32 Organisationen fordern die sofortige Beendigung der systematischen Behinderung ziviler Seenotrettung durch die italienische Regierung. Allein im letzten Monat wurden nichtstaatliche Schiffe auf Basis des „Piantedosi-Dekrets“ dreimal festgesetzt – das von RESQSHIP betriebene Segelschiff Nadir zweimal hintereinander. Das bewusste Fernhalten von nichtstaatlichen Such- und Rettungsorganisationen aus dem zentralen Mittelmeer führt zu unzähligen weiteren Todesfällen auf einer der tödlichsten Fluchtrouten weltweit.
Trotz viel öffentlicher Kritik durch nichtstaatliche Such- und Rettungsorganisationen (SAR) werden zivile Schiffe seit der Verabschiedung des „Piantedosi-Dekrets” im Januar 2023 weiterhin willkürlich festgesetzt. Dies wurde durch das „Flussi-Dekret” im Dezember 2024 weiter verschärft. Im letzten Monat wurden Nadir und Sea-Eye 5, zwei kleinere Einsatzschiffe, betrieben von RESQSHIP und Sea-Eye, unter dem Vorwurf festgesetzt, den Anweisungen der Behörden nicht Folge geleistet zu haben. Beiden Crews wurden sehr weit entfernte Häfen zugewiesen. Sie wurden außerdem dazu aufgefordert, die Geretteten nach Vulnerabilitätskriterien zu trennen und anteilig auf ein anderes Schiff zu bringen –obwohl eine ordnungsgemäße Vulnerabilitätsprüfung eine sichere Umgebung voraussetzt und nicht an Bord eines Schiffes durchgeführt werden kann. Die Behinderung von Rettungsschiffen führt zu Hunderten von Todesfällen auf See weiterlesen →
Ähnlich der seit 1984 geführten Statistik über „Fälle von polizeilichem Schusswaffengebrauch“ dokumentiert das Polizeitechnische Institut (PTI) der Deutschen Hochschule der Polizei seit 2020 auch Taser-Ein-sätze. Die Aufforderung dazu erfolgte durch die Innenministerkonferenz. CILIP hat diese Dokumente nach einer langwierigen Informationsfreiheitsanfrage nun erstmals veröffentlicht.[1] Von 2021 bis 2023 haben sich die Einsätze demnach auf 1.171 mehr als verdoppelt. In 662 Fällen waren die Betroffenen unbewaffnet. Erfasst werden nur tatsächliche Auslösungen, nicht die deutlich häufigeren Androhungen – in NRW lag dieses Verhältnis 2023 bei 3:1. Neue Statistik belegt: Taser-Einsätze nehmen deutlich zu weiterlesen →
Wer die Daten auf dem Smartphone einer fremden Person auslesen kann, erlangt regelmäßig einen tiefen Einblick in deren Lebensgestaltung. Das Nutzungsverhalten zahlreicher Apps bietet Aufschluss über bestehende Kontakte, persönliche Kommunikation, private Fotos, Notizen und Kalendereinträge sowie Gesundheitsdaten, konsultierte Medien und vieles mehr. Um auf diese Daten zugreifen zu können, bedarf es der Entsperrung durch einen PIN-Code, Fingerabdruck oder die sog. Face-ID. Strafverfolgungsbehörden stehen regelmäßig vor der Herausforderung, die begehrten Geräte zwar beschlagnahmen, aber nicht auslesen zu können. BGH gestattet Smartphone-Entsperrung mit Fingerabdruck weiterlesen →
Wer schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat, hat oft das Bedürfnis, sich über die jeweiligen Beamt*innen zu beschweren, aber nicht unbedingt das Vertrauen, damit bei der Polizei an der richtigen Adresse zu sein. Insbesondere an der unvoreingenommenen Bearbeitung von Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden bestehen erhebliche Zweifel. Aus diesem Grund haben seit 2014 sieben Bundesländer und der Bund unabhängige Polizeibeauftragte bei den Parlamenten geschaffen, am 25. März 2025 auch Nordrhein-Westfalen durch den Beschluss eines Polizeibeauftragtengesetzes. Landtag NRW beschließt Polizeibeauftragtengesetz weiterlesen →
Wer Polizist*innen wegen Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) anzeigt, muss häufig mit einer Gegenanzeige wegen Widerstands gegen oder tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamt*innen (§§ 113, 114 StGB) rechnen. Gegenanzeigen streuen Zweifel an der Legitimität der ursprünglichen Anzeige und stellen den Gehalt der darin enthaltenen Vorwürfe in Frage. Gegenanzeigen fungieren als Abwehrinstrument gegen Betroffene von (mutmaßlich) strafbarem Handeln der Polizist*innen und dienen der Rechtfertigung des polizeilichen Gewalteinsatzes. Teilweise wird das Erstatten von Gegenanzeigen auch als „prophylaktische Praxis“ der Polizist*innen beschrieben, um sich für zukünftige Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt zu schützen. Anzeige und Gegenanzeige werden regelmäßig von Staatsanwaltschaften gemeinsam bearbeitet, wobei sich Glaubwürdigkeitshierarchien zugunsten der Polizist*innen auswirken.[1]Geheimer Erlass zu Widerstandsdelikten veröffentlicht weiterlesen →
Wir verfolgen mit großer Sorge die kritische Situation von Maja T., die im Juni 2024 rechtswidrig von deutschen Behörden nach Ungarn ausgeliefert wurde und seitdem in Isolationshaft in Ungarn sitzt. Die menschenrechtswidrigen Bedingungen dieser Haft sind wiederholt skandalisiert worden, ohne dass dies zu einer Änderung geführt hätte. Maja T. ist gegen die Bedingungen ihrer Haft seit dem 5. Juni 2025 in einen Hungerstreik getreten und wurde vor kurzem in ein Haftkrankenhaus verlegt, der Gesundheitszustand von Maja T. ist enorm besorgniserregend.
