Archiv der Kategorie: CILIP 099

(2/2011) Kontrolle der Polizei

Kontrolle der Polizei – Demokratische Selbstverständlichkeit oder starker Staat

von Norbert Pütter

Im demokratischen Rechtsstaat, so die herrschende Lehre, wird die Polizei umfassend kontrolliert. Die Wirklichkeit spricht jedoch eine andere Sprache. Das zeigen nicht nur die lange Geschichte offenkundiger Kontrollprobleme, sondern auch die besonderen Anstrengungen, die in anderen Ländern unternommen werden.

In der Polizei manifestiert sich das staatliche Gewaltmonopol praktisch. Es ist ihr spezifischer Auftrag, im Wortsinne handgreiflich zu werden, wenn die BürgerInnen sich den allgemeinen Gesetzen nicht freiwillig fügen. Die Polizei in vorderster Front, gestützt auf das Gesetz, begleitet und unterstützt von den anderen Instanzen des Strafverfolgungssystems, soll die bestehende Ordnung aufrechterhalten. Diese idealtypische Konstruktion ist seit jeher mit einem Problem konfrontiert: „Quis custodit custodes?“ („Wer bewacht die Wächter?“) Wie kann sichergestellt werden, dass diejenigen, die den Gesetzen Geltung verschaffen sollen, sich auch selbst an Recht und Gesetz halten? Kontrolle der Polizei – Demokratische Selbstverständlichkeit oder starker Staat weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Jenseits der vorherrschenden Meinung in Polizei und Politik, dass die Polizei in Deutschland ausreichend kontrolliert sei, steht eine beschränkte Zahl von Veröffentlichungen, die eine wirksame externe Kontrolle der Polizei fordern und/oder auf die Kontrollmechanismen in anderen Ländern verweisen. Insgesamt sind die in deutscher Sprache verfügbaren Informationen äußerst dürftig. Weder existiert für das Inland auch nur eine Untersuchung, in der Kontrolle und Kontrolldefizite etwa polizeilicher Todesschüsse oder der Gewaltanwendung durch PolizistInnen über Einzelfälle hinaus untersucht würde, noch gibt es in nennenswertem Umfang Darstellungen über die Vorkehrungen und Erfahrungen im Ausland. Literatur weiterlesen

Projekte in der Extremismusfalle: „Wir bleiben dabei. Die Demokratieerklärung ist richtig.“

von Heike Kleffner

Seit einem Jahr müssen Träger von Projekten gegen Rechtsextremismus die umstrittene Extremismusklausel unterzeichnen, wenn sie staatliche Fördergelder erhalten wollen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hält eisern daran fest und lässt sich trotz massiver Kritik von Opposition, Gewerkschaften und Wissenschaft nicht vom Kurs abbringen.

Die ersten Enthüllungen über die fatale Mischung von Ignoranz, Fehlverhalten, Inkompetenz und Entpolitisierung auf Seiten der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste im Kontext des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) waren gerade einmal zehn Tage alt, da meldete sich auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder erstmals zu Wort. Doch wer von der Ministerin, die für das Bundesprogramm „Toleranz fördern. Kompetenz stärken“[1] zuständig ist, Worte der Ermutigung für die durch ihr Ministerium (BMFSFJ) geförderten Projekte gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus oder gar der Anerkennung für deren mehr denn je notwendige Arbeit erwartet hatte, wurde – wieder einmal – enttäuscht. Projekte in der Extremismusfalle: „Wir bleiben dabei. Die Demokratieerklärung ist richtig.“ weiterlesen

Gewalt gegen PolizistInnen. Neue Daten, neue Paragrafen

von Norbert Pütter

Die Debatte um die „Gewalt gegen Polizeibeamte“ hat im Sommer einen weitere Stufe erreicht: Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) legte den dritten Teil seiner Untersuchung vor, die Innenminister einigten sich auf eine einheitliche Lagebilderstellung, und der Bundestag verabschiedete verschärfte Strafandrohungen.

