Schlagwort-Archive: Justiz

Chronologie Februar 2021

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. Februar: Rechtsextremer Mordanschlag: Durch Presseberichte wird bekannt, dass die Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen (Hessen), deren Schüler*innen für eine harte Verfolgung rechtsextremer Taten demonstriert hatten, nach dem Gerichtsurteil für den Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), Ende Januar eine Bombendrohung und ein rechtsextremes Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ erhalten hat. Sowohl der Mörder wie auch die Bundesanwaltschaft (BAW) haben unterdessen Revision gegen das Urteil eingelegt. Auch Lübckes Familie verlangt eine Revision.

Ermittlungen gegen Justizbeamt*innen: Durch Presseberichte wird bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft (GStA) Hamburg gegen eine Justizbeamtin wegen Geheimnisverrat ermittelt. Die Frau hatte laufende Ermittlungen gegen Drogenhändler an ihren Freund verraten. Bei einer Hausdurchsuchung wurden zudem Kokain und Marihuana gefunden. Sie wird vorläufig festgenommen und erhält Hausverbot, ein Haftbefehl wird nicht beantragt. Am 24. Februar durchsucht die Polizei in Berlin das Dienstzimmer und die Wohnung eines StA. Der Mann steht im Verdacht der Geldwäsche, der Verletzung von Dienstgeheimnissen und verschiedener Steuerstraftaten. Chronologie Februar 2021 weiterlesen

Chronologie Januar 2021

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. Januar: Antisemitismus: In der Innenstadt von Offenbach (Hessen) beleidigt ein Mann einen Rabbiner und seine Kinder antisemitisch. Zeugen rufen die Polizei, die den Mann vorläufig festnimmt. Am 4. Januar beleidigt ein Betrunkener einen anderen Mann antisemitisch und greift ihn danach etwas später mit einem Messer an; er wird festgenommen. Durch Presseberichte wird am 8. Januar bekannt, dass die Staatsanwaltschaft (StA) Hamburg bei einem Mann, der im Oktober 2020 vor der Hamburger Synagoge einen Mann mit Kippa mit einem Klappspaten angegriffen hat, kein antisemitisches Motiv erkennt; er sei psychisch krank und damit schuldunfähig. Am 11. Januar kann die bayerische Polizei eine seit 2016 laufende Serie von antisemitischen und rechtsextremen Hassbotschaften mit Postkarten aufklären; der Täter ist geständig. Er hatte über 40 Postkarten an eine Zeitung und an Privatpersonen verschickt. Am 18. Januar veröffentlicht die bayerische Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) eine Broschüre über antisemitische Verschwörungsthesen. Danach kam es bayernweit von Januar bis Ende Oktober 2020 insgesamt zu 58 Vorfällen. Durch den Jahresbericht 2020 der Berliner Antisemitismus-Beauftragten wird am 26. Januar bekannt, dass im vergangenen Jahr in Berlin 417 Verfahren wegen Antisemitismus eingeleitet wurden (2019: 386). Chronologie Januar 2021 weiterlesen

Polizeiliche Todesschüsse 2019

Von Otto Diederichs

15 Menschen starben durch Polizeischüsse, 30 wurden verletzt. Die Veröffentlichung der Statistik verzögert sich nach offizieller Darstellung durch die Corona-Pandemie. Doch auch weitere Gründe spielen hierbei eine Rolle.

Insgesamt 62 Schüsse auf Personen verzeichnet die offizielle Schusswaffengebrauchsstatistik für das Jahr 2019. Das sind acht Schüsse mehr als im Vorjahr. Getötet wurden dabei 15 Menschen und weitere 30 wurden verletzt. Damit ist die Zahl der Getöteten im Vergleich zu 2018 wieder angestiegen.[1]

Demgegenüber verzeichnet die auf Zeitungswertungen basierende CILIP-Fallsammlung nur 13 Todesfälle. Die Differenz war nicht zu klären, da die „Deutsche Hochschule für Polizei“ (DHPol) für die offizielle Statistik lediglich nackte Zahlen ohne Orts- und Zeitangaben angibt. Polizeiliche Todesschüsse 2019 weiterlesen

