Alle Beiträge von Norbert Pütter

Kontrollprobleme neuen Ausmaßes – Polizeilicher Staatsschutz als Geheimpolizei

von Norbert Pütter

Geheimdienste, so lehrt die Erfahrung, sind nicht nur ineffektiv, sondern auch unkontrollierbar und undemokratisch. Sie könnten, so wird neuerdings argumentiert, auch deshalb abgeschafft werden, weil mit dem polizeilichen Staatsschutz eine Instanz bereitstehe, die mit rechtsstaatlich einwandfreien Mittel den entsprechenden Gefahren entgegentreten, Straftaten verhindern oder aufklären könne.[1] Dieser „Ausweg“ schafft jedoch neue Probleme.

Historisch nahm die „politische Polizei“ schon immer eine besondere Stellung innerhalb der öffentlichen Gewalt ein.[2] Schließlich soll sie den Staat selbst vor gegen ihn gerichteten Straftaten und Gefahren schützen. Weil die staatliche Ordnung aber ein besonders hohes Rechtsgut sein soll – sie sichert die gesellschaftlichen Machtverhältnisse –, reich(t)en die „normalen“ polizeilichen und strafrechtlichen Vorkehrungen nicht aus. Besondere Strafnormen (Staatsschutzdelikte), spezialisierte Zuständigkeiten (Staatsanwaltschaften, Gerichte), gesonderte polizeiliche Abteilungen mit einem spezifischen „Tätigkeitsprofil“ sind deshalb für den Staatsschutz kennzeichnend. Kontrollprobleme neuen Ausmaßes – Polizeilicher Staatsschutz als Geheimpolizei weiterlesen

GewaltPolizeiGewalt – Wandlungen im Kern staatlicher Gewaltpraxis

Ohne Gewalt kein Gewaltmonopol. Ohne Gewalt kein Staat. Kein Staat ohne Polizei. Unauflöslich ist die Verbindung zwischen dem neuzeitlichen Staat und seiner Fähigkeit, seinen Willen gegen die Untertanen/BürgerInnen durchzusetzen. An diesem Umstand hat die Parlamentarisierung des politischen Systems nichts geändert: Dem demokratisch-parlamentarisch beschlossenen Gesetz ist Geltung zu verschaffen – im Ernstfall mit Gewalt, mit der Polizei.

Die Polizei, deren institutioneller Zweck darin besteht, die herrschende Ordnung im Innern notfalls mit Gewalt aufrecht zu erhalten, steht keineswegs allein. Je nach Perspektive steht sie an der Spitze oder an der Basis des staatlichen Herrschaftsanspruchs. Sie verfügt über das Personal, die Fähigkeiten, die Ausrüstungen, die Aufgabe und die Befugnisse „Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ abzuwehren. GewaltPolizeiGewalt – Wandlungen im Kern staatlicher Gewaltpraxis weiterlesen

Kontrolle der Polizei – Demokratische Selbstverständlichkeit oder starker Staat

von Norbert Pütter

Im demokratischen Rechtsstaat, so die herrschende Lehre, wird die Polizei umfassend kontrolliert. Die Wirklichkeit spricht jedoch eine andere Sprache. Das zeigen nicht nur die lange Geschichte offenkundiger Kontrollprobleme, sondern auch die besonderen Anstrengungen, die in anderen Ländern unternommen werden.

In der Polizei manifestiert sich das staatliche Gewaltmonopol praktisch. Es ist ihr spezifischer Auftrag, im Wortsinne handgreiflich zu werden, wenn die BürgerInnen sich den allgemeinen Gesetzen nicht freiwillig fügen. Die Polizei in vorderster Front, gestützt auf das Gesetz, begleitet und unterstützt von den anderen Instanzen des Strafverfolgungssystems, soll die bestehende Ordnung aufrechterhalten. Diese idealtypische Konstruktion ist seit jeher mit einem Problem konfrontiert: „Quis custodit custodes?“ („Wer bewacht die Wächter?“) Wie kann sichergestellt werden, dass diejenigen, die den Gesetzen Geltung verschaffen sollen, sich auch selbst an Recht und Gesetz halten? Kontrolle der Polizei – Demokratische Selbstverständlichkeit oder starker Staat weiterlesen

Gewalt gegen PolizistInnen. Neue Daten, neue Paragrafen

von Norbert Pütter

Die Debatte um die „Gewalt gegen Polizeibeamte“ hat im Sommer einen weitere Stufe erreicht: Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) legte den dritten Teil seiner Untersuchung vor, die Innenminister einigten sich auf eine einheitliche Lagebilderstellung, und der Bundestag verabschiedete verschärfte Strafandrohungen.

