Schlagwort-Archive: Polizeigewalt

Getroffene Hunde bellen – Die alltägliche Repression gegen Fußballfans

von Angela Furmaniak

Im Februar 2010 sollte in den Räumen des Karlsruher Fanprojekts eine Veranstaltung zu „Polizeigewalt im Fußball – Strategien, Initiativen, Missverständnisse“ mit einer Referentin des Fanprojekts Offenbach stattfinden. Nachdem die Polizei jedoch Druck auf das Projekt und dessen Träger, den Stadtjugendring, ausgeübt hatte, sagte die Stadt die Veranstaltung ab.[1]

Um verstehen zu können, weshalb eine Informations- und Diskussionsveranstaltung für Fußballfans in den Augen der Polizei ein solches Gefährdungspotential in sich birgt, dass diese faktisch verboten wird, ist es notwendig, zunächst die in und um die deutschen Stadien allgegenwärtige Repression gegen Fußballfans sowie deren Rechtfertigung durch die Sicherheitsbehörden, Gerichte und Medien näher zu beleuchten.

Die Entwicklung der Polizeigewalt gegen Fußballfans steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Fankultur. War während der 70er und 80er Jahre die Fanlandschaft überwiegend durch „kuttendominierte“ Fanclubs geprägt, so traten in den 80er Jahren in den Stadien zunehmend so genannte Hooligans auf. Nachdem auch dieses Phänomen heute weitgehend aus den Stadien verschwunden ist, sind aktuell die „Ultras“ zur Hauptzielscheibe polizeilicher Maßnahmen geworden.[2] Getroffene Hunde bellen – Die alltägliche Repression gegen Fußballfans weiterlesen

Gewalt gegen die Polizei – Wenig Klarheit zum Berufsrisiko von PolizistInnen

von Norbert Pütter und Randalf Neubert

Alle sind sich einig: Die Angriffe auf PolizistInnen hätten zugenommen, der Polizeiberuf sei gefährlicher geworden, der Respekt vor den VertreterInnen der Staatsgewalt schwinde rapide. Denn durch den Angriff auf seine RepräsentantInnen werde der Staat insgesamt angegriffen. Angesichts dieses Konsenses verwundert, dass gesicherte Erkenntnisse über die Gefahren des Polizeiberufs weiterhin nur spärlich vorhanden sind.

2009 führten die anhaltenden Berichte über vermehrte Gewalt gegen die Polizei und die massive Öffentlichkeitsarbeit der Polizeigewerkschaften zu einem Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK), das Berufsrisiko von PolizistInnen erneut wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Die letzte einschlägige Studie hatte die IMK 2000 in Auftrag gegeben, nachdem im selben Jahr acht Polizisten von Straftätern getötet worden waren – so viel wie in den 25 Jahren zuvor nicht mehr. Gewalt gegen die Polizei – Wenig Klarheit zum Berufsrisiko von PolizistInnen weiterlesen

Polizeiübergriffe auf ImmigrantInnen – Gewollte Ungleichheit und die Normalität der Gewalt

von Dirk Vogelskamp

ImmigrantInnen berichten immer wieder von polizeilichen Übergriffen. Sie werden beleidigt, geschlagen und gedemütigt. Wie lässt sich diese gewaltsame Polizeipraxis erklären?

Im Dezember 2003 veröffentlichte „Aktion Courage“, eine antirassistische Menschenrechtsorganisation, eine Dokumentation über siebzig ge­waltsame Polizeiübergriffe aus den Jahren 2000-2003, bei denen Flüchtlinge und ImmigrantInnen teilweise schwere Verletzungen davontrugen.[1] Drei von ihnen kamen infolge der Polizeigewalt zu Tode. „Aktion Courage“ spricht in diesem Kontext von schweren Menschenrechtsverletzungen. Otto Diederichs, der die Fälle recherchiert hatte, hält diese nur für „die Spitze eines Eisbergs“, da viele polizeiliche „Übergriffe“ im Polizeigewahrsam stattfänden, wo das Opfer wehrlos/pas­siv und die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Viele Opfer von Polizeigewalt trauten sich zudem nicht, die Täter in Uniform anzuzeigen. Zumeist müssten sie mit einer Gegenanzeige wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ rechnen. Dieser Vorwurf führe dazu, dass die entgrenzte polizeiliche Gewaltanwendung legitimiert und zumeist politisch gebilligt werde. Polizeiübergriffe auf ImmigrantInnen – Gewollte Ungleichheit und die Normalität der Gewalt weiterlesen

