Archiv der Kategorie: Blog

Nicht im Heft, nur im Netz: Aktuelle Meldungen, Beiträge und Interviews.

Nach Kritik an Polizeigewalt: Frankreichs Innenminister droht 125 Jahre alter Bürgerrechtsorganisation

Nach auch für französische Verhältnisse übermäßiger Polizeigewalt droht Gérald Darmanin der Menschenrechtsliga mit Entzug der Finanzierung. Die Organisation hatte das brutale Vorgehen gegen Proteste am „Megabassin“ kritisiert.

In einer vierstündigen Anhörung in der Nationalversammlung und im Senat hat der französische Innenminister Gérald Darmanin das Vorgehen der Gendarmerie gegen eine Demonstration am sogenannten Megabassin in Sainte-Soline am 25. März gerechtfertigt. Es gebe kein Problem der Ordnungshüter, sondern eines der „Ultralinken“, so der liberale Politiker. Dazu zählte Darmanin auch die Menschenrechtsliga (Ligue des droits de l’homme – LDH), die er scharf angriff und deren Vorwürfe übermäßiger Polizeigewalt er abstritt. Die Organisation, die auch gerichtlich gegen vermeintlich „nicht-tödliche Waffen“ der Sicherheitsbehörden vorgeht, habe keinen Beobachterstatus. Schließlich drohte der Minister, der Menschenrechtsliga die staatlichen Zuschüsse zu streichen. Nach Kritik an Polizeigewalt: Frankreichs Innenminister droht 125 Jahre alter Bürgerrechtsorganisation weiterlesen

Erklärung zur polizeilichen Unterwanderung sozialer Bewegungen in Barcelona

88 Organisationen erklären ihre Unterstützung für die fünf Aktivistinnen, die wegen der Unterwanderung sozialer und gewerkschaftlicher Bewegungen durch einen Polizeibeamten des spanischen Nationalen Polizeikorps in Barcelona vor Gericht gehen. Der verdeckte Ermittler nutzte intime, sexuelle Beziehungen, um ein Vertrauensverhältnis zu diesen Bewegungen aufzubauen und zu festigen. Seine Handlungen wurden vom restlichen Polizeiapparat gebilligt und unterstützt. Seine Tätigkeit wurde dank einer Untersuchung der Zeitung La Directa von Mai 2020 bis Oktober 2022 dokumentiert.

Am 31. Januar 2023 haben fünf der von dem Polizeieinsatz betroffenen Aktivistinnen, Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter eine Strafanzeige gegen den Polizeibeamten gestellt, und zwar wegen systematischen sexuellen Missbrauchs, Folter und Verstößen gegen die moralische Integrität, der Aufdeckung und Weitergabe von Geheimnissen sowie der Einschränkung ihrer Bürgerrechte, einschließlich der Verletzung der Vereinigungsfreiheit. Die Strafanzeige, die auch gegen die Vorgesetzten des Polizeibeamten gerichtet ist, stützt sich auf die rechtliche Unterstützung von Irídia – Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte und der Gewerkschaft CGT.

In Anbetracht der Schwere dieser Verstöße erklären die unterzeichnenden Organisationen und Kollektive, dass:

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„Eine linksradikale Bande aus Leipzig soll Rechtsextreme verfolgt und verletzt haben“

Thomas Feltes

Stellungnahme zu dem Beitrag „Brutale Jagd auf Neonazis“ von Denise Peikert, erschienen u.a. in den „Ruhr-Nachrichten“ und in der „Ostsee-Zeitung“ am 28. Januar 2023

Nach meiner Kritik an Aufmachung und Inhalt des Beitrages auf Twitter hatte die Autorin am gleichen Tag geantwortet: „Was genau ist die Kritik?“. Ich habe daraufhin angekündigt, meine Kritik ausführlicher darzulegen. Dies soll hier in Form eines Offenen Briefes an die Journalistin und das RND geschehen, weil die Probleme, die ich gleich ansprechen werde, grundsätzlicher Natur sind. „Eine linksradikale Bande aus Leipzig soll Rechtsextreme verfolgt und verletzt haben“ weiterlesen

Offener Brief: Filmen von rassistischen Polizeieinsätzen zur Beweissicherung zulassen!

Wir erfahren regelmäßig von Zeug*innen rassistischer Polizeigewalt, dass sie kriminalisiert werden, wenn sie Polizeimaßnahmen filmen. Sie werden bedroht, geschlagen, Handys werden konfisziert und Video-Material gelöscht. Nicht selten werden sie durch Anzeigen wie „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ kriminalisiert. Die Polizei behauptet, dass Filmen verboten sei. Dabei beruft sie sich immer wieder auf den sogenannten „Abhörparagrafen“ § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes). Dieser besagt, dass, wer unbefugt „das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt“, eine Straftat begeht.

