Schlagwort-Archive: Berlin

Kommentar: Wahlkampfgebiet Nordkiez

Seit einigen Monaten kommt der Friedrichshainer Nordkiez in Berlin aus den Schlagzeilen nicht mehr heraus. Das hat weniger mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung vor Ort zu tun, sondern vor allem mit dem Wahlkampf in der Hauptstadt. Denn in Berlin wird im September ein neues Abgeordnetenhaus gewählt.

Der attraktive innerstädtische Friedrichshainer Nordkiez steht unter einem enormen Aufwertungsdruck. Die Mietpreise steigen rasant, die alteingesessenen Bewohner*innen werden seit Jahren verdrängt. Gleichzeitig wohnen und leben hier die Reste der Hausbesetzerszene in einigen Wohnprojekten und Szenetreffs. Treffpunkt ist regelmäßig der „Dorfplatz“, wie die Kreuzung von Liebigstraße und Rigaerstraße genannt wird. Kommentar: Wahlkampfgebiet Nordkiez weiterlesen

Versammlungsfreiheit in Berlin – ein datenschutzrechtliches Trauerspiel in zwei Akten

In den vergangenen Monaten wurde durch die Berichterstattung auf Netzpolitik.org und Heise.de bekannt, dass die Berliner Polizei nicht nur umfangreiche Datensammlungen über AnmelderInnen von Versammlungen vorhält, sondern dass Informationen aus Gefährdungsbewertungen und Abschlussmeldungen (so heißen die Verlaufsberichte in Berliner Amtsdeutsch) ganz selbstverständlich an den Inlandsgeheimdienst weitergereicht werden.

Zwei Abgeordnete des Berliner Parlaments haben die kritischen Berichte zum Anlass genommen, den Senats zu den Missständen zu befragen. Versammlungsfreiheit in Berlin – ein datenschutzrechtliches Trauerspiel in zwei Akten weiterlesen

Praktizierte Distanz zur Polizei – Erfahrungen in der Straßensozialarbeit mit Jugendlichen

Interview mit Christian Schramm, Gangway e.V.

Keine Weitergabe personenbezogener Daten, keine Angaben zu konkreten Personen oder Gruppen an die Polizei – dieser Grundsatz müsse durchgehalten werden, sagt der Sozialarbeiter Christian Schramm. Norbert Pütter befragte ihn über seine Erfahrungen mit Jugendlichen und Polizei.

Der 1990 gegründete Verein „Gangway e.V.“ ist der größte Träger von Straßensozialarbeit in Berlin. Rund 70 SozialarbeiterInnen arbeiten gegenwärtig in 23 Teams. In den 14 regionalen Teams, die jeweils mit drei Personen besetzt sind, wird klassische Straßensozialarbeit mit Jugendlichen gemacht.[1] Unser Interviewpartner arbeitet im „Team Tiergarten“ im Stadtteil Moabit, der zum Bezirk Mitte gehört. Praktizierte Distanz zur Polizei – Erfahrungen in der Straßensozialarbeit mit Jugendlichen weiterlesen

Verfassungsschutz an Schulen? Wie der Geheimdienst politische Bildungsarbeit betreibt

von Heiko Stamer

MitarbeiterInnen des Verfassungsschutzes gehen immer häufiger an Schulen, um dort in ihrem Sinne präventiv auf SchülerInnen einzuwirken. Antworten auf parlamentarische Anfragen in vier Bundesländern zeigen ansatzweise die Dimension und Begründungsmuster des neuen geheimdienstlichen Arbeitsfeldes.

Beginnen wir in Berlin: Im Dezember 2012 gab Bernd Palenda über die Springer-Presse die Parole aus: „Wir müssen noch näher an den Bürger heran.“[1] Unter anderem mit „gezielten Informationsangeboten“ für Schulen und „gesellschaftliche Gruppen“ wollte der damals noch kommissarische Chef des Berliner Verfassungsschutzes das im Zuge der NSU-Mordserie lädierte Vertrauen in seinen Dienst verbessern. Verfassungsschutz an Schulen? Wie der Geheimdienst politische Bildungsarbeit betreibt weiterlesen

Informationelle Fremdbestimmung: Eine Odyssee durch Staatsschutz-Datenbanken

von Harun Spies

Mehr als zwei Jahre dauerte der Kampf eines Betroffenen um vollständige Auskunft und Löschung der Daten, die das Bundeskriminalamt und der Berliner Staatsschutz über ihn gespeichert hatten.

