Archiv der Kategorie: CILIP 065

(1/2000) Kriminalisierung von AusländerInnen

„Ausländerpolizeien“ – Von der Amtshilfe zur gezielten Überwachung

von Norbert Pütter

Im Allgemeinen werden als „Ausländerpolizeien“ diejenigen Behörden bezeichnet, die in Deutschland lebende Menschen ohne deutschen Pass kontrollieren und überwachen. Im Rahmen dieses auf die Ausländer-, Asyl- und Teile der Sozialbehörden gestützten Kontrollsystems leistet die „Vollzugspolizei“ vor allem Amtshilfe – etwa bei Personenkontrollen oder Abschiebungen.[1] Da nach den aktuellen polizeilichen Arbeitsstatistiken mehr als jeder vierte Tatverdächtige ein „Nichtdeutscher“ ist, haben sich Schutz- und Kriminalpolizeien mittlerweile in erheblichem Ausmaß zu faktischen „Ausländerpolizeien“ gewandelt.

Unbeschadet der nationalen und europäischen Abschottungspolitik haben die weltweiten Migrationsbewegungen vor Deutschland nicht Halt gemacht. „Ausländer“ sind zu einer Realität geworden, die sich auch im polizeilichen Alltag zunehmend niedergeschlagen hat. Das Verhältnis „Polizei – Ausländer“ wird heute durch ein ausgedehntes und vielfach widersprüchliches Geflecht von Beziehungen, Aktionen und Absichtserklärungen bestimmt. Die Spannweite reicht dabei von Polizeiübergriffen auf Fremde bis zu Ausländerbeauftragten bei Polizeibehörden, von interkulturellen Trainings in der Polizeiausbildung bis zu gezielten Kontrollen von AusländerInnen, von liberalen Appellen der Polizeiführungen bis zu praktiziertem Rassismus. Systematische Untersuchungen über dieses Geflecht fehlen weitgehend. Wer sich innerhalb der Polizeien aus welchen Gründen und wie mit welchen „AusländerInnen“ beschäftigt, ist insgesamt nicht bekannt. Teilbefunde liegen auf der Hand: So fungieren Zoll und Bundesgrenzschutz (BGS) über weite Strecken als Ausländerpolizeien. Der BGS-Tätigkeitsbericht für 1998 weist z.B. 60.091 Zurückweisungen, 31.510 Zurückschiebungen und 38.479 Abschiebungen durch den BGS aus.[2] Gerade weil es kriminologisch und politisch geboten ist, auf die Kategorie der Nationalität bei der Kriminalitätserfassung zu verzichten, müsste der polizeiliche Umgang mit Nichtdeutschen detaillierter untersucht werden. Statt einer umfassenden Bilanzierung können im Folgenden nur wenige Beispiele vorgestellt werden, in denen die polizeilichen Kriminalisierungsprozesse besonders offenkundig sind. „Ausländerpolizeien“ – Von der Amtshilfe zur gezielten Überwachung weiterlesen

Verdachtsunabhängige Kontrollen – MigrantInnen im Netz der Schleierfahndung

von Martina Kant[1]

Das Verhältnis zwischen MigrantInnen und der deutschen Polizei ist nicht nur wegen rassistischer Übergriffe in Form von Körperverletzungen und Schikanierungen belastet. Mit der Verrechtlichung verdachts- und ereignisunabhängiger Personenkontrollen in zahlreichen Länderpolizeigesetzen und im Bundesgrenzschutzgesetz hat die Polizei ein weiteres Instrument erhalten, das, wie die Praxis zeigt, dazu verwendet wird, verstärkt MigrantInnen zu kriminalisieren.

Bayern war 1994 das erste Bundesland, das in sein Polizeiaufgabengesetz verdachts- und ereignisunabhängige Polizeikontrollen aufnahm. Seitdem sind Baden-Württemberg, Niedersachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen und der Bund dem Beispiel gefolgt und haben ihren Polizeien und dem Bundesgrenzschutz (BGS) in unterschiedlicher Ausprägung die Schleierfahndung ermöglicht.[2] Je nach länderspezifischer Variante darf die Polizei im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km, auf Durchgangsstraßen (Bundesautobahnen, Europastraßen und anderen für den grenzüberschreitenden Verkehr bedeutsamen Straßen), in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs, Flughäfen, Zügen, Bahnhöfen oder grundsätzlich im öffentlichen Verkehrsraum (Niedersachsen, Berlin) jede Person anhalten und nach dem Ausweis fragen und z.T. mitgeführte Sachen „in Augenschein nehmen“ oder gar durchsuchen. Allein die Berliner Polizei und der BGS können nur aufgrund von „Lageerkenntnissen“ bzw. „grenzpolizeilicher Erfahrung“ kontrollieren, alle anderen Länderpolizeien können dies völlig voraussetzungslos tun. Verdachtsunabhängige Kontrollen – MigrantInnen im Netz der Schleierfahndung weiterlesen

Die Ausländerkriminalität sinkt nicht! Der Zusammenhang von Kriminalstatistik und Rassismus

von Oliver Brüchert

Mit Statistiken lässt sich ohne offenkundige Fälschung und Täuschungsabsicht Schindluder treiben. Es reicht, zu wenig Angaben über die Erhebung der Daten und die verwendeten Auswertungsverfahren zu machen. Eine erfreuliche Ausnahme stellt die „Polizeiliche Kriminalstatistik“ (PKS) dar, die u.a. aufgrund der langen kontinuierlichen Erhebung vielfältige Informationen für eine sorgfältige Interpretation enthält. Dennoch wird regelmäßig unter Berufung auf die PKS von steigender oder sinkender „Ausländerkriminalität“ berichtet. Richtig gelesen enthält die PKS keine Daten über „Ausländerkriminalität“, sehr wohl aber über Rassismus.

