Corona-Tagebuch März 2020

31. März

Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine mit einem Eilantrag verbundene Klage gegen die Berliner Verbote und Beschränkungen wegen COVID-19 aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung an. Die von dem Kläger monierte Einschränkung der Versammlungsfreiheit müsse zunächst von Verwaltungsgerichten überprüft werden (Az. 1 BvR 712/20).

Das Potsdamer Verwaltungsgericht (VG) gibt zwei Berliner Klägern Recht, die vom Landkreis Ostprignitz-Ruppin an der Einreise zu ihren Zweitwohnsitzen gehindert wurden. Die Kommune geht mit dem vergangene Woche erlassenen Einreiseverbot über die Regelungen des Bundeslandes Brandenburg hinaus, wonach touristische Übernachtungen verboten sind. In der Begründung der Verordnung heißt es, das Gesundheitssystem könne wegen einer erhöhten Ansteckungsgefahr durch Zweitwohnungsnutzer*innen kollabieren. Diesen Zusammenhang möchte das VG nicht erkennen und setzt den Vollzug der Verordnung für die beiden Berliner aus. Schon zuvor hatte der Landkreis das Verbot teilweise gelockert und erlaubte Besucher*innen, die sich bereits in ihren Zweitwohnungen, Ferienhäusern oder Datschen befanden, den Aufenthalt.

Nach Nordrhein-Westfalen und Bayern beschließen weitere Bundesländer einen Bußgeldkatalog für Verstöße gegen Ausgangsbeschränkungen. Laut Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) kostet das Verlassen der häuslichen Unterkunft „ohne triftigen Grund“ ab Mittwoch 150 Euro, ein Verstoß gegen das Besuchsverbot in Pflegeheimen oder Krankenhäusern 500 Euro. Anstelle von Bußgeldern sollen auch Verwarngelder von 55 Euro verhängt werden können. Auch in Brandenburg gelten ab Mittwoch „empfindliche Strafen“. Der Berliner Senat hat sich heute nicht auf eine von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) vorgeschlagene Bußgeldverordnung einigen können.

Sachsen ersetzt die bis zum 5. April befristete Allgemeinverfügung für Ausgangsbeschränkungen durch eine Rechtsverordnung und verlängert die Maßnahmen, dies tritt ab Mittwoch in Kraft und gilt bis 20. April. In diesen Tagen wollen nach Bayern weitere Bundesländer über die Verlängerung der bald auslaufenden Allgemeinverfügungen beschließen. Das Saarland hat dies bereits gestern für den Zeitraum bis zum 20. April entschieden.

Nach der gestrigen Telefonkonferenz der Innenminister*innen und -senator*innen von Bund und Ländern erklären diese „übereinstimmend“, dass die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus „in aller Konsequenz aufrechterhalten und durchgesetzt werden“ sollen. Man dürfe „nicht frühzeitig die notwendigen Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionsketten aufheben“, erklärt dazu der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Auch laut dem Vorsitzenden der Ständigen IM-Konferenz, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), „kommt eine Lockerung der Maßnahmen gegenwärtig nicht in Betracht“. Die Polizei solle weiterhin „konsequent gegen Verstöße vorgehen“.

COVID-19-App der Telekom (Bild: Google Playstore).

Zusammen mit der Firma BS Software Development stellt die Telekom Healthcare Solutions eine App vor, mit der Patient*innen mithilfe eines Barcodes ohne Anruf bei Ärzt*innen ihre Testergebnis erhalten. Nach einem positiven Ergebnis sollen „alle erforderlichen Maßnahmen direkt eingeleitet werden“ können. Die App wird jedoch als unsicher kritisiert, weil sie ein seit Jahren abgelaufenes Zertifikat aus unsicherer Quelle sowie eine veraltete Verschlüsselungstechnik benutzt. Mit einem „Man-in-the-Middle-Angriff“ könnten fremde Testergebnisse abgerufen oder Ergebnisse verfälscht werden.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) gibt seit Wochen keine Auskunft über Details der App, die zur Verhinderung von Corona-Infektionen entwickelt wird. Als Bundesbehörde unterliegt das RKI zwar der Auskunftspflicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz, derzeit würden aber keine „Bürgeranfragen“ beantwortet. Als Grund nennt das RKI ein „erhöhtes Aufkommen an Anfragen“. So ist unklar, ob die App zur Ortung benutzt oder lediglich mit anderen, in der Nähe befindlichen Mobiltelefonen (etwa per Bluetooth Low Energy Beacon) kommunizieren soll. Auch Presseanfragen werden nicht beantwortet.

Das „Strategiepapier“ des Bundesinnenministeriums mit dem Titel „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“, über das Zeitungen bereits berichtet hatten, wird von Frag den Staat in Gänze veröffentlicht. Laut F.A.Z. wurde es innerhalb von vier Tagen von einer „Gruppe von rund zehn Fachleuten“ verfasst. Namentlich genannt werden Michael Hüther und Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft sowie Christoph M. Schmidt und Boris Augurzky vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

Jenas Bürgermeister Nitzsche am 31. März zur ersten deutschen Maskenpflicht.

Als erste deutsche Stadt will Jena das Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes in Geschäften, Nahverkehr und Gebäuden mit Publikumsverkehr zur Verpflichtung machen. Die Regelung soll ab nächste Woche gelten. Wer bis dahin keine Masken findet, möge sich welche nähen. Es würden aber auch Tücher oder Schals anerkannt. Möglich ist die Anordnung durch die letzte Woche vorgenommene Änderung des §28 Infektionsschutzgesetz.

30. März

Auch in Mecklenburg-Vorpommern sollen die Gesundheitsämter der Landkreise die Polizei über Wohnorte von Infizierten informieren. Laut einer Anweisung des Gesundheitsministers Harry Glawe (CDU) müssen die Behörden täglich um 16 Uhr eine aktuelle „Patienten-Liste“ an die beiden Polizeipräsidien schicken. Dies sei zur „Gefahrenabwehr“ gemäß dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) des Landes möglich. Zuerst war eine solche Maßnahme aus Baden-Württemberg bekannt geworden.

Das Verwaltungsgericht Dresden fällt in zwei Eilentscheidungen abweichende Urteile zur Entscheidung des VG München vom 27. März und erklärt die auf einer Allgemeinverfügung des Landes Sachsen beruhende Ausgangssperre für rechtskonform. Im Gegensatz zum VG München, das für so weitreichende Grundrechtseinschränkungen eine Rechtsverordnung forderte, genügen dem Dresdener VG die Verbote per Allgemeinverfügung. Damit bestätigt es zugleich das Verbot jeglicher Versammlungen in Sachsen – auch der für den 31. März unter dem Motto „Gesundheit und Grundrechte für alle“ geplanten Kundgebung eines der Antragsteller auf dem Postplatz. „Die Teilhabe am politischen Diskurs“ sei nicht „zwangsläufig auf das Abhalten von Versammlungen beschränkt […] und jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum auch auf anderem Weg, etwa über Social Media Kanäle etc., gewährleistet“.

Der Verwaltungsgerichtshof in München lehnt eine Außervollzugsetzung der bayerischen Verordnung für Ausgangssperren ab. Die beiden Antragsteller argumentierten, der Eingriff in ihre Rechte sei durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht gedeckt. Gegen den Beschluss gibt es keine Rechtsmittel.

Pressekonferenz mit Bayerns Ministerpräsident Söder unn Innenminister Herrmann vom 30. März zur Verlängerung der Ausgangssperren.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verlängert die Ausgangsbeschränkungen bis zum Ende der Osterferien am 19. April. Es soll aber keine Verschärfungen geben. Am Wochenende führte die Polizei in Bayern laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) 50.000 Kontrollen durch. Dort seien 9.000 Verstöße festgestellt und 3.200 Fälle geahndet worden. Auch Sachsen will die Dauer der Ausgangsbeschränkungen verlängern.

Die EU-Kommission veröffentlicht einen Leitfaden, der Grenzschutzbeamt*innen und Visumsbehörden bei der Umsetzung der vorübergehenden Einreisebeschränkung an der EU-Außengrenze, bei Transitregelungen für die Rückführung von EU-Bürger*innen und bei Visumsfragen unterstützen soll. Außerdem gibt die Kommission Leitlinien für die Freizügigkeit von „systemrelevanten Arbeitskräften“ heraus. Bereits am 23. März hatte die Kommission Hinweise zur „praktischen Umsetzung der Leitlinien für Binnengrenzkontrollen für den Straßengüterverkehr“ sowie „Leitlinien zur Gewährleistung des Warenverkehrs auf dem Luftweg“ vorgelegt.

Das deutsche „Rückholprogramm“ gilt auch für Personen, die einen Aufenthaltstitel für Deutschland haben, in Deutschland leben und von dort vorübergehend ins Ausland gereist sind. Diese seien „bei den Rückführungen weitestgehend zu berücksichtigen“, schreibt der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Helmut Teichmann in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage.

29. März

Der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton arbeitet weiterhin an dem Plan, mit anonymsierten Bewegungsdaten die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu bewerten. Hierzu ist der Kommissar mit führenden Mobilfunkanbietern sowie Internetplattformen wie Facebook im Gespräch. Die Daten sollten in Computermodelle der Gemeinsamen EU-Forschungsstelle JRC eingespeist werden. „Ich habe jetzt die richtigen Instrumente“, wird Breton zitiert. Einzelheiten seien aber laut einem Kommissionssprecher noch nicht geklärt. Man wolle pro EU-Mitgliedstaat einen Anbieter für die Initiative gewinnen, um jeweils eine aussagekräftige Stichprobe zu erhalten. Nach Ende der Krise würden die Daten gelöscht.

Die Organisation Seebrücke organisiert eine Online-Demonstration für eine menschenrechtskonforme Flüchtlingspolitik. Zu den Forderungen gehört die von Deutschland eigentlich zugesagte Aufnahme eines Teils der 1.500 besonders schutzbedürftigen Minderjährigen aus griechischen Flüchtlingslagern. Die Organisation Mission Lifeline würde hierfür ein Flugzeug chartern und wartet auf eine Erlaubnis zum Start in Griechenland und zur Landung in Deutschland.