Nüchtern klingt die Schilderung eines gravierenden Rechtsbruchs im Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI): „Wie eine Kontrolle der Zentraldatei ‚Politisch motivierte Kriminalität – links’ (PMK-links-Z) ans Licht brachte, sind viele personenbezogenen Speicherungen ohne hinreichende Rechtsgrundlage erfolgt.“[1] Bei einem Kontrollbesuch im Bundeskriminalamt (BKA) hatte der BfDI festgestellt, dass „Anmelder von Versammlungen als ‚sonstige Personen‘ in der Zentral­da­tei gespeichert“ waren. Informationelle Fremdbestimmung: Eine Odyssee durch Staatsschutz-Datenbanken weiterlesen

Gemeingefährlich – Gefahrengebiete bescheren der Polizei Sonderbefugnisse

von Christian Schröder

Nachdem die Hamburger Polizei im Januar 2014 große Teile des Bezirks Altona zum „Gefahrengebiet“ erklärte, sind die polizeirecht­lichen Befugnisse zur verdachtsunabhängigen Kontrolle an bestimmten Orten bundesweit zum ersten Mal seit vielen Jahren zum Gegenstand einer breiten politischen Debatte geworden.

Der spektakulären Einrichtung des „Gefahrengebiets“ und der damit verbundenen Ermächtigung zu verdachtsunabhängigen Kontrollen am 4. Januar 2014 waren Proteste gegen die Räumung der Roten Flora, die städtische Flüchtlingspolitik und den Abriss der Esso-Häuser vorausgegangen. Zwar ließ sich die polizeiliche Version eines Angriffs auf die Davidwache und der schweren Verletzung eines Beamten nicht halten. Dennoch begründete die Polizei ihre Maßnahme mit einem „hohen Aggressionspotential gegenüber Polizeibeamten und polizeilichen/staat­lichen Einrichtungen“.[1] Städtische Protestakteure skandalisierten erfolgreich die Sonderkontrollzonen. Am 9. Januar wurde das Gefahrengebiet verkleinert, am 13. Januar ganz aufgehoben. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verteidigte die „Gefahrengebiete“ vehement gegen jede Kritik, und Innensenator Michael Neumann (SPD) nannte sie „eine Erfolgsgeschichte“.[2] Gemeingefährlich – Gefahrengebiete bescheren der Polizei Sonderbefugnisse weiterlesen

Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2012: Mehr Racial Profiling, weniger aufgeklärte Fälle

von Angelina Weinbender

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2012[1] schien wieder einmal zu bestätigen, dass die Kriminalität zugenommen habe und dafür vor allem die „nicht-deutschen Tatverdächtigen“ verantwortlich seien. Was bleibt von den Gewissheiten, wenn man die Statistik richtig liest?

Die PKS ist ein jährlich vom Polizeipräsidenten herausgegebener Bericht, der polizeiliche Tätigkeitsdaten enthält. Der Bericht für das Jahr 2012 umfasst über 200 Seiten mit über 200 Tabellen und Diagrammen. Er bedarf fünf Seiten an „Vorbemerkung und Begriffserläuterungen“ und bietet eine fünfseitige Zusammenfassung der Kernaussagen.

Im Allgemeinen ist die PKS ein Instrument zur Regulation von Verwaltungshandeln, mit dem Polizeihandeln dokumentiert und zukünftiges Handeln legitimiert werden kann. Die überwiegend tabellarische Darstellung erfordert eine besondere Lesekunst (und ein besonderes Leseinteresse), die auf ein begrenztes Lesepublikum trifft. Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2012: Mehr Racial Profiling, weniger aufgeklärte Fälle weiterlesen

Never ending story – Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen

von Otto Diederichs

Die obligatorische Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen mit Dienstnummern oder Namensschildern steht zwar immer wieder auf der politischen Tagesordnung. Auch unter der „rot-roten“ Landesregierung in Berlin ist die Identifizierbarkeit der BeamtInnen jedoch bisher nur ein Projekt.

