werden schnell bekannte Muster deutlich; Muster, die für den Verlauf, die AkteurInnen und Interessengruppen und die „Logik“ der Konjunkturen innerer Sicherheitspolitiken kennzeichnend sind: Man nehme einen im Alltagsverständnis positiv besetzten Begriff und entfalte in dem so überschriebenen Feld eine Vielzahl von beliebigen Aktivitäten, an denen sich alle beteiligen, die diese „beliebigen Aktivitäten“ schon immer für sinnvoll hielten. Sogleich bildet sich eine „Scientific Community“, deutlich dominiert von „Praktikern“ und deren Interessen, die im Gleichklang zwei Dinge fordern: endlich eine Evaluation (um wissensbasierte Praxis beteiben zu können) und eine auf Dauer gestellte Förderung (um die Standards umsetzen, die „Vernetzung“ vertiefen zu können). Im Ergebnis entsteht ein buntes Potpourri sozialer Interventionen, die von unterstützend-helfenden bis zu repressiv-strafenden reichen – alle legitimiert durch die Idee, über „Deradikalisierung“ Innere Sicherheit zu gewährleisten. Im Folgenden Hinweise auf die deutschsprachige Szene:  Literatur weiterlesen