Polizeiproblem 4/2023

Anklage gegen Polizist*innen:

1. April: Die Kölner Staatsanwaltschaft hat fünf Beamte aus Köln-Ehrenfeld wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung angeklagt. Die Polizisten hatten die Wohnung des 59-Jährigen wegen eines Falles von Unfallflucht aufgesucht. Der Mann habe die Beamten angeblich beleidigt, daraufhin wurde er niedergerungen und laut Zeugenaussagen getreten und geschlagen. Die Angaben sind durch Chatprotokolle bestätigt, darin heißt es etwa dass man „gerade einen umgeklatscht habe“. Dabei erlitt er einen Rippenbruch, der zu einer Lungenentzündung und einer tödlichen Blutvergiftung führte. Diesen kausalen Zusammenhang bestätigt ein Obduktionsbericht. Mutmaßlicher Haupttäter ist ein 40-jähriger Polizeikommissar. Ein anderer angeklagter Polizist soll sich zudem des Geheimnisverrats schuldig gemacht haben, er soll für Bekannte im Polizeicomputer nach Informationen gesucht haben.

21. April: Vor dem Landgericht Stuttgart hat der Prozess gegen einen mittlerweile suspendierten Inspekteur der Polizei begonnen. Der vormals höchstrangige Polizist des Landes soll eine 34-jährige Kriminalhauptkommissarin in der Nacht vom 12. auf den 13. November 2021 bei einem Kneipenbesuch sexuell genötigt haben. Die Strafkammer hat acht Verhandlungstage angesetzt. Die Verteidigung des Polizeibeamten hatte angekündigt, für einen Freispruch zu kämpfen. Der Angeklagte will sich vor Gericht nicht äußern. Kurz vor dem Prozessauftakt wurde bekannt, dass der Mann bereits vor seiner Amtszeit über mehrere Jahre Nacktbilder an Polizistinnen geschickt hatte.

Ermittlungen gegen Polizist*innen:

3. April: Die Staatsanwaltschaft Darmstadt ermittelt gegen einen 54 Jahre Kriminalbeamten und eine 52 Jahre alte Kollegin des Polizeipräsidiums Südhessen wegen des Verdachts gemeinschaftlicher Unterschlagung. Sie sollen an einem Leichen-Tatort im November 2022 Bargeld und nicht näher beschriebene weitere Gegenstände aus einer Wohnung entwendet haben. Die Beamten seien wegen eines Todesermittlungsverfahrens im Einsatz gewesen und sollten dort den Tatort aufnehmen. Dabei wurden sie von einer Überwachungskamera gefilmt. Einer der Beamten habe den Diebstahl bereits eingeräumt und sich für sein Verhalten entschuldigt.

12. April: Nach dem Amoklauf in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg ermittelt die Polizei jetzt gegen einen Bediensteten der Waffenbehörde. Gegen den Beamten habe sich der Vorwurf disziplinarrechtlicher Verfehlungen bestätigt, so ein Polizeisprecher, er werde in eine andere Funktion „umgesetzt“. Der Mann soll einen Hinweis auf die Gefährlichkeit des Amokschützen Philipp F. fahrlässig oder bewusst nicht dokumentiert und verfolgt zu haben. Zudem soll der Beamte enge Verbindungen zu dem Sportschützenclub haben, in dem auch F. aktiv gewesen war.

24. April: Aufgrund eines vom MDR veröffentlichten Videos zu einem brutalen Einsatz bei einer Klimademonstration ermittelt die Berliner Polizei wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt, schreibt derTagesspiegel. „Wenn ich Ihnen Schmerzen zufüge, wenn Sie mich dazu zwingen, werden Sie die nächsten Tage – nicht nur heute – Schmerzen beim Kauen und beim Schlucken haben“, hatte ein Berliner Polizist am 20. April zu einem Teilnehmer einer Sitzblockade gesagt. Wenige Sekunden später wurde der junge Mann von der Straße gezerrt; ein Polizist drückte ihm auf den Kehlkopf und zog ihn am Kiefer nach oben, ein anderer verdrehte seinen Arm. Der Demonstrant sackte daraufhin zu Boden und wand sich unter Schmerzschreien. Die Polizisten sollten nun von ihren ermittelnden Kolleg*innen befragt werden, so der Tagesspiegel. Zu prüfen sei unter anderem, was sich vor der veröffentlichten Situation ereignet habe und ob es zu Verletzungen gekommen sei.

28. April:Neun der 18 vom Dienst suspendierten Polizeischüler aus Sachsen-Anhalt dürfen wieder in den Polizeidienst zurückkehren. Laut dem MDR wurden die Suspendierungen bereits am 21. April aufgehoben. Zwei weitere Verfahren seien noch anhängig. Als Hauptgrund wurde genannt, dass es keine ordnungsgemäße Anhörung der Polizeischüler gegeben habe, die in solchen Fällen eigentlich stattfinden müsse. Auch sei nicht differenziert worden, welche Rolle die einzelnen Personen in der Chatgruppe gespielt hätten. Die Entscheidung ist nach Angaben des Gerichtssprechers noch nicht rechtskräftig.

Polizei und Pressefreiheit:

7. April: Bei einer Blockade der Letzten Generation am Veddeler Damm in Hamburg wird ein Reporter von 24hamburg von der Polizei schikaniert und festgesetzt, da er als „Beschuldigter in diesem Verfahren“ gelte. Sein Presseausweis wurde von einem vermummten Polizisten mit der Begründung abfotografiert: „Wir wollen wissen, welche Journalisten mit der Letzten Generation in Verbindung stehen.“ Der Reporter sollte mitsamt seinen Kameras zur Beweissicherung fotografiert werden. Nach dieser Prozedur wurde der Mann von Polizisten der Wasserschutzpolizei weiter schikaniert und an der Arbeit gehindert.

Vertuschung von Polizeigewalt:

11. April: Ein Coiffeur aus Hilden wurde im vergangenen Jahr zu seiner Festnahme von einem Sondereinsatzkommando (SEK) vor seinem Salon überwältigt, zusammengeschlagen und gefesselt, die Beamten sollen dabei äusserst grob vorgegangen sein sodasss der Mann eine Platzwunde und Prellungen erlitt. Seine Überwachungskamera, die den Vorfall dokumentieren soll, wurde von der Polizei beschlagnahmt, das Filmmaterial wegen der darauf zu sehenden unvermummten Polizisten angeblich aus Persönlichkeitsschutzgründen gelöscht. Nach zwei Monaten wurde der Mann mangels Tatverdacht ohne Anklage aus der Haft entlassen und versucht nun, gegen die Beamten vorzugehen.

Tod nach Polizeieinsatz:

14. April: Ein 45-jähriger Mann ist nach einem Einsatz der Brandenburger Polizei vom Dienstagabend im Krankenhaus an Verletzungen verstorben, die ihm mutmaßlich Beamte der Polizeidirektion Süd in Cottbus zugefügt haben, berichtet der Tagesspiegel. Der aus Bulgarien stammende Vitali N. soll sich zuvor an seiner Meldeadresse in einem Ortsteil von Königs Wusterhausen „aggressiv“ verhalten und psychisch auffällig gewesen sein, so der Polizeibericht, sodass „Pfefferspray zum Einsatz“ gekommen sein soll. „Mit Unterstützung von Anwohnern“ sei N. fixiert und gefesselt worden, anschließend sei er ohnmächtig geworden. Im Krankenhaus soll der Mann aber bereits hirntot angekommen sein, offenbar erstickt. In seinen Atemwegen und in der Lunge haben Ärzt*innen Erde gefunden. Daher wird angenommen, dass N. „gewaltsam und für längere Zeit mit dem Gesicht in matschige Erde gedrückt“ wurde, will der Tagesspiegel von „mehreren mit dem Fall vertrauten Personen“ erfahren haben. Im Totenschein, den der behandelnde Arzt ausstellt, heißt es dass er „durch gewaltsames zu Boden drücken von Gesicht und Thorax in Bauchlage“ erstickt ist, berichtet die taz. Laut dem Laborbericht soll N. nüchtern gewesen sein, auch seien keine Spuren von Kokain, Amphetaminen, Opiaten oder andere Drogen gefunden worden. In den Atemwegen und in der Lunge fand sich auch keine Erde, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft einige Tage später. Es gebe zwar eine Einblutung im Rücken, die aber nicht tödlich gewesen sei. Hinweise auf eine Außeneinwirkung, die den Tod des Mannes verusacht haben könnte, gebe es nicht. Die feingewebliche Obduktion stehe noch aus.

Verletzung nach Polizeieinsatz:

16. April: Ein Verdächtiger, der in Berlin-Kreuzberg einen 30-Jährigen mit einem Messer am Oberschenkel verletzt haben soll, hat der Polizei zufolge bei seiner Festnahme auf Beamt*innen eingeschlagen. Diese hätten den 27-Jährigen zu Boden gebracht und gefesselt. Dagegen habe der Mann Widerstand geleistet und versucht, sich selbst zu verletzten. Plötzlich habe der Tatverdächtige keine Vitalfunktionen mehr gezeigt und sei deshalb mehrmals reanimiert worden – erfolgreich. Er habe angegeben, Betäubungsmittel und Alkohol zu sich genommen zu haben.

Rechtsextreme Polizist*innen:

26. April: Auf Fotos zur rechtsextremen Kleinstpartei „Dritter Weg“ in Nordhessen sind auch zwei Polizisten neben Rechtsextremen zu sehen. Einer sei schon vorher negativ aufgefallen und nicht mehr im Dienst, hieß es von der Polizei. Der andere Polizist habe sich nach eigener Aussage „eher aus Versehen“ mit einem der Rechtsextremisten ablichten lassen. Das Polizeipräsidium Nordhessen hat nun ein Disziplinarverfahren „wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht nach dem Beamtenstatusgesetz“ eingeleitet.

Beitragsbild: Ein Polizeipanzer „Survivor R“ der Berliner Polizei wird abgeschleppt (privat, Aufnahme vermutlich am 29. März).

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.