Polizeiproblem 5/2023

Verletzt nach Polizeieinsatz:

1. Mai: Auf einer Protestversammlung in Hamburg wird ein 19-Jähriger von einem Polizisten zu Boden gestoßen und schwer verletzt. Ein Video zeigt, wie der Beamte mit dem Ellbogen voran gegen seinen Kopf springt. Der Mann bleibt regungslos am Boden liegen, während der Polizist des vierten Zuges der ersten Hamburger Polizeihundertschaft Ausschau nach weiteren Demonstranten hält. Gegen den Polizisten wird wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt, möglicherweise auch auf unterlassene Hilfeleistung ermittelt.

8. Mai: Bei einem Einsatz anlässlich einer Massenschlägerei in einer Flüchtlingsunterkunft in Soest hat eine Beamtin einen Mann schwer verletzt. Nach Aussage der Polizei verlor bei dem Zurückdrängen durch die Polizistin eine „alkoholisierte, sehr korpulente männliche Person serbischer Herkunft das Gleichgewicht und fiel auf den Boden“. Die Ermittlungen übernahm das Polizeipräsidium Dortmund. Dort war zwischenzeitlich eine Mordkommission eingesetzt worden, da der Zustand des verletzten Mannes anfangs kritisch war.

Polizei und Pressefreiheit:

2. Mai: Bei der Dokumentation einer Versammlung der Partei „Der Dritte Weg“ in Schweinfurt wird die Pressearbeit durch die Polizei behindert. Ein*e Journalist*in wurde mindestens 45 Minuten von der Polizei Bundespolizei und dem USK kontrolliert, durchsucht und abgetastet, berichtet ein DJU-Funktionär. Auch die Klarnamen der Journalist*in sei bei der ID-Kontrolle laut von Polizisten ausgerufen worden. Die Polizei verbot der Journalist*in pauschal das Anfertigen von Foto- und Filmaufnahmen der Polizeimaßnahmen.

Tod im Polizeigewahrsam:

3. Mai: Ein 45-jähriger Obdachloser ist in München im Polizeigewahrsam gestorben. Laut einer Mitteilung des Präsidiums habe der Mann in der Zelle das Bewusstsein verloren. Kurz zuvor habe er mitgeteilt, dass er sich unwohl fühle. Reanimationsversuche wie auch ein Einsatz des Rettungsdienstes, der den Mann in ein Krankenhaus brachte, hätten ihn nicht mehr retten können. Bei Untersuchungen hätten die Beamt*innen weder Alkohol noch Vorerkrankungen festgestellt. Die Festnahme des Mannes sei bei einer Kontrolle erfolgt, da gegen ihn ein Haftbefehl wegen eines „Eigentumsdeliktes“ vorlag.

22. Mai: Der am Neujahrsmorgen im Polizeigewahrsam gestorbene Mann aus Guinea hat kein Pfefferspray in einer Gaststätte versprüht, wie die Polizei zuvor als Grund für dessen Festnahme berichtet hatte. Dies habe die Staatsanwaltschaft ermittelt, berichtet die Braunschweiger Zeitung. Der Verstorbene sei vielmehr ein Opfer der Pfeffersprayattacke gewesen. Woran der 38-jährige Mann gestorben ist, ist fast fünf Monate nach seinem Tod weiter unklar.

Ermittlungen gegen Polizist*innen:

4. Mai: Ein Fachkommissariat des Landeskriminalamtes Berlin ermittelt anlässlich eines möglichen Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 13. Mai in Berlin wegen Verdachts des Geheimnisverrats. Die Berliner Springer-Zeitung „B.Z.“ hatte zuerst darüber berichtet und sich dabei „auf Sicherheitskreise“ berufen. In dem Pressebericht seien „vertrauliche Details zu einem in Planung befindlichen Einsatz wiedergegeben“, heißt es in der Pressemitteilung der Polizei.

