Schlagwort-Archive: Justiz

Chronologie Oktober 2021

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. Oktober: Rechtsextremismus bei der Bundeswehr: Die Staatsanwaltschaft (StA) Lüneburg (Niedersachsen) ermittelt gegen neun ehemalige Bundeswehrsoldaten wegen des Verdachts, als Mitglieder einer bewaffneten Wehrsportgruppe, Anschläge auf Migrant*innen geplant zu haben. Mitte September war der Militärische Abschirmdienst (MAD) auf Hinweise darauf gestoßen. Durch Presseberichte wird am 8. Oktober bekannt, dass sich im Wachbatallion des Verteidigungsministerium eine rechte Gruppierung namens „Wolfsrudel„ gebildet hat; gegen sie wird ermittelt. Die betroffene Kompanie wird noch am gleichen Tag aus dem protokollarischen Dienst herausgenommen. Am 12. Oktober durchsucht die Polizei das Grundstück eines Bundeswehr-Hauptmanns in Aldenhoven (NRW). Dabei wird ein umfangreiches Lager mit Schusswaffen, Granaten und Minen gefunden. Der Mann wird festgenommen und am 13. Oktober dem Haftrichter vorgeführt; gegen ihn wird wegen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt. In Bayern nimmt die Polizei am 19. Oktober zwei ehemalige Bundeswehrsoldaten fest, die versucht haben sollen eine Söldnertruppe für den jemenitischen Bürgerkrieg zu gründen. Konkret wird ihnen Verabredung zu Mord und Geiselnahme sowie Pläne für Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen; es wird noch am gleichen Tag Untersuchungshaft angeordnet. Durch Presseberichte wird am 22. Oktober bekannt, dass bei dem Mitte des Monats in Aldenhoven (NRW) festgenommenen Soldaten neben einem umfangreichen Waffenlager auch radioaktives Material und zwei geheime Dossiers des Bundesnachrichtendienstes (BND) gefunden wurden. Am 26. Oktober wird durch den MAD-Report 2000 bekannt, dass der Bundeswehr-Geheimdienst im vergangenen Jahr bei der Truppe insgesamt 477 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus bearbeitet hat (2019: 363). Davon für den Bereich „Reichsbürger“ 31 Fälle (2019: 16). Insgesamt werden vom MAD aktuell 1.397 Verdachtsfälle bearbeitet, berichtet die MAD-Präsidentin in einer Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgruppe (Pkgr). Seit Jahresanfang 2021 verfügt der Bundeswehr-Geheimdienst über 1.632 Dienstkräfte (2019: 1.551). Im Prozess gegen den unter Terrorverdacht stehenden Bundeswehroffizier Franco A. sagt am 28. Oktober ein Schusswaffenexperte aus, auch im Innern seiner Waffe habe man DNA-Spuren des Angeklagten gefunden. A. wird die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat zur Last gelegt. Chronologie Oktober 2021 weiterlesen

Chronologie August 2021

zusammengestellt von Otto Diederichs und Louisa Zech

1. August: Demonstrationen gegen Corona-Auflagen: Trotz eines Demonstrationsverbotes versammeln sich in Berlin 5.000 Corona-Leugner*innen. Rund 1.000 Personen werden festgenommen; ein Mann, der versucht hatte, eine polizeiliche Sperrkette zu durchbrechen, erleidet bei seiner Festnahme eine Herzinfarkt und stirbt im Krankenhaus. Teilnehmer*innen reißen einen Journalisten vom Fahrrad und schlagen ihn zusammen. Gegen 503 Festgenommene leitet die Polizei Ermittlungsverfahren ein (59 Fälle: Widerstand / 43 Fälle: tätlicher Angriff auf Polizist*innen). Über 60 Polizist*innen werden verletzt. Zwei weitere Anti-Corona-Demonstrationen und eine Kundgebung am 2. August werden ebenfalls verboten. Am 3. August werden auch zwei, für den nächsten Tag angemeldete Demonstrationen verboten. Die Berliner Polizei teilt am 5. August mit, dass nach den ersten Anti-Corona-Demonstrationen wegen übermäßiger Gewalt Anzeigen „im mittleren zweistelligen Bereich“ gestellt wurden. Am gleichen Tag teilt der UN-Sonderberichterstatter für Folter und andere unmenschliche Behandlung mit, dass er von der Bundesregierung eine Stellungnahme verlangt. Am 7. August findet in Berlin ein Gedenkmarsch für den am Herzinfarkt verstorbenen Corona-Leugner mit etwa 350 Personen statt. Am 11. August trifft sich der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) zum Gespräch mit dem UN-Berichterstatter. Dieser bewertet das Gespräch anschließend „sehr positiv“. Am Abend des 17. August muss die Polizei die Fahrkolonne von Sachsens Ministerpräsident vor Protestierenden einer Querdenken-Versammlung absichern. Hierbei rollt das Auto des Ministerpräsidenten einer Polizeibeamtin über den Fuß. Durch Presseberichte wird am 20. August bekannt, dass nach einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Mossingen (Baden-Württemberg) 50-60 Corona-Leugner*innen den Wagen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) blockieren und mit Eiern bewerfen. Die Demonstrierenden werden von der Polizei abgedrängt, der Eierwerfer wird festgenommen. Auch am 24. August ziehen Querdenker*innen trotz bestehender Versammlungsverbote durch Berlin und versuchten dabei immer wieder ins Regierungsviertel zu gelangen. In Moabit setzt die Polizei Pfefferspray ein. Chronologie August 2021 weiterlesen