Chronologie Dezember 2020

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. Dezember: Rechtsextremismus: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verbietet die rechtsextremistische Gruppe „Sturmbrigade 44“ (auch: „Wolfsbrigade 44“). Die Gruppe gilt als gewaltbereit. Am 2. Dezember beschließt die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Vorgesehen sind darin eine intensive Prävention, eine Stärkung der Sicherheitsbehörden, schärfere Strafgesetze, bessere Hilfen für Betroffene und eine Forschungsstudie zu Alltagsrassismus. Am 4. Dezember verurteilt das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth (Bayern) einen Mann wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat zu einer zweijährigen Haftstrafe. Vor dem LG Hildesheim (Niedersachsen) beginnt der Prozess gegen einen Rechtsextremisten wegen Vorbereitung einer terroristischen Gewalttat. Der im Mai festgenommene Mann hatte im Internet die Tötung von Muslimen angekündigt. Bei der Wohnungsdurchsuchung waren rechtsextremistische Datenträger und Waffen gefunden worden. In einer Lagerhalle in Österreich findet die Polizei am 11. Dezember über 70 Schusswaffen und eine große Menge Munition, die für deutsche Rechtsextremisten bestimmt ist. Auf die Spur gekommen waren deutsche und österreichische Ermittler*innen durch eine Drogenlieferung aus Deutschland. Zeitgleich werden in Bayern und NRW je eine Person und in Österreich fünf Personen festgenommen. Chronologie Dezember 2020 weiterlesen

Blaming the victims: Der antisemitische Doppelmord in Erlangen 1980 und die Ermittler

von Ronen Steinke

Heute wird oft behauptet, die Ermittler hätten aus ihrem Versagen beim NSU gelernt. Aus ihrer Bereitschaft also, eher steile Thesen über getötete Migrant*innen aufzustellen als Spuren in die Neonaziszene nachzugehen. Seither würden sie stärker auf rechtsextreme Hintergründe achten. Das hätte man allerdings schon aus einem anderen Fall lernen können – vor jetzt 40 Jahren.

Der 19. Dezember 1980 ist ein Freitag, es ist schon dunkel, etwa halb sieben am Abend. Für Juden heißt das, der Schabbat hat begonnen, es ist ein Moment für Kerzenschein und ein Glas Wein. In einem Bungalow in der Ebrardstraße 20 nahe der Erlanger Universität sind die Jalousien heruntergelassen, so werden später die Beamt*innen der Spurensicherung notieren. Shlomo Lewin, bis vor kurzem Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, ist zu Hause mit seiner Lebensgefährtin, Frida Poeschke. Es klingelt, er öffnet. Blaming the victims: Der antisemitische Doppelmord in Erlangen 1980 und die Ermittler weiterlesen

Chronologie November 2020

zusammengestellt von Otto Diederichs

1. November: Rechtsradikalismus bei der Bundeswehr: Durch Presseberichte wird bekannt, dass die Bundeswehr aktuell Hinweisen zu acht Fällen von Rechtsextremismus nachgeht, davon drei beim „Kommando Spezialkräfte“ (KSK). Durch weitere Presseberichte wird am 27. November bekannt, dass 26 Soldaten einer Panzerbrigade in einer Chatgruppe untereinander rechtes Propagandamaterial über Rassismus und Antisemitismus, Pornobilder und Behindertenwitze ausgetauscht haben. Zu ihnen gehören 16 Unteroffiziere und 10 Mannschaftsdienstgrade. Disziplinarische Ermittlungen wurden eingeleitet; drei Soldaten wurde die Ausübung des Dienstes verboten.