Pünktlich zur Sommersitzung der Innenministerkonferenz (IMK) präsentierte das KFN die letzte Auswertung seiner im Auftrag von zehn Bundesländern durchgeführten schriftlichen (Online-)Befragung von PolizistInnen. Mit dem Ziel dazu beizutragen, „dass sich die öffentliche Debatte möglichst eng an den empirischen Fakten orientieren kann“, wurden drei Zwischenberichte erstellt. Der erste lieferte eine allgemeine quantitative Charakterisierung der Angriffe auf PolizistInnen in den Jahren 2005 bis 2009. Der zweite galt den „Tätern der Gewalt“, der nun veröffentlichte letzte Bericht verspricht „Befunde zu Einsatzbeamten, Situationsmerkmalen und Folgen von Gewaltübergriffen“.[1] Auf die methodischen Schwächen der Untersuchung, auf ihre prinzipiell polizeifreundliche Sichtweise und ihre beschränkte Aussagekraft, die den ersten Zwischenbericht kennzeichneten, muss an dieser Stelle nicht erneut hingewiesen werden.[2] Gewalt gegen PolizistInnen. Neue Daten, neue Paragrafen weiterlesen

Ordnung und Vernichtung – Geschichtspolitischer Meilenstein der deutschen Polizei

von Norbert Pütter

Nach mehrjähriger Vorbereitung zeigte das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin die Ausstellung „Ordnung und Vernichtung. Die Polizei im NS-Staat“. Offiziell beendet sind damit die Jahrzehnte des Verdrängens, Verleugnens und Schönredens: Die Polizei war als aktiver Teil der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft an Terror und Holocaust maßgeblich beteiligt.

Die von April bis August 2011 im Pei-Bau des DHM geöffnete Ausstellung geht auf einen Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) von 2008 zurück. Vom damaligen IMK-Vorsitzenden und brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) auf Initiativen des vormaligen Potsdamer Polizeipräsidenten Detlef Graf v. Schwerin als Projekt zur öffentlichen Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Polizei im Nationalsozialismus im Kreis der Innenminister durchgesetzt, bestand (und besteht) das Vorhaben aus drei Teilen: 1. die jetzt gezeigte zeitlich befristete Ausstellung, 2. die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien für die Aus- und Fortbildung der Polizei und 3. die Herstellung eines Ausstellungsmoduls, das durch länderspezifische Aspekte erweitert an den Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung auf Dauer die Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus darstellen soll. Insgesamt handelt es sich damit um eine Initiative, die nach außen an die allgemeine Öffentlichkeit adressiert ist, die aber auch nach innen als didaktisch aufbereitetes Angebot in die polizeiliche Ausbildung und damit auf die geschichtlichen Kenntnisse von (zukünftigen) Polizisten wie auf deren Selbstbild wirken soll. Ordnung und Vernichtung – Geschichtspolitischer Meilenstein der deutschen Polizei weiterlesen

TSC, FACI & TCS – Privatisierte Sicherheit im globalen Kontext

von Norbert Pütter

Dass neue, nicht-staatliche Akteure auf dem Sicherheitsmarkt auftauchen, ist ein internationales Phänomen. Ihre grenz­über­schreitende Natur verschärft die mit ihnen verbundenen Probleme: fehlende Öffentlichkeit, rechtliche und politische Unkontrollierbarkeit, Abhängigkeit von den Aufraggebern und – in wechselnden Konstellationen – Arbeit mit, neben oder gegen staatliche Sicherheitsapparate.

