Polizeiproblem 6/2023

Ermittlungen gegen Polizist*innen:

1. Juni: Der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes Berlin ermittelt seit dem 10. Mai 2023 gegen einen Mitarbeiter des Personalrats, der auf privaten Nutzerkonten in sozialen Netzwerken unter anderem gegen Klimaaktivist*innen („In einen Wald bei Stalingrad verbringen“) und Geflüchtete („Asylvolk“) hetzte und Sympathie mit der AfD bekundete.

6. Juli: Die Bundespolizei hat wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Beamtengesetz hat ein Disziplinarverfahren gegen die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein eingeleitet. Pechstein hatte offenbar bei einem Auftritt in Dienstuniform beim CDU-Grundsatzkonvent am 17. Juni ohne Erlaubnis oder Gestattung ihrer Vorgesetzten Dienstkleidung getragen und damit gegen die Polizeidienstvorschrift verstoßen.

13. Juni: Ein Berliner Beamter des zum LKA gehörenden Mobilen Einsatzkommandos soll am 11. März eine 35-jährige Kollegin mit K.-o.-Tropfen betäubt und auf der Dating-App Grindr „angeboten“ haben. Bei einer Durchsuchung habe die Polizei zwei Tütchen mit möglicherweise Drogen bei ihm gefunden. Ein Haftbefehl wurde gegen den 36-Jährigen nicht erlassen worden, da keine Fluchtgefahr bestehe. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines Sexualdeliktes nach § 177 StGB.

18. Juni: Die Brandenburger Poliei ermittelt gegen zwei Beamte, die beim „Tag der Bundeswehr“ in Brandenburg/Havel einen Mann bei einem friedlichen Protest mit einem Schmerzgriff abführen, obwohl dieser bereits im Gehen begriffen war. Dabei wird der Mann sogar zu Boden gedrückt. „Ich habe ihn umgelegt“, hat einer der Polizisten ausweislich eines Videos dazu kommentiert. „Gehen Sie beiseite, sonst lege ich Sie daneben“, drohte dieser.

20. Juni: Ein Polizist des 1. Frankfurter Polizeirevier mit arabischem Vornamen, der im vergangenen Jahr aus der eigenen Dienstgruppe gemobbt wurde, hat sich im Oktober auf ein anderes innenstadtnahes Revier versetzen lassen. Gegen die mutmaßlichen Täter*innen laufen strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Beleidigung und üble Nachrede. Zudem seien in dem bereits wegen des sogenannten „NSU 2.0“ und der Chatgruppe „Itiotentreff“ bekannte Sachverhalte bekanntgeworden, die den Anfangsverdacht auf „weitere, individuelle Pflichtverletzungen“, Beleidigung und üble Nachrede begründet hätten, schreibt die Frankfurter Rundschau. Die Leitung des Frankfurter Präsidiums habe daher von Amts wegen Anzeige erstattet. Außerdem seien Disziplinarverfahren eingeleitet und Beamt*innen umgesetzt worden.

25. Juni: Die wegen Chats mit Hitlerbildern sowie rassistischen und frauenfeindlichen Inhalten in Nordrhein-Westfalen seit letztem Jahr geführten Ermittlungen wurden fast alle eingestellt. Die ehemals beschuldigten 15 SEK-Polizisten müssen keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten. Bei 13 Verfahren sah die Staatsanwaltschaft keinen Tatverdacht, da es in der kleinen Chatgruppe an Öffentlichkeit gefehlt habe. Zwei weitere Polizisten sollen Mitte Mai nach § 153a StGB vierstellige Geldauflagen für Postings sexualisierter Darstellungen von Kindern oder Jugendlichen gezahlt haben, da dies erst seit 2021 ein Verbechen darstellt. Beim 16. Beschuldigten steht dessen Stellungnahme zu einem Vorschlag der Staatsanwaltschaft zur Einstellung noch aus.

30. Juni: Von einst 157 Ermittlungsverfahren der Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Polizeigewalt beim G20-Gipfel sind nunmehr nahezu alle eingestellt. In einem Fall habe laut dem „Spiegel“ im August 2022 jedoch die Generalstaatsanwaltschaft übernommen, nachdem das Opfer erfolgreich Berufung einlegte. Dieses Verfahren wegen Verdacht auf gefährliche Körperverletzung im Amt richtet gegen drei Beschuldigte einer Einheit aus Baden-Württemberg, bei denen es auch Durchsuchungen und Beschlagnahmen von Datenträgern gegeben hat. Das Opfer ist die Tänzerin Lola D., der mit einem Polizeiknüppel das Wadenbein gebrochen und die Anlage ihrer Musikgruppe zertrümmert wurde. Von dem Vorfall gibt es ein Video.