8. Mai: Ein Polizeibeamter aus dem Hochsauerlandkreis ist vorläufig vom Dienst enthoben worden. Es besteht der Verdacht, dass er der Reichsbürgerszene angehört. Nach WDR-Informationen sei der Polizist im Herbst letzten Jahres vom Niederrhein ins Sauerland gewechselt. Dort fiel er offenbar Kollegen auf – auch weil die Lebensgefährtin des Mannes in der Reichsbürgerszene aktiv sein soll.

9. Mai: Wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz durchsuchten Beamt*innen des Landeskriminalamtes im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin die brandenburgische Wohnung, das Auto sowie Dienstzimmer und den Spind eines Vollzugsbeamten der Polizei Berlin. Der 43 Jahre alte Polizeihauptkommissar soll im Laufe des Jahres 2022 in mehreren Fällen Kokain besessen und dieses auch an eine andere Person zum gemeinsamen Konsum abgegeben haben.

10. Mai: Am 14. September 2022 sollte der an Schizophrenie erkrankte Medard Mutombo von der Berliner Polizei in die geschlossene Psychiatrie gebracht werden, doch der 64-Jährige kollabierte nach einem gewaltvollen Polizeieinsatz und starb drei Wochen später in der Charité. Das eingeleitete „Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Beamte der Berliner Polizei wegen Körperverletzung im Amt“ hat die Staatsanwaltschaft nun eingestellt, berichtet der rbb. Die Ermittlungen hätten „nicht zu einem konkreten Tatverdacht gegen einen oder mehrere der an dem Einsatz […] beteiligten Polizeibeamten geführt“. Ein Fehlverhalten sei nicht zu erkennen, „und zwar weder in vorsätzlicher noch in fahrlässiger Form“.

11. Mai: Ein Polizist und eine Polizistin vom 1. Revier in Frankfurt sind bereits seit viereinhalb Jahren von ihren Aufgaben entbunden, weil noch immer nicht geklärt ist, ob sie unrechtmäßig die Daten der Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz von einem Dienstcomputer abgefragt haben. Ihre Bezüge bekommen die beiden allerdings weiterhin, berichtet die Frankfurter Rundschau. Beide gehören auch zu den fünf Polizeibeamt*innen, die in einer Chatgruppe rassistische und nationalsozialistische Nachrichten austauschten. Das Landgericht hatte es abgelehnt, einen Prozess gegen sie zu eröffnen, dagegen hat die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. Gegen drei von ihnen wurde eine vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen. Bei zwei davon wurden nach Auskunft des Innenministeriums die Bezüge um 40 und 50 Prozent gekürzt. Beim dritten Beamten sei dies aufgrund „der persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten“ derzeit nicht möglich.

13. Mai: Bei einer Festnahme in Berlin-Steglitz soll ein Polizist einen 21-jährigen Verdächtigen ins Gesicht getreten haben. Zuvor soll der Verdächtige den Beamten mit der Faust die Nase blutig geschlagen haben. Gegen den Beamten wurde ein Verfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt eingeleitet.

13. Mai: Von der Polizeischule in Meiningen/ Thüringen werden weitere Fälle frauenverachtenden Verhaltens berichtet. Insgesamt acht Sachverhalte befänden sich in der Prüfung, so das Innenministerium. Fünf davon sind bekannt und führten bereits im vergangenen Jahr zu Versetzungen innerhalb der Thüringer Polizei. Dazu bestätigt das Innenministerium insgesamt drei weitere Fälle, die geprüft würden. In zwei Fällen stehen Polizeianwärter im Fokus. Die Vorfälle sollen sich im Januar und Mai 2023 ereignet haben. Hier würden, heißt es vom Innenministerium, „derzeit Straf- bzw. Disziplinarverfahren gegen Polizeianwärter“ geführt.