Trennungskinder in Thüringen können im Fall betreuter Kontakte ihre anderen Elternteile oft nicht mehr treffen. Eine Umfrage des MDR unter den Jugendämtern kreisfreier Städte ergab, dass die Kontaktregeln wegen des Coronavirus ein Zusammenkommen verunmöglichen, ein weiterer Grund sei Personalmangel. Mitarbeiter*innen oder Beauftragte des Jugendamtes können das Kind deshalb nicht mehr bringen oder abholen.

28. März

Zeitungen berichten über ein „Strategiepapier“ des Bundesinnenministeriums, in dem Szenarien zum Verlauf der Corona-Epidemie, Gegenmaßnahmen und eine Kommunkationsstrategie durchgespielt werden. Dort heißt es, „längerfristig [ist] der Einsatz von Big Data und Location Tracking unumgänglich“. Die Nutzung von Handyortung zur Ermittlung der Kontaktpersonen von Infizierten wollte das Gesundheitsministerium ursprünglich im neuen Infektionsschutzgesetz verankern, vor der Abstimmung am Mittwoch wurde der Passus jedoch gestrichen. Das Papier drängt auch darauf, Gefahren stärker zu betonen. Jungen und gesunden Menschen sei bisher den Eindruck vermittelt worden, sie seien kaum betroffen. Schließlich warnt das Seehofer-Ministerium auch vor einem „völlig anderen Grundzustand bis hin zur Anarchie“.

Grafik der taz zu Corona-Verordnungen und -Allgemeinverfügungen der Bundesländer vom 28. März.

Rund 150 Personen demonstrieren am Kottbusser Tor in Berlin für eine halbe Stunde unangemeldet gegen Verdrängung, Repression und für Geflüchtete. Nach Auflösung der Versammlung setzt die Polizei einige Teilnehmende fest und nimmt Personalien auf. Auch am Rosa-Luxemburg-Platz demonstrieren einige Dutzend. Die Demonstration sei angemeldet, nach Angaben der Polizei aber nicht genehmigt gewesen, auch hier werden Personalien aufgenommen. Die Veranstalter*innen wollen fortan jeden Samstag auf die Straße gehen. Wo bis vor einigen Tagen vom Hamburger Senat abgebaute „Lampedusa-Zelt“ stand, protestieren Menschen alleine oder zu zweit mit Schildern, die Polizei wertet das offenbar als nicht-angemeldete Versammlung. Ursprünglich für heute in mehreren Städten geplante Demonstrationen gegen Mietenwahnsinn wurden verschoben und auf die „Fenster und Balkone“ verlegt.

Einsätze „privater Dienstleister“ für Polizei und Ordnungsämter sind umstritten. Sie werden als „police private partnership“ oder, bei der Wahrnehmung hoheitlicher Sicherheits- und Ordnungsaufgaben, als „public private security“ bezeichnet. Das staatliche Gewaltmonopol und der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz sehen derartige Beleihungen aber nicht vor. In einer Grundsatzentscheidung hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main dies in Bezug auf die Überwachung des ruhenden Verkehrs für gesetzeswidrig erklärt, da es sich dabei um eine alleinige Aufgabe des Staats handelt. Von Privaten ermittelte Beweise unterlägen einem absoluten Verwertungsverbot (Az: 2 Ss-Owi 963/18).

Mehrere Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen setzen private Sicherheitsdienste zur Verfolgung von Verstößen gegen Pandemie-Maßnahmen ein. Sie sollen die Polizei und Ordnungsamt unterstützen und erhalten wie in Empfingen zur Durchsetzung „infektionsschützender Maßnahmen“ hoheitliche Befugnisse. Hierzu gehören Kontrollen, Identitätsfeststellungen und Platzverweise.

Auf der Webseite der Investitionsbank Berlin (IBB) warteten gestern mehr als 100.000 Menschen in einer virtuellen „Warteschlange“ auf einen Zugang für den Antrag auf Soforthilfe. In offenbar mehreren Fällen wurde das ausgefüllte Formular anschließend an andere Antragssteller*innen versandt. Mit Stand vom 30. März geht die IBB laut der Berliner Beauftragten für Datenschutz von bis zu 390 betroffenen Antragsteller*innen aus.

27. März

Der französische Präsident Emmanuel Macron warnte laut Reuters in der gestrigen Videokonferenz des EU-Gipfels, dass die Schließung der EU-Binnengrenzen die Freizügigkeit und damit den zentralen Pfeiler der EU zerstören könnte. Dies sei der „Tod von Schengen“.

Frontex-Grafik zu Schengen-Staaten mit Kontrollen der Binnengrenzen (Stand 24. März).

Laut der EU-Grenzagentur Frontex haben mit Stand vom 24. März alle Schengen-Mitgliedstaaten Einreisebeschränkungen eingeführt, die Unterschiede für Land-, Luft- und Seegrenzen machen. 14 Regierungen blockieren ihre Grenzen komplett (darin enthalten sind Länder, die zwar Einreisen mit dem Schiff erlauben, jedoch keine Seegrenzen haben sowie Malta und Zypern, wo die Einreise mit dem Auto erlaubt wäre).

Die bayerische Ausgangsbeschränkung vom 24. März wird nicht außer Vollzug gesetzt. Dies entschied gestern der Präsident des bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Peter Küspert. Er traf die Entscheidung wegen des besonderen Eilfalles allein. Zwar gebe es zahlreiche Einschränkungen, es überwögen jedoch wegen „der überragenden Bedeutung von Leben und Gesundheit“ die Gründe gegen das Außerkraftsetzen der Verordnung. Die „Popularklage“ ist noch nicht endgültig entschieden, der Kläger will die Verordnung für verfassungswidrig und nichtig erklären lassen.

Die „volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr besteht zunächst aus 5.500 Kräften für „Absicherung/Schutz“, 6.000 für „Unterstützung der Bevölkerung“, 600 Feldjäger*innen für „Ordnungs-/ Verkehrsdienst“, 250 Soldat*innen für Desinfektionsaufgaben und 2.500 für „Lagerung, Transport, Umschlag“.
Das Kommando führt der „Nationale Territoriale Befehlshaber“ Martin Schelleis, ihm unterstehen vier Führungsstäbe in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg (Marinekommando in Rostock); Berlin und Brandenburg (Luftwaffen-Kommando in Berlin); Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen (1. Panzerdivision in Oldenburg) sowie alle anderen Bundesländer (10. Panzerdivision im bayerischen Veitshöchheim).
Zu den möglichen Aufgaben gehören Raum- und Objektschutz, Schutz kritischer Infrastrukturen, Unterstützung von Ordnungsdiensten, Verkehrsdienste, Bereitstellung von Versorgungsflächen und militärischen Flugplätzen, Desinfektion von Material, Flächen und Räumen, „Massenunterbringung“ und „Helfende Hände“.

Die Bundeswehr will bis 3. April mit 15.000 Soldat*innen eine „Final Operational Capability“ herstellen. „Möglichst“ unter polizeilicher Führung soll die Bundeswehr auch sogenannte „Absicherungseinsätze“ durchführen können. Die Streitkräftebasis der Bundeswehr schreibt in einer Weisung an die Soldat*innen vom „Einsatz spezifisch militärischer Waffen“, der in „besonderen Ausnahmefällen und auf Weisung der Bundesministerin zulässig“ sei.

Der Landrat des oberbayerischen Landkreises Miesbach stellt ein Ersuchen für zehn Soldat*innen bei der Bundeswehr, die ein Gebäude des Technischen Hilfswerks (THW) mit Schutzmasken und medizinischem Material absichern sollen. Die Polizei könne dies derzeit nicht leisten. Laut einer Kreissprecherin könnte das Militär bewaffnet sein, denn Polizist*innen trügen ja auch Waffen.

Das Innenministerium in Schwerin konkretisiert die Einreiseverbote nach Mecklenburg-Vorpommern vom 17. März. Außer Familienangehörigen ersten Grades können auch Lebenspartner*innen mit eingetragener Partnerschaft einreisen, außerdem jetzt auch Enkel*innen. Über die Auslegung der Verordnung hatte es Unstimmigkeiten zwischen dem Innenministerium und der Staatskanzlei gegeben.

In Bayern gilt ein neuer Bussgeldkatalog, wonach das Verlassen der Wohnung „ohne triftigen Grund“ oder das Nichteinhalten der Abstandsregel mit 150 Euro bestraft wird. Auch wer in die Schule geht oder verreist, soll die Summe bezahlen. Die Abhaltung von oder Teilnahme an Versammlungen und Veranstaltung“ wird nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat verfolgt. Das Infektionsschutzgesetz bestimmt hierzu eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

Das Verwaltungsgericht Hannover lehnt den Antrag eines Aktivisten ab, der für den 28. März eine „Kleinstversammlung“ mit fünf bis fünfzehn Teilnehmenden unter dem Motto „Gegen das totale Versammlungsverbot unter dem Deckmantel der Epidemiebekämpfung“ angemeldet hatte. In seinem Beschluss würdigt das Gericht, dass die Beteiligten einen Mindestabstand einhalten wollen, hält aber eine Ansteckungsgefahr nicht für ausgeschlossen und bestätigt damit die niedersächsische Allgemeinverfügung, die Versammlungen verbietet.

50 Geflüchtete der Sammelunterkunft Lindenstraße in Bremen demonstrieren vor der Anlage in weitem Abstand zueinander gegen mangelnde Hygienebedingungen. Wegen Nichteinhaltung von „Mindestabständen“ fertigt die Polizei Strafanzeigen nach dem Infektionsschutzgesetz.