Chronologie Juli 2021

zusammengestellt von Otto Diederichs

Dschihadist*innen-Prozesse: Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (NRW) verurteilt eine Syrien-Rückkehrerin wegen Propaganda für den „Islamischen Staat“ (IS) und eines Kriegsverbrechens zu einer Haftstrafe von vier Jahren. Am 16. Juli verurteilt das Kammergericht (KG) Berlin eine IS-Rückkehrerin wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und anderer Delikte zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Das OLG Hamburg verurteilt am 22. Juli eine deutsch-tunesische IS-Rückkehrerin wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer Haftstrafe von vier Jahren (Az: 4 St 1/21). Durch Presseberichte wird am 28. Juli bekannt, dass die Bundesanwaltschaft (BAW) vor einem Gericht in Naumburg (Sachsen-Anhalt) gegen eine IS-Rückkehrerin Anklage wegen IS-Mitgliedschaft und Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhoben hat. Die Frau war 2015 als Jugendliche nach Syrien ausgereist.

NSU 2.0“-Drohschreiben: Das Land Hessen gründet einen Fonds, aus dem Kosten für den Schutz gefährdeter Personen getragen werden sollen, die durch rechtsextremistische Schreiben mit dem Kürzel „NSU 2.0“ bedroht werden. In ihrem am 12. Juli vorgelegten Bericht zu rechtsradikalen Chatgruppen in der hessischen Polizei formuliert das eingesetzte Expertengremium auch Forderungen nach einer Technik, die anonyme Abfragen von Polizeicomputern verhindert, wie dies im Falle der „NSU 2.0“-Drohschreiben geschehen ist. Diese Abfragen sind weiterhin ungeklärt. Chronologie Juli 2021 weiterlesen

Polizeigewalt und Geschlecht: Sedimente eines vergeschlechtlichten Staates

von Hannah Espín Grau

Die wenigsten Fälle übermäßiger polizeilicher Gewalt landen vor Gerichten. Ein Fall aus Köln, in dem die Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen gerichtlich festgestellt wurde, zeigt wie unter einem Brennglas, welche Rolle Männlichkeitskonstruktionen bei Anwendung und Aufarbeitung übermäßiger Polizeigewalt spielen.

Äußerst selten stimmen nach einer polizeilichen Gewaltanwendung die betroffene Person, polizeiliche Zeug*innen und ein Gericht überein, dass die Gewaltanwendung rechtswidrig war. Im Urteil des Landgerichts Köln vom 5. April 2019 (153 Ns 100/18)[1] lässt sich ein derartiger Fall nachvollziehen, der zahlreiche Anhaltspunkte für eine männlichkeitskritische Analyse bietet. Leser*innen, die keine detaillierten Schilderungen homofeindlicher Gewalt lesen möchten, mögen den nächsten Absatz überspringen. Polizeigewalt und Geschlecht: Sedimente eines vergeschlechtlichten Staates weiterlesen

Mit Strafrecht für Frauenrechte? Interview mit Christina Clemm

Christina Clemm ist Anwältin für Straf- und Familienrecht und engagiert sich gegen sexualisierte und rassistische Gewalt. Im Interview betont sie die Notwendigkeit intersektionaler Feminismen. Sie kritisiert eine mangelnde wissenschaftliche Expertise bei Polizei und Justiz zu sexualisierter und gegenderter Gewalt, und sie erläutert, warum es Strafrecht und Nebenklage zu deren Bekämpfung braucht. 

Du arbeitest als Strafverteidigerin und als Nebenklagevertreterin nicht zuletzt von Opfern sexualisierter Gewalt. Auf der Basis Deiner Praxiserfahrung, wo würdest Du sagen, drückt der Schuh am meisten in diesem Bereich?