Polizeiliche Maßnahmen im öffentlichen Raum können jedoch nicht als „nichtöffentlich“ verstanden werden. „Eines Schutzes der Unbefangenheit bedarf ein Amtsträger, dessen Handeln rechtlich gebunden ist und als solches der rechtlichen Überprüfung unterliegt, […] nicht“ (LG Osnabrück 10. Große Strafkammer vom 24.09.2021). Daher kritisieren wir die missbräuchliche Anwendung dieses Paragraphen als klaren Versuch, eine kritische Öffentlichkeit und Zeug*innenschaft zu kriminalisieren. Offener Brief: Filmen von rassistischen Polizeieinsätzen zur Beweissicherung zulassen! weiterlesen

Schengener Informationssystem: Verfassungsschutz mit erweiterter Fahndungsbefugnis

Das Bundeskriminalamt soll demnächst europaweite Fahndungen für Geheimdienste ausschreiben

Im Jahr 2018 wurden neue Verordnungen zum Schengener Informationssystem verabschiedet ((EU) 2018/1860, (EU)2018/1861, (EU)2018/1862), mit denen der Umfang der im Schengener Informationssystem (SIS) gespeicherten Daten sowohl inhaltlich – etwa hinsichtlich ausreisepflichtiger Drittstaatsangehöriger – als auch bezüglich der erfassten Daten – Fingerabdrücke, DNA-Profile, und weitere – deutlich erweitert wurde. Auch ist nicht mehr nur die Polizei an dieses „SIS 3.0“ anzuschließen, sondern eine ganze Reihe weiterer Behörden. Alle Verordnungen sind schrittweise bis Ende 2020 vollumfänglich in Kraft getreten.

Das neue SIS kann aber erst in Betrieb gehen, wenn in allen Mitgliedsstaaten die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Das sollte am 22. November 2022 der Fall sein – wegen technischer Schwierigkeiten in einzelnen Mitgliedsstaaten wird sich dies aber noch verzögern. Auch in Deutschland wurden die rechtlichen Schritte zur Inbetriebnahme erst kurz vor knapp vorgenommen. Schengener Informationssystem: Verfassungsschutz mit erweiterter Fahndungsbefugnis weiterlesen

Westafrika: Eine kurze Geschichte der europäischen Migrationskontrolle

von Sebastian Carlotti

Im Senegal will Frontex erstmals eine Operation auf dem afrikanischen Kontinent durchführen. Die Agentur ist seit ihrer Gründung bereits in den dortigen Gewässern präsent.

Im Februar wurde bekannt, dass die Europäische Kommission den senegalesischen Behörden vorgeschlagen hat, zum ersten Mal in der Geschichte operative Frontex-Kräfte in das Hoheitsgebiet eines afrikanischen Staates zu entsenden. Die vorgebliche Absicht der Stationierung entlang der Außengrenzen des Senegal besteht darin, den Menschenhandel über diese Grenzen zu unterbinden. Europa will damit aber vielmehr direkt auf den Routen der Migranten*innen eingreifen, um diese schon „zu Hause“ zu stoppen.

Der Plan, der vom Senegal noch nicht abgesegnet wurde, sieht eine aktive Überwachung der so genannten Atlantikroute vor. Außerdem könnten die Grenzposten zu Mauretanien und anderer Routen über Algerien und Libyen überwacht werden. Berichten zufolge sollen als Gegenleistung für diese Zusammenarbeit neue Mittel zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie auf die senegalesische Wirtschaft und die Schaffung neuer Möglichkeiten für die legale Migration angeboten werden. Das für einen Frontex-Einsatz nötige Abkommen würde auch eine neue Dimension in der Externalisierung der europäischen Grenzen in diesem Gebiet einführen und könnte später auf Mauretanien ausgedehnt werden. Westafrika: Eine kurze Geschichte der europäischen Migrationskontrolle weiterlesen

Überprüfung von Reisenden: US-Behörden wollen Fingerabdrücke in EU abfragen

Für die Teilnahme am Visa Waiver Programm erlaubt Israel den USA Zugang zu seinen biometrischen Daten. Die Regierung in Washington will dies für weitere 40 Länder vorschreiben.

Die US-Regierung hat ein Schreiben an EU-Mitgliedstaaten verschickt, das eine Verstärkte Partnerschaft für Grenzsicherheit (Enhanced Border Security Partnership – EBSP) ankündigt. Darin soll der Zugriff auf Fingerabdruck-Datenbanken durch US-amerikanische Grenzbehörden geregelt werden. Dies würde eine Bedingung für Länder, deren Staatsangehörige visafrei in die Vereinigten einreisen können.

Auch die Bundesregierung hat am 9. Februar eine solche Mitteilung von der US-Botschaft erhalten, antwortet das Innenministerium auf eine parlamentarische Schriftliche Frage. Die Vorschrift soll demnach ab 2027 gelten. „Im Wesentlichen soll damit wohl unter anderem ein Austausch von biometrischen Daten, unter anderem von Reisenden, ermöglicht werden“, schreibt das Ministerium und will weitere Einzelheiten klären. Überprüfung von Reisenden: US-Behörden wollen Fingerabdrücke in EU abfragen weiterlesen

Neues Westbalkan-Scharnier für Europol und Frontex

Die EU-Agenturen können zwar inzwischen enger mit ausgewählten Drittstaaten kooperieren, allerdings gab es bislang kaum Formate für die politische und strategische Verabredung von grenzpolizeilichen Maßnahmen außerhalb des Schengen-Raums. Für Südosteuropa hat Österreich jetzt Fakten geschaffen.

Nach einer zweitägigen „Rückführungskonferenz“ hat Österreichs Innenministerium am Dienstag dieser Woche weitere Maßnahmen der „Joint Coordination Platform“ (JCP) „gegen die illegale Migration“ angekündigt. Das erst ein Jahr alte Netzwerk soll „flexible Rückführungspartnerschaften“ mit Westbalkan-Staaten abschließen. Hinter dem Begriff verbergen sich Abschiebungen von Menschen, deren Schutzgesuch in der EU abgelehnt wurde, oder die sich aus diesem Grund zu einer „freiwilligen“ Rückkehr entschließen. Neues Westbalkan-Scharnier für Europol und Frontex weiterlesen