Inhaftierte müssen in Mecklenburg-Vorpommern Atemschutzmasken nähen. Masken aus der Justizvollzugsanstalt in Bützow sollen zunächst in den Anstalten verwendet werden. In Vechta (Niedersachsen) erfolgt die Produktion in der JVA für Frauen im Auftrag der Caritas. Die JVA Uelzen kooperiert mit einem Zulieferer der Medizinischen Hochschule Hannover, die JVA Sehnde desinfiziert die Produkte in ihrer zertifizierten Wäscherei. In den JVA’s Chemnitz und Torgau (Sachsen) werden Masken unter anderem für das Polizeiverwaltungsamt und andere sächsische Gefängnisse genäht.

Bundespolizei-Ausrüstung zum Infektionsschutz am 27. März.

Der Bundespolizei stehen über 6.000 Exemplare „Großer Satz Infektionsschutzanzug“ mit Einmalanzug, Schutzbrille, Atemschutzmaske, Handschuhe, Entsorgungsbeutel zur Verfügung, außerdem fast 3.000 mal der „Kleine Satz“ sowie mehr als 40.000 Atemschutzmasken und 71.000 Mundschutze.

26. März

Als erster Brandenburger Landkreis verbietet Ostprignitz-Ruppin „touristische Reisen aus privatem Anlass“. Dazu zählen laut der Kreisverwaltung auch vorübergehende Kurzaufenthalte an Wochenenden oder einzelnen Tagen und der Aufenthalt am Zweitwohnsitz. Ebenfalls untersagt sind „vermeidbare oder aufschiebbare Reisen“ in den Landkreis zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation.

Die Stadt Menden in Nordrhein-Westfalen bereitet sich darauf vor, in einem Krankenhaus und einer leerstehenden Turnhalle „auch gegen ihren Willen“ Menschen festzuhalten, die sich nicht an Quarantänevorschriften halten. Man habe in den vergangenen Tagen festgestellt, dass etwa 20 Prozent der Einwohner*innen, die unter Quarantäne standen, nicht zu Hause waren. Vor der Maßnahme hatte die Stadt ein Gutachten eingeholt.

Einzelne Gesundheitsämter in Baden-Württemberg übergeben Listen mit Daten Infizierter an die Polizei. Das Innenministerium in Stuttgart begründet dies mit dem Selbstschutz der Polizist*innen, falls eine infizierte Person in eine polizeiliche Maßnahme gerät. Rechtsgrundlage sei das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst, das Datensammlungen ermögliche, um Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden. Die Daten Geheilter würden wieder gelöscht. Nach den Medienberichten moniert der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink die Weitergabe in Listen. Auch das Sozialministerium kritisiert das Vorgehen und weist die Gesundheitsämter darauf hin, dass eine Übermittlung nur erfolgen darf, wenn eine infizierte Person gegen eine angeordnete Quarantäne verstoße. Das Innenministerium will jetzt mit dem Datenschutzbeauftragten „eine Lösung finden, die dem Datenschutz und der effektiven Abwehr von Gefahren für die Bevölkerung gerecht werde“.

Acht Mobilfunkanbieter, darunter die Deutsche Telekom, A1 Telekom Austria, Vodafone, Telefónica und Orange übermitteln der EU-Kommission anonymisierte Standortdaten ihrer Kund*innen, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Die Kommission will damit „Maßnahmen koordinieren, um die Verbreitung des Virus nachzuvollziehen“. Konkreter wird die Meldung nicht. Die Nutzung der Daten war bereits am Montag bei einem Treffen mit dem EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Thierry Breton, vereinbart worden. Sie sollen gelöscht werden, „wenn die Krise einmal zuende ist“. Der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski hat gegen die Maßnahme grundsätzlich nichts einzuwenden.

Das Innenministerium in Baden-Württemberg erwägt, die Bundeswehr nicht nur zu medizinischen und logistischen Zwecken, sondern auch zur Unterstützung der Polizei einzusetzen. Dort könnten die Soldat*innen bei „hoheitlichen Aufgaben helfen“. Laut einem Bericht der Stuttgarter Zeitung stehen Innenministerium und Bundeswehr dazu bereits im Kontakt. Bereits am 19. März hatte Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer in der Bundespressekonferenz die Option in den Raum gestellt, Soldat*innen für den Objektschutz von „kritischen Infrastrukturen“ einzusetzen.

Laut einer Meldung des Spiegel bittet die französische Regierung um Unterstützung durch die Bundeswehr. Benötigt würden Helikopter zur Verlegung von Patient*innen aus besonders betroffenen Regionen sowie Unterstützung bei deren Versorgung. Die Rede ist auch vom Einsatz der „deutsch-französischen Brigade“. Die Anfrage ist noch nicht offziell bei der Bundesregierung eingegangen.

In Sozialen Medien häufen sich Meldungen, wonach die Polizei in einigen Städten Verstöße gegen Ausgangsbeschränkungen und „Kontaktverbote“ übermäßig streng kontrolliert. Hierzu wird unter anderem mit dem Hashtag #CoronaPolizei berichtet. Bei den Behörden gehen außerdem zahlreiche Nachfragen ein, wie die Verordnungen auszulegen sind. In Sachsen heißt es beispielsweise in der Allgemeinverfügung vage, Sport sei „im Umfeld des Wohnbereichs“ erlaubt, dieses „Umfeld“ ist aber nicht definiert.

In Schleswig-Holstein kontrolliert die Polizei sogar in Wohnungen, ob sich dort entgegen des „Zweitwohnungsverbots“ Menschen aus anderen Bundesländern aufhalten. Laut Berichten werden die Polizist*innen in vielen Fällen von Anwohner*innen informiert.

Die Kommissarin für Menschenrechte des Europarates, Dunja Mijatovic, fordert dessen Mitgliedsstaaten zur Prüfung der Freilassung abgelehnter Asylbewerber*innen und irregulären Migrant*innen in in Abschiebehaft auf. In vielen Fällen verzögere sich die Abschiebung wegen der globalen COVID-19-Pandemie. Nach den Menschenrechtskonventionen könne ihre Inhaftierung aber nur so lange rechtmäßig sein, wie eine baldige Abschiebung tatsächlich stattfinden kann. Abschiebehaftanstalten böten außerdem schlechte Möglichkeiten für Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen. Einige Mitgliedstaaten, darunter Belgien, Spanien, die Niederlande und Großbritannien, hätten bereits Entlassungen gemeldet.

25. März

Frontex will mehrere Einsätze suspendieren, darunter die sogenannten „Joint Operation Focal Points“ an Land und in der Luft, außerdem „Flexible Operational Activities“ (FOA), wie sie Frontex in Albanien durchführt. Dies beträfe auch die Bundespolizei, die sich nicht nur an der albanisch-griechischen Grenze, sondern auch an Operationen in Kroatien und Bulgarien beteiligt. Die Einsätze der EU-Grenzagentur im zentralen und westlichen Mittelmeer sollen nur noch eingeschränkt betrieben werden. Alle Frontex-Einsätze in Griechenland genießen hingegen höchste Priorität. Dabei handelt es sich um die seit Jahren laufende „Gemeinsame Operation Poseidon“ und die kürzlich gestarteten Soforteinsätze (RABITs) an der griechisch-türkischen Landgrenze und in der Ägäis. Mit Stand 2. März sind 67 deutsche Beamt*innen zur Migrationsabwehr in Griechenland stationiert (44 der Bundespolizei, 21 der Länderpolizeien und 2 vom Zoll), mit den RABIT-Einsätzen kommen 10 Bundespolizist*innen hinzu.

Beschluss des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 25. März (ab 1:50:00).

Der Bundestag beschließt bei Enthaltung der Linken und der AfD das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Er stellt damit fest, dass mit dem neuartigen Coronavirus eine solche „epidemische Lage“ eintrat. Dem ersten Entwurf zufolge sollte diese Feststellung allein dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) obliegen, nun darf der Bundestag mitentscheiden. Das BMG wird mit dem Gesetz ermächtigt, Anordnungen oder Rechtsverordnungen zu deren Bewältigung zu erlassen, etwa „den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen“. Es darf von Reisenden Auskunft über ihren Gesundheitszustand oder ihren Impfschutz verlangen und eine ärztliche Untersuchung anordnen. Beförderungsunternehmen kann die Beförderung aus bestimmten Herkunftsländern untersagt werden, sie müssen außerdem auf Anforderung des BMG Daten über Reisende übermitteln. Gesundheitsämter dürfen von der Fluggastdaten-Zentralstelle beim BKA auch sämtliche Personendaten für Flüge aus „betroffenen Gebieten“ anfordern.

Mit Zustimmung aller vertretenen Fraktionen beschließt der Landtag in Bayern ein neues Infektionsschutzgesetz. Stellt die bayerische Staatsregierung einen „Gesundheitsnotstand“ fest, kann sie leichter auf medizinisches Material und Personal zugreifen. „Von jeder geeigneten Person“ kann die Erbringung von „Dienst-, Sach- und Werkleistungen“ verlangt werden. Die Fraktionen hatten einen Änderungsantrag eingebracht, wonach der Landtag jederzeit die Aufhebung des „Gesundheitsnotstandes“ fordern kann (vgl. die Vorgangsmappe). Das Gesetz ist bis Ende des Jahres befristet.

Demonstration der „TurboKlimaKampfGruppe“ am 25. März in Kiel.

In Flensburg führen 15 Menschen eine angemeldete Versammlung durch. Im Auflagenbescheid begrüßt die Versammlungsbehörde eine Vermummung. Demonstriert wird für Grundrechte, Hilfen für Obdachlose und gegen die Unterbringung von Geflüchteten in Lagern. In Kiel demonstriert eine „TurboKlimaKampfGruppe“ mit 10 Menschen gegen die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes, Eingriffen in Persönlichkeitsrechte und autoritäre Tendenzen.