Ermittlungen gegen Dschihadist*innen: Durch Presseberichte wird bekannt, dass der Generalbundesanwalt (GBA) in 2020 bereits rund 320 Verfahren gegen islamistische Terrorist*innen eingeleitet hat. Insgesamt geht der GBA von rund 620 Gefährder*innen aus. In drei Bundesländern durchsucht die Polizei am 6. November Wohnungen und Geschäftsräume von vier Personen, die Verbindungen zum islamistischen Attentäter in Wien (Österreich) gehabt haben sollen. Die Personen selbst gelten nicht als tatverdächtig. Chronologie November 2020 weiterlesen

Testfeld Fußball: Repressiver Alltag am Spieltag

von Angela Furmaniak

Fußballfans, insbesondere Ultras, waren und sind in allen Bundesländern an den Protesten gegen die neuen Polizeigesetze beteiligt.[1] Kein Wunder: Ultras sind schon heute stark von polizeilichen Maß­nah­men betroffen. Neue Techniken und polizeiliche Befugnisse werden gerne an ihnen ausprobiert.

Die Bewegung der Ultras ist in Deutschland seit den 90er Jahren heimisch. Es sind leidenschaftliche Fans, die ihre Mannschaft an jedem Spiel­tag begleiten und mit Gesängen, Fahnen und sonstigem Material unterstützen. Ultras wehren sich gegen die Kom­mer­zialisierung des Fußballgeschäfts und melden sich in vielen fanpolitischen Bereichen zu Wort: gegen fanunfreundliche Anstoßzeiten und teure Ticketpreise, für die Beibehaltung der 50+1-Regel (also dafür, dass Kapitalanleger*innen nicht die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften übernehmen dürfen), gegen die zunehmende Überwachung der Stadien und die Reglementierung der Fankultur. „Pyros“ im Stadion sind für sie unverzichtbares Stilmittel, und immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Ultragruppen gegnerischer Vereine, die damit ihre Überlegenheit unter Beweis stellen wollen.[2]

Aus polizeilicher Sicht stellen Ultras vor allem ein Sicherheitsrisiko dar, dem es mit polizeilichen Mitteln zu begegnen gilt.[3] Funktionäre der Polizeigewerkschaften fordern immer wieder ein härteres Vorgehen gegen „Fußballchaoten“ [4]. Und bei der Innenministerkonferenz steht das Thema „Sicherheit im Fußball“ regelmäßig auf der Tagesordnung.[5] Testfeld Fußball: Repressiver Alltag am Spieltag weiterlesen

Chronologie Oktober 2020

1. Oktober: Rechtsradikale Polizist*innen: Durch Medienberichte wird bekannt, dass in einer internen Chatgruppe einer Dienstgruppe der Berliner Polizei etwa 25 Beamt*innen rechtes und rassistisches Gedankengut austauschen. Ein informierter Vorgesetzter habe die Gruppe lediglich aufgefordert, keine strafrechtlich relevanten Inhalte zu teilen. Die Polizeiführung nimmt Ermittlungen auf und leitet ein Strafverfahren ein. Am 2. Oktober durchsucht die Polizei in Thüringen die Wohnung eines Polizeischülers wegen des Verdachts in einem Whatsapp-Chat rechtsextreme Inhalte zu verbreiten. Die Staatsanwaltschaft (StA) Gera leitet ein Ermittlungsverfahren ein. Durch Presseberichte wird zudem bekannt, dass eine Verwaltungsangestellte des Innenministeriums NRW im Verdacht des Rechtsextremismus steht. Bei einem Einsatz anlässlich einer rechtsextremen Demonstration am 3. Oktober in Berlin fällt ein Beamter mit einem rechtsradikalen Aufnäher an seiner Uniform auf; gegen ihn wird ermittelt und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Berliner Polizei führt aktuell 31 Disziplinarverfahren wegen rechter Verdachtsfälle gegen ihre Beamt*innen; 11 davon mit dem Ziel der Entlassung. Dies berichtet Polizeipräsidentin Barbara Slowik am 4. Oktober im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Am gleichen Tag wird bekannt, dass in der Bundespolizei (BPol) seit 2017 insgesamt 24 rechtsextreme und 20 rassistische Verdachtsfälle erfasst wurden. 10 Fälle führten zu einer Entlassung; neun Mal wurden Disziplinarmaßnahmen verhängt und zwei Fälle wurden eingestellt. Chronologie Oktober 2020 weiterlesen