Dieser Beitrag könnte mit einer guten Nachricht beginnen: der Anteil der in der PKS erfassten „nichtdeutschen Tatverdächtigen“ ist – wie bereits in den Jahren zuvor – auch 1998 zurückgegangen. Nach einem Höchststand 1993 (33,6% aller Verdächtigten) liegt ihr Anteil nun bei 27,1%. Entwarnung also. Die gute Nachricht hat allerdings einen Haken. Sie deutet in die Statistik etwas hinein, was dort nicht nur nicht drin steht, sondern im Begleittext sogar explizit als Fehlinterpretation gekennzeichnet wird, die tunlichst zu unterlassen sei. Die Ausländerkriminalität sinkt nicht! Der Zusammenhang von Kriminalstatistik und Rassismus weiterlesen

Zwang zum Wohlverhalten – Zum rechtlichen Sonderstatus von MigrantInnen

von Anja Lederer

Auch wenn sie in den „Genuss“ eines Aufenthaltstitels kommen, bleiben AusländerInnen vielfältigen und einschneidenden Sondergesetzen unterworfen. Dieses Sonderrecht ist aber kein bloßer Papiertiger. Polizeiliche Kontrollen und behördlicher Datenaustausch sorgen dafür, dass es auch durchgesetzt wird.

Schon grundsätzlich sind die gesetzlichen Möglichkeiten für AusländerInnen, einen legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen, eng begrenzt. Verhältnismäßig selten gelingt es politisch Verfolgten, unbeschadet die BRD zu erreichen und dann als asylberechtigt oder als ausländischer Flüchtling anerkannt zu werden. Ansonsten bedarf es im Wesentlichen einer engen familiären Beziehung zu einem/r deutschen Staatsangehörigen oder einem/r bereits lange legal hier lebenden AusländerIn, um einen Aufenthaltstitel mit der Option auf Dauerbleibemöglichkeit zu erhalten. Ausgeschlossen ist ein Familiennachzug normalerweise, wenn aus behördlicher Sicht die „Gefahr“ besteht, dass nach dem Zuzug öffentliche Leistungen bezogen werden müssen. Zwang zum Wohlverhalten – Zum rechtlichen Sonderstatus von MigrantInnen weiterlesen

Kriminalpolitische Kategorie: Ausländer – Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst“[1]

„Wer das Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus und zwar schnell,“ so der heutige Bundeskanzler Gerhard Schröder am 20. Juli 1997. Die Konstruktion des „Ausländers“ als kriminellen Kraftprotzes ist das ideale Unterfutter für eine populistische Wahlmobilisierung.

Der moderne Staat und die von ihm und in ihm zivilisierte Gesellschaft werden konstituiert durch Grenzen, durch soziale und politische Einschließungen/Eingrenzungen und Ausschließungen/Ausgrenzungen. Die Staatsbürger (ab dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert auch die Staatsbürgerinnen) werden von den Ausländerinnen und Ausländern oder Fremden abgegrenzt. Kriminalpolitische Kategorie: Ausländer – Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst“[1] weiterlesen

Editorial

von Heiner Busch

Dass „das geschilderte Verhalten der Beamten gegenüber meinem Mandanten (sich) an einem 20. April“ ereignete, so schreibt die Anwältin dem Gericht, habe in ihr „recht bedenkliche Assoziationen geweckt“. An diesem Tag vor zwei Jahren stehen vier Kubaner auf dem Berliner Alexanderplatz. Zwei Zivilpolizisten der Arbeitsgruppe Ausländer (AGA) tauchen auf und überprüfen die Personalien der (schwarzen) „Ausländer südlicher Herkunft“, die sie per Funk im Informationssystem der Berliner Polizei überprüfen lassen. Alle vier leben legal in Berlin, alle bis auf einen haben ihre Papiere dabei. Herr E. kann nur eine Krankenkassenkarte vorlegen. Er ist gerade erst umgezogen und hat seinen Pass zu Hause vergessen. Die Strasse kann er benennen, weil er aber Kubaner ist, verstehen ihn die Beamten nicht oder wollen ihn nicht verstehen. Editorial weiterlesen

Videoüberwachung

Seit Anfang des Jahres wird in deutschen Landen eine heftige Debatte über den Einsatz von Videokameras zur Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze geführt, mit denen – so die BefürworterInnen – StraftäterInnen abgeschreckt und das Sicherheitsgefühl der wohlanständigen BürgerInnen gestärkt werden sollen. Die Kontroverse rückt immerhin die schon bisher installierten Überwachungskameras ins öffentliche Bewusstsein. Videoüberwachung weiterlesen

Polizeiliche V-Personen in Thüringen

Ein klein wenig Licht in die Geheimniskrämerei um polizeiliche Vertrauenspersonen (VP) hat eine kleine Anfrage des Thüringer PDS-Land­tagsabgeordneten Steffen Dittes gebracht. Während die Fragen nach den V-Personen des Verfassungsschutzes mit dem Verweis auf „Staatsgeheimnisse“ unbeantwortet blieben,[1] gab das Innenministerium immerhin einige Angaben über die VP-Arbeit der Polizei preis.[2] So fanden auf der Grundlage des Polizeigesetzes 1999 12 Einsätze von VPs in Thüringen statt (1996: 6, 1997: 8, 1998: 11). Polizeiliche V-Personen in Thüringen weiterlesen