Archiv der Kategorie: CILIP 100

(3/2011) 100 x Cilip – eine Zwischenbilanz

(K)ein Grund zur Panik? Staatliche Überwachung und bürgerrechtliche Kritik

Interview mit drei unabhängigen Datenschützern

Seit die ersten Mainframe-Computer in den 70er Jahren im Rechenzentrum des Bundeskriminalamtes in Betrieb gingen hat der informationstechnische Fortschritt die Polizeiarbeit revolutioniert. Atemlos eilen Recht und Datenschutz dem wachsenden Potenzial zur unkontrollierten Überwachung hinterher. Was sich verändert hat, welche Gefahren sich daraus ergeben und wie die Chancen stehen, die Entwicklung bürgerrechtlich einzuhegen, diskutierten Markus Dengel, Sönke Hilbrans und Constanze Kurz. Die Fragen stellte Eric Töpfer. (K)ein Grund zur Panik? Staatliche Überwachung und bürgerrechtliche Kritik weiterlesen

Redaktionsmitteilung

42 Seiten im Format A 4, „gesetzt“ auf einer IBM-Kugelkopf-Schreibmaschine, zusammengeleimt auf einem selbst gezimmerten Layout-Tisch, kopiert und zwischen zwei grüne Pappen geheftet – das war die Nullnummer von „CILIP“, die im März 1978 erschien. Die ästhetischen Ansprüche waren klein, die inhaltlichen dafür umso größer. Das Heft sollte den Mangel an Informationen über Polizei und Geheimdienste mindern, Analysen über deren Entwicklung liefern und so „Munition“ für die im Kampf um Bürgerrechte engagierten Gruppen und Einzelnen bereit stellen.

Die Form des Informationsdienstes hat sich im Laufe der Jahre geändert. Der Anspruch, keine akademische, sondern eine politisch eingreifende Zeitschrift sein zu wollen, blieb. Die Themen, mit denen sich dieses Blatt auseinander setzen musste, tauchten in ständig neuen Varianten auf: die habhafte polizeiliche Gewalt, insbesondere bei Demonstrationen, der feine informationelle Zugriff, der Ausbau der Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten, ihre Zusammenarbeit trotz organisatorischer Trennung sowie – in wachsendem Maße – ihre europäische und internationale Aktivität. In diesen Themenbreichen erlauben wir uns in dieser 100. Ausgabe eine Zwischenbilanz. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Der liberale Rechtsstaat als Fassade – Bürgerrechte im Schatten polizeilicher Gewalt

Im März 1978 erschien die Nullnummer von „Bürgerrechte & Polizei/CILIP“. Hundert Ausgaben der Zeitschrift dokumentieren die Entwicklung dessen, was damals als „Polizei der Zukunft“ propagiert wurde.

Wie alles anfing: 1969, bald nach seiner Amtsübernahme, machte sich Bundespräsident Gustav Heinemann zum emphatischen Sprecher der schon hier und dort knospenden Friedensforschung. In deren Umkreis gründete der Physiker und Erfinder Georg Zundel die Berghofstiftung für Friedens- und Konfliktforschung. Deren Konzepteschmiede, Dieter Senghaas an der Spitze, hatten eine umfassende Vorstellung von den Voraussetzungen und Geltungsbedingungen des Friedens und entsprechend dessen Bedrohungen.

Also wurde neben der üblichen vor allem außenpolitisch und international akzentuierten Friedensforschung über Rüstung, Abrüstung, Kriege und Kriegsursachen ein rarer Forschungszweig „Studien zur inneren Gewalt“ aufgepfropft. Die Untersuchungen der kleinen Berghof-geförderten Forschungsgruppe rückten die Institutionen und Wirkungen des staatlichen Gewaltmonopols in den Mittelpunkt. Der Forschungszusammenhang erhielt darum das Namenskürzel „Polizeiprojekt.“[1] Der liberale Rechtsstaat als Fassade – Bürgerrechte im Schatten polizeilicher Gewalt weiterlesen

Summaries

100 x CILIP: Civil liberties in the shadow of police

by Wolf-Dieter Narr
In March 1978, Bürgerrechte & Polizei/CILIP published its first issue. Since then, the journal has pursued a double agenda: it did and still does aim at providing an information service and to focus on a broad set of issues: structural data on police developments in Germany and Europe; including legal developments, personal data, deployed weapons, problems with the control of police and opportunities to create public awareness around these themes. On the other hand, this information service sought to support the work of critical civil society groups with well-analysed and convincing data. Summaries weiterlesen

Geheimdienste abschaffen! Eine Replik auf Mark Holzberger und Albrecht Maurer

von Heiner Busch und Norbert Pütter

Ja, die bürgerrechtlichen Forderungen nach Abschaffung der deutschen Geheimdienste sind wirkungslos geblieben. Ja, Polizeien und „geheime Nachrichtendienste“ weisen heute mehr Ähnlichkeiten auf als vor 30 Jahren. Ja, das Trennungsgebot war eine westdeutsche Besonderheit. Aber diese Einsichten ändern nichts an dem Umstand, dass die Abschaffung der Geheimdienste weiterhin das Gebot der Stunde bleiben muss.