Das Bundesinnenministerium ordnet ab heute um 17.00 Uhr ein Einreiseverbot für Saisonarbeiter*innen an. Das Verbot wird im Rahmen der bestehenden Grenzkontrollen kontrolliert. Es gilt auch für die Einreise aus Großbritannien und EU-Staaten wie Bulgarien und Rumänien, die Schengen-Regeln nicht vollumfänglich anwenden, sowie aus Staaten, bei denen Binnengrenzkontrollen wieder eingeführt wurden. Regelungen für Saisonarbeitskräfte, die bereits in Deutschland sind, sind hingegen gelockert.

24. März

AFP zitiert einen EU-Kommissionssprecher mit den Worten, der Schutz der öffentlichen Gesundheit könne eine Ausnahme von Verbot der Verarbeitung persönlicher Gesundheitsdaten darstellen. Auch der Austausch und die Auswertung personenbezogener Daten sei „aus Gründen des Gemeinwohls“ möglich. Ob es sich dabei um von Behörden oder von Firmen gesammelte Daten handeln soll, bleibt unklar.

In einigen Bundesländern werden Lockerungen im Strafvollzug eingeschränkt oder zurückgenommen. Rechtsanwält*innen berichten, dass Ausgänge selbst aus dem offenen Vollzug heraus abgesagt werden und Gerichte einen Eilrechtsschutz verweigern. In Berlin wurde vor einer Woche bei Gefangenen, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, ein Langzeitausgang angeregt. Aus dem geschlossenen Vollzug soll die Gewährung von Vollzugslockerungen hingegen „auf unaufschiebbare Fälle beschränkt werden“. De facto handelt es sich dabei um eine Ausgangssperre.

Ab morgen werden in Berlin Besuche von „Gefangenen und Untergebrachten“ untersagt und nur in begründeten Einzelfällen mit Trennvorrichtung ermöglicht. Besuche von Rechtsanwält*innen sind gestattet, aber grundsätzlich nur mit Trennscheibe. Auch in Sachsen sind seit dem 23. März Besuche generell ausgesetzt. Über Verteidiger*innenbesuche entscheidet die Anstaltsleitung „im Einzelfall“.

In vielen Bundesländern wird die neue „Kontaktsperre“ von der Polizei kontrolliert. In Berlin wurden gestern zwölf Ordnungswidrigkeitenanzeigen „aufgrund der Nichteinhaltung der Kontaktbeschränkung“ gefertigt. Außerdem stellte die Polizei in der Hauptstadt seit gestern 117 weitere „Zuwiderhandlungen“ fest, 44 Lokale und Geschäfte wurden geschlossen.

Das VG München setzt die Wirksamkeit der bayerischen Ausgangssperre in zwei Einzelfällen vorläufig außer Kraft. Das Gericht bezweifelt, ob die Regierung des Freistaats diese durch Allgemeinverfügung regeln durfte oder nicht eine Rechtsverordnung hätte erlassen müssen (AZ M 26 S 20.1252). Die Gültigkeit der Maßnahme bleibe davon jedoch unberührt. Als Konsequenz des Urteils erlässt Bayern statt der Allgemeinverfügung am gleichen Tag eine gleichlautende Verordnung.

Die Telekom überlässt dem Robert Koch-Institut (RKI) eine zweite Lieferung anonymisierter Kund*innendaten. Es handle sich um Daten „bis zum 19. März“. Vor einer Woche seien bereits fünf Gigabyte mit Daten von rund 46 Millionen Handykund*innen aus dem 4. Quartal 2019 weitergegeben worden. Damit habe das RKI eine „Datenbasis“ erstellt, die zur Ermittlung des Mobilitätsverhaltens der Bevölkerung mit dem neuen Datenpaket verglichen wird.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am 24. März zu drastischen Bußgeldern bei Verstößen gegen das „Kontaktverbot“.

Als erstes Bundesland erstellt Nordrhein-Westfalen einen Bußgeldkatalog für Verstöße gegen Corona-Verbote. Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen, die direkt verwandt sind (für weitere Ausnahmen siehe die Verordnung), werden mit 200 Euro pro Beteiligten geahndet, Picknicks kosten 250 Euro pro TeilnehmerIn. Die Strafe für verbotene Sportveranstaltungen beträgt 1.000 Euro, das Verspeisen von Außer-Haus-Essen nahe des Imbisses oder Restaurants schlägt mit 200 Euro zu Buche.

Das Verteidigungsministerium gibt zunächst 23 Anträgen von Landesregierungen auf Amtshilfe an die Bundeswehr statt.

23. März

Die EU verfügt über verschiedene Routinen zur Krisenreaktion. Seit 2001 besteht der „Katastrophenschutzmechanismus“ (EUCPM), an dem auch Island, Norwegen, Serbien, Nordmazedonien, Montenegro und die Türkei teilnehmen. Nach Aktivierung koordiniert und teilfinanziert die EU-Kommission die Maßnahmen und greift auf Kapazitäten des „Europäischen Zivilschutz-Pools“ (ECPP) zurück.
Erst 2019 wurde der EUCPM durch die Reserve „RescEU“ gestärkt, im medizinischen Bereich wurden etwa Feldlazarette beschafft und Notärzteteams zusammengestellt. Wegen der Corona-Krise hat die Kommission erst am 19. März einen Vorrat an medizinischen Ausrüstungen beschlossen. Zuerst wurde der Mechanismus von Italien und Spanien aktiviert.
Mit der „Integrierten Regelung für die politische Reaktion auf Krisen“ (IPCR) verfügt auch der Rat über ein entsprechendes Instrument mit den drei Operationsmodi „Überwachung“, „Informationsaustausch“, „vollständige Aktivierung“. Die Aktivierung wegen der Corona-Epidemie durch den kroatischen Vorsitz ist die dritte Nutzung überhaupt.
Ein weiteres Ratsverfahren ist der „Solidaritätsklausel“, wenn ein Mitgliedstaat „von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist“. Anschließend soll die EU „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel“ mobilisieren.

Der Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) will zur Bekämpfung der Corona-Krise die „Solidaritätsklausel“ nach Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union aktivieren. Es wäre die erste Aktivierung, nachdem die EU nach dem Lissabon-Vertrag bis 2014 über eine mögliche Anwendung diskutiert hat. Eine Regierung muss zunächst Hilfe gemäß Artikel 222 AEUV anfordern, bevor die EU aktiv wird. Die für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung vorgesehene „Solidaritätsklausel“ unterscheidet sich vom Mechanismus des Katastrophenschutzes nach Artikel 196 AEUV.

Die Deutsche Welle meldet, dass es vorerst überhaupt keine Abschiebungen mehr aus Deutschland geben soll. Dies gehe aus Antworten hervor, die die Anstalt aus dem Bundesinnenministerium erhielt. Ein intensiver Reiseverkehr mit Abzuschiebenden sei demnach mitten in der Corona-Krise nicht aufrechtzuerhalten. Die für Abschiebungen benötigten Polizeien der Länder und die Bundespolizei seien mit „vorrangigen Schutzaufgaben“ für die Bevölkerung befasst. Laut dem Bericht hat das afghanische Flüchtlingsministerium bereits vergangene Woche an die Bundesregierung und andere europäische Staaten appelliert, Abschiebungen auszusetzen. Einige Länder, darunter Großbritannien, Dänemark und Finnland, hätten dies bereits umgesetzt.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) setzt offenbar „bis auf weiteres“ alle Dublin-Überstellungen vorübergehend aus. Nach Einschätzung der Behörde sind diese angesichts der wegen der Corona-Krise geschlossenen Grenzen und Reiseverbote in Europa derzeit nicht vertretbar.

Die Bundesregierung hat nach einem Bericht des Tagesspiegel das Verbot für den Export medizinischer Schutzausrüstung wieder aufgehoben. Vorausgegangen war eine Intervention der EU-Kommission, wonach eine solche Anordnung den Gesetzen des Binnenmarkts widerspricht. Italien hatte das EU-Katastrophenschutzverfahren EUCPM aktiviert und um Hilfe gebeten. Kein einziger EU-Mitgliedsstaat habe laut Italiens EU-Botschafter geantwortet, stattdessen habe Deutschland jede Ausfuhr untersagt. Das Verbot hatte auch dafür gesorgt, dass Privatpersonen keine Schutzmasken nach Italien schicken durften.

Eilanträge von Bewohner*innen aus Fehmarn, Sylt und Amrum in den Kreisen Ostholstein und Nordfriesland gegen die Anordnung der Landesregierung in Schleswig-Holstein, wonach Zweitwohnsitze und Wochenendhäuser verlassen werden müssen, werden vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Nach Beratungen des Innenministers Hans-Joachim Grote (CDU) mit Landräten erklärt das Land einen Tag später, dass das Verbot nur „Neuanreisen“ betrifft. Wer schon länger dort ist, darf demnach bleiben.

Das OVG Berlin-Brandenburg lehnt einen Eilantrag gegen die seit Montag geltenden Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus des Landes Brandenburg ab. Die beanstandeten Maßnahmen verbieten unter anderem Ansammlungen im öffentlichen Raum. Laut dem unanfechtbaren Gerichtsbeschluss verletzten sie aber nicht das Recht des Antragsstellers auf Freizügigkeit. Explizit verweist das Gericht auf Erfahrungen anderer Länder und bezeichnet die hiesigen Maßnahmen als „geeignet, erforderlich und angemessen“. Bereits am 21. März lehnte das VG Hamburg eine erste Klage gegen die Corona-Maßnahmen des Senats, in der es um Geschäftsschließungen ging, ab. Einen Tag zuvor hatte das BVerfG Karlsruhe den Eilantrag gegen ein Demoverbot der Stadt Karlsruhe abgewiesen.

22. März

Der Blog „Frag den Staat“ veröffentlicht den Entwurf des von der Bundesregierung geplanten „Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ . Zuvor hatten bereits einige Medien dazu berichtet. Die Auslegung bleibt jedoch strittig: Einige Kommentator*innen sehen in dem Gesetz vorrangig eine Entmachtung der Länder, andere vor allem eine Schaffung neuer Befugnisse.

