Schlagwort-Archive: Datenbanken

(K)ein Grund zur Panik? Staatliche Überwachung und bürgerrechtliche Kritik

Interview mit drei unabhängigen Datenschützern

Seit die ersten Mainframe-Computer in den 70er Jahren im Rechenzentrum des Bundeskriminalamtes in Betrieb gingen hat der informationstechnische Fortschritt die Polizeiarbeit revolutioniert. Atemlos eilen Recht und Datenschutz dem wachsenden Potenzial zur unkontrollierten Überwachung hinterher. Was sich verändert hat, welche Gefahren sich daraus ergeben und wie die Chancen stehen, die Entwicklung bürgerrechtlich einzuhegen, diskutierten Markus Dengel, Sönke Hilbrans und Constanze Kurz. Die Fragen stellte Eric Töpfer. (K)ein Grund zur Panik? Staatliche Überwachung und bürgerrechtliche Kritik weiterlesen

Ein Gesetz, das niemals untergeht. Terrorismus-Bekämpfungs-Ergänzungs-Verlängerungsgesetz

von Mark Holzberger

Sicherheitspolitik als Selbstbedienungsladen: Zehn Jahre nach dem 11. September 2001 führt Schwarz-Gelb vor, wie man bei der Verlängerung von Terrorismusgesetzen gleich auch noch die gesetzlich vorgeschriebene Evaluation ad absurdum führt.

In der Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 erweiterte die damalige rot-grüne Bundesregierung Anfang 2002 mit dem Terrorismusbekämpfungs­ge­setz (TBG) die Befugnisse insbesondere der Geheimdienste des Bundes signifikant. Der Entwurf des TBG war von allen Bürgerrechtsorganisationen heftig kritisiert worden.[1] Daher waren dem grünen Koalitionspartner zwei Aspekte beim TBG besonders wichtig: Zum einen, dass nach wochenlangem Fingerhakeln mit dem Bundesinnenministerium (BMI) hohe Hürden für die neuen Kompetenzen der Geheimdienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV), Bundesnachrichtendienst, BND, Militärischer Abschirmdienst, MAD) verankert werden konnten, die deren „sparsamen Gebrauch“ garantieren sollten. Und, dass zwei neue Instrumente ins deutsche Sicherheitsrecht eingeführt wurden: die Befristung und die Evaluierung der Ge­heimdienst-relevanten Regelungen des TBG bis Anfang 2007.[2] Ein Gesetz, das niemals untergeht. Terrorismus-Bekämpfungs-Ergänzungs-Verlängerungsgesetz weiterlesen

Weltpolizist Bundeskriminalamt – Von Interpol Wiesbaden zur Vorverlagerung nach Berlin

von Eric Töpfer

Seit 1951 ist das Bundeskriminalamt (BKA) Scharnier zwischen den (Kriminal-)Poli­zeien der Länder und jenen des Auslands. Mit der zunehmenden Internationalisierung seiner Arbeit hat sich das Amt zu einem wichtigen Akteur der bundesdeutschen Außen- und Sicher­heitspolitik entwickelt.

Als erster Bereich der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung startete die Kriminalpolizei am 1. Oktober 2009 einen Bachelor-Studiengang. Seither qualifiziert sich der Nachwuchs in Bologna-konform modularisierter und angeblich international vergleichbarer Weise für den gehobenen Dienst beim BKA. Das Studium, so eine Pressemitteilung, vereine „wissenschaftliche und kriminalpraktische Disziplinen mit den Anforderungen an eine enge Zusammenarbeit der Polizeidienststellen auf europäischer und internationaler Ebene“.[1] Zum Konzept gehören auch Sprachschulungen und Praktika im Ausland. Das Amt reagierte mit dem neu strukturierten Studium also nicht nur auf die Vorgaben zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums, sondern nutzte die Chance auch zur Anpassung der Ausbildung an die wachsende Internationalisierung seiner Arbeit. Weltpolizist Bundeskriminalamt – Von Interpol Wiesbaden zur Vorverlagerung nach Berlin weiterlesen

Von der Fiche zum Informationssystem – Der Schweizer Staatsschutz seit dem Fichenskandal

von Viktor Györffy

Im November 1989, kurz nach dem „Mauerfall“, flog in der Schweiz der Fichenskandal auf. Dieser zwang den Staatsschutz, sich von seiner alten Praxis zu verabschieden, und bildete gleichzeitig die Basis für dessen Erneuerung.

