Archiv der Kategorie: CILIP 104

(12/2013) Racial Profiling

Die EU und die Cyberkriminalität – Was passiert mit dem deutschen Trennungsgebot?

von Cathleen Berger

Die EU hat dem Kampf gegen die Cyberkriminalität wiederholt hohe Priorität beigemessen.[1] Dabei werden Instrumente der inneren und äußeren Sicherheit sowie Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste zusammengeführt.

Ein Gebot der Trennung von Polizei und Geheimdiensten gibt es nicht in allen Ländern. In Deutschland ist es historisch gewachsen und basiert auf den einschneidenden Erfahrungen mit der Gestapo. Aus Gründen der Rechtssicherheit für die BürgerInnen sollten Polizei und Nachrichtendienste in der Bundesrepublik daher organisatorisch, personell und informationell getrennt bleiben. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen erst mit dem Vorliegen eines tatsächlichen Verdachts tätig werden, während die Nachrichtendienste geheim und präventiv im Vorfeld aufklären, aber nicht polizeilich eingreifen dürfen. Ein Austausch von Informationen ist nur zulässig, wenn er anlassbezogen und im Einzelfall erfolgt. Diese Grenzen werden zunehmend unterlaufen – neuerdings auch bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität. Die EU und die Cyberkriminalität – Was passiert mit dem deutschen Trennungsgebot? weiterlesen

Stop and Search – Ethnische Unverhältnismäßigkeit in Großbritannien

Interview mit Rebekah Delsol

Immer wieder von der Polizei angehalten und durchsucht zu werden, ist eine erniedrigende Erfahrung, die vor allem Angehörige von Minderheiten machen müssen, sagt Rebekah Delsol. Heiner Busch befragte die Mitarbeiterin von StopWatch über die britische Variante der willkürlichen Kontrolle.

Willkürliche Kontrollen werden umso eher möglich, wenn das Recht der Polizei keine Grenzen setzt. Das ist die Erfahrung, die wir mit den Bestimmungen zur Identitätsfeststellung in den deutschen Polizeigesetzen gemacht haben. Wie sieht die rechtliche Situation in Großbritannien aus?

Im Vereinigten Königreich konnte die Einführung von Identitätskarten bzw. Personalausweisen bisher verhindert werden. Daher gibt es anders als auf dem Kontinent auch keine polizeilichen Befugnisse zur Identitätsfeststellung. Die Polizei darf hier Leute anhalten und befragen: warum sie sich an einem bestimmten Ort aufhalten, was sie da tun, warum sie sich so oder so verhalten etc. Das wird als „Stop-and-account“ bezeichnet (übersetzt etwa: anhalten und nach einer Rechtfertigung fragen, d. Red). Eine eigentliche gesetzliche Grundlage gibt es dafür nicht. Aber die Rechtslage ist reichlich konfus und die Leute, die da angehalten werden, wissen oft nicht, dass sie keine Fragen beantworten müssen und einfach ihres Weges gehen können. Stop and Search – Ethnische Unverhältnismäßigkeit in Großbritannien weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2012

von Otto Diederichs

PolizistInnen haben im vergangenen Jahr 36 mal auf Personen geschossen. Acht Menschen wurden dabei getötet und zwanzig verletzt. Dies geht aus der Schusswaffengebrauchsstatistik der Innenministerkonferenz hervor, die der Redaktion vorliegt.[1]

Die Zahl der Schüsse auf Personen liegt damit exakt gleich hoch wie 2011, die der Opfer hat sich leicht erhöht (2011: 6 Tote, 15 Verletzte). Zwei Schüsse auf Menschen werden offiziell als „unzulässig“ qualifiziert.

Wie die Statistik weiter zeigt, gaben PolizistInnen im Jahre 2012 insgesamt 10.353 Schüsse (2011: 8.936) ab. Zugenommen hat dabei jedoch lediglich der Schusswaffengebrauch zur Tötung gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere. Nahezu gleich geblieben ist dagegen die Zahl der Warnschüsse (2012: 54; 2011: 49). Polizeiliche Todesschüsse 2012 weiterlesen

Neue Begünstigte des MfS? Geheimdienste und Polizei erobern die Stasi-Akten

von Heiko Stamer

23 Jahre nach dem Ende des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR ist das Interesse von Polizei und Geheimdiensten an seinen Akten ungebrochen. Grund genug, ihre Anfragen beim Bundesbeauftragten unter die Lupe zu nehmen.

Ein erheblicher Teil der vom MfS angelegten Akten- und Datenbestände enthält sensible personenbezogene Informationen, die unter Verletzung elementarer Menschenrechte, durch zielgerichtete Bespitzelung, Post- und Fernmeldekontrolle oder unzulässige Verhörpraxis über Jahrzehnte gesammelt worden sind. Die Verwertung solcher „Erkenntnisse“ für aktuelle Strafverfahren[1] oder zur „Gefahrenabwehr“ wurde nach anfänglichen Diskussionen 1991/1992 kaum weiter problematisiert und ist heute nahezu in Vergessenheit geraten. Auch die Verwendung der Stasi-Unterlagen für Zwecke der Geheimdienste hat sich mittlerweile auf einem Niveau verstetigt, das weit über die anfänglichen Bedarfsbekundungen der Behördenvertreter und die befürchteten Szenarien der damaligen Sachverständigen hinausgeht.[2] Neue Begünstigte des MfS? Geheimdienste und Polizei erobern die Stasi-Akten weiterlesen

Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2012: Mehr Racial Profiling, weniger aufgeklärte Fälle

von Angelina Weinbender

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2012[1] schien wieder einmal zu bestätigen, dass die Kriminalität zugenommen habe und dafür vor allem die „nicht-deutschen Tatverdächtigen“ verantwortlich seien. Was bleibt von den Gewissheiten, wenn man die Statistik richtig liest?