Bayern will das von Bund und Ländern vor wenigen Stunden verabredete „Kontaktverbot“ nicht übernehmen, sondern beharrt auf schärferen Maßnahmen: Ein gemeinsamer Aufenhalt von zwei Personen im öffentlichen Raum soll weiterhin nur für Menschen aus dem selben Haushalt möglich sein. In der vor wenigen Stunden stattgefundenen Telefonkonferenz sollen die Ministerpräsidenten Laschet und Söder heftig gestritten haben, weil die Landesregierung in München am Freitag eine Ausgangssperre „ohne Absprache“ mit dem Bund und den anderen Ländern verhängte.

Angela Merkel erklärt die acht neuen „Regeln“ zur Eindämmung von COVID-19, darunter das „Kontaktverbot“.

Die Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder verabredet in einer Telefonkonferenz ein bundesweites „Kontaktverbot“. Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind grundsätzlich verboten, Ausnahmen gelten für Familien bzw. in einem Haushalt lebende Personen. Eine entsprechende Verordnung soll ab Montag für mindestens zwei Wochen erlassen werden. Auch alle Restaurants, Friseur*innen, Kosmetik- und Tattoo-Studios und Massagesalons sollen schließen. Zwölf Bundesländer (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen) hatten sich bereits vorher auf ein solches „Kontaktverbot“ verständigt. Die insgesamt acht Regelungen verkündet Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auf einer Pressekonferenz, die die Kanzlerin anschließend erläutert.

Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nimmt Abstand von Plänen, in der für diese Woche geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine Handyortung zu ermöglichen. Datenschützer*innen und IT-Expert*innen hatten die Maßnahme als nicht datenschutzkonfrom und auch nutzlos kritisiert. Funkzellenabfragen seien viel zu ungenau, um mögliche Kontaktpersonen zu ermitteln. Allerdings schloss auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) in ihrer Klarstellung, dass der Gesetzesentwurf in dieser Form nicht weiterverfolgt würde, eine Erhebung personalisierter Daten nicht kategorisch aus. Forscher*innen und Softwareentwickler*innen arbeiten derweil an Apps, die Bewegungsprofile von Handys für das Nachvollziehen von Infektionen nutzen. Diese würden auf Zustimmung der Nutzer*innen basieren, nachdem die App zuvor freiwillig installiert wurde.

Sachsens Staatsministerin Köpping und Innenminister Wöller am 22. März zur Ausgangsbeschränkung in Sachsen.

Auch in Sachsen gilt ab Montag (00.00 Uhr) eine zweiwöchige Ausgangsbeschränkung, das Verlassen der Wohnung ist dann ohne „triftigen Grund“ untersagt. Erlaubt sind weiterhin Wege zur Arbeit und zum Einkaufen, außerdem Sport und Bewegung an der frischen Luft sowie der Besuch des eigenen Kleingartens.

Der Entwurf für ein bayerisches Infektionsschutzgesetz wird morgen und übermorgen in den zuständigen Ausschüssen beraten (Gesundheit und Pflege; Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport; Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration). Am Mittwoch erfolgt dann die zweite Lesung im federführenden Ausschuss für Gesundheit und Pflege. Neben einer Meldepflicht für medizinische Ausrüstung und dem Recht, „von jeder geeigneten Person die Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen“ zu verlangen, sollen Feuerwehren und freiwillige Hilfsorganisationen auch Personendaten über ihre Mitglieder übermitteln, „die über medizinische oder pflegerische Kenntnisse verfügen“. Ein Änderungsantrag aller im Landtag vertretenen Fraktionen verlangt, dass die Staatsregierung bei einer Ausrufung des „Gesundheitsnotstands“ den Landtag „als unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ der Verfassung“ einbindet. Die Abgeordneten fordern auch das Recht, einen „Gesundheitsnotstand“ aufheben zu dürfen.

In Mecklenburg-Vorpommern hat die Polizei vorgestern 4.141 Fahrzeuge mit auswärtigen Kennzeichen kontrolliert und davon 355 abgewiesen. Die Polizei fährt laut den Polizeipräsidien Rostock und Neubrandenburg außerdem durch „touristische Hotspots“ und fordert Tourist*innen mit Lautsprecherdurchsagen zur Abreise auf.

21. März

In Deutschland können Landesregierungen und örtlichen Ordnungsbehörden auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) zurückgreifen und die dortigen Paragrafen 28-32 mit eigenen Rechtsverordnungen, Allgemeinverfügungen oder Bußgeldkatalogen konkretisieren. Paragraf 28 Abs. 1 Satz 1 erlaubt der zuständigen Behörde, Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Krankheit zu treffen. Paragraph 30 ermächtigt zur Einschränkung von Grundrechten der Freiheit der Person, der Freizügigkeit, der Versammlungsfreiheit, der Unverletzlichkeit der Wohnung und des Brief- und Postgeheimnisses. Paragraph 31 sieht zudem berufliche Tätigkeitsverbote vor. Paragraph 74 regelt schließlich die Strafvorschriften. Demnach kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer gegen Quarantäne-Vorschriften verstößt.

Die F.A.Z. berichtet über eine geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes, wonach die Bundesregierung mehr Eingriffsmöglichkeiten im ganzen Land erhielte. Stellte sie eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ fest, könnte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ohne Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen erlassen. Die Versorgung mit Medikamenten und Schutzausrüstung und ggf. deren Beschlagnahme würden dann zentral gesteuert. Möglich wären die „Zwangsrekrutierung“ von Ärzt*innen, Medizinstudent*innen, Pflegekräften und anderen Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen sowie die Handyortung der Kontaktpersonen von Infizierten. Unternehmen der Telekommunikation sollen dafür Verbindungsdaten von Mobiltelefonen herausgeben. Die F.A.Z. schreibt außerdem von möglichen Preisfestsetzungen und der Veranlassung von Arzneimittelproduktion durch Schließung bzw. Eröffnung von Betriebsstätten. Das BMG dürfte auch Einschränkungen im grenzüberschreitenden Bahn-, Schiffs- Flug- oder Busverkehr vornehmen. Die Gesundheitsämter sollen zudem Fluggastdaten nutzen können. Gäben die Airlines diese nicht schnell genug heraus, könnte der Zugriff im Eilverfahren über die PNR-Zentralstelle erfolgen. Das Bundeskabinett will den Entwurf am Montag verabschieden und sofort dem Bundestag und dem Bundesrat vorlegen.

Die Stadt Jena ersetzt ihre Allgemeinverfügung vom 18. März einen Tag später durch eine neue Version. Nun müssen sich alle Einwohner*innen, die in den letzten zwei Wochen in einem Risikogebiet waren, unter Bußgeldandrohung für zwei Wochen einer äußerst umfassenden Quarantäne mit Meldepflichten unterziehen. Zu den Risikogebieten zählt Jena nicht nur die Festlegungen des RKI, sondern auch sämtliche Staaten außerhalb der EU sowie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg.

Die Allgemeinverfügungen von Kommunen und Kreisen enthalten auch Einschränkungen für Bestattungen. Die heute bekannt gemachte Verordnung für Sachsen bestimmt für Trauerfeiern eine Zahl von maximal 50 Teilnehmenden. In Dresden können in manchen Feierhallen nur zehn Personen an einer Trauerfeier teilnehmen, in Berlin sind diese teilweise längst geschlossen. Im Freien können weiterhin bis zu 99 (Sachsen) oder 50 (Berlin) Personen zusammen trauern. Der Bundesverband Deutscher Bestatter empfiehlt eine Anzahl von höchstens 25 Personen.

Die Münchener Feuerwehr fordert die Bevölkerung am 21. März zum Daheimbleiben auf.

Auf Youtube (1 | 2) wird dokumentiert, wie die Feuerwehr in München Lautsprecherdurchsagen in den Straßen macht und die Menschen anlässlich der tags zuvor verhängten Ausgangssperre auffordert, daheim zu bleiben. Es drohten sonst hohe Strafen. In Schleswig-Holstein werden die Durchsagen von der Polizei durchgeführt.

20. März

Auf Empfehlung des Landratsamts Karlsruhe erlassen zahlreiche weitere Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg ein Betretungsverbot für öffentliche Orte nach Freiburger Vorbild. Die Allgemeinverfügungen lassen nur Ausnahmen zu, „wenn öffentliche Orte im Freien alleine, zu zweit, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen“. Ähnliche Bestimmungen gibt es auch in Kommunen in Rheinland-Pfalz und Hessen.

Die Staatsregierung in Bayern will im Eilverfahren ein eigenes Infektionsschutzgesetz beschließen, womit unter anderem medizinisches Material beschlagnahmt werden kann. Wer mehr als den täglichen Bedarf an Schutzmasken oder Desinfektionsmittel bevorratet, unterliegt einer Meldepflicht. Die Behörden dürfen dem Gesetzesentwurf zufolge außerdem „von jeder geeigneten Person die Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen“ verlangen. Voraussetzung ist die Einschätzung, dass dies „zur Bewältigung des Gesundheitsnotstands erforderlich ist“.

Wegen möglicher Ansteckungsgefahr nimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asylanträge „mit sofortiger Wirkung“ nur noch schriftlich entgegen. Der Personalrat der Behörde hatte entsprechende Maßnahmen gefordert.

Mehrere Bundesländer verbieten Versammlungen von Kleingruppen, darunter Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen. In vielen Allgemeinverfügungen sind Ausnahmen vorgesehen, in Niedersachsen sind Versammlungen hingegen grundsätzlich untersagt. Sachsen will mit harten Strafen gegen „Ansammlungen“ vorgehen. Zuwiderhandlungen würden mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren bedroht, bei Vorsatz und der Weitergabe von Krankheiten sogar bis zu fünf Jahren.

