von Alexander Müller
Die am 1. Juli 1993 in Kraft getretene Änderung des Grundgesetzartikels 16 und die verabschiedeten Begleitgesetze bedeuten eine einschneidende Veränderung der Ausländer- und Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig markieren sie einen weitreichenden Bruch mit dem bundesrepublikanischen Selbstverständnis über Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Obwohl in den letzten Jahren eine wachsende öffentliche Diskussion über Flüchtlingspolitik zu verzeichnen war, so konnte doch davon ausgegangen werden, daß das in der Verfassung festgeschriebene Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte im Grundsatz anerkannt war. Die Kritik an mangelhaften und zu langsamen Asylverfahren, die Frage, wievielen Menschen Asyl in der Bundesrepublik gewährt werden könne, die Forderung nach weiteren Hilfen für Armutsflüchtlinge in den Herkunftsländern und der Ruf nach einem einheitlichen europäischen Asylrecht stellten insgesamt den Artikel 16 GG nicht in Frage.
Bis vor wenigen Jahren konnte davon ausgegangen werden, daß in unserer Gesellschaft nicht nur ein weitreichender Konsens über die Aufnahme von politisch Verfolgten als historische Verpflichtung der Bundesrepublik existierte, sondern daß auch die Notwendigkeit einer gesteuerten Zuwanderung politisch auf der Tagesordnung stand. Die Erfahrung eines jahrzehntelangen Zusammenlebens mit Nichtdeutschen, die kulturelle Bereicherung der bundesrepublikanischen Gesellschaft und auch die ökonomischen Notwendigkeiten – nicht zuletzt vermittelt durch die seit Jahren bekannte Tätigkeit von ‚Gastarbeitern‘ – fanden ihren Niederschlag im Konzept einer multikulturellen Gesellschaft. Wie wird die Bundesrepublik mit illegaler Zuwanderung fertig? Die Lage nach der Änderung des Art. 16 GG weiterlesen