Die PKS ist ein jährlich vom Polizeipräsidenten herausgegebener Bericht, der polizeiliche Tätigkeitsdaten enthält. Der Bericht für das Jahr 2012 umfasst über 200 Seiten mit über 200 Tabellen und Diagrammen. Er bedarf fünf Seiten an „Vorbemerkung und Begriffserläuterungen“ und bietet eine fünfseitige Zusammenfassung der Kernaussagen.

Im Allgemeinen ist die PKS ein Instrument zur Regulation von Verwaltungshandeln, mit dem Polizeihandeln dokumentiert und zukünftiges Handeln legitimiert werden kann. Die überwiegend tabellarische Darstellung erfordert eine besondere Lesekunst (und ein besonderes Leseinteresse), die auf ein begrenztes Lesepublikum trifft. Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2012: Mehr Racial Profiling, weniger aufgeklärte Fälle weiterlesen

Die gesetzliche Diskriminierungsfalle:  Diskriminierende Kontrollen und Aufenthaltsgesetzgebung

von akj-berlin

Im Oktober 2012 erklärte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz die „anlasslose Kontrolle“ eines Studenten durch die Bundespolizei für rechtswidrig, weil dessen Hautfarbe ausschlaggebendes Kriterium gewesen sei. Seitdem kommt endlich auch das Diskriminierungsverbot von Art. 3 Abs. 3 GG in der Polizeiarbeit zur Geltung. Die Frage ist jedoch, wie die Polizei die in vielen Bundes- und Landesgesetzen enthaltenen aufenthaltsrechtlichen Kontrollbefugnisse wahrnehmen soll, ohne dabei nach zugeschriebenen Merkmalen rassistisch zu rastern. Wer ein Ende des Racial Profiling will, kommt daher nicht um die Forderung nach der Abschaffung der Sondergesetzgebung für Nichtdeutsche herum.

Das Verhältnis zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und PolizistInnen ist nicht nur aufgrund rassistischer Übergriffe belastet.[1] Insbesondere im Zusammenhang mit Personenkontrollen genügt es schon, dass die Polizei von ihren Befugnissen in einem Umfang Gebrauch macht, der zwar rechtlich zulässig ist, aber doch gegenüber der weißen „biodeutschen“ Mehrheitsgesellschaft üblicherweise nicht für notwendig erachtet wird.[2] Solche diskriminierenden Vorgänge gehören nicht allein deshalb zur Lebenswirklichkeit vieler Menschen, weil die BeamtInnen aus bewusst oder unbewusst rassistischer Motivation heraus handeln. Die gesetzliche Diskriminierungsfalle:  Diskriminierende Kontrollen und Aufenthaltsgesetzgebung weiterlesen

Identitätskontrollen in Frankreich: Diskriminierung festgestellt, Reform ausgeschlossen?

von Fabien Jobard und René Lévy

Ohne zu übertreiben lässt sich sagen: Die Frage der polizeilichen Identitätskontrollen hat einen zentralen Stellenwert in den Debatten über den Platz der Minderheiten in der französischen Gesellschaft, über die Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt sind, und das, was der Staat tut , um sie zu reduzieren.

Die dramatischen Ereignisse, die die Vorstädte in den letzten Jahren erschüttert haben, haben die Bedeutung dieser Frage noch verstärkt: Es war eine simple Identitätskontrolle wenige hundert Meter von ihrer Wohnung entfernt, vor der zwei Kinder im Oktober 2005 flohen und den Tod fanden, weil sie Unterschlupf in einem Transformatorenhäuschen suchten. Der Vorfall löste eine Welle des Aufruhrs aus, die innerhalb von drei Wochen nicht weniger als 300 Städte erfasste.[1] Identitätskontrollen in Frankreich: Diskriminierung festgestellt, Reform ausgeschlossen? weiterlesen

Anlasslose Kontrollen der Bundespolizei: Das Verbot rassistischer Diskriminierung ist absolut

von Hendrik Cremer

„Niemand darf wegen … seiner Rasse … benachteiligt oder bevorzugt werden“, heißt es in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG). Diese Fundamentalnorm der Verfassung lässt Polizeikontrollen, die auf einer Methode des „Racial“ oder „Ethnic Profiling“ beruhen, nicht zu. Die Polizei darf unveränderliche Merkmale, die das äußere Erscheinungsbild eines Menschen prägen, nicht als Auswahlkriterium für anlasslose Personenkontrollen heranziehen.

§ 22 Abs. 1a des Bundespolizeigesetzes (BPolG) ermächtigt die Bundespolizei, Personen in Bahnhöfen, Zügen und Flughäfen zum Zweck der Migrationskontrolle ohne konkreten Anlass und ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren. Die Bundespolizei kann demnach jede Person anhalten, befragen und Ausweispiere verlangen sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen. Die Bestimmung ist zwar dem Anschein nach neutral, führt aber zu rassistischen Diskriminierungen und verstößt damit gegen das Diskriminierungsverbot.[1]

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