Archiv der Kategorie: CILIP 121

Polizeiliche Datenkulturen (April 2020)

Achtung: Überkriminalisierung. Das geplante IT-Sicherheitsgesetz 2.0

Einmal mehr soll sich der Bundestag mit dem Schutz von IT-Sys­te­men und den darin gespeicherten Daten befassen. Der Reform des IT-Sicherheitsgesetzes von 2015 soll nun eine weitere folgen. Ein Entwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) vom 27. März 2019 befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung.[1]

Bereits vergangene Reformen im Bereich des Informationsstrafrechts wie die Einführung von § 202c Strafgesetzbuch (StGB) (Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten) und § 202d StGB (Datenhehlerei) waren problematisch und sahen sich massiver Kritik ausgesetzt. Sie zeichneten sich durch eine weitgehende Vorfeldkriminalisierung und ausufernde Tatbestände aus, unter welche bisweilen sozialadäquate Handlungen subsumiert werden können. Das Strafrecht wird im IT-Bereich als Mittel der Gefahrenabwehr instrumentalisiert, mit der auf abstrakte und vermeintlich bestehende Bedrohungsszenarien reagiert werden soll. Die gesetzgeberischen Maßnahmen erscheinen dabei mehr als nur ungeeignet, um einen umfassenden Schutz der IT-Sicherheit zu gewährleisten. Damit reiht sich auch die Entwicklung des Informationsstrafrechts immer mehr in eine neoliberale Sicherheitslogik ein. Achtung: Überkriminalisierung. Das geplante IT-Sicherheitsgesetz 2.0 weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Die Digitalisierung der Polizeiarbeit war und ist ein bürgerrechtliches Dauerthema. Denn was die Apparate sich von ihrer technischen Modernisierung versprechen, das stellt sich für deren Kritiker*innen als Bedrohung dar: Wirksamkeitshoffnungen stehen Wirksamkeitsbefürchtungen gegenüber. Für Bürgerrechte & Polizei/Cilip steht im Zentrum, wie durch „Technik“ die Definitionsmacht, die Ressourcen und Handlungs­optionen von Polizei und Geheimdiensten gegenüber Bürger*innen wachsen, wie technik- bzw. edv-gestützt Grundrechte ausgehöhlt werden. Mit dem Schwerpunkt dieses Heftes gehen wir gewissermaßen einen Schritt zurück, indem wir zunächst nur beleuchten, wie die Digitalisierung polizeiliches Handeln verändert oder verändern wird. Für die Modernisierungsbefürworter*innen in den Apparaten steht hingegen eine andere Perspektive im Zentrum: Sie sehen die Behörden im ständigen Wettlauf mit Gefährder*innen und Straftäter*innen, die in jeder technologischen Weiterentwicklung neue und perfidere Straftaten (oder schädigendes Verhalten) entdecken. Digitalisierung der Polizei muss der Digitalisierung der Kriminellen folgen, so der Tenor. Und damit sie dies tun kann, müssen Ressourcen, Personal und rechtliche Befugnisse geschaffen werden. Was die Digitalisierung im polizeilichen Alltag bedeutet, kommt auch in diesen Diskussionen nur am Rande vor. Literatur weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Mit ihrem Auftritt im Frankfurter Waldstadion im Juli 2018 hat die Schlagersängerin Helene Fischer nicht nur ihre 40.000 Zuschauer*innen begeistert. Auch Polizeikräfte wollten mehr über die Frau wissen und fragten deshalb an diesem Abend ganze 83 Mal ihre Daten im POLAS, dem Informationssystem der hessischen Polizei, ab. 2018 gab es in Hessen 180 Verdachtsfälle zu missbräuchlichen Suchläufen. Deren Zahl stieg nach der Einführung von Stichprobenkontrollen im Februar 2019 offenbar rapide an. Dabei ging es nicht nur um Voyeurismus wie am Beispiel von Frau Fischer, sondern in einigen Fällen auch um rechtsradikale Ausspähungsversuche. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Summaries

Thematic Focus: Police Data Culture

Looking Ahead Through the Data Jungle. Datafication and Prevention – An Introduction
by Benjamin Derin, Christian Meyer and Friederike Wegner