Am Anfang steht ein Anruf der damaligen Bundesrätin Elisabeth Kopp bei ihrem Ehemann, einem bekannten Zürcher Wirtschaftsanwalt. Die Justiz- und Polizeiministerin hat Wind bekommen von Geldwäsche-Ermittlungen gegen eine Firma, in deren Verwaltungsrat auch ihr Gatte sitzt. Sie bittet ihn, umgehend aus dem Gremium auszutreten. Als das Telefongespräch durch eine Indiskretion öffentlich bekannt wird, muss die Bundesrätin den Hut nehmen. Am 31. Januar 1989 wird eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt, die die Amts­führung des Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) durchleuchten soll. Von der Fiche zum Informationssystem – Der Schweizer Staatsschutz seit dem Fichenskandal weiterlesen

Ich sehe, was Du denkst – Anschauungsmaterial zur entgrenzten Kontrolle

von Ralf Kölbel und Susanne Selter

Kein Science Fiction: Auf US-Flughäfen müssen Reisende demnächst einen Gesichts-Scan durchlaufen. Kleinste Regungen in der Mimik sollen darüber Aufschluss geben, ob eine Person terroristische Absichten hegt.

Ein „Schläfer“ ist in erster Linie unauffällig. Das war der Ausgangspunkt und zugleich das Ergebnis der erfolglosen Rasterfahndung nach dem 11. September 2001.[1] Da er sich höchst angepasst bewegt und sich nichts zu schulden kommen lässt, wird der „Schläfer“ in keinen polizeilichen Akten oder Dateien geführt. So lange er „schläft“, ist es beinahe unmöglich, ihn zu finden. Umso wichtiger erscheint es daher, ihn nach dem „Erwachen“ frühzeitig ausmachen zu können. Und gerade dabei könnte sein Äußeres helfen – weil es nämlich womöglich seine Pläne enthüllt. Ich sehe, was Du denkst – Anschauungsmaterial zur entgrenzten Kontrolle weiterlesen

Die Rolle Europols – Von den Schwierigkeiten des polizeilichen Zentralismus

von Heiner Busch

Europol soll „enger Partner und Fokus“, „wirkliche Informationsplattform für die Mitgliedstaaten“ werden, fordert die „Zukunftsgruppe“, die den neuen Fünfjahresplan der EU-Innen­politik vorbereitete.[1] Die ständige Wiederkehr solcher Formeln zeigt die fortdauernde Skepsis der nationalen Polizeibehörden gegenüber diesem zentralistischen Konstrukt.

Das Europäische Polizeiamt hat im Juli 1999 formell seine Arbeit aufgenommen, nachdem die vier Jahre zuvor unterzeichnete Konvention von allen Mitgliedstaaten ratifiziert und in Kraft getreten war. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Vorläuferinstitution, die Europol-Drogenstelle, bereits sieben Jahre und mehrere Ausweitungen ihres Mandats hinter sich. Die Debatte um den Auftrag und die Befugnisse des Amtes ging danach jedoch erst richtig los.