„Ich habe sehr viel von diesen Demokraten gelernt, es muss dahin gestrebt werden, dass sie ihren Einfluss verlieren, dadurch dass die Polizei bessere Dinge bringt“.[1] So begründete der im November 1848 nach der Niederschlagung der Revolution eingesetzte Berliner Polizeipräsident Karl Ludwig Friedrich Freiherr von Hinckeldey, ein bürokratischer Reaktionär, die Kennzeichnung seiner Beamten. In den ersten Jahren seiner Amtszeit (bis 1856) trugen die Berliner „Schutzmänner“ noch eine betont bürgerliche Uniform: einen Zweireiher und einen Zylinder, auf dem gut sichtbar die Dienstnummer angebracht war. Schon 1852 wurde der Hut durch den Helm ersetzt, die Dienstnummer rutschte auf die Schulterklappe, war logischerweise erheblich kleiner und kaum mehr zu erkennen. Anfang des 20. Jahrhunderts verschwand dieses Überbleibsel der gescheiterten bürgerlichen Revolution ganz. Never ending story – Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen weiterlesen

Mal so, mal anders – Erfahrungen mit Polizei-Pressestellen

von Otto Diederichs

ReporterInnen verlangen von polizeilichen Pressestellen Transparenz sowie genaue und aktuelle Information – auch dann, wenn es um das Innenleben des Apparates geht.

Eine Journalistin einer überregionalen Tageszeitung hatte vor nicht all zu langer Zeit ein Erlebnis der besonderen Art mit der Pressestelle des Bundeskriminalamtes (BKA). Nach einer Anfrage zu einer eventuellen Bedrohung Deutschlands durch den islamistischen Terrorismus musste sie zu ihrer Überraschung feststellen, dass das Amt sie plötzlich als mögliche Zeugin führte. In der BKA-Pressestelle hatte man über ihren inhaltlich detaillierten Fragenkatalog ein Protokoll angefertigt und dieses an die zuständige Fachabteilung weitergeleitet. Dies war eher ungewöhnlich, zeigt jedoch auf bizarre Art das Spannungsverhältnis zwischen Polizei und Medien. Mal so, mal anders – Erfahrungen mit Polizei-Pressestellen weiterlesen

„Ordnung muss sein“ – Ein Jahr „Kiezstreifen“ der Berliner Ordnungsämter

von Roland Otte

Im September 2004 traten die ersten Außendienstmitarbeiter der bezirklichen Ordnungsämter in Berlin ihren Dienst an. Vorangegangen war eine lange Debatte um Kompetenzen und Bewaffnung der „Kiezstreifen“. Für Bürgerinnen und Bürger bleibt undurchsichtig, was die nichtpolizeilichen Ordnungshüter eigentlich dürfen.

In Großstädten wie Berlin tun Menschen so einiges, was zwar nicht kriminell, aber nicht erlaubt ist: Abfall fallen lassen, falsch parken, auf Gehwegen Rad fahren, den Hund ohne Leine laufen lassen, ohne Genehmigung Straßenfeste feiern usw. Polizeibeamte haben in der Regel andere Dinge zu tun, als sich intensiv um Ordnungswidrigkeiten zu kümmern. Zwar wird die Polizei auch im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig, wenn dies durch eine andere Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint.[1] Eigentlich ist die Gefahrenabwehr jedoch Aufgabe der Ordnungsbehörden.[2] Die Ordnungsaufgaben sind auf eine Vielzahl von Fachbehörden verteilt, im Stadtstaat Berlin zudem differenziert nach Landesebene und Bezirksebene. Diese Gemengelage zu straffen und personelle Voraussetzungen für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zu verbessern, waren die Ziele des Senats bei der Einrichtung einheitlicher bezirklicher Ordnungsämter. „Ordnung muss sein“ – Ein Jahr „Kiezstreifen“ der Berliner Ordnungsämter weiterlesen