Schlagwort-Archive: Geheimdienste

Mehr Staat wagen – Innere Sicherheit und die Vorhaben der großen Koalition

von Norbert Pütter

Nicht mehr „Freiheit“, sondern mehr Staat verheißt das Regierungsprogramm für die Innere Sicherheitspolitik der nächsten Jahre: Ausweitung des Strafrechts, Ausbau von Vorfeldbefugnissen, Verflechtung von Polizei und Geheimdiensten, Verwischung von Militär- und Polizeiaufgaben … Am Ende der „zweiten Gründerjahre“, die die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung[1] ankündigte, wird der Sicherheitsstaat Deutschland weiter ausgebaut worden sein.

Ihrer Natur nach sind Koalitionsvereinbarungen Kompromisse, bei denen alle Beteiligten Abstriche von ihren eigentlichen Vorhaben machen müssen. In den Fragen Innerer Sicherheitspolitik fiel der Regierungskompromiss leicht, weil jenseits aller parlamentarisch-publizistischen Scheingefechte seit Jahrzehnten Einigkeit zwischen CDU/CSU und SPD darüber besteht, wie „Innere Sicherheit“ hergestellt werden soll. Für die Bürgerrechte ist die große Koalition im Bund die denkbar negativste Regierungsvariante, weil die rechtsstaatlich/bürgerrechtlich motivierten Skrupel, durch die sich Bündnisgrüne und – neuerdings wieder – FDP neben ihren großen Wunschpartnern zu profilieren suchten, als hemmende Elemente ausfallen. So kann die „große Koalition der Inneren Sicherheit“ nun endlich ungehindert umsetzen, was sie unter „Freiheit wagen“ versteht. Mehr Staat wagen – Innere Sicherheit und die Vorhaben der großen Koalition weiterlesen

Alter und neuer Anti-Terrorismus – Von den Entgrenzungen ungeahnten Ausmaßes

von Norbert Pütter

Der neue staatliche Anti-Terrorismus steht in ungebrochener Kontinuität zu seinem Vorgänger aus den 70er Jahren. Die Gemeinsamkeiten in der strategischen Orientierung und im reflexhaften Ruf nach dem Ausbau staatlicher Repressionsinstrumente sind unübersehbar. Der Grad der Internationalisierung, das technische Niveau der Überwachungsstrategien und die Skrupellosigkeit gegenüber demokratisch-rechtsstaatlichen Standards machen das Besondere des neuen „Kampfes gegen den Terror“ aus.

In öffentlichen Diskussionen wird häufig der Eindruck erweckt, als habe mit den Anschlägen vom 11. September 2001 die terroristische Bedrohung eine neue Qualität erlangt, die auch eine neue Qualität staatlich-polizeilicher Antworten erforderte. Blickt man zunächst auf den engeren Komplex der polizeilich-kriminalstrategischen Aktionen, so zeigt sich hier aber keine neue Qualität, sondern die forcierte Fortsetzung eines bekannten Musters: Jeder Terrorakt wird zur willkommenen Legitimation neuer polizeilicher, strafrechtlicher und/oder geheimdienstlicher Instrumente genutzt. Die Anlässe sind beliebig. Wurde gestern der Ausbau der Dienste, die Legalisierung von Straftaten Verdeckter Ermittler etc. noch mit dem Kampf gegen den internationalen Drogenhandel begründet, so muss heute die terroristische Gefahr für alles herhalten, was auf den Wunschzetteln der Exekutive und ihrer politischen Förderer steht. Terrorismus produziert die Gelegenheiten, das politisch durchsetzen zu können, was man schon immer wollte. Dass Gefahrenpotentiale dramatisiert werden, ist eine notwendige Begleiterscheinung dieses Geschäfts. Alter und neuer Anti-Terrorismus – Von den Entgrenzungen ungeahnten Ausmaßes weiterlesen

So offenkundig war es selten – Geheimdienste taugen nur für den Herrschaftsmissbrauch

Unser tägliches Geheimdienstbrot gib uns heute, aber lass uns die Schimmelstellen vermeiden. So lautet das regierungsamtliche Gebet rund um den Globus.

