Archiv der Kategorie: CILIP 088

(3/2007) Staatsgewalt und Medien

Redaktionsmitteilung

Eine abschüssige Wiese bei Hinter Bollhagen, vor dem Westtor jenes Zauns, der Heiligendamm und seine G8-Gipfelherrlichkeit umschließt; es ist Donnerstag, der 7. Juni 2007, 18.10 Uhr: „Achtung: Eine Durchsage an die Vertreter der Medien. Sie haben jetzt die letzte Möglichkeit, den Bereich polizeilicher Maßnahmen zu verlassen … Sie gefährden sich selbst und behindern die polizeiliche Arbeit.“ Die Botschaft der Polizei ist klar. „Ihr JournalistInnen, vor allem Ihr Kameraleute, verschwindet. Wir wollen nicht die ‚falschen‘ Bilder in der Zeitung oder im TV sehen.“ Kurz darauf beginnt der Einsatz von neun Hochdruck-Wasserwerfern.

Der G8-Gipfel 2007 war ein Lehrstück über das Verhältnis von Polizei und Medien: Tagelang hat es die Polizei geschafft, ihre Bilder und Deutungen der Proteste in den Medien durchzusetzen. Selten hat sie eine so effiziente Pressearbeit betrieben – Falschmeldungen inklusive. Erst am Ende der Woche war es ein Teil der Medienschaffenden leid, belogen und betrogen zu werden. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Freund und Verfolger – Methoden und Mechanismen staatstragender Medienarbeit

von Norbert Pütter und Heiner Busch

Wenn es um Polizei und Medien geht, fällt regelmäßig der Ausdruck „Spannungsverhältnis“. Was sich dahinter verbirgt, wurde 2007 exemplarisch deutlich: systematische polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit rund um den G8-Gipel auf der einen, Strafverfahren gegen und Überwachung von JournalistInnen auf der anderen Seite. Dieser Spagat hat System.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Medien als der eigentliche Gegner der Exekutive galten. Eine eigene und aktive Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, gehört mittlerweile zum Standard jeder gut geführten Behörde. „Öffentlichkeitsarbeit“, so heißt es in der verbindlichen Polizeidienstvorschrift 100, „dient dazu, polizeiliches Handeln für die Öffentlichkeit transparent und verständlich zu machen“. Und selbst die Geheimdienste haben erkannt, dass sie sich keinen Gefallen tun, wenn sie sich hinter den Zäunen ihrer Dienstsitze verstecken und ansonsten auf die geheime Natur ihrer Tätigkeit verweisen. „Öffentlichkeit“ ist zu einer Ressource modernen Behördenhandelns geworden: Sie verspricht Legitimation, Unterstützung und Akzeptanz. Freund und Verfolger – Methoden und Mechanismen staatstragender Medienarbeit weiterlesen

Polizeireporter – Öffentlichkeitsarbeiter für die Polizei

von Oliver Brüchert

Die Presse wird häufig als vierte Gewalt bezeichnet, der eine demokratische Kontrollfunktion gegenüber dem Staat zukomme. Der Realität der Polizeireportage entspricht das nicht.

Wenn vom Umgang der Medien mit Kriminalität, Strafrecht und Polizei die Rede ist, dann geht es so gut wie immer um Beispiele skandalisierender Berichterstattung, die nahezu ausnahmslos Kriminalität überzeichnet, Täter moralisiert und ein hartes Durchgreifen staatlicher Autoritäten nahe legt. Viel seltener wird nach den institutionellen Voraussetzungen solcher Berichterstattung gefragt, z.B. nach den Arbeitsbedingungen der Journalisten, die in diesem Bereich tätig sind. In meiner Untersuchung über Kriminalität in den Medien[1] habe ich die Journalisten selbst zu ihren Arbeitsbedingungen befragt und die strukturellen Normen und Zwänge herausgearbeitet, denen sie in ihrer täglichen Arbeit unterworfen sind. Diese Mechanismen prägen Form und Inhalt der Berichterstattung in einem viel weitergehenden Ausmaß als das allgemeine Lamento über die „Diktatur der Einschaltquote“ erahnen lässt. Polizeireporter – Öffentlichkeitsarbeiter für die Polizei weiterlesen

Subjektiv terroristisch – § 129a StGB aktuell

von Anja Lederer

Bei den Ermittlungen gegen angebliche Mitglieder der „militanten gruppe“ scheinen Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft den Bogen überspannt zu haben. Angefacht durch die Proteste von WissenschaftlerInnen gegen die Verhaftung eines Kollegen ist die Reichweite des § 129a des Strafgesetzbuchs wieder in die öffentliche Debatte gelangt.