26. Mai: Die Klimaaktivistin Carla Hinrichs wirft der Berliner Polizei vor, sie bei einer Razzia mit vorgehaltener Waffe geweckt zu haben. Deshalb ermittelt das Dezernat des Landeskriminalamts, das für Beamtendelikte zuständig ist, gegen an der Durchsuchung in Berlin beteiligte Polizist*innen. „Man kann es sich kaum vorstellen. Man kennt es nur aus dem Film. Plötzlich wacht man auf, weil gegen deine Tür gedonnert wird. Und plötzlich steht ein Polizist mit schusssicherer Weste an deinem Bett und richtet eine Waffe auf dich. … Das macht Angst“, schreibt Hinrichs auf Twitter.

Polizei und Datenschutz:

16. Mai: Der sächsische Datenschutzbericht 2022 stellt für die Polizei teilweise gravierende Defizite fest. Anträge hätten demnach unzureichende Angaben zu Art und Umfang der geplanten Maßnahme enthalten. Betroffene Personen seien nach Abschluss der Maßnahme nicht korrekt informiert worden. Daten seien nicht wie vorgeschrieben gelöscht worden. Das polizeiliche Auskunftssystem sei illegal für private Zwecke genutzt worden, so sei etwa die Handynummer einer Frau herausgesucht und kontaktiert worden. Bei 74 Verfahren, die im vergangenen Jahr gegen öffentliche Stellen eingeleitet wurden, habe es sich in 75 Prozent der Fälle um Polizeibeamt*innen gehandelt.

22. Mai: Die Berliner Datenschutzbeauftragte kritisiert in ihrem Jahresbericht für 2022 die unbefugte Nutzung der Polizeidatenbank POLIKS und von Kontaktdaten aus dem Polizeidienst. Insgesamt seien 18 Verfahren gegen Polizeibedienstete eingeleitet und 16 Bußgeldbescheide mit insgesamt 124 Bußgeldern gegen Polizeibedienstete erlassen worden. In einem vorliegenden Fall habe ein Polizeibeamter die Telefonnummer eines Einbruchsopfers, die er im Rahmen eines Polizeieinsatzes dienstlich in Erfahrung gebracht hatte, in sein privates Mobiltelefon gespeichert, um die Frau danach sexuell motiviert zu kontaktieren. In einem anderen Fall hat ein Polizeibeamter die Handynummer einer Frau, die ihm im Rahmen seines Notrufdiensts bekannt geworden war, ebenfalls zur privaten Kontaktaufnahme genutzt.

Polizeischüsse:

17. Mai: In einer Unterkunft für Geflüchtete in Hannover hat ein Polizist mehrere Schüsse auf einen Bewohner abgegeben. Der 25 Jahre alte Mann soll gegen die Hausordnung verstoßen haben, sagte eine Polizeisprecherin dem NDR. Als die Beamten eintrafen, sei er mit einem Messer auf sie zugekommen. Der Getroffene wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht.

30. Mai. In Rostock schießt die Polizei auf einen 57-Jährigen, der mit einem Messer auf Polizeibeamt*innen zugelaufen sein soll. Die Schüsse hätten ins in Bein und in den Oberkörper getroffen. Der aus Syrien stammende habe in einem Mehrfamilienhaus zunächst Anwohner*innen und dann Polizeibeamt*innen mit einem Messer bedroht und dann in seine Wohnung zurückgezogen haben. Zu diesem Zeitpunkt habe die Polizei aucvh den Sozialpsychiatrischen Dienst „einbezogen“.

Anklage gegen Polizist*innen:

23. Mai: Das Amtsgericht Göttingen hat einen Polizisten vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt freigesprochen. Vier Beamte, darunter der nun freigesprochene 33-jährige, hatten im Juli 2021 einen betrunkenen 30-Jährigen kontrollieren wollen. Der Polizist soll versucht haben, ihn mit einem sogenannten Kopfkontrollgriff zu fixieren, was in einem Gerangel endete. Der Polizist habe größtenteils in Notwehr gehandelt, so die Richter. „Nur die letzten beiden Schläge seien rechtswidrig gewesen“, berichtet der NDR, diese wollte der Richter aber nicht bestrafen.

Beitragsbild: Polizeikessel am 1. Mai in Berlin (Oliver Feldhaus).

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.