Söder am 20. März zu Ausgangssperre in Bayern.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verhängt als erstes Bundesland ab Mitternacht landesweite Ausgangssperren. Es gibt demnach nur sehr strenge Ausnahmen, darunter für den Weg zur Arbeit, Einkäufe oder Arztbesuche. Im Lauf des Tages folgt das Saarland. Auch dort darf die Wohnung nur mit einem „triftigen Grund“ verlassen werden, darunter „gemeinsame Spaziergänge etwa in der Familie“.

Auf Initiative von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) richten Nordrhein-Westfalen, die Niederlande und Belgien eine „Cross-Border Task Force Corona“ ein. Sie dient dem Austausch von Informationen und der Verabredung von Maßnahmen, sodass auf Grenzkontrollen verzichtet werden kann. Die Federführung liegt bei der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, beteiligt sind weitere Ministerien des Landes sowie von belgischer und niederländischer Seite jeweils die Außenministerien, Botschaften, die Polizei und „relevante Ministerien“. Zu den Teilnehmenden gehören außerdem das Bundesland Niedersachsen sowie die deutschen Botschaften in den Niederlanden und Belgien.

Martin Schelleis, Nationaler Territorialer Befehlshaber der Bundeswehr, richtet eine Videoansprache an alle Soldatinnen und Zivilist*innen der Truppe. Bisher sei im Militär vor allem „die Sanität gefordert“, außerdem die territoriale Führungsorganisation. Dabei werde es aber nicht bleiben.

Das Europarats-Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) veröffentlicht Leitlinien zur Behandlung von Gefangenen im Zusammenhang mit COVID-19. Schutzmaßnahmen dürften niemals zu unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von Personen führen, denen ihre Freiheit entzogen wurde. Gesichert werden sollte insbesondere das Recht auf eine angemessene persönliche Hygiene und das Recht auf täglichen Zugang zum Freien. Die Einschränkungen des Kontakts mit der Außenwelt müssten durch einen verstärkten Zugang zu alternativen Kommunikationsmitteln ausgeglichen werden, etwa Telefon oder Videotelefonie. Inhaftierte Personen sollten unter anderem zusätzliche psychologische Unterstützung erhalten. Im Falle der Isolierung oder Quarantäne einer inhaftierten Person sollte diese jeden Tag „sinnvollen menschlichen Kontakt haben“.

19. März

Durch die weltweite Schließung von Grenzen gibt es auch bei deutschen Auslandsvertretungen Einschränkungen in Bezug auf Familienzusammenführungen. So können etwa Angehörige nicht wie zugesagt Visa abholen oder wegen unterbrochener Transportwege nicht einreisen. Derzeit werden auch keine Vorsprachetermine vergeben. Dies gilt auch für europäische Dublin-Mitgliedsstaaten. Bereits eingeleitete Dublin III- Verfahren werden „eingefroren“.

Die Stadt Freiburg erlässt mit einem „Betretungsverbot für öffentliche Orte“ eine Ausgangssperre durch die Hintertür. Gemeint sind alle Orte, „an denen sich Menschen treffen und verweilen“. Erlaubt ist der Gang zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkauf von Lebensmitteln. Der Aufenthalt im Freien ist allein, zu zweit oder mit den Personen aus dem eigenen Haushalt gestattet.

Das Land Thüringen bittet offenbar die Bundeswehr, in der von der Polizei wegen Verstoß gegen Quarantänebestimmungen gestürmten Asylunterkunft in Suhl auszuhelfen. Zu den Gründen heißt es, private Sicherheitsdienste seien „eben auch im Moment nicht so verfügbar“. Laut einem Sprecher Landesregierung geht es aber nicht vorrangig um eine Bewachung, sondern um die „Sicherung der Versorgung für die rund 500 Bewohner, die in Quarantäne sind“. Wie über den Einsatz entschieden wurde, ist unklar.

Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) droht, die Polizei zur Überwachung von „asozialen Hamsterkäufen“ einzusetzen.

Das Bundesinnenministerium verschärft die Regelungen an den Landgrenzen zu Österreich, Frankreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz. Ab morgen ist der Grenzübertritt nur noch an bestimmten Übergängen möglich.

Die Zollbehörde Mönchengladbach beschlagnahmt beim US-Konzern 3M in Jüchen Atemschutzmasken, Schutzkleidung und „Masken für die Bevölkerung“. Diese sollten angeblich illegal in die USA und die Schweiz exportiert werden. Medizinische Schutzausrüstung unterliegt derzeit in Deutschland einer Exportbeschränkung.

Mehrere europäische Nichtregierungsorganisationen fordern in einem Appell an Strafvollzugsverwaltungen, die Verbreitung des Coronavirus für 1,5 Millionen Menschen in europäischen Gefängnissen zu verhindern und und dabei die Rechte der Häftlinge und ihrer Angehörigen zu achten. Der Aufruf richtet sich auch an die Weltgesundheitsorganisation und den Europarat. Die Organisationen sollen Druck auf die Regierungen ausüben, damit diese so bald wie möglich besondere Gesundheitsmaßnahmen ergreifen und die Zahl der Gefangenen deutlich reduzieren.

In fast allen Bundesländern sind Gefangenenbesuche für einige Wochen verboten oder wie Hamburg nur mit Trennscheibe möglich. Beratungs- und Betreuungsangebote sind häufig ausgesetzt. Im Saarland wurden Hafterleichterungen wie etwa Ausgänge wieder beschränkt oder eingestellt. Berlin erwägt, Insassen Skype-Telefonie zu ermöglichen.

Die niedersächsische Landesregierung hat das Abschiebegefängnis in Langenhagen bei Hannover bis auf Weiteres geschlossen. Alle Insassen sind seit heute entlassen.

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer am 19. März zum Einsatz der Bundeswehr.

Die Bundeswehr könnte zukünftig den Transport von Waren unterstützen. Näheres gab die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) heute auf einer Pressekonferenz bekannt. Nachdem bereits Reservist*innen aus dem Sanitätsdienst zum Einrücken aufgerufen wurden, könnte dies unter anderem für LKW-Fahrer*innen gelten.

Im heutigen Tagesbefehl appelliert Kramp-Karrenbauer an die „unschätzbaren Fähigkeiten“ der Reservist*innen und fordert diese auf, den „Gegner gemeinsam [zu] bekämpfen“. Die Bundeswehr helfe auch bei der „Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung“, wenn „nötig“.

18. März

Die Stadt Karlsruhe ergänzt die bestehende Landesverordnung zur Corona-Prävention um eine Allgemeinverfügung für das Sexgewerbe, die keine Zeitbegrenzung enthält. Prostitution und Sexkauf jeder Art wird bis auf Widerruf verboten.

Der Bundesinnenminister weitet die an fünf Landgrenzen geltenden Einreisebeschränkungen auf den innereuropäischen Luft- & Seeverkehr aus Italien, Spanien, Österreich, Frankreich, Luxemburg, Dänemark und die Schweiz aus. Zwischenlandungen sollen weiterhin möglich sein.

Pressekonferenz des Landkreis Tirschenreuth zur Ausgangssperre in Mitterteich am 18. März.

Die erste Ausgangssperre gilt ab heute in der ostbayerischen Kleinstadt Mitterteich. Bis zum 2. April hat das Landratsamt Tirschenreuth ein „Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund“ untersagt.

Das BMI weist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an, das Resettlement-Verfahren im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens und die Resettlement-Verfahren des Bundes zu stoppen. Gestern hatten auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen und die IOM ihre Resettlement-Verfahren offiziell ausgesetzt. Indes soll die Beantragung von Asyl zumindest vorläufig eine der Ausnahmen bei der Schließung der EU-Außengrenzen darstellen.

Das Land Baden-Württemberg hat laut einem Bericht der ZEIT bereits am Montag ein landesweites Besuchsverbot in allen Haftanstalten verhängt. Auch Thüringen setzt die geltenden Besuchsregelungen außer Kraft. In Nordrhein-Westfalen dürfen nur noch Anwält*innen, Polizei und Gutachter*innen zu den Häftlingen. In Brandenburg sollen Trennscheiben in den Besuchsräumen installiert werden. Bundesländer wie Brandenburg entlassen Gefangene, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen sollen, vorübergehend. Hamburg und Bremen wollen folgen.

Mit Wasserwerfer, Räumfahrzeug und SEK hat die Polizei einer Zeitung zufolge gestern in Suhl (Thüringen) eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge gestürmt und 17 Personen in eine Jugendarrestanstalt gebracht. Sie hätten sich „in grober Weise den getroffenen Quarantäneanordnungen widersetzt“. Die Anordnung zum Einsatz erfolgte durch das Gesundheitsamt, die behelmten Beamt*innen trugen dabei weiße Schutzanzüge, Nase-Mund-Masken und Schutzbrillen.

Die Deutsche Telekom gibt „in anonymisierter Form“ Mobilfunkdaten ihrer Kund*innen an das RKI. Damit sollen sich Bewegungsströme modellieren lassen, ein Tracking sei nicht möglich. Die Daten würden „auf die Kreis-Gemeinde-Ebene heruntergebrochen“. Die Telekom übermittelt die Daten auf eigene Kosten.

Die „Aussteigerkarten“, die Passagiere von Beförderungsgesellschaften auf Anordnung der Bundespolizei ausfüllen mussten, werden in weiten Teilen nicht verarbeitet. Allein am Frankfurter Flughafen stapeln sich 280.000 ungenutzte Karten. Trotzdem sollen sie nach Datum und Flugnummer sortiert werden.

Die Bundeswehr soll das Notkrankenhaus, das der Berliner Senat mit bis zu 1.000 Betten auf dem Messegelände errichtet, mit Personal beim Aufbau und möglicherweise auch bei der Organisation unterstützen. Ein Antrag auf Amtshilfe ist offenbar noch nicht eingegangen.

Das Bundesministerium der Verteidigung richtet ein „Lagezentrum CORONA“ ein, das unter Leitung der Abteilung „Strategie und Einsatz“ ein Lagebild erstellt und alle Maßnahmen koordiniert. Laut dem gestrigen Tagesbefehl des Generalinspekteurs der Bundeswehr hat die Bundeswehr hierfür einen Maßnahmenkatalog für die Kategorien „Schutz“ und „Reaktion“ festgelegt.