Polizisten vor Gericht – Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt

von Tobias Singelnstein

Strafverfahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt (§ 340 Strafgesetzbuch) genießen einen zweifelhaften Ruf. Sie dauern in der Regel nicht besonders lange und enden fast nie mit einer Verurteilung. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Im Jahr 2008 wurden ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in Deutschland 2.314 strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet (2004: 2.113; 2000: 2.141).[1] Man kann davon ausgehen, dass sich die ganz überwiegende Mehrzahl dieser Verfahren gegen Polizisten gerichtet hat.[2] Hingegen wurden im gleichen Zeitraum nur 94 Verfahren wegen des gleichen Delikts vor einem Strafgericht verhandelt.[3] Zwar lassen sich beide Zahlen nicht unmittelbar zueinander ins Verhältnis setzen, da eingeleitete Strafverfahren nicht unbedingt im gleichen Jahr noch bis zum Gericht gelangen. Aber die Differenz zwischen beiden macht deutlich, dass der Großteil der Verfahren auf dem Weg von der Anzeigeerstattung zum Gericht verloren geht – weil sie von den Staatsanwaltschaften mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt werden.[4] Polizisten vor Gericht – Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt weiterlesen

Prozess im Griff der Polizei – Das Verfahren um den Tod von Oury Jalloh

Im Dezember 2008 sprach das Landgericht Dessau zwei Polizisten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung bzw. Körperverletzung mit Todesfolge frei. Nachdem nun das schriftliche Urteil vorliegt, scheint der „Fall“ Oury Jalloh erledigt. Dennoch: einen Freispruch für die Institution Polizei darf es nicht geben.

Mit Händen und Füßen an eine Matratze gefesselt, verbrannte Oury Jalloh aus Sierra Leone am 7. Januar 2005 in Zelle 5 des Gewahrsamstrakts der Dessauer Polizei. Vier Monate später erhob die Staatsanwaltschaft Dessau gegen die Polizeibeamten Sch. und M. Anklage wegen fahrlässiger Tötung bzw. Körperverletzung mit Todesfolge – jeweils begangen durch Unterlassen. Es dauerte fast zwei Jahre, bis am 27. März 2007 das Verfahren gegen die beiden Beamten vor der 6. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau begann. Nach 58 Sitzungstagen verkündete der Vorsitzende Richter Manfred Steinhoff am 8. Dezember 2008 die Freisprüche und bezichtigte gleichzeitig die Polizei der systemischen Lüge. Am 2. März 2009 folgte das schriftliche Urteil. Die Polizei ist weißer gewaschen als zuvor. Prozess im Griff der Polizei – Das Verfahren um den Tod von Oury Jalloh weiterlesen

Exterritoriale Lager – Libyen und die Ukraine als Pufferstaaten der EU

von Christopher Nsoh

Was vor einigen Jahren noch als unerträgliches Planspiel führender europäischer Politiker erschien, ist längst unerträgliche Wirklichkeit: Das Lagersystem vor den Toren Europas ist Teil der EU-Innenpolitik.

Am 5. Februar 2003 berichtete die Londoner Zeitung „The Guardian“ erstmals von Plänen der britischen Regierung, wie die Zahl der Asylsuchenden im Vereinigten Königreich und in der EU insgesamt um die Hälfte zu senken sei. Das auf den Namen „Neue Vision für Flüchtlinge“ getaufte Projekt sah vor, Asylsuchende, deren Anträge bereits abgelehnt waren, in extra-territoriale Lager außerhalb der Union – so genannte Transit Processing Centres (TPCs) und Regional Protection Areas (RPAs) – abzuschieben. Neue Asylsuchende sollten in eben diesen Lagern die Prüfung ihrer Anträge abwarten und nur bei einem positiven Verfahrensausgang in die EU einreisen dürfen. Ähnliche Pläne hegten auch andere EU-Staaten. So hatte sich bereits im Jahre 2002 der damalige dänische Einwanderungsminister Bertel Haarder dafür ausgesprochen, den Flüchtlingsschutz in die Herkunftsregionen zu verlegen.[1] Exterritoriale Lager – Libyen und die Ukraine als Pufferstaaten der EU weiterlesen

Gipfel des Sicherheitswahns – Politik, Protest und Polizei beim G8-Gipfel 2007

von Elke Steven

Anfang Juni gaben sich die Staats- und RegierungschefInnen der Grup­pe der acht mächtigsten Industriestaaten ihr jährliches Stelldichein – diesmal im Ostseebad Heiligendamm. Proteste gegen diese Demonstration der Macht waren nicht erwünscht. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat die Ereignisse mit einer Gruppe von BeobachterInnen begleitet.[1]

Seit die WTO-Ministerkonferenz 1999 wegen massiver Proteste abgebrochen werden musste, gelten Gipfeltreffen als gefährdete Ereignisse. Mit dem legitimatorischen Rückenwind des 11.9.2001 und nachfolgender Anschläge scheint den Sicherheitsbehörden heute jedes Mittel recht, Proteste publizistisch in den Dunstkreis des Terrorismus zu rücken, einzuschränken und weitestgehend zu verbieten. Von Beginn an sah sich denn auch das breite und heterogene Bündnis, das zu den Protesten gegen den G8-Gipfel mobilisierte, mit repressiven und eskalierenden politisch-polizeilichen Strategien konfrontiert. Früh begannen vor allem Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz medienwirksam vor terroristischen Anschlägen, vor Straf- und Gewalttätern zu warnen, mussten aber bei Nachfragen zugeben, über keine konkreten Hinweise zu verfügen. Das verhinderte jedoch nicht, dass die Sicherheitsbehörden seit Anfang 2007 eine Art polizeiliche Propaganda der Tat entfalteten. Gipfel des Sicherheitswahns – Politik, Protest und Polizei beim G8-Gipfel 2007 weiterlesen

Polizeirecht durch die Bremer Brille – Zum Einsatz beim Hamburger Schanzenfest

von Helmut Pollähne

Die Bremer Polizei hält es für „verhältnismäßig“, festgenommene DemonstrantInnen nicht nur zu fesseln, sondern ihnen zur Desorientierung auch abgedunkelte Brillen aufzusetzen.

Samstag, 9. September 2006: Die Hamburger Polizei hat vorsorglich um Unterstützung aus den benachbarten Bundesländern gebeten. Beim Fußball-Pokalschlager St. Pauli gegen Bayern muss sie die Fans betreuen, und nebenan steigt das alljährliche Schanzenfest. Dort macht eine Bremer Festnahmeeinheit von sich reden, die den Festgenommenen nicht nur, wie üblich, die Hände auf dem Rücken in Plastikfesseln legt: Sie setzt ihnen zusätzlich abgedunkelte Brillen auf, um sie bis zum Abtransport zu „desorientieren“.

Der Vorgang hat einiges öffentliches Aufsehen erregt und Nachfragen im politischen Raum provoziert. Es laufen nicht nur interne Ermittlungen der Hamburger Polizei, gegen die Verantwortlichen ist auch Strafanzeige erstattet worden. Die Ermittlungen gestalten sich offenbar schwierig, die Rechtslage soll sich aber – jedenfalls durch die Brille der Bremer Polizei betrachtet – einfach gestalten. Polizeirecht durch die Bremer Brille – Zum Einsatz beim Hamburger Schanzenfest weiterlesen