Vier Argumente sind für die Bilanz von Mark Holzberger und Albrecht Maurer zentral: 1. Die Abschaffungsforderung sei politisch wirkungslos geblieben. 2. Das Trennungsgebot sei eine deutsche Besonderheit, die weder der Politik der „vernetzten Sicherheit“ in der BRD noch der Realität in Europa gerecht werde. 3. Im bürgerrechtlichen Diskurs werde nicht ausreichend benannt, welche Aufgaben von wem wahrgenommen werden sollten, wenn die Geheimdienste abgeschafft würden. 4. Die neuen Gefahren erforderten geheime Ausforschungen. Wenn die Geheimdienste abgeschafft würden, würden die Polizeien diese Aufgabe wahrnehmen, wodurch die Gefahren erheblich stiegen. Im Folgenden wollen wir kurz diese Argumente aus unserer Sicht kommentieren. Geheimdienste abschaffen! Eine Replik auf Mark Holzberger und Albrecht Maurer weiterlesen

Blick zurück nach vorn! – Für eine Neubelebung der Debatte um die Geheimdienste

von Mark Holzberger und Albrecht Maurer

Die Abschaffung der Geheimdienste oder mindestens die Verteidigung des Gebots der Trennung von Diensten und Polizei gehören zum ständigen politischen Repertoire der deutschen Linken und Bürgerrechtsorganisationen. Vor dem Hintergrund der Politik der „vernetzten Sicherheit“ in der BRD wie im Rahmen der EU drohen diese Forderungen zu bloßen Bekenntnissen zu verkommen.

„Der Verfassungsschutz hat durch seine vierzigjährige Tätigkeit nichts zum Schutz der Verfassung beigetragen. Er hat vielmehr durch seine systembedingten, unvermeidbaren Übergriffe und Skandale und durch die Erzeugung von demokratischer und freiheitlicher Unsicherheit die Verfassung geschädigt.“ So heißt es in einer Broschüre mit dem Titel „Weg mit dem Verfassungsschutz“, die die Humanistische Union 1990 vorlegte.[1] Die Forderung, die Trennung von Polizei und Geheimdiensten aufrecht zu erhalten bzw. wiederherzustellen oder die Geheimdienste gleich ganz abzuschaffen, wird seit langem von allen deutschen Bürgerrechtsorganisationen vertreten. Sie speiste sich aus den Erfahrungen mit den Berufsverboten der 70er und 80er Jahre und aus den vielen Skandalen, für die die Geheimdienste verantwortlich waren. Blick zurück nach vorn! – Für eine Neubelebung der Debatte um die Geheimdienste weiterlesen

Eine kleine Demogeschichte – Protest und Polizei in den letzten vierzig Jahren

Interview mit vier Aktivisten aus drei Generationen

Die Geschichte der BRD ist auch eine Geschichte des Protests. So wie sich seine Formen geändert haben, hat sich auch die Herangehensweise der Polizei an das Protestgeschehen gewandelt. Zusammen mit Christoph Ellinghaus, Susanne Falke, Karen Ullmann und Wolf Wetzel gehen wir auf Spurensuche. Die Fragen stellten Martin Beck, Heiner Busch und Matthias Monroy.

Bevor wir tiefer in das Thema einsteigen, wie hat Eure eigene Demonstrationsgeschichte begonnen?

Wolf Wetzel: Meine Erfahrungen beziehen sich auf militante Zusammenhänge, angefangen mit den Demonstrationen zu Zeiten des Häuserkampfes in Frankfurt am Main Anfang der 70er Jahre. Die Polizei operierte damals in großen Einheiten. Immer wieder kam es zu Verletzten und Schwerverletzten. Auch wenn wir öfter verprügelt wurden, so war dennoch die Ohnmacht, die Aussichtslosigkeit nicht dominierend. Das lag zum einen an der politischen Stimmung, zum anderen an ganz materiellen Bedingungen: Wir trugen – wenn gewollt – Helme und andere Schutzkleidung wie z.B. Armschützer, was erst später als „Passivbewaffnung“ verboten wurde. Eine kleine Demogeschichte – Protest und Polizei in den letzten vierzig Jahren weiterlesen

Schönwetter-Rechtsstaat? Recht, Bürgerrechte und Innere Sicherheit

Nachfragen bei drei kritischen Juristen

Seit über drei Jahrzehnten erlebt die BRD einen ständigen Ausbau der Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten. Von Martin Kutscha, Tobias Singelnstein und Frederik Rachor wollten wir wissen: Was treibt den Gesetzgeber und wie steht es um die Qualität des „Sicherheitsrechts“? Die Fragen stellte Fredrik Roggan.

Das „Recht der Inneren Sicherheit“ hat seit den 70er Jahren eine rasante Entwicklung genommen. Kontrollstellenpragrafen und der „finale Rettungsschuss“ waren Gegenstand des ersten Musterentwurfs für ein einheitliches Polizeigesetz in den 70er Jahren. Die Legalisierung verdeckter Ermittlungsmethoden („Neue Methoden der Verbrechensbekämpfung“) begann in den 80ern im Polizeirecht und setzte sich danach in der Strafprozessordnung fort. Neue technische Methoden und neue Zusammenarbeitsformen im Innern (zwischen Polizei und Geheimdiensten) und nach außen (Schengen, Europol) kamen seither hinzu. An dieser Entwicklung waren nicht allein die Gesetzgeber auf verschiedenen Ebenen beteiligt, sondern auch die Verfassungsgerichte. Wichtige Entscheidungen, die in Intention und Tenor durchaus liberal-demokrati­schen Traditionen folgten, haben der staatsapparat-fixierten Sicherheitspolitik nichts Dauerhaftes entgegenstellen können. Schönwetter-Rechtsstaat? Recht, Bürgerrechte und Innere Sicherheit weiterlesen