Christina: Sexualisierte Gewalt und insgesamt geschlechtsspezifische Gewalt ist ein massives gesamtgesellschaftliches Problem, das alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens durchzieht. Es gibt sie sowohl alltäglich im sozialen Nahraum als auch in politischen Auseinandersetzungen, zum Beispiel gegen Sexarbeiter*innen auf der Arbeitsstelle, in Wohnprojekten, auf Festivals. Es gibt sie besonders häufig gegen Frauen mit Beeinträchtigungen und gegen Menschen, die zusätzlich rassistisch diskriminiert werden, gegen Transpersonen, homosexuelle Personen. Grundsätzlich kann sie jedoch überall vorkommen. Aber sie wird weiterhin individualisiert, statt strukturell analysiert und bekämpft. Mit Strafrecht für Frauenrechte? Interview mit Christina Clemm weiterlesen

Chronologie Mai 2021

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. Mai: Mai-Demonstrationen: In Berlin demonstrieren rund 10.000 Radfahrer*innen durch ein Villenviertel. In einem anderen Stadtteil versammeln sich etwa 200 Corona-Leugner*innen. Bei der „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ mit mindestens 20.000 Teilnehmer*innen kommt es nach einem unvermittelten polizeilichen Angriff  massiven Ausschreitungen. Über den Tag verteilt werden in Berlin 354 Personen festgenommen; 93 Polizist*innen werden verletzt, davon drei schwer. Nach Ansicht des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Berlin waren die Ausschreitungen nicht geplant. In Hamburg sind mehrere Demonstrationen und Kundgebungen aus Infektionsschutzgründen verboten. Dennoch versammeln sich rund 80 Demonstrant*innen des linken Spektrums. Als die Polizei den Zug stoppt. kommt es zu ersten Handgreiflichkeiten; eine 40-köpfige Gruppe wird eingekesselt und in Gewahrsam genommen. Bei einer Kundgebung in Leipzig (Sachsen) mit 200 Teilnehmer*innen wird die Polizei mit Böllern beworfen; eine Gruppe von 20 bis 30 Personen wird festgesetzt. An einem AfD-Autokorso in Erfurt (Thüringen) beteiligen sich 240 Fahrzeuge. In Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) beteiligen sich etwa 230 Menschen an einem NPD-Aufzug, auch in Essen (NRW) demonstrieren NPD-Anhänger*innen. Chronologie Mai 2021 weiterlesen

Chronologie April 2021

Zusammengestellt von Otto Diederichs

1. April: Polizeischüsse: In Euskirchen (NRW) nimmt ein Mann einen Hotelangestellten als Geisel und verlangt Lösegeld. Die Polizei überwältigt den Täter durch einen Schuss in die Hüfte. In Krumbach (Bayern) hält sich am gleichen Tag ein Mann unbefugt auf einem fremden Grundstück auf und weigert sich, dieses zu verlassen. Als er eine Polizistin mit einem spitzes Gegenstand angreift, schießt ihr Kollege mehrfach auf den Mann und verletzt ihn schwer. In Hilden (NRW) bedroht ein Mann Polizeibeamte mit einem Schwert, die Beamten schießen ihm daraufhin ins Bein. Er kommt schwerverletzt ins Krankenhaus. Am 21. April greift in Bayreuth (Bayern) ein Mann seinen Vater an und verbarrikadiert sich dann in seinem Zimmer. Als Polizisten das Zimmer stürmen, greift er sie mit einem Messer an. Dann schießt ihm ein Beamter in die Hand. In Haßfurt (Bayern) geben Polizeibeamte am 22. April bei der Festnahme von Drogenhändlern zwei Warnschüsse ab um deren Flucht zu stoppen. Vier Verdächtige werden festgenommen; 7,5 kg Marihuana und eine größere Menge Bargeld werden sichergestellt. Bei einer Fahrzeugkontrolle in Berlin schießt am 24. April ein Polizeibeamter auf die Motorhaube des Wagens, als der Fahrer angeblich plötzlich auf ihn zu beschleunigt; dieser kann flüchten. Chronologie April 2021 weiterlesen

Chronologie März 2021

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. März: Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen: Durch Pressemeldungen wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft (StA) Duisburg ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beamten der Wache Mülheim/Ruhr (NRW) wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet hat. Er hatte 2019 bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt einen kosovarischen Mann, der für den Täter gehalten wurde, gefesselt und dann mehrfach geschlagen. Dies war in den Einsatzprotokollen vertuscht worden, bis eine Kollegin sich offenbart hatte. Insgesamt wird somit gegen fünf Beamte ermittelt. Gegen den Haupttäter wird außerdem wegen rechtsradikaler Chatnachrichten ermittelt. Durch Presseberichte wird am 11. März bekannt, dass sechs Kommissaranwärter im Zuge von Ermittlungen gegen eine rechte Chatgruppe in der Polizei NRW entlassen wurden. Am 18. März wird bekannt, dass das Landeskriminalamt (LKA) Bremen gegen einen seiner Kollegen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, gewerbsmäßigem Betrug und Verrat von Dienstgeheimnissen ermittelt. Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch ein anonymes Schreiben. Am gleichen Tag durchsuchen Polizeibeamte in Bremen insgesamt 23 Wohnungen und Geschäftsräume wegen Drogenhandel, Bestechlichkeit und Geldwäsche. Vier Personen werden festgenommen, darunter auch der verdächtige LKA-Beamte und ein weiterer Polizist. Chronologie März 2021 weiterlesen