Polizeiproblem 9/2023

Ermittlungen gegen Polizist*innen:

1. September: Das Innenministerium in Niedersachsen hat Disziplinarverfahren gegen zwei Polizeibeamte eingeleitet. Sie stehen laut dem NDR im Verdacht, zum Unterstützerkreis der Reichsbürger-Führungsriege um „Prinz Reuß“ gehört zu haben. In einem Fall soll es sich um einen Polizeioberkommissar im Ruhestand handeln, dessen Bezüge bereits um 30 Prozent gekürzt wurden. Dieser sei zuletzt bei der Polizeidirektion Göttingen beschäftigt gewesen und habe in früheren Jahren auch einer Spezialeinheit angehört. Der weitere Mann sei ein Kriminalhauptkommissar, der zuletzt längere Zeit krank und im Landeskriminalamt in der Abteilung Staatsschutz beschäftigt war: In der Dienststelle, die sich zentral auch mit Ermittlungen gegen Reichsbürger beschäftige.

1. September: Der Komplize des Berliner Polizisten, der im Juli auf der Stadtautobahn mithilfe seiner Dienstausrüstung einen Autofahrer gestoppt und 57.000 Euro geraubt hat, ist gefasst. Der Mann ist ein Berliner Hauptkommissar. Der ebenfalls 48 Jahre alte Mann soll bis zum vergangenen Jahr in der Gruppe AGIA (Arbeitsgebiet interkulturelle Aufgaben) tätig gewesen sein. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung wurde der Verdächtige wieder entlassen.

4. September: Ein Berliner Polizeianwärter soll sich während eines Konzerts des Rappers „Shindy“ in Friedrichshain Zutritt zum Backstage-Bereich verschafft haben. Laut Angaben der Polizei soll der Auszubildende in seiner Freizeit in der Veranstaltungshalle am Mercedes-Platz bei einem Sicherheitsdienstmitarbeiter seinen Dienstausweis vorgezeigt haben und so hinter die Bühne gelangt sein. Kurz darauf soll er dann versucht haben, einen Begleiter von ihm in den Backstage-Bereich zu holen, indem er vorgab, dass dieser ebenfalls Polizist sei. Ein Fachkommissariat des LKA ermittelt wegen des Verdachts der Amtsanmaßung.

6. September: Die Polizei in Mannheim hat eine straf- und disziplinarrechtliche Bewertung zum Fall einer Polizistin eingeleitet, die bei einem Protest der Letzten Generation Öl auf eine Demonstrantin geschüttet hatte. Auf „X“ berichteten Aktivistinnen von weiteren Schikanen und Misshandlungen durch dieselbe Polizistin im Gewahrsam. Diese Berichte flössen in die Bewertung des Sachverhaltes mit ein, schreibt die Polizei. Das von der Letzten Generation an die Polizei unterbreitete Gesprächsangebot könne „aufgrund der damit verbundenen Beeinflussung der laufenden Ermittlungen nicht angenommen werden“.

15. September: Die Thüringer Polizei führt wegen eines schwerwiegenden Vorwurfs 32 Ermittlungsverfahren gegen ihre Beamt*innen, die Dienstgeheimnisse verraten haben sollen. Diese arbeiten bei unterschiedlichen Dienststellen der Landespolizei. Nach Paragraf 353b des Strafgesetzbuches drohen denen, die dieser Straftat überführt werden, bis zu fünf Jahre Haft.

24. September: Die Berliner Polizei ermittelt nach Angaben des Tagespiegels gegen Beamte, die gegen einen angeblich säumigen Uber-Kunden übermäßig Gewalt angewendet haben, obwohl dieser seine Fahrt offensichtlich digital bezahlt hatte. Dem Mann wurden Handschellen angelegt, seiner Anwältin und Umstehenden das Filmen des Einsatzes untersagt, dabei sollen die Polizisten auch aggressiv geworden sein.

24. September: Die drei Polizisten und die Polizistin, die den Idsteiner Unternehmer Liam Conway vor drei Jahren gewaltsam zu Boden gebracht und diesen verletzt hatten, bleiben bislang straffrei. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat nach Informationen der Frankfurter Rundschau nun auch Ermittlungen gegen den letzten der Beamten, die wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt und Freiheitsberaubung eingeleitet worden waren, eingestellt. Die Ermittlungen gegen zwei weitere beteiligte Beamte und eine Beamtin wurden bereits Ende vergangenen Jahres eingestellt. Conway legt dem Bericht zufolge Beschwerde gegen die Einstellung ein.

24. September: Im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen rassistischer, antisemitischer und behindertenfeindlicher Posts in Chatgruppen hat der Innenminister in Rheinland-Pfalz die disziplinarrechtlichen Möglichkeiten bei 49 Polizeibeamten und -beamtinnen geprüft. Fünf von ihnen werden demnach strafrechtlich verfolgt, berichtet dpa, die übrigen 44 seien passiv an den ausgewerteten Chatgruppen beteiligt gewesen. Das berichtete der SPD-Politiker im Innenausschuss des Landtags. Derzeit liefen noch elf Disziplinarverfahren. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte insgesamt gegen zwölf bei der Polizei Beschäftigte strafrechtlich ermittelt. Sieben dieser Verfahren seien eingestellt worden. Gegen einen ehemaligen Studenten der Hochschule und einen Landespolizeibeamten sei beim Jugendgericht Montabaur Anklage erhoben worden.

27. September: Acht Polizisten aus Sachsen sind im ersten Halbjahr dieses Jahres unter Extremismusverdacht geraten, berichten dpa und MDR unter Berufung auf den Innenminister. Dabei gehe es um Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus sowie um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Sechs der Fälle seien aus Beiträgen oder Äußerungen in sozialen Medien hervorgegangen, unter diesen seien auch drei Polizeianwärter. Sachsens Koordinierungsstelle für Extremismusprävention und -bekämpfung hat seit Januar 2017 Fälle mit extremistischem Bezug im öffentlichen Dienst erfasst, dazu wurden 79 Prüffälle mit 74 Personen eingeleitet. 47 dieser Verfahren seien abgeschlossen, daraus folgten sieben Entlassungen sowie weitere Maßnahmen.

27. September: Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Polizeibeamten, der Dienstgeheimnisse an rechtsextreme Kreise verraten haben soll. Der Mann war Mitglied der operativen Gruppe „Rex“ (OG Rex). Laut den Behörden wurde neben der Wohnung des Beschuldigten und dessen Arbeitsplatz auch die Wohnung von zwei Zeugen durchsucht. Die Ermittlergruppe hatte sich unter anderem mit dem sogenannten „Neukölln-Komplex“ befasst, einer rechtsextremen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln. Dazu zählt das Berliner Landeskriminalamt mindestens 14 Brandstiftungen und 35 Sachbeschädigungen.

Anklage gegen Polizist*innen:

4. September: In Berlin beginnt der Prozess gegen drei Polizisten wegen Vorfällen von 2016. Ein 47-Jähriger soll während seines Streifendienstes in einem U-Bahnhof einen polizeibekannten Drogendealer dabei beobachtet haben, wie dieser Betäubungsmittel verkaufte, leitete aber keine Ermittlungen gegen diesen ein, dies wird als Strafvereitelung im Amt verfolgt. Die beiden anderen Polizisten sollen am selben U-Bahnhof zwei Männer beobachtet haben, wie sie Heroin verkauften und diese anschließend gefesselt, geschlagen und getreten haben. Die Anklage lautet auf Körperverletzung im Amt. Später sollen sie zwei ihnen bekannte Drogenhändler bezüglich der bevorstehenden Durchsuchung eines Spätkaufs gewarnt haben, deshalb verhandelt das Gericht wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Einer der Beamten soll selbst drei Portionen Heroin in seinem Spind gelagert haben. Alle nun Angeklagten sind seit 2017 suspendiert.

14. September: Die Staatsanwaltschaft in Essen ermittelt im Zusammenhang mit rechtsextremen Beiträgen in Chatgruppen gegen inzwischen acht Polizisten. Die Untersuchungen richten sich gegen Beschuldigte, „die Polizeibeamte oder Anwärter sind beziehungsweise zur Tatzeit waren“. Anfang August war gegen zunächst fünf junge Polizisten ermittelt worden. Sie waren unter Verdacht geraten, während ihrer Ausbildung in Chats Nazisymbole ausgetauscht zu haben. Die fünf Beamten wurden nach damaligen Angaben der Essener Staatsanwaltschaft auch verdächtigt, ein Video zu besitzen, das in den Bereich der Kinderpornografie falle.

Urteile gegen Polizist*innen

14. September: Das Verwaltungsgericht Hannover hat die Entfernung eines Bundespolizisten aus dem Dienst bestätigt. In dem seit 2020 laufenden Disziplinarverfahren waren dem 34-jährigen rechtsextremistische und antisemitische Äußerungen in Chatgruppen vorgehalten worden. Außerdem hatten die Ermittlungen ergeben, dass er auf einer Norwegenreise in strafbarer Weise Wrackteile von abgeschossenen Wehrmachtsflugzeugen bergen wollte. Gegen die Entscheidung ist Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht möglich.

18. Dezember: Der Polizist und mutmaßliche „Reichsbürger“ aus Niedersachsen, der bei einer „Querdenker“-Demonstration in Dresden einen Hitlergruß gezeigt hat, wurde in seinem berufungsverfahren vor dem Landgericht Dresden freigesprochen. Angesichts der auf ihn zukommenden Verurteilung in einem anderen Verfahren wegen Verschwörung zum politischen Umsturz falle die Strafe nicht besonders ins Gewicht, heißt es zur Begründung. Auch ein Berufssoldat aus Nordrhein-Westfalen hatte dort öffentlich den Hitlergruß gezeigt und war dafür verurteilt worden. Sein Verfahren wird gegen Geldauflage von 800 Euro eingestellt.

Polizei und Pressefreiheit:

12. September: Am 22. August hatte die Polizei in Dortmund zwei Reporter verhaftet, nachdem drei Abende in Folge unweit einer Unterkunft für Geflüchtete Autos angezündet worden waren. Die Beiden wollten dokumentieren, ob auch in dieser Nacht die Brandserie fortgesetzt und wie die Polizei vor Ort agieren würde. Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung, dem stundenlangen Gewahrsam, der Bestätigung, dass es sich um polizeibekannte Journalisten handelt und sie im dienstlichen Auftrag unterwegs waren – wurden Durchsuchungsbeschlüsse beantragt. Handys, Computer, Kameras und Datenträger wurden beschlagnahmt. Nach 16 Stunden wurden die Reporter aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

Beitragsbild: Letzte Generation.

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.