Im Herbst 2003 vermeldete die bürgerliche Presse einen angeblich kurz bevorstehenden Ermittlungserfolg des Bundeskriminalamtes (BKA) gegen die „militante Gruppe“ (mg): Vier Berliner seien als deren „konspirativer Kern“ identifiziert worden. Nach den Berichten sollte es sich bei dem „enttarnten Quartett“ um die „ideologischen Schreibtischtäter“ handeln. Andere „Komplizen“ würden dagegen die eigentlichen Brandsätze zünden.[1] Seit 2001 steht das BKA unter Fahndungsdruck, die 2003 angekündigten „Erfolge“ blieben allerdings aus. Am 31. Juli 2007 ließ das Amt in einer groß in Szene gesetzten Aktion vier andere Männer, die es der Mitgliedschaft in der „mg“ verdächtigt, festnehmen. Subjektiv terroristisch – § 129a StGB aktuell weiterlesen

Summaries

Theme: State power and the media

Friend and persecutor – an introduction
by Norbert Pütter and Heiner Busch
In today’s world, police and security services play an active role in selling their work to the media. They create events which media can report on, they try to bind journalists and media producers to the apparatus by providing them with „exclusive“ information and sometimes even material incentives. The flipside of this cosy give-and-take relationship between journalists and law enforcement, is a strategy of exclusion of non-cooperating media, criminal prosecutions or even direct use of force against, in particular, critical media. Summaries weiterlesen

Heiligendamm in Zahlen

Erst Monate nach dem G8-Gipfel ist die Dimension dieses größten Polizei- (und Militär-)Einsatzes der Nachkriegsgeschichte erkennbar.[1] Insgesamt 17.800 Polizisten wurden während dieser Tage durch 1.100 Bundeswehrangehörige unterstützt, deren Einsatz im Rahmen der „Amtshilfe“ alleine Kosten von insgesamt zehn Millionen Euro (davon drei Millionen Sachkosten) verursachte. Die den Einsatz leitende Besondere Aufbauorganisation „Kavala“ hatte zwei Tornados der Luftwaffe für zehn Aufklärungsflüge angefordert, die unter Unterschreitung der zulässigen Mindesthöhe auch die Camps der GipfelgegnerInnen überflogen und fotografiert hatten. Heiligendamm in Zahlen weiterlesen

Verfahren nach §129, 129a und 129b StGB

Im Jahre 2006 führte die Bundesanwaltschaft 82 Verfahren nach den §§ 129, 129a und 129b StGB (kriminelle und terroristische Vereinigung) gegen insgesamt 103 Beschuldigte. Eine diesbezügliche Anfrage der Linkspartei hat die Bundesregierung im Juni 2007 mit dem geringst möglichen Aufwand, nämlich dem Blick in die elektronische Datensammlung der Bundesanwaltschaft, beantwortet.[1] Wegen der dortigen Arbeitsbelastung sei eine weitere Auswertung „nicht zu leisten“. Verfahren nach §129, 129a und 129b StGB weiterlesen

Telekommunikations-Überwachungstatistik 2006

Nach der von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Jahresstatistik der Telekommunikationsüberwachungen lag die Gesamtzahl der Anordnungen 2006 mit 42.761 Fällen knapp über dem Vorjahresniveau (42.508).[1] Der weitaus größte Teil der Fälle betraf wiederum Mobiltelefone (2006: 35.816; 2005: 34.855). Die Zahl der abgehörten Festnetzanschlüsse ging leicht zurück (2006: 5.099; 2005: 5.398). Telekommunikations-Überwachungstatistik 2006 weiterlesen