17. März

Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern verschärfen die Verordnungen zum Tourismus: Dieser wird gänzlich untersagt. Alle bereits anwesenden Tourist*innen, inklusive solcher mit Zweitwohnsitz im Bundesland, müssen die Bundesländer bis Donnerstag verlassen.

Das Recht, einen Asylantrag zu stellen, ist in Deutschland eingeschränkt. Möglich ist dies nur noch, wenn Antragssteller*innen negativ auf das neue Coronavirus getestet wurden oder eine 14-tägige Quarantäne nachweisen können.

Die Internationale Organisation für Migration und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen setzen das Resettlement-Verfahren zur Notfallaufnahme von Flüchtlingen weltweit aus. Zuvor hatten bereits einzelne Staaten das Programm wegen der Gesundheitssituation gestoppt.

Im Zuge der deutsch-polnischen Grenzschließung wird auch die Stadtbrücke der Europastadt Görlitz/ Zgorzelec mit Bauzäunen verkettet und komplett gesperrt.

Gemäß einer Einigung der Regierungen aller EU-Mitgliedstaaten ordnet Bundesinnenminister Horst Seehofer Einreisebeschränkungen für alle Nicht-EU-Bürger*innen an. Drittstaatsangehörige dürfen nur noch „unter engen Voraussetzungen einreisen“. Die Regelung auf Grundlage von Artikel 14 i.V.m. Artikel 6 des Schengener Grenzkodexes gilt ab sofort bis zum 14. April und betrifft den internationalen Luft- und Seeverkehr, wenn Verbindungen ihren Ausgangspunkt außerhalb der Europäischen Union haben. Bislang erfolgten solche Kontrollen nur an Binnengrenzen mit Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark.
Nur fünf Länder des Schengen-Raums (Belgien, Island, Schweden, Liechtenstein und Luxemburg) haben keine Maßnahmen zur Schließung ihrer EU-Binnengrenzen angekündigt. 21 Schengen-Staaten kontrollieren ihre Grenzen und verbieten mindestens aus einigen Nachbarländern die Einreise von Ausländer*innen.

Die Polizei in Berlin leitet gegen Lokalitäten, die nicht wie vorgeschrieben geschlossenen haben, 22 Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz ein.

In Bayern sollen neu eingetroffene Schutzmasken unter Polizeischutz an Krankenhäuser verteilt werden, um Diebstähle zu verhindern.

RKI-Präsident Wieler am 17. März zur möglichen Nutzung der Standortdaten von Mobiltelefonen.

Das Robert-Koch-Institut sucht weiterhin nach Möglichkeiten, mithilfe von Standortdaten der Mobiltelefone von Infizierten deren Kontaktpersonen zu ermitteln. Ähnliche Pläne hatte das RKI einem Medienbericht zufolge bereits mit dem Heinrich-Hertz-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft verfolgt. Laut dessen Präsidenten Lothar Wieler arbeiten 25 Mitarbeiter*innen aus zwölf verschiedenen Institutionen ehrenamtlich an dem Projekt. Die Maßnahme sei „technisch möglich und auch datenschutzrechtlich möglich“. Mobilfunkbetreiber und Datenschützer*innen nennen dies „Unfug“ oder „illegal“.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius fordert Bußgelder oder Strafandrohungen für die Verbreitung von Falschnachrichten zur Coronakrise. Diese könnten „Panik, Hamsterkäufe und Konflikte auslösen“.

Die Onlineplattformen Facebook, Google, YouTube, Twitter, Reddit, Microsoft und LinkedIn kündigen an, Falschinformationen und Betrugsversuche rund um die Coronavirus-Ausbreitung bekämpfen zu wollen.

Auch beim Bundesverfassungsgericht, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgerichtshof werden Verhandlungen wegen der Corona-Krise verschoben. Einzelne Bundesländer wie Schleswig-Holstein haben den Zugang zu Gerichten beschränkt oder einen „Notbetrieb“ eingerichtet und bitten um schriftliche Anträge oder telefonische Anfragen. Ob ein Termin durchgeführt wird oder nicht, entscheiden wegen der richterlichen Unabhängigkeit die zuständigen Richter*innen. Der Republikanische Anwaltsverein (RAV) fordert, „Gerichtstermine die sich rechtskonform verschieben lassen, sofort aufzuheben“ und Fristen für Stellungnahmen in Gerichts- und Verwaltungsverfahren zu verlängern.

Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) arbeitet mit den Beschaffungsämtern des Bundesfinanz- und des Bundesinnenministeriums zusammen und hat bis heute „33 Verträge mit einem Volumen von etwa 224 Millionen Euro für medizinisches Material vergeben“. Der Großteil soll bis Ende März geliefert werden, ein Teil von rund 300.000 Schutzmasken und Schutzbrillen wird für die Bundespolizei, verwendet. Elf Verträge über 113 Millionen Euro hat die Generalzolldirektion, die als Beschaffungsamt des Bundesfinanzministeriums fungiert, beigesteuert. Laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums handele es sich um eine „schwierige Materiallage“.

Auch Halle ruft den Katastrophenfall aus.

Der französische Staatspräsident am 16. März über Krieg und Schengen-Kontrollen gegen das Corona-Virus.

16. März

Als „Hüterin der Verträge“ wollte die EU-Kommission Reisesperren an den Grenzen im Schengenraum eigentlich verhindern, auch da sie aus ihrer Sicht kein zweckmäßiges Mittel gegen die Ausbreitung des Virus darstellten. Nachdem sich jedoch zwölf Mitgliedstaaten sowie Norwegen und die Schweiz für Sperren entschieden, hat die Kommission einheitliche „Leitlinien für Maßnahmen des Grenzmanagements zum Gesundheitsschutz und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Gütern und wichtigen Diensten“ erlassen. Dort wird auf die Regelungen des Schengener Grenzkodexes, die Sicherstellung des notwendigen Transits von EU-Staatsangehörigen und von Lieferketten verwiesen. Am 23. März 2020 hat die Kommission die Leitlinien durch „praktische Hinweise zur Umsetzung“ für sogenannte grüne Spuren ergänzt. Für den Gütertransport sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Grenzkontrollen und Gesundheitsprüfungen höchstens 15 Minuten dauern.

Ab 12.00 Uhr Mittag des kommenden Tages sollen alle Außengrenzen des Schengenraums, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, für 30 Tage geschlossen werden, kündigt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron an. Man befinde sich „im Krieg“ gegen das Virus. Ausnahmen gelten für Pendler*innen, Bürger*innen mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung und deren Angehörige, Diplomat*innen, Ärzt*innen, Krankenpfleger*innen und Forscher*innen sowie für den Transport wichtiger Güter. Einzelheiten hat die EU-Kommission in „Leitlinien zum Grenzmanagement“ festgehalten.

Einzelne Bundesländer bereiten „Notfallpläne“ für Gefängnisse vor. Hygienevorschriften werden verschärft, Betten in Justizkrankenhäusern freigeräumt und weitere Mitarbeiter*innen rekrutiert, um womöglich erkranktes Justizpersonal zu ersetzen. Nachdem ein Inhaftierter in Braunschweig Corona-Symptome zeigte, habe die Haftanstalt einen „Generaleinschluss“ für alle Gefangenen verfügt, der nach zwei Stunden aufgehoben wurde. Berlin, Niedersachsen und Baden-Württemberg setzen Ersatzfreiheitsstrafen aus. Die Justizministerien in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Berlin wollen Gerichtsprozesse „auf ein Minimum“ reduzieren.

Die Bundesregierung und die Bundesländer einigen sich auf die einheitliche Schließung zahlreicher Geschäfte und Einrichtungen, darunter Gaststätten, Theater, Museen, Messen, Ausstellungen, Kinos, Freizeit- und Tierparks, Spielhallen. Einzelheiten wurden in „Leitlinien zum Kampf gegen die Corona-Epidemie“ in Meseberg vereinbart. Ausgenommen sind Supermärkte, Einzelhandelsbetriebe für Lebens- und Futtermittel, Wochenmärkte, Lieferdienste, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Waschsalons, Tierbedarf, Baumärkte und der Großhandel. Sonntagsverkaufsverbote für diese Läden sollen „bis auf Weiteres grundsätzlich ausgesetzt“ werden. Restaurants sollen spätestens um 18 Uhr schließen und frühestens um 6 Uhr öffnen. Auch Gottesdienste „Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen“ und anderen Glaubensgemeinschaften sowie Treffen in Vereinen sind verboten. Geschlossen bleiben sollen außerdem öffentliche und private Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbäder sowie Fitnessstudios und Spielplätze. Das Verbot betrifft auch Busreisen. Besuche in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehaeinrichtungen sowie Pflegeheimen werden auf einmal am Tag für eine Stunde beschränkt, Kinder unter 16 Jahre dürfen gar keine Besuche vornehmen. Ein generelles „Betretungsverbot“ gilt in noch offenen Universitäten, Schulen und Kindergärten für Menschen, die sich in Risikogebieten im Ausland oder besonders betroffenen Regionen im Inland aufhielten.

Medienberichten zufolge diskutieren die Fraktionen im Bundestag „in kleiner Runde“ Möglichkeiten einer Grundgesetzänderung. Damit soll die Handlungsfähigkeit des Parlaments im Notfall erhalten bleiben. Dies ist derzeit nur im Verteidigungsfall möglich, dann tritt nach Artikel 53a Grundgesetz ein Gemeinsamer Ausschuss von Bundestag und Bundesrat mit 48 Mitgliedern zusammen.

Die unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder erhalten vermehrt Anfragen von Arbeitgeber*innen zur Frage, ob und wie personenbezogene Daten von Mitarbeiter*innen sowie Gästen verarbeitet werden können. Eine Berechtigung zur Datenerhebung ergebe sich aus dem Infektionsschutzgesetz, der Datenschutzgrundverordnung sowie Bundes- und Landesdatenschutzgesetzen in Verbindung mit der Fürsorgepflicht von Arbeitgeber*innen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse beachtet werden.

Die operative Eindämmung von COVID-19 liegt in der Zuständigkeit der Länder, die hierfür nach den Landesgesetzen den Katastrophenfall ausrufen können. Auf Bundesebene übernimmt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) im Bereich des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes die Beratung und Erarbeitung von Leitfäden und Vorsorgemaßnahmen sowie die Stärkung der „Ausfallsicherheit“.
Das Technische Hilfswerk ist die ehrenamtliche Einsatzorganisation des Bundes mit rund 80.000 Freiwilligen, davon die Hälfte Einsatzkräfte, in 668 Ortsverbänden. Anfangs übernimmt das THW die Bereitstellung von Strom und Beleuchtung für Grenzkontrollen und „Drive-In Abstrichplätzen“, den Aufbau von Zelten und der Transport von Proben sowie die Verteilung von Schutzausrüstung.

Weil Infektionsketten nicht mehr nachvollzogen werden könnten, ruft Bayern als erstes Bundesland den Katastrophenfall aus. Möglich ist dadurch etwa die Einbindung der Bundeswehr in die Krisenpläne. Das bayerische Innenministerium ist nun als oberste Katastrophenschutzbehörde gegenüber Feuerwehr und Hilfsorganisationen sowie Behörden, Gemeinden oder Landkreisen gemäß § 7 KatSchutzG weisungsbefugt. Es ist der erste Katastrophenfall, der landesweit gilt.

Als erstes deutsches Gericht erklärt das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart die Absage einer Veranstaltung wegen des Coronavirus für rechtmäßig. Das Verbot eines Late-Night-Shoppings der Stadt Wertheim sei wegen „außergewöhnlich hohen Besucherzahlen“ rechtmäßig.

An Flughäfen wie Berlin-Tegel oder Frankfurt wird das Nachtflugverbot für internationale Flüge aufgehoben, sodass Urlauber*innen weiterhin schnell nach Deutschland zurückgeflogen werden können.

Tweet von von der Leyen zu Leitlinien für Schengen-Einreisesperren am 16. März.

Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlägt in einer Videobotschaft vor, „nicht notwendige Reisen“ in die EU für zunächst 30 Tage zu verbieten. Der freie Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt soll hingegen mit neuen Leitlinien sichergestellt werden. Ausnahmen könnten gelten für Ausländer*innen, die schon lange in der EU leben, außerdem für Familienmitglieder von EU-Staatsangehörigen sowie Diplomat*innen. Der Vorschlag wird zwei Tage später offiziell veröffentlicht.

15. März

Die EU-Kommission erlässt eine sofort gültige Durchführungsverordnung (EU) 2020/402 über die „Einführung der Verpflichtung zur Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung bei der Ausfuhr bestimmter Produkte“. Für sechs Wochen dürfen aus den Mitgliedstaaten keine Schutzbrillen und Visiere, Gesichtsschutzschilde, Mund-Nasen-Schutzausrüstung, Schutzkleidung und Handschuhe in Drittstaaten exportiert werden.

Die Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen verständigen sich darauf, die Inseln in der Nord- und Ostsee für Tourist*innen zu sperren. Damit wollen sie die Kapazitäten der medizinischen Versorgung für die Bewohner*innen sichern. In Schleswig-Holstein gilt das Verbot schon ab dem Folgetag.

Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Thomas Silberhorn (CSU) erklärt in einem Interview, dass die Bundeswehr ihre Kapazitäten für Intensivpflege (genannt werden Betten, Beatmungsgeräte, Personal) erweitern will.

Das Verteidigungsministerium ruft Reservist*innen zur Unterstützung „in Bundeswehrkrankenhäusern und der Sanität“ auf. Das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr hat hierfür „aufgrund der zahlreichen Anrufe“ weitere Rufnummern geschaltet.

Die Landesregierungen in Hessen und Berlin verbieten Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmer*innen. In Hessen greift das Versammlungsverbot bis zum 19. April ab 100 Personen, in Berlin ab 50 Personen. In der Hauptstadt müssen mit sofortiger Wirkung auch Raucher*innenkneipen, Kinos und Sporteinrichtungen schließen. Das Land Berlin bereite sich nicht auf eine Abriegelung vor, für den Katastrophenfall spiele man diese Variante aber durch, hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) laut dem RBB Ende Februar bestätigt.

Pressekonferenz zu Kontrollen der Binnengrenzen am 15. März in Berlin.

Die Bundesregierung kündigt Kontrollen beim Überqueren der Binnengrenzen mit Frankreich, Dänemark, Luxemburg Österreich und der Schweiz an. Grenzübertritte sollen nur noch an offiziellen Übergängen erfolgen, Kontrollen würden von Bundespolizei und Landespolizeien vorgenommen. Ausländische Reisende „ohne triftigen Grund“ dürfen demnach nicht mehr nach Deutschland einreisen, der Warenverkehr und Berufspendler*innen sind nach Angaben der Bundespolizei nicht betroffen. Die Maßnahmen sollen am Folgetag um 8.00 Uhr in Kraft treten. Wer über Schleichwege einreist, könnte von der Bundespolizei mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro belegt werden. Das Deutsche Rote Kreuz soll außerdem bei Einreisenden die Temperatur messen.

13. März

Ab Montag bleiben die Schulen in Bayern geschlossen, außerdem kündigt die Landesregierung ein Besuchsverbot in Alten- und Pflegeheimen an.

Auf Anweisung des Bundesinnenministeriums sollen Polizist*innen in Schutzmasken und Handschuhen bei Kontrollen der Binnengrenzen in Süddeutschland „verstärkt auf Reisende mit grippeähnlichen Symptomen“ achten. Bereits in den Tagen zuvor sollte die Bundespolizei in Amtshilfe für die Landespolizei „stichprobenartig Fieberkontrollen durchzuführen“.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Baden-Württemberg regt an, die Nennung des Namens betroffener Mitarbeiter*innen grundsätzlich zu vermeiden, da dies zu einer Stigmatisierung führen könnte.

Der von der Ausbreitung des Coronavirus besonders betroffene Kreis Heinsberg bittet als erste Kommune die Bundeswehr um Amtshilfe. Soldat*innen sollen Laborkapazitäten für Tests bereitstellen. Die Anfrage wird geprüft.

12. März

Der Inlandseinsatz der Bundeswehr ist seit den „Notstandsgesetzen“ von 1968 möglich. Die Amtshilfe kann nach Artikel 35 GG erfolgen, der die technische und logistische Unterstützung für die „Katastrophenhilfe“ bestimmt. Wird die Bundeswehr für die Polizei tätig, dürfte sie nach Auslegung der Wissenschaftlichen Dienste im Bundestag auch hoheitliche Maßnahmen übernehmen, „jedoch nur solche, die auch die Polizei zulässigerweise durchführen dürfte“. 2012 urteilte das Verfassungsgericht mit 15 zu einer Stimme, dass die Bundeswehr im Katastrophennotstand (Art. 35 Abs. 2 und 3 GG) auch militärische Waffen einsetzen könnte.
Nach Artikel 87 („Innerer Notstand“) kann die Bundeswehr außerdem „im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle“ oder zur „Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes“ eingesetzt werden, außerdem zur „Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer“. Der Einsatz muss beendet werden, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.

Die Bundeswehr will zivile Gesundheitsbehörden im Rahmen von Amtshilfe nach Artikel 35 Grundgesetz unterstützen. Dies betrifft die Bereitstellung von Laborkapazitäten, medizinischer Schutzausrüstung wie Masken und Kitteln sowie Unterstützung mit medizinischem Fachpersonal. Amtshilfeersuchen werden über Landeskommandos an das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin weitergeleitet und dort entschieden.

Die Landesregierung in Sachsen verfügt ein Verbot von Versammlungen über 100 Teilnehmer*innen. Einzelne Städte und Kommunen erlassen ähnliche Regelungen.

Nach einer Bitte des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) an die Bundespolizei werden an der Grenze zu Frankreich, wie vom Krisenstab beschlossen, zunächst „schärfere Kontrollen“ durchgeführt. Die Grenzpolizei führt hierzu Thermometer mit.

Noch bevor der Bundesinnenminister offizielle Grenzkontrollen zu Nachbarländern verhängt, fordert der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU), im deutsch-luxemburgischen und im deutsch-französischen Grenzgebiet die Schlagbäume zu senken. Zur Begründung sagte Bouillon im saarländischen Rundfunk: „Zunächst einmal geht es darum, dass die Franzosen wissen, wenn sie kommen, sie werden überprüft“. An den Werkstoren vieler Unternehmen im Grenzgebiet sei es daraufhin „zu unschönen Szenen gekommen“, nachdem Grenzgänger*innen der Einlass verwehrt wurde, während Deutsche ungehindert weiterarbeiten konnten. Auch viele Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser und Supermärkte sind auf die Pendler*innen angewiesen.

In Hamburg können nach einer Allgemeinverfügung bis 30. April keine Veranstaltungen und Versammlungen mehr über 1.000 Personen angemeldet werden, auch Veranstaltungen im Großen Saal der Elbphilharmonie sind verboten.

10. März

Der Krisenstab von BMI und BMG kündigt an, dass die Bundespolizei ihre Kontrollen „insbesondere an den Südgrenzen noch einmal intensivieren“ wird. Außerdem wird die „Dringlichkeit der Beschaffung von intensivmedizinischen Kapazitäten“ festgestellt. Um die „Kernfunktionen der Bundesregierung“ nicht zu gefährden, empfiehlt der Kristenstab die Absage von Besuchergruppen für alle Ressorts und deren nachgeordneten Behörden.

8. März

Der Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfiehlt, Events mit mehr als 1.000 Menschen abzusagen. Einige Bundesländer beginnen daraufhin mit der Umsetzung.

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.