Die öffentliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit beschränkt sich nach wie vor auf zwei Bereiche der Privatisierung von Sicherheit: die Übertragung militärischer Aufgaben auf privatwirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen auf der einen, die Wahrnehmung einfacher polizeilicher Tätigkeiten wie Streifendiensten oder Bewachungsaufgaben auf der anderen Seite. Zwischen diesen Polen und teilweise sie überlappend existiert und entwickelt sich ein unübersichtliches Feld von „Sicherheitsanbietern“, die mit spezifischen Dienstleistungen „Sicherheit“ für jene zu produzieren versprechen, die dafür zahlen können. Insgesamt ist über diese Märkte wenig bekannt: Anbieter und Nachfrager, Aufgaben und Methoden, Erfolge und Gefahren, Zusammenarbeit mit der oder Konkurrenz zur staatlichen Polizei, Folgen für Gemeinwesen und Bürgerrechte – nur exemplarisch sind bisher einige Aspekte einer neuen „globalen Sicherheitsarchitektur“ kritisch gewürdigt worden. TSC, FACI & TCS – Privatisierte Sicherheit im globalen Kontext weiterlesen

Private und staatliche Kriminalisten – Konvergenzen, Kooperationen, Gefahren

von Norbert Pütter

Telekom, Deutsche Bahn, Lidl … – so könnte eine Liste jener namhafter deutscher Unternehmen beginnen, deren Sicherheitsanstrengungen in den letzten Jahren für Skandale gesorgt haben. Nach der öffentlichen Aufregung und der juristischen Bewältigung ist es wieder ruhig geworden um die im Verborgenen wirkenden privaten Sicherheitsexperten. Kein Grund zur Entwarnung.

Seit die inneren Sicherheitsdebatten vom „neuen Sicherheitsbegriff“ überwölbt werden, schwinden vertraute Grenzziehungen. Diese aufzulösen, war und ist dessen strategischer Sinn. Das betrifft mit der behaupteten Verflechtung von innerer und äußerer Sicherheit die Trennung zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben. Die Entgrenzung erstreckt sich aber auch auf die Verbindung von wirtschaftlichen und staatlichen Interessen und damit auf das Verhältnis zwischen „privater“ und öffentlicher Sicherheitswahrung. So wie in der Polizei-Militär-Frage Tendenzen der Entdifferenzierung – also der Zusammenarbeit und Vermischung vormals getrennter Aufgaben und Tätigkeiten – unübersehbar sind, so hat „Sicherheit“ für Unternehmen einen solchen Stellenwert eingenommen, dass ihnen die Kombination aus „Werksschutz“ und staatlicher Polizei nicht mehr auszureichen scheint. Private und staatliche Kriminalisten – Konvergenzen, Kooperationen, Gefahren weiterlesen

Viele Daten, wenig Klarheit – „Gewalt gegen PolizistInnen“: wenig Licht im Dunkelfeld

von Norbert Pütter

Zur Frühjahrssitzung der Innenministerkonferenz (IMK) legte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) einen ersten Bericht seiner Befragung vor. Auch einzelne Innenverwaltungen veröffentlichten im ersten Halbjahr eigene Erhebungen. Die Debatte bleibt geprägt von der Kombination aus fragwürdigen Methoden und spekulativen Erklärungen.

Nach kontroverser Vorgeschichte[1] konnte das KFN zwischen dem 8. Februar und dem 28. März alle PolizeibeamtInnen in zehn Bundesländern befragen. Ursprünglich, so der „Zwischenbericht Nr. 1“, war geplant gewesen, anhand der Personalakten sämtlicher deutscher PolizistInnen diejenigen zu ermitteln, die in den Jahren 2005 bis 2009 „mindestens einen Gewaltübergriff mit nach­folgend mindestens siebentägiger Dienstunfähigkeit erlebt“ hatten. Nach Beratungen mit den Bundesländern verständigte man sich auf eine Online-Befragung, die sich an alle PolizeibeamtInnen der teilnehmenden Länder richtete. Viele Daten, wenig Klarheit – „Gewalt gegen PolizistInnen“: wenig Licht im Dunkelfeld weiterlesen