Der 1999 in Kraft getretene Amsterdamer Vertrag und die „Schluss­folgerungen“ des Europäischen Rates von Tampere aus demselben Jahr forderten die Ausweitung der Tätigkeit in den operativen Bereich, was ohne eine Änderung des Vertrages nicht möglich war. Im Juli 2001 war die Europol-Arbeitsgruppe des Rates bei einer „shopping list“ von insgesamt 26 möglichen Korrekturen angelangt.[2] Die Rolle Europols – Von den Schwierigkeiten des polizeilichen Zentralismus weiterlesen

Über den großen Teich – „Transatlantische Kooperation“ gegen Bürgerrechte

von Martin Beck

Die Anschläge vom 11. September 2001 haben eine neue Dynamik der transatlantischen Zusammenarbeit ausgelöst. Ob es um Datenaustausch oder Zusammenarbeit der Dienste geht – klar ist, dass diese Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist. Zahlreiche Vorhaben zielen auf eine enge Kooperation, die traditionelle Grenzen über­schreitet.

In welche Richtung die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden in Europa und den USA geht, zeigt der im Juni 2008 vorgelegte Bericht der „Informellen Hochrangigen Beratenden Gruppe zur Zukunft der Europäischen Innenpolitik“, der so genannten Future Group.[1] Auf dessen Grundlage wollen die Staats- und Regierungschefs der EU 2009 eine gemeinsame Agenda innenpolitischer Ziele für die nächsten fünf Jahre festlegen und die EU-Kommission will einen Aktionsplan ausarbeiten. Über den großen Teich – „Transatlantische Kooperation“ gegen Bürgerrechte weiterlesen

Mobile Daten – begrenzte Kontrolle – Auf dem Weg zum europäischen Informationsverbund

von Eric Töpfer

Mit dem Auslaufen des „Haager Programms“ geht die Entwicklung des grenzüberschreitenden Informationsaustausches in eine neue Runde. Hatte die Europäische Union mit dem „Grundsatz der Verfügbarkeit“ bereits 2004 einen Paradigmenwechsel eingeleitet und fortan die Vernetzung nationaler Datenbanken vorangetrieben, ist das neue Ziel die „Konvergenz“ der Plattformen, um eine Zusammenarbeit in Echtzeit zu ermöglichen. Der Datenschutz bleibt dabei auf der Strecke.

Im April 2008 ging mit dem sTESTA-Netzwerk eine gemeinsame Kommunikationsinfrastruktur für den europaweiten Austausch von „sensiblen“ Daten in Betrieb. Das für 210 Millionen Euro von einem Konsortium aus der France-Telecom-Tochter Orange Business Services und Hewlett Packard aufgespannte sTESTA (Secured Trans-European Services for Telematics between Administrations) löste verschiedene, parallel existierende Netze ab, die bis dato nationale Verwaltungsintranets miteinander verbanden. Auf Beschluss der Europäischen Kommission, des Europäischen Polizeiamtes Europol und der Europäischen Eisenbahnagentur eingerichtet, soll es als Breitband-Backbone dem gesicherten Datenaustausch auch im Rahmen diverser europäischer Projekte und Agenturen der Polizei- und Justizzusammenarbeit sowie der Migrationskontrolle dienen, so z.B. dem Schengen-Informationssystem der zweiten Generation (SIS II), dem Datenaustausch von Fingerabdrücken der erkennungsdienstlich behandelten Asylsuchenden im Rahmen von EURODAC, dem Visa-Informationssystem (VIS), der Kommunikation des Europäischen Polizeiamtes Europol mit den Mitgliedstaaten, dem Austausch von Daten über LKW-Fahrtenschreiber im Rahmen von TACHONET, dem Kommunikations- und Informationssystem für Katastrophenfälle CECIS, den Financial Intelligence Units der nationalen Polizeibehörden zur Aufdeckung von Geldwäsche, dem europäischen Bildspeicherungssystem FADO zum Austausch von Informationen über echte und falsche Dokumente oder dem europäischen KFZ- und Führerschein-Informationssystem EUCARIS.[1] Mobile Daten – begrenzte Kontrolle – Auf dem Weg zum europäischen Informationsverbund weiterlesen