Polizeiliche Todesschüsse:

6. Juni: Gegen 10.15 Uhr sei der Polizei in Ingolstadt mitgeteilt worden, dass sich eine Person im Osten der Stadt in einer psychischen Ausnahmesituation befinden soll. Der von den Beamt*innen unbekleidet auf Bahngleisen angetroffene 35-Jährige soll seinen Suizid angekündigt haben, eine polizeiliche Verhandlungsgruppe und Spezialkräfte hätten über mehrere Stunden vergeblich versucht, ihn zur Aufgabe zu überreden. Ein Festnahmeversuch sei am Widerstand des Mannes gescheitert, auch Pfefferspray sei eingesetzt worden. Dann sei das spätere Opfer unvermittelt aus einem Gebüsch gesprungen und mit einem „großen Stück Holz“ auf einen SEK-Beamten zugelaufen, dieser habe geschossen.

Einsatz von Taser:

6. Juni: Nachdem ein angeblich mit einem Messer bewaffneter Mann in Bremen Passant*innen mit einem Messer bedroht habe, überwältigten Spezialkräfte der Polizei den 30-Jährigen mit einem Taser. Vorher hätten herbeigerufene Polizist*innen ihre Waffen gezogen und den Mann auf Abstand gehalten. 17 Minuten lang sei versucht worden, ihn davon zu überzeugen, das Messer fallen zu lassen. Der Mann wurde vorläufig in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.

9. Juni: In Bremerhaven haben Polizisten eine mit einer Machete und einem Messer bewaffnete 19-Jährige mit mithilfe eines Tasers überwältigt. Die Frau sei laut Polizei in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen und im Stadtteil Geestendorf herumgelaufen und habe dabei geschrien. Den Angaben zufolge ging sie „bedrohend auf die Polizisten zu“. Die Frau wurde leicht verletzt, die Polizist*innen hätten noch „weitere Waffen bzw. gefährliche Gegenstände“ bei ihr gefunden.

19. Juni: Bremer Spezialkräfte haben im Stadtteil Hemelingen einen 28-Jährigen getasert. Laut Polizeiangaben soll in seiner Wohnung randaliert und versuchte haben, diese in Brand zu setzen. Der Mann habe sich gewalttätig und unberechenbar verhalten und Polizist*innen mit Mobiltelefonen, Flaschen und anderen Gegenständen beworfen.

Verletzt durch Polizeischüsse:

7. Juni: Nachdem sich die Polizei in Bad Salzuflen eine Verfolgungsjagd mit einem Mann lieferte, stoppten sechs Beamt*innen den Fahrer Bilel G. mit mehr als 34 Schüssen. Der 19-Jährige wurde nach Angaben von Angehörigen ohne Vorwarnung sechsmal getroffen; zwei Kugeln trafen ihn demnach in die Brust, eine in den rechten Unterarm sowie eine in den rechten Oberarm, eine weitere unter den Rippenbogen und eine in den Rücken. G. bleibt deshalb womöglich querschnittsgelähmt. Die Polizist*innen waren mit Bodycams ausgestattet und die Streifenwagen mit Dashcams, jedoch  gibt es nach Behördenangaben keine polizeilichen Videos von dem Einsatz. Ob der Tatverdächtige gezielt auf Beamt*innen zufuhr, bezweifelte die Polizei in einer zweiten Pressemitteilung. Ein Polizeibeamter soll leichte Verletzungen erlitten haben, sechs weitere seien „aufgrund der Geschehnisse in einem Schockzustand“ gewesen und daher als leicht verletzt eingestuft worden. Bei dem Einsatz sollen vor allem junge Polizist*innen aus Herford und Lippe vor Ort gewesen sein, „einige“ der sechs Schütz*innen sollen jünger als 25 Jahre sein, darunter auch Beamt*innen auf Probe.

11. Juni: Bei einem Polizeieinsatz im hessischen Roßdorf hat ein Beamter einen Mann mit einem Schuss schwer verletzt. Der 50-Jährige soll zuvor seine Ehefrau geschlagen und bedroht haben.

22. Juni: Neben einer Flüchtlingsunterkunft am Hauptbahnhof in Mülheim im Ruhrgebiet hat Polizei auf einen Mann geschossen und ihn lebensgefährlich verletzt. Laut einer Mitteilung der Polizei und Staatsanwaltschaft seien die Beamt*innen in der Nacht wegen einer Messerstecherei zum Bahnhof alarmiert worden. Sie seien von dem Mann bedroht worden, der ein Messer und eine abgeschlagene Flasche in der Hand gehalten habe. Angeblich kam der Mann „bedrohlich auf die Beamten zu, sodass es zum Einsatz der Schusswaffe kam“. Die Bodycams der Polizist*innen seien eingeschaltet gewesen.

Verurteilungen von Polizist*innen:

15. Juni: Eine frühere leitende Beamtin der Polizeiinspektion Northeim soll polizeiinterne Informationen an ein führendes Mitglied der Rockergruppierung „Hells Angels“ weitergegeben haben. Das Amtsgericht Northeim hat gegen diese einen Strafbefehl Verletzung des Dienstgeheimnisses über 90 Tagessätze zu je 60 Euro (insgesamt 5400 Euro) verhängt.

 

Beitragsbild: Bundespolizei.

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.