Pünktlich zur Sommersitzung der Innenministerkonferenz (IMK) präsentierte das KFN die letzte Auswertung seiner im Auftrag von zehn Bundesländern durchgeführten schriftlichen (Online-)Befragung von PolizistInnen. Mit dem Ziel dazu beizutragen, „dass sich die öffentliche Debatte möglichst eng an den empirischen Fakten orientieren kann“, wurden drei Zwischenberichte erstellt. Der erste lieferte eine allgemeine quantitative Charakterisierung der Angriffe auf PolizistInnen in den Jahren 2005 bis 2009. Der zweite galt den „Tätern der Gewalt“, der nun veröffentlichte letzte Bericht verspricht „Befunde zu Einsatzbeamten, Situationsmerkmalen und Folgen von Gewaltübergriffen“.[1] Auf die methodischen Schwächen der Untersuchung, auf ihre prinzipiell polizeifreundliche Sichtweise und ihre beschränkte Aussagekraft, die den ersten Zwischenbericht kennzeichneten, muss an dieser Stelle nicht erneut hingewiesen werden.[2] Gewalt gegen PolizistInnen. Neue Daten, neue Paragrafen weiterlesen

Das Vertrauen wert? Polizeikontrolle in Norwegen

von Liv Finstad[1]

Vor gut fünf Jahren reformierte Norwegen sein System der Polizeikontrolle. Seitdem kann die Bevölkerung auf zwei Wegen Beschwerden einreichen: Eine formal unabhängige Spezialeinheit für Polizeiangelegenheiten ermittelt bei strafbaren Amtsdelikten; die lokalen Polizeibehörden sind für alle anderen Fälle zuständig. Auch wenn Norwegen damit wesentlich weiter ist als Deutschland, besteht Verbesserungsbedarf. Es gilt, die praktischen Abhängigkeiten und die kulturelle Nähe von Spezialeinheit und Polizei zu lösen sowie die Sichtung der Beschwerden zu harmonisieren.

Im Vergleich zu den Millionen Polizeihandlungen, die jedes Jahr getätigt werden, fallen Beschwerden gegen die Polizei kaum ins Gewicht. Allerdings müssen Probleme mit Polizeikriminalität oder polizeilichem Fehlverhalten nicht statistisch überwältigend sein, bevor eine Gesellschaft Mechanismen etabliert, um effektiv und rechtsstaatlich zu kontrollieren, wie die Polizei ihre Macht ausübt. Das Vertrauen wert? Polizeikontrolle in Norwegen weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2010: Weniger Schüsse, mehr Tote

von Otto Diederichs

Durch polizeiliche Schüsse wurden im letzten Jahr acht Personen getötet und 23 verletzt. Das geht aus der Schusswaffengebrauchsstatistik der Innenministerkonferenz (IMK) hervor.

2010 hat es zwar zwei Tote mehr als im Jahr davor gegeben, der polizeiliche Schusswaffeneinsatz gegen Personen ist aber leicht zurückgegangen: Für 2010 verzeichnet die IMK-Statistik unter dieser Überschrift insgesamt 47 Fälle (2009: 57).[1] Polizeiliche Todesschüsse 2010: Weniger Schüsse, mehr Tote weiterlesen

Ein Gesetz, das niemals untergeht. Terrorismus-Bekämpfungs-Ergänzungs-Verlängerungsgesetz

von Mark Holzberger

Sicherheitspolitik als Selbstbedienungsladen: Zehn Jahre nach dem 11. September 2001 führt Schwarz-Gelb vor, wie man bei der Verlängerung von Terrorismusgesetzen gleich auch noch die gesetzlich vorgeschriebene Evaluation ad absurdum führt.

In der Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 erweiterte die damalige rot-grüne Bundesregierung Anfang 2002 mit dem Terrorismusbekämpfungs­ge­setz (TBG) die Befugnisse insbesondere der Geheimdienste des Bundes signifikant. Der Entwurf des TBG war von allen Bürgerrechtsorganisationen heftig kritisiert worden.[1] Daher waren dem grünen Koalitionspartner zwei Aspekte beim TBG besonders wichtig: Zum einen, dass nach wochenlangem Fingerhakeln mit dem Bundesinnenministerium (BMI) hohe Hürden für die neuen Kompetenzen der Geheimdienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV), Bundesnachrichtendienst, BND, Militärischer Abschirmdienst, MAD) verankert werden konnten, die deren „sparsamen Gebrauch“ garantieren sollten. Und, dass zwei neue Instrumente ins deutsche Sicherheitsrecht eingeführt wurden: die Befristung und die Evaluierung der Ge­heimdienst-relevanten Regelungen des TBG bis Anfang 2007.[2] Ein Gesetz, das niemals untergeht. Terrorismus-Bekämpfungs-Ergänzungs-Verlängerungsgesetz weiterlesen