That governments are interested in data is by no means a new insight. But with advancing digitalization, potential uses for information are reaching new levels – and so is their pursuit by the police. The already large administrative appetite for data is now falling upon a more susceptible society that is increasingly adhering to the dogma of prevention and is redefining its understanding of security and risk. Summaries weiterlesen

Polizeihilfe für Chile: Spitzeln wie in BaWü

Das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg hilft der chilenischen Polizei beim Aufbau einer Einheit für verdeckte Ermittlungen. Das ist der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Anfrage von Ulla Jelpke (Linke) zu entnehmen.[1] Mit welcher der beiden chilenischen Polizeiorganisationen das LKA kooperiert, gab das Ministerium zwar nicht bekannt. Es ist aber zu vermuten, dass die Einheit für verdeckte Ermittlungen in der Kriminalpolizei (Policía de Investigaciones) aufgebaut wird. Für alle anderen polizeilichen Aufgaben ist die Gendarmerie (Carabineros) zuständig. Sie gehört zum Verteidigungsministerium, ihre Einheiten werden aber vom Innenminister befehligt. Polizeihilfe für Chile: Spitzeln wie in BaWü weiterlesen

Neue deutsch-französische Polizeieinheit

Die Bundespolizei und die Gendarmerie Nationale aus Frankreich haben eine „deutsch-französische Einsatzeinheit“ (DFEE) gebildet.[1] Im Januar 2019 hatten die Regierungen der beiden Länder im Aachener Vertrag die Einrichtung der Truppe für „Stabilisierungsoperationen in Drittstaaten“ verabredet, Einzelheiten regelt eine Verwaltungsvereinbarung. Vorgesehen sind Einsätze in „frankophonen Drittstaaten“, bei Großveranstaltungen und „im gemeinsamen Grenzgebiet“.

Die DFEE besteht derzeit aus jeweils zehn Angehörigen von Bundespolizei und Gendarmerie, in diesem Jahr soll sie auf jeweils 15 Beamt*innen anwachsen. Von deutscher Seite stammen die Polizist*innen aus der Kaserne im rheinland-pfälzischen Bad Bergzabern. Neue deutsch-französische Polizeieinheit weiterlesen

Polizeizugriffe auf Eurodac

Seit dem 20. Juli 2015 können Polizeibehörden zur „Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten“ auf Eurodac, die europäische Datenbank mit Fingerabdrücken von Asylsuchenden, zugreifen, wenn zuvor ein Datenabgleich mit nationalen Datenbanken, dem Prüm-Netzwerk und dem Visa-Informationssystem erfolglos war. Europol nutzt die Möglichkeit seit 2017 über eine Schnittstelle der niederländischen Polizei. Bis Ende 2019 wurde Eurodac 1.840mal von Polizeien abgefragt.[1] Der Kreis der zugriffsberechtigten Länder ist zwar deutlich gewachsen, weil immer mehr Mitgliedstaaten die Prüm-Beschlüsse umsetzen und damit die Voraussetzung für den polizeilichen Zugriff auf die Eurodac-Daten erfüllen. Polizeizugriffe auf Eurodac weiterlesen

Telekommunikations-Überwachung 2018

Nachdem die Zahl der Anordnungen von Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ) 2017 gegenüber dem Vorjahr um 12,66 Prozent zurückgegangen war, haben sich die Zahlen nun wieder leicht „erholt“. In der am 22. Januar 2020 vorlegten jährlichen Übersicht verzeichnet das Bundesamt für Justiz für 2018 eine Zunahme um 4,4 Prozent.[1] Hatte es 2017 insgesamt 18.651 TKÜ-Maßnahmen gegeben, stieg diese Zahl 2018 auf 19.474. Davon wurde in 15.787 Fällen erstmals eine TKÜ angeordnet, 3.687 bestehende Anordnungen wurden verlängert.

In die Maßnahmen einbezogen waren 32.022 Telekommunikationsanschlüsse, davon 3.492 Festnetz-, 18.784  Mobilfunk- und 9.746 Internetanschlüsse. Telekommunikations-Überwachung 2018 weiterlesen