Ein dreifacher Stakkatoschlag. Die zwischen den Parteien ausbalancierte Kommission des amerikanischen Senats, die die Qualität geheimdienstlicher Information untersuchte, urteilte in ihrem am 10. Juli veröffentlichten Bericht vernichtend. Keine der Schlüsselinformationen traf zu, die den Bush-Krieg gegen das Regime Saddam Husseins im Irak im März 2003 weltweit öffentlich rechtfertigten. Nichts mit Massenvernichtungswaffen; nichts mit Direktverbindungen zu Al Qaida; nichts mit einer unmittelbaren Drohung, die binnen 45 Minuten über die BürgerInnen westlicher Länder hätte hereinbrechen können. Nur vier Tage später schlug der Butler-Report der britischen Regierung in dieselbe Kerbe. So wie die CIA, so hatte ihre britische Variante, der MI6, nichts als einseitig zugespitzte, prinzipiell bekannte Informationen geliefert und also vorurteilssystematisch falsch informiert. Von all dem unmittelbaren Gefahrenwesen außer Täuschungsspesen nichts gewesen. Am 22. Juli folgte der dritte Schlag: Die von der US-Regierung eingesetzte so genannte „9/11-Commission“ – auch sie zweiparteilich ausgeglichen – sollte die seismographische Gefahrenwitterung der US-amerikanischen Geheimdienste in Sachen Zerstörung der Zwillingstürme des World Trade Centers in New York und des Angriffs auf das Pentagon untersuchen. Auch ihr Bericht endete für die Geheimdienste katastrophal. CIA und FBI hatten entweder nichts oder sie hatten zu Ungenaues gewusst oder sie waren in der Fülle der Informationen, in der die „Dienste“ wie in einer riesigen Salatschüssel konkurrierend wühlten, nicht an das entscheidende Informationsblatt geraten. So offenkundig war es selten – Geheimdienste taugen nur für den Herrschaftsmissbrauch weiterlesen

Antiterroristische Triangel. EU-Terrorismusbekämpfung nach dem Anschlag in Madrid

von Mark Holzberger

Nach dem Anschlag von Madrid am 11. März 2004 hat die EU ihren Anti-Terrormaßnahmen eine neue Richtung gegeben. Künftig will sie nicht nur die Kooperation von Polizei und Geheimdiensten intensivieren, sondern auch das Militär stärker in die Bekämpfung des Terrorismus einbinden.

Nach den Anschlägen in New York hatte die EU einen 64 Punkte umfassenden „Aktionsplan zur Terrorismusbekämpfung“ vereinbart.[1] Hiervon wurde in den letzten drei Jahren u.a. Folgendes umgesetzt: Antiterroristische Triangel. EU-Terrorismusbekämpfung nach dem Anschlag in Madrid weiterlesen

Geheimdienstlicher Asylmissbrauch – Anwerbepraktiken des niederländischen Geheimdienstes

von Wil van der Schans

Der niederländische Inlandsgeheimdienst, der Allgemeine Nachrichten- und Sicherheitsdienst (AIVD), verspricht Flüchtlingen, eine Tätigkeit als Informant würde sich positiv auf ihr Asylverfahren auswirken. Ein Bericht des Büros Jansen & Janssen von Ende 2003 zeigt, wie der Dienst die unsichere Lage der Flüchtlinge und ihre Unkenntnis ausnutzt.

Die Anwerbung von Informanten unter Asylsuchenden ist eine der wenigen Aufgaben des AIVD, zu der es klare Regeln gibt. Die Mitarbeit von Flüchtlingen und Migranten darf immer nur freiwillig geschehen. Im November 2003 hat das Büro „Jansen & Janssen“, das die Arbeit von Polizei und Geheimdiensten kritisch verfolgt, in einem Bericht dargelegt, dass der AIVD diese Regeln immer wieder verletzt.[1] Geheimdienstlicher Asylmissbrauch – Anwerbepraktiken des niederländischen Geheimdienstes weiterlesen

War on Terrorism oder War on Liberty? Schlechte Zeiten für die Bürgerrechte in den USA

von Clemens Arzt

„Es ist weder wünschenswert noch wahrscheinlich, dass Bürgerrechte in Kriegszeiten eine derart wichtige Rolle einnehmen, wie im Frieden.“[1] Diese Vorhersage des Vorsitzenden Richters am US-Supreme Court ist Realität geworden, seitdem die US-Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 den „war on terrorism“ ausgerufen hat.

Ihren Krieg gegen den Terror führen die USA auch nach innen. Allein im Jahr 2003 geben sie dafür rund 40 Mrd. Dollar aus. Seit dem Homeland Security Act vom 25.11.2002 werden neue organisatorische Strukturen für die Terrorismusbekämpfung, die Einwanderung und insbesondere das Department of Homeland Security geschaffen. War on Terrorism oder War on Liberty? Schlechte Zeiten für die Bürgerrechte in den USA weiterlesen

Keine Freiheit den Feinden der Freiheit? Die NPD, der Verfassungsschutz und das Verfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht möge „feststellen“: „Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist verfassungswidrig“. So hatte der Antrag der höchsten bundesdeutschen exekutiven und legislativen Instanzen – der Bundesregierung, des Bundestags und des Bundesrats – gelautet. „Im Namen des Volkes“ hat das Gericht am 18. März 2003 „beschlossen: die Verfahren werden eingestellt.“[1]

Ob das höchste deutsche Gericht mit diesem Beschluss eine „der peinlichsten Schlappen der deutschen Innenpolitik“ besiegelt hat, kann füglich dahin gestellt bleiben.[2] Die Diskussion über das Verbot hat monate-, ja jahrelang die mehrheitlich verbotswilligen, minderheitlich verbotsgegnerischen Gemüter bewegt. „Das Gericht“ – so kommentierte zurecht die FAZ – habe, „mit seinem Beschluss, das NPD-Verbotsver­fahren endgültig einzustellen, die Anständigen im Regen stehen lassen.“ Wer aber sind die „Anständigen“, von denen FAZ-Autor Gerd Roellecke redet? „Der mündige Bürger erinnert sich gut an den staatlich organisierten Aufstand der Anständigen gegen rechts, bei dem die Anständigen unter Führung der Spitzen von Staat und Parteien die Berliner Flaniermeile gen Westen gezogen sind.“[3] Keine Freiheit den Feinden der Freiheit? Die NPD, der Verfassungsschutz und das Verfassungsgericht weiterlesen

TKÜ – Wer darf wann was. Eine Kurzübersicht

von Norbert Pütter

Das Recht der Telekommunikationsüberwachung ist unübersichtlich. Die Regelungen sind auf verschiedene Gesetze und Verordnungen verstreut; die ausufernde Gesetzessprache versteckt die Ausweitung der Überwachung häufig hinter Querverweisen und Schein-Konkretisierungen; und vermehrt treten Ort und Umstände der Kommunikation in das Zentrum der Überwachung. Im Folgenden können nur einige Grundzüge aus diesem Geflecht aufgezählt werden.

Die gesetzlichen Bestimmungen unterscheiden sich nach den Behörden, die die Telekommunikation (TK) überwachen dürfen. Das sind in Deutschland die Polizei, der Zoll und die drei Geheimdienste. In den jeweiligen Gesetzen wird zudem unterschieden zwischen der Überwachung der Kommunikationsinhalte und der Überwachung der sonstigen Daten, die bei der TK anfallen. Außerdem dient die TK zunehmend als Mittel der Ortung von Personen und der Identifizierung von TK-Anschlüssen. TKÜ – Wer darf wann was. Eine Kurzübersicht weiterlesen