Es ist allerhöchste Zeit, dass sich die Bundesregierung mit der Situation von Maja T. auseinandersetzt. Maja T. besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft und muss sofort nach Deutschland zurückgeholt werden. Die Regierung ist auf den Schutz der Menschenwürde verpflichtet. Das gilt für Maja T. nicht nur wegen der deutschen Staatsbürgerschaft, sondern auch deshalb, weil die deutschen Behörden die gegenwärtigen Haftbedingungen durch eine rechtswidrige Überstellung nach Ungarn erst herbeigeführt haben. Die Sorge um das Leben von Maja T. sollte Maxime der Bundesregierung und zuständigen Behörden sein. Organisationen fordern sofortige Rückholung von Maja von Ungarn nach Deutschland weiterlesen →
Samstag, 5. Juli, 19:00 Uhr
Werner-Fuß-Zentrum gegen Zwangspsychiatrie, Vorbergstr. 9b, 10623 Berlin
Die Ausgabe 137 der CILIP widmet sich dem polizeilichen Umgang mit Menschen, die sich in psychosozialen Krisen befinden, die psychische Probleme haben oder denen solche zugeschrieben werden. Anstelle offenkundige Defizite mit institutionellen Reformen zu begegnen, werden psychisch Auffällige in der Kriminalitätsbekämpfung zu einer neuen „Gefährder“-Gruppe erklärt, gegen die vorbeugend interveniert werden soll. Diese Problematik diskutieren:
René Talbot, Berlin, Irren-Offensive e.V. Norbert Pütter, Berlin, Redakteur von CILIP | Bürgerrechte & Polizei
Moderation: Sonja John, Berlin, Redakteurin von CILIP | Bürgerrechte & Polizei
Veranstaltet vom Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V./ Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP
Die Allgemeinpsychiatrie und der psychiatrische Maßregelvollzug (MRV) sind in Deutschland über unterschiedliche Gesetzesvorgaben mit dem staatlichen Gewaltmonopol verbunden. Der Artikel beschreibt problematische Entwicklungen, die sich aus dieser Verbindung ergeben, benennt die besonderen Risiken, denen Menschen mit psychosozialen Behinderungen[1] allgemein und besonders im MRV ausgesetzt sind und macht auf die Gefahren der neueren Diskursfigur vom angeblich „gefährlichen Irren“ aufmerksam.
Psychiatrie und MRV sind in Deutschland vor allem über vier Gesetze mit dem staatlichen Gewaltmonopol verbunden. Erstens über das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das in § 1831 eine zwangsweise Unterbringung wegen akuter Selbstgefährdung ermöglicht. Zweitens über die Psychisch-Kranken-Hilfe-und-Schutz-Gesetze (meist PsychKHG) der Länder, die eine zwangsweise Unterbringung bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung regeln. Drittens über das Jugendgerichtsgesetz (JGG), das in § 7 für strafmündige Jugendliche ab 14 Jahren eine Unterbringung im psychiatrischen MRV ermöglicht. Und viertens über das Strafgesetzbuch (StGB), das für rechtsbrüchige Bürger*innen zwei unterschiedliche Sanktionssysteme bereithält: den Strafvollzug und die Maßregeln der Besserung und Sicherung nach § 61ff. StGB. Psychiatrie und Maßregelvollzug: Ordnungsmächte mit Nebenwirkung weiterlesen →
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Januar 2025 seine eigene „Zeitenwende“ eingeleitet: Wer als profitorientierter Veranstalter einem Bundesland den Eindruck vermittelt, es bestehe durch ein geplantes Event ein erhöhtes Risiko, muss die zusätzlich anfallenden Polizeikosten bezahlen.
Mit dieser Entscheidung des BVerfG weht ein weiterer Hauch von Trumps „revolution of the common sense“[1] durch den deutschen Rechtsstaat. Denn mit dem Dekret des Hohen Gerichts wird Volkes Vorstellung bedient, der ‚reiche Fußball‘ sei für Polizeieinsätze bei Fußballspielen gefälligst stärker zur Kasse zu bitten.[2]
Doch worum geht es? Ende 2014 hatte das Land Bremen sein Gebühren- und Beitragsgesetz reformiert – man darf sagen, aus Haushaltsgründen ‚angepasst‘–, um mehr Einnahmen generieren zu können. Das Land Bremen formulierte in seinem Gesetz, dass eine Gebühr für gewinnorientierte Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmenden erhoben werden kann, wenn „wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird“. Der Höhe nach sei die Gebühr „nach dem Mehraufwand zu bemessen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht.“[3] Nach dieser verwaltungsrechtlichen ‚Aufwärmphase‘ begann 2015 das Spiel mit einem ersten juristischen Anstoß. Abseits vom Fußballfeld: Das BVerfG bedient den „gesunden Menschenverstand“ weiterlesen →
People in psychosocial crises. Police intervention instead of support
by Norbert Pütter and Sonja John
The way police deal with people who are in psychosocial crises, who have mental health problems or who have been labelled as such, is currently receiving a lot of attention. Obvious deficits in the use of force are to be eliminated through improved training and further education, without institutional reforms. In the fight against crime, mentally vulnerable individuals are being declared a new risk group against whom preventive intervention is to be taken. With their criminalistic scrutiny, the stigmatization of those